Kulturelle Bildung als Bildung für nachhaltige Entwicklung? Impulse für die Verbindung zweier normativer Ansätze und Praxen

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von Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss

Erscheinungsjahr: 2020

Abstract

Der folgende Beitrag hat zum Ziel zu verdeutlichen, worin der theoretische Kern der Ansätze Kultureller Bildung und einer Bildung für nachhaltige Entwicklung zu Beginn des 21. Jahrhundert liegt. Gerade da in der Praxis die Grenzen zwischen Kultureller Bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung oft fließend sind, ist es vor allem für Vermittler*innen bedeutsam, die Potentiale, aber auch Begrenzungen der jeweiligen Ansätze zu kennen, um beides reflektiert so zu verschränken, dass die Verbindung der Konzepte fruchtbare Bildungsprozesse und damit Transformationen ermöglicht. So kann ein besonderer pädagogisch-ästhetischer Möglichkeitsraum aus der Verbindung von Kultureller Bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung entstehen.
Am Ende dieses Textes ist ein PDF hinterlegt, welches die Folien eines Vortrags der Autorin zu „KuBi und BNE im Museum", vorgetragen beim Bundesverband Museumspädagogik im November 2021, präsentiert.

Kulturelle Bildung (KuBi)

Seit der Jahrtausendwende ist die Diskussion um Kulturelle Bildung verstärkt in der Zivilgesellschaft, aber auch in Bildungs- und Kulturpolitik angekommen. Das ändert nichts daran, dass die Konzepte und ästhetischen Praxen Kultureller Bildung weit auseinanderklaffen und das Verständnis dessen, was als Kulturelle Bildung angesehen werden kann, selbst unter Fachleuten sehr divergent ausfällt. Daher soll im Folgenden eine Definition gegeben werden, die nicht als allgemeingültig angesehen werden kann, es aber ermöglicht, die Verbindungsstellen und Unterschiede Kultureller Bildung (KuBi) und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) deutlicher herauszuarbeiten – das Ziel dieses Beitrages. „Kulturelle Bildung ist produktive und rezeptive Allgemeinbildung in den Künsten, die – ausgehend von einem Selbstbildungsprozess – auf kritische Reflexionsfähigkeit, Erfahrungen von Selbstwirksamkeit und damit Teilhabeprozesse zielt.“ (vgl. Reinwand-Weiss 2012/13) Das heißt, KuBi in den Künsten zielt einerseits auf Fähigkeiten und Fertigkeiten in unterschiedlichsten ästhetischen Praxen (Bildende Kunst, darstellende Künste, Musik, Literatur, Games, Architektur, Zirkus etc.) ab und vermittelt sich durch die Beschäftigung mit verschiedenen ästhetischen Praxen; andererseits wird deutlich, dass Kulturelle Bildung durch die Künste Wahrnehmungs- und Gestaltungsfähigkeiten des Subjektes beeinflusst und damit eine bedeutsame Grundlage bildet für Selbstreflexions-, Selbstwirksamkeits- und Teilhabeprozesse. Das primäre Ziel ist aber zunächst die Ausbildung von ästhetischen Grundkompetenzen, die zu einer umfassenden Allgemeinbildung dazugehören und damit auch notwendiger Bestandteil schulischer Curricula sind – unabhängig von allen extradisziplinären Wirkbehauptungen.

Die nachfolgenden Abbildungen mögen helfen – wenn auch verkürzt angesichts der Komplexität des Handlungsfeldes – zum Konzeptverständnis Kultureller Bildung zwischen Kultur(en), Künsten und Bildung beizutragen. Zugleich machen sie Schnittstellen sichtbar zwischen KuBi und BNE.

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Alle Abb. v. d. Autorin, veröff. in: Stiftung Nantesbuch (2020)

 

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)

Nachhaltiges menschliches Handeln und damit eine nachhaltige Entwicklung beziehen sich in den aktuellen Diskussionen mindestens auf ökologische, ökonomische und soziale Prozesse. Immer stärker wird auch diskutiert, dass die kulturelle Dimension einen wesentlichen Aspekt vor allem in einer Bildung für nachhaltige Entwicklung spielen muss. Auf der Seite des UNESCO-Weltaktionsprogramms: Bildung für nachhaltige Entwicklung heißt es: „Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft, würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. Zur Definition heißt es: „BNE ermöglicht es allen Menschen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. […] BNE befähigt Menschen zu einem zukunftsfähigen Denken und Handeln.“

Anhand dieser zentralen Beschreibung des Konzeptes einer BNE wird deutlich, dass BNE vom Ziel her definiert werden kann, damit jedoch wenig darüber ausgesagt wird, mit welchen Inhalten und Methoden eine BNE arbeitet. Während BNE also ein klares Bildungsziel vor Augen hat – nämlich ein zukunftsfähiges Denken und Handeln aller Menschen –, geht KuBi zunächst in der Theorie nicht von einem normativ definierten Bildungsziel aus. Sinn Kultureller Bildung ist die rezeptive und produktive Beschäftigung mit den Künsten und ästhetischen Praxen. Das heißt jedoch nicht, dass der Begriff Kultureller Bildung wie er heute meist angewandt wird, gänzlich frei sei von normativen Zielsetzungen. Vor allem im oben skizzierten Verständnis einer Kulturellen Bildung durch die Künste wird einsichtig, dass Bildungserwartungen wie eine Intensivierung der Selbstreflexion, Selbstwirksamkeitserfahrungen und damit Wahrnehmungs- und Gestaltungs- sowie Teilhabeprozesse in vielen Konzepten Kultureller Bildung intendiert sind. Die enttäuschende Wahrheit ist jedoch: Man kann einen Bildungsprozess von außen überhaupt nicht intentional steuern. Den Vermittler*innen bleibt also nur, ein Umfeld zu schaffen sowie Anlässe und Anregungen, um Bildung (für nachhaltige Entwicklung) zu ermöglichen.

KuBi und BNE

In diesen Wirkpotentialen Kultureller Bildung ist die Verbindung zur BNE angelegt, auch wenn sich die theoretischen Konzepte im Kern zunächst wenig zu berühren scheinen. Zu zukunftsfähigem Handeln kann man befähigt werden, wenn man gelernt hat, das eigene Verhalten selbstreflexiv zu betrachten. Eine hochwertige Bildung, die auch und vor allem eine ästhetische Allgemeinbildung beinhaltet, lehrt Menschen genau hinzusehen (Reinwand-Weiss 2020), Perspektivwechsel vorzunehmen, aufgrund eigener Prämissen und Haltungen ins Handeln zu kommen und damit Welt aktiv mitzugestalten. Faktenwissen bildet die Grundlage, aber längst nicht das Ziel einer Bildung, wie sie im 21. Jahrhundert angemessen scheint. Kompetenzen, wie sie auch durch KuBi gelernt werden, können gut auf eine BNE vorbereiten und diese unterstützen; umgekehrt zeigen die Diskussionen um die Ziele einer BNE deutlich, dass allein durch den Fokus auf formale Bildungskompetenzen, die ein homo oeconomicus geschickt einzusetzen weiß, nachhaltiges Denken und Handeln nicht befördert werden kann. Gerade im Blick auf eine kulturelle Dimension, die ein nachhaltiges Handeln in eine neue gesellschaftliche Ordnung einbettet, erhalten nachhaltige Zukunftskonzepte Sinn und praktische Relevanz sowie Umsetzbarkeit und werden nicht verkürzt auf kurzfristigen Verzicht oder persönliche Einschränkungen. KuBi und BNE können sich also durchaus gewinnbringend befruchten.

KuBi für BNE, BNE für KuBi, KuBi als BNE, BNE als KuBi, KuBi mit BNE oder BNE mit KuBi? – Projekte auf dem Prüfstand

Die praktischen Konzepte einer Verbindung von KuBi und BNE können sehr unterschiedlich ausfallen. Im Folgenden sollen kurz ein paar theoretische Verbindungen aufgezeigt, und damit deutlich werden, welche „Beziehung" die Konzepte eingehen können mit entsprechenden Potentialen aber auch Herausforderungen. Für alle im Folgenden beschriebenen „Konstellationen“ gibt es vielfältige Praxisoptionen, wie es die kürzlich erschienene Veröffentlichung des UNESCO-Partnernetzwerkes Kulturelle Bildung und Kulturpolitik „Über die Kunst, den Wandel zu gestalten“ (Braun-Wanke/Wagner 2020) veranschaulicht  (siehe auch: Karola Braun-Wanke und Andrea Ebel „Gute Praxis im Porträt: Analyse und Empfehlungen gelebter Bildungsarbeit an der Schnittstelle Kultureller Bildung und BNE“).

Besonders häufig begegnet man in der Praxis Projekten, die kulturelle und ästhetische Methoden einsetzen, um eine BNE-Thematik aus dem Bereich eines oder mehrere SGDs (sustainable development goals // Nachhaltigkeitsziele) zu vermitteln. Dies (KuBi für BNE) ist sicherlich eine gute Möglichkeit, um bei den Teilnehmenden solcher Projekte einen Erfahrungshorizont zu kreieren, der die Bedeutung der Bildungsziele am eigenen Leib erspürbar und direkt auf das eigene Verhalten übertragbar macht. Ästhetische Methoden ermöglichen eine Erfahrung mit allen Sinnen, die dazu führen kann, dass Wissen nicht nur oberflächlich rezipiert, sondern inkorporiert wird und damit eine Transformation des Handelns möglich wird. Allerdings wird dadurch ästhetische Praxis als Methodik häufig auch verkürzt und die Potentiale Kultureller Bildung, die auf eine ergebnisoffene Entwicklung eines ästhetischen Objektes und damit auch des Subjektes (Selbstbildung) abzielen, ggf. nicht ausgeschöpft. Zudem entstehen ästhetische Erfahrungen gerade aus der Zweckfreiheit ästhetischen Handelns heraus und können kaum methodisch intendiert sein.

„BNE für KuBi“ als Konzept ist eigentlich nur denkbar, wenn das thematische Ziel einer Bildung für nachhaltige Entwicklung die Verbesserung einer qualitätvollen Bildung ist (in SDG 4). Natürlich trägt eine umfassende KuBi auch dazu bei, dass langfristig allgemeine Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessert werden können, da sinnliche Erfahrungen eine größere Rolle im Alltag der Menschen spielen, aber als Inhalt für ein Bildungsprojekt scheint dies doch ggf. zu ambitioniert.

KuBi als BNE oder auch BNE als KuBi stellt hingegen eine gelungene Verknüpfung zweier Konzepte dar. Gemeint ist, dass ein Projekt Kultureller Bildung, beispielsweise ein Musik- oder Tanzstück oder auch ein literarischer Text als künstlerische Äußerung, aber eben auch als Beitrag für eine BNE fungieren kann. Umgekehrt kann eine politische Aktion für BNE auch als künstlerische Aktion angesehen werden, da die ästhetischen Mittel auch „für sich“ stehen können. Dieses „als“ in Bildungsprojekten umzusetzen, ist nicht leicht zu realisieren und entsteht vielfach durch die gleichberechtigte Kooperation von unterschiedlichen Expert*innen. Jeder Bereich, der künstlerische wie auch der pädagogisch-politische, behält damit seinen eigenen Wert, der jeweils durch den Zusammenhang noch gestärkt wird.

Ein Beispiel für solch eine „gleichberechtigte“ Verbindung ist das in Braun-Wanke/Wagner (2020) an einem Hamburger Projekt vorgestellte Konzept der Remida aus der Reggio-Pädagogik. Das Remida-Konzept sieht die ästhetische Verwertung von Industrie- und Gewerbeabfällen vor. Die Abfallprodukte aus unterschiedlichen Materialien werden in einem Lager so präsentiert, dass sie als wertvolle Arbeitsstoffe zur „neuen“ Verfügung stehen. Unweigerlich „stolpert“ man im Gebrauch und der künstlerischen Wiederverwertung dieser Materialien über Themen wie Re- und Upcycling, begrenzte Rohstoffe oder Konsumverhalten ohne dass dies von vornherein im ästhetischen Tun intendiert ist. Über die Beschäftigung mit der eigenen Ästhetik der aus dem ursprünglichen Verwendungszusammenhang gerissenen Materialien entstehen individuelle Fragen, (ästhetische) Experimente und ganz subjektive Bildungserfahrungen, die jedoch sehr anschlussfähig an BNE-Diskussionen sind und damit – wie nebenbei – auch Ziele einer BNE erfüllen.

Solch eine „Gleichberechtigung“ beider Ansätze ist nicht der Fall bei Projekten, die eindeutig einem Bereich zugeordnet werden können: KuBi mit BNE oder BNE mit KuBi. Durch die klare Zuordnung des Projektes oder der Aktion zu einem Konzept, gerät das andere meist in das Hintertreffen. Dies muss für das Projekt und seine Bildungswirkung natürlich nicht negativ sein, jedoch werden eben die Potentiale, die sich aus einer Synergie gleichberechtigter Ansätze ergeben können, möglicherweise nicht genutzt. Wenn eines der Konzepte zu schwach oder zu stark ist, besteht die Gefahr, dass die Qualitäten der einzelnen Ansätze sich ins Gegenteil verkehren – KuBi kann dann beispielsweise exkludieren anstatt Teilhabe zu ermöglichen oder BNE-Themen werden so unterkomplex behandelt, dass die Erkenntnisse oder Ergebnisse des Projektes eher systemstabilisierend als transformierend wirken.

KuBi und BNE in der Praxis

Die von Braun-Wanke/Ebel sowohl in dem Band „Über die Kunst, den Wandel zu gestalten“ (Braun-Wanke/Wagner 2020:73 ff.) wie auch auf kubi-online vorgestellten Praxisreflexionen zeigen, wie bereits benannt, unterschiedliche Potentiale einer Verbindung von KuBi und BNE auf, bei denen der Schwerpunkt mal mehr auf der Kulturellen Bildung mal mehr auf Seite der BNE oder auch auf der gleichberechtigten Verbindung der Konzepte liegt. Als „Gewinn“ all dieser Verbindungen für die Entwicklung der an den Projekten Beteiligten können aber mindestens folgende Kategorien benannt werden, die sich immer wieder in unterschiedlicher Art und Weise in Praxisprojekten an der Schnittstelle von KuBi und BNE zeigen. Die nachfolgende Auflistung von Bildungspotentialen erhebt keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern unternimmt den Versuch einer näheren Bestimmung des besonderen Möglichkeitsraums, der in der Verbindung von KuBi und BNE liegen kann, wenn die Ansätze jeweils gut aufeinander abgestimmt sind und professionell angewandt werden.

  • Lernen mit allen Sinnen

Durch ästhetisches Gestalten werden Themen, Ideen und Konzepte sinnlich erfahrbar und dadurch ggf. kognitiv und emotional leichter zugänglich. Wenn BNE zu zukunftsfähigem Handeln befähigen soll, scheint es notwendig, dass Lernprozesse auch affektiv vollzogen werden.

  • Leibliche Wahrnehmung („BNE erleben“)

Projektergebnisse und -produkte werden nicht nur als Utopien denk-bar, sondern konkret erlebbar und damit umsetzbar. BNE muss nicht nur verstanden werden, sie muss in eine konkrete Gestaltung der eigenen Lebenswelt enden wofür die leibliche Wahrnehmung eines (globalen) Zusammenhangs den ersten Schritt markiert.

  • Handlungsorientierung

Wissensvermittlung und Erkenntnis wird in der Verbindung von KuBi und BNE mit Handlung verknüpft, so dass beispielsweise ein verändertes Verhalten direkt eingeübt werden kann. Erst durch den subjektiven Handlungsvollzug wird das Ziel einer BNE erfüllt.

  • Lebensweltbezug

Abstrakte Zusammenhänge werden auf den Alltag und die Lebenswelt der Teilnehmenden bezogen werden und ermöglichen so Transparenz und Transfer und damit Veränderung (im lokalen und regionalen Bezug).

  • Transferleistung

Durch eine beispielhafte ästhetische Bearbeitung eines Nachhaltigkeits-Problems, können alternative Handlungsstrategien auch für andere Themenkomplexe gefunden werden. Bildung heißt, den Selbst-Welt-Bezug nachhaltig zu transformieren (Koller 2012) und nicht nur ein bestimmtes (ggf. sozial erwünschtes) verändertes Handeln einzuüben.

  • Umgang mit Komplexität

Komplexe Themen und soziale, ökologische oder ökonomische Zusammenhänge lassen sich in einzelne, bearbeitbare Aspekte untergliedern. Komplexität wird zunächst reduziert, um Zusammenhänge verstehbar zu machen und ein individuelles transformiertes Handeln zu ermöglichen.

  • Interdisziplinarität

Projekte an der Schnittstelle von KuBi und BNE beinhalten meist Erfahrungsbestände aus unterschiedlichen Disziplinen und führen so zu einer Verschränkung von Wissensinhalten. Herausforderungen einer BNE sind nie allein monodisziplinär zu begegnen.

  • Ästhetische Verfremdung

Gerade durch den Einsatz der ästhetischen Verfremdung können neue Blickwinkel und Haltungsänderungen entstehen. (Brandstätter 2012/2013) Daraus resultierende Differenzerfahrungen können durch Aha-Erlebnisse den Anstoß für Veränderung geben.

  • Aufbrechen von Milieublasen

Durch die Verschränkung der Ansätze von KuBi und BNE werden meist unterschiedliche Teilnehmendenmilieus gemischt und Milieublasen können produktiv aufgelöst werden. Dies führt wiederum zu neuen Perspektiven und Erfahrungen für den Einzelnen und befördert Lernprozesse in sozialen Gruppen.

Fazit

Das Konzept der Kulturellen Bildung ebenso wie das Konzept einer Bildung für nachhaltige Entwicklung sind aus sehr unterschiedlichen historischen und politischen Entwicklungen „geboren“. In aktuellen Konzeptionen Kultureller Bildung schwingt das Erbe der 1970er Jahre einer „neuen Kulturpolitik“ mit, welche die Demokratisierung und Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten an kulturellen und künstlerischen Gütern zum Ziel hatte und die Selbstwirksamkeit jedes Einzelnen in der Gestaltung der sozialen Umwelt betont (Kultur für alle und von allen! vgl. Hoffmann 1979). Genau durch diese normative, politische Aufladung des Begriffes wird KuBi damit sehr anschlussfähig an Konzepte einer Bildung für nachhaltige Entwicklung wie sie am Ausgang des 20. Jahrhundert und heute diskutiert wird (vgl. den Diskurs auf kubi-online, beispielsweise: Bianca Fischer „Kulturelle Bildung für nachhaltige Entwicklung“; Ute Pinkert „Übersetzungen: Das Leitbild der Nachhaltigkeit in der Kulturellen Bildung und Theaterpädagogik“; Ute Stoltenberg „Kultur als Dimension eines Bildungskonzepts für eine nachhaltige Entwicklung“; Ernst Wagner „Zum spannungsreichen Verhältnis von BNE und Kultureller Bildung. Oder: Wie Bildnarrative unsere Einstellungen formen“).

Beide Konzepte gehen von der potentiellen Transformation des Individuums in den jeweiligen Bildungsprozessen aus (vgl. Koller 2012) und betonen dies als Kern ihres Verständnisses. Wenn sich auch in der Praxis die Grenzen der jeweiligen Ansätze sehr fließend zeigen, unterscheiden sich die theoretischen Ansätze. Während das Bildungsziel in der KuBi im Individuum selbst liegt und maßgeblich von diesem mit beeinflusst wird, entwirft das Konzept einer Bildung für nachhaltige Entwicklung allgemeine Bildungsziele, die von außen messbar und weitestgehend unabhängig vom Einzelnen bestehen bleiben und überprüfbar sind. Ob sich mein ökologischer Fußabdruck durch mein individuelles Handeln verändert, ist leicht überprüfbar; ob sich mein Grad der sinnlichen Wahrnehmung und damit meine Gestaltfähigkeit durch ästhetische Praxen verändert, ist wesentlich schwerer feststellbar. Dass mich aber eine erhöhte sinnliche Wahrnehmung empfänglicher für ökologische, ökonomische oder soziale Missstände macht und damit die Wahrscheinlichkeit steigt, diese positiv beeinflussen zu wollen, ist unbestritten.

Zur Diskursvertiefung: Die Folien eines Vortrags der Autorin zur „Kulturellen Bildung und Bildung für Nachhaltige Entwicklung im Museum" bei der Jahrestagung des Bundesverbands Museumspädagogik.

Verwendete Literatur

  • Brandstätter, Ursula (2013/2012): Ästhetische Erfahrung. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/aesthetische-erfahrung (letzter Zugriff am 04.06.2019).
  • Braun-Wanke, Karola/Wagner, Ernst (Hrsg.) (2020): Über die Kunst, den Wandel zu gestalten. Kultur ⋅ Nachhaltigkeit ⋅ Bildung. Münster: Waxmann. Der Band ist open access verfügbar unter der Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.
  • Hoffmann, Hilmar (1979): Kultur für alle. Frankfurt am Main: S. Fischer.
  • Koller, Hans-Christoph (2012): Bildung anders denken. Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. Stuttgart: Kohlhammer.
  • Reinwand-Weiss, Vanessa-Isabelle (2013/2012): Künstlerische Bildung – Ästhetische Bildung – Kulturelle Bildung. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/kuenstlerische-bildung-aesthetische-bildung-kulturelle-bildung (letzter Zugriff am 18.06.2019).
  • Reinwand-Weiss, Vanessa-Isabelle (2020): Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Warum uns ästhetische Bildung lehrt, genau hinzuschauen. In: TPS – Theorie und Praxis der Sozialpädagogik. Ganz genau hinschauen. 1/20, 40-43. Stuttgart: Klett Kita.
  • Reinwand-Weiss, Vanessa-Isabelle (2020): „Kultur und Kunst - Ideen und Konzepte". Vortrag auf dem Fachsymposium „Auswildern - Neue Ideen aus Kunst und Natur für die Bildung" der Stiftung Nantesbuch. Online auf der Homepage der Stiftung Nantesbuch: https://stiftung-nantesbuch.de/projekte/symposium-auswildern (letzter Zugriff am 27.10.2020).
  • Stiftung Nantesbuch (2020): Auswildern - Neue Ideen aus Kunst und Natur für die Bildung. Online Dokumentation des  gleichnamigen Fachsymposium vom 4. bis 6. März 2020 auf der Homepage der Stiftung Nantesbuch: https://stiftung-nantesbuch.de/projekte/symposium-auswildern (letzter Zugriff am 27.10.2020).
  • Wanke, Karola/Ebel, Anke (2020): Gute Praxis im Porträt. Analyse und Empfehlungen gelebter Bildungsarbeit. In: Braun-Wanke, Karola/Wagner, Ernst (Hrsg.) (2020): Über die Kunst, den Wandel zu gestalten. Kultur ⋅ Nachhaltigkeit ⋅ Bildung (83-151). Münster: Waxmann.

Anmerkungen

Dieser Artikel ist die erweiterte Fassung eines Beitrags der Autorin in der Veröffentlichung Über die Kunst, den Wandel zu gestalten. Kultur ⋅ Nachhaltigkeit ⋅ Bildung, herausgegeben von Braun-Wanke/Wagner 2020, erschienen im Waxmann Verlag, Münster. Die Herausgabe dieses Bandes, der auch unter der Lizenz CC BY-NC-SA 4.0 open access verfügbar ist, wurde gefördert vom BMBF.
kubi-online dankt allen Beteiligten für die Möglichkeit, mit der Veröffentlichung dieses Beitrags zum Wissenstransfer an der Schnittstelle von Kultureller Bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung beitragen zu können.

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Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss (2020): Kulturelle Bildung als Bildung für nachhaltige Entwicklung? Impulse für die Verbindung zweier normativer Ansätze und Praxen. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://kubi-online.de/index.php/artikel/kulturelle-bildung-bildung-nachhaltige-entwicklung-impulse-verbindung-zweier-normativer (letzter Zugriff am 16.07.2024).

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Dieser Artikel wurde dauerhaft referenzier- und zitierbar gesichert unter https://doi.org/10.25529/92552.591.

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