Besser führen durch Kulturelle Bildung? Impulse aus dem Forschungsprojekt „Durch Kulturelle Bildung zu Good Leadership?“

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von Ulrike Gerdiken

Erscheinungsjahr: 2022

Peer Reviewed

Abstract

In dem Forschungsprojekt „Durch Kulturelle Bildung zu Good Leadership?“, das von 2018-2020 an der Frankfurt University of Applied Sciences durchgeführt wurde, haben sich Ulrike Gerdiken, Barbara Lämmlein und Hannah Lutz-Vock mit der Frage beschäftigt, ob angehende Führungskräfte durch die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur zu besseren Führungskräften werden. Ein Ergebnis ihrer Forschungsarbeit ist der Führungsansatz „Good Leadership“. Mit ihm zeigen die Forscherinnen, wie Kulturelle Bildung ein neues Verständnis von Führungshandeln anregen und so zu einer humaneren und gerechteren Wirtschaft beitragen kann. Sie bauen dabei auf bereits existierenden Führungskonzepte auf und geben ihnen eine neue Ausrichtung, indem sie sie mit zwei zentralen Inhalten der Kulturellen Bildung verknüpfen: der Sicht auf den Menschen und den Zielen und Handlungsprinzipien der Kulturellen Bildung. Diese Verknüpfung ermöglicht einen neuen Blick auf Führungshandeln und bietet Anregungen, wie Führungskräftequalifizierung in Zukunft gestaltet werden kann.

Einführung

Seit Beginn des Jahrtausends boomt das Thema Kunst und Kultur in Unternehmen, sei es als Kultursponsoring, sei es als Gestaltungselement von Events, Fortbildungen oder Tagungen. Die Unternehmen, das haben Forschungen von Ruth Emundts (2003) und Ulrike Gerdiken (2017) gezeigt, trauen der Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur eine besondere Wirkung für die Entwicklung der Mitarbeitenden, des Unternehmens und der Unternehmenskultur zu. Nicht von ungefähr hat auch der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft seit dieser Zeit verschiedene Programme aufgelegt, um angehende Führungskräfte durch Kunst und Kultur zu fördern (vgl. Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft: Exzellenzprogramme). Zugleich wird in der heutigen Zeit vermehrt über die Frage einer ethischen und gesellschaftlich verantwortungsvollen Führung diskutiert. Wie muss Führung in Organisationen und Unternehmen gestaltet sein, damit sie diesen Anforderungen und Verantwortlichkeiten gerecht wird? Eine These, die dabei immer wieder in den Raum geworfen wird, ist die von der Wirksamkeit der Kultureller Bildung. Aber hat Kulturelle Bildung tatsächlich das Potenzial, aus Führungskräften gute Führungskräfte zu machen? Kann Kulturelle Bildung wirklich zu einer humaneren Wirtschaft beitragen oder ist diese Zuschreibung eine der Mythen, von denen der Rat für Kulturelle Bildung spricht (Rat für Kulturelle Bildung 2013)?

Das Forschungsprojekt

In dem Forschungsprojekt „Durch Kulturelle Bildung zu Good Leadership?“ habe ich zusammen mit meinen Kolleginnen Prof’in Dr. Barbara Lämmlein und Hannah Lutz-Vock versucht, auf diese Frage eine Antwort zu finden. Ursprünglich ging es darum, zu untersuchen, ob angehende Führungskräfte in besonderer Weise ethisch-moralische und sozial-kommunikative Kompetenzen entwickeln, wenn sie sich mit Kunst und Kultur auseinandersetzen. Karl Schlecht, der Gründer und Vorsitzende der Stiftung, die das Projekt finanzierte, war davon überzeugt und hat für diese Form der Führung den Begriff „Good Leadership“ geprägt. Wir wollten untersuchen, ob seine Annahmen Bestand haben. Eine Herausforderung bei der Entwicklung des Forschungssettings war, dass es „Good Leadership“ bisher nur als intuitive Annahme, aber nicht als Leadership-Ansatz gab. Wir mussten darum zunächst definieren, was wir unter „Good Leadership“ verstehen, bevor wir Schlüsse über die Eignung dieses Führungsansatzes ziehen konnten. 

Für den empirischen Teil des Projekts haben wir problemzentrierte Interviews mit Studierenden geführt, die am Bronnbacher Stipendium des Kulturkreises teilnahmen (vgl.: (Kulturkreis der deutschen Wirtschaft: Bronnbacher Stipendium). In diesem Stipendium setzten sich die Teilnehmenden an neun Wochenenden mit unterschiedlichen Künsten und Künstler*innen auseinander und wurden selbst künstlerisch aktiv. Sie wurden zu Beginn und am Ende des Stipendiums befragt, was für sie Führungskompetenzen allgemein ausmachen, welchen Einfluss die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur auf Führungskompetenzen haben und wie sie sich auf die persönliche Entwicklung auswirken kann. Als Kontrollgruppe wurden Studierende des Masterstudiengangs „Leadership“ an der Frankfurt University of Applied Sciences befragt, die sich wie die Teilnehmenden am Bronnbacher Stipendium auf eine Leitungsposition vorbereiteten, allerdings nicht an einem angeleiteten Kunst- und Kulturprogramm teilnahmen.

Der Rahmen von „Good Leadership“

Bei der Definition von „Good Leadership“ haben wir zunächst recherchiert, welche Leadership-Ansätze es bereits gab, die den Leitgedanken von ethischer und humanistischer Führung aufgriffen. Wir konzentrierten uns bei der Suche auf die von uns vertretenen Fachbereiche Erziehungswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre und wurden bei vier Ansätzen fündig:

  • dem Leipziger Führungsmodell,
  • der agilen Führung,
  • dem dialogischen Management und
  • der systemischen Führung.

Das Leipziger Führungsmodell

Das Leipziger Führungsmodell (Kirchgeorg et al. 2017), das seit 2015 von Professoren und Studenten an der HLL Leipzig Graduate School of Management entwickelt wird, benennt vier Dimensionen, die gute Führung ausmachen: Purpose, Verantwortung, Unternehmergeist und Effektivität. Unter Purpose werden die Fragen nach Sinn, Zweck und Legitimation von Entscheidung, Handlungen und Geschäftsmodellen verstanden. Sie bilden das Zentrum des Modells. Die Umsetzung des Purpose ist nur durch verantwortungsvolles Handeln von Führungskräften möglich, weshalb die Dimensionen Purpose und Verantwortung eng miteinander verbunden sind. Verantwortung koppeln die Vertreter des Leipziger Führungsmodells an Erwartungen eines Gegenübers und umschreiben sie darum als „Respektierung und – soweit möglich – Erfüllung legitimer (Vertrauens-)Erwartung“ (Kirchgeorg et al. 2017:43). Mit Unternehmergeist ist die Erneuerungs- und Transformationsfähigkeit von Menschen, Organisationen und der Gesellschaft gemeint. Die Aufgabe von Führungskräften ist es, diese Erneuerungen und Transformationen zu begleiten, zu gestalten und zu kommunizieren. Unter Effektivität wird im Leipziger Führungsmodell die Übersetzung von unternehmerischen Entscheidungen in Strategien, Strukturen und Prozesse verstanden, die an einem Wertbeitrag ausgerichtet sind, der sowohl finanziell-ökonomische als auch „kulturelle, soziale und andere nicht-finanzielle Werte“ (Kirchgeorg et al. 2017:24) umfasst. Mit diesen vier Dimensionen wird ein Führungsverständnis skizziert, das auf der ethischen Verantwortung eines Unternehmens für Menschen, Gesellschaft und Umwelt basiert. Aufgabe der Führungskraft ist es, diese Verantwortung zu kommunizieren und in sinnhaftes, zielgerichtetes und verantwortungsvolles Handeln zu übertragen.

„Erst über den als sinnvoll erlebten Beitrag zu einem größeren Ganzen kann Führung Legitimität beanspruchen. […] Führen mit Blick aufs Ganze bedeutet, den Menschen und die Gesellschaft (wieder) in den Mittelpunkt zu rücken.“ (Kirchgeorg et al. 2017:26)

Agile Führung

Die Agile Führung ein Führungsansatz, der Anfang des 21. Jahrhunderts von Softwareentwicklern in den USA erdacht wurde. Mit ihm soll die Arbeit flexibler, kreativer, mitarbeiter*innen-freundlicher und kund*innen-orientierter gestaltet werden. Die Aufgabe einer Führungskraft in einem agilen Arbeitssetting ist es, ihrem Team ein Handeln nach den Grundsätzen des agilen Arbeitens zu ermöglichen. Zu diesen Grundsätzen gehören u.a. Selbstverpflichtung, Feedback, Fokussieren, Kommunikation, Mut, Respekt, Unkompliziertheit und Offenheit (Hofert 2016:11). Die Haupttätigkeit der Führungskraft liegt dabei im Coachen, Moderieren, Unterstützen und Entwickeln ihres Teams. Kennzeichen einer agilen Führung sind nach Sven Grote und Rüdiger Goyk (Grote/Goyk 2018:22):

  • ein disruptives Umfeld
  • Arbeiten in interdisziplinären Teams
  • ein Rollenverständnis als Mentor*in und Coach
  • eine von Vertrauen und Freiraum geprägte Führungshaltung
  • die umfassende und transparente Information aller Beteiligten
  • die Wertschätzung von Kontroversen als Entwicklungsmotor
  • eine positive Fehlerkultur
  • ein auf Entwicklung ausgerichteter Führungsfokus
  • ein situativ-fließend gestaltetes Arbeitsumfeld
  • ein positives Menschenbild, das von einer intrinsischen Motivation und grundsätzlichen Begabung der Mitarbeitenden ausgeht

Hinter dem Ansatz der agilen Führung steht die Überzeugung, dass der Mensch Leistung bringen kann und will. Um ihm dies zu ermöglichen, braucht er Handlungs- und Entscheidungsfreiheit. Ein Unternehmen, in dem Führungskräften diese Grundsätze beherzigen, hat gute Chancen, in der Arbeitswelt 4.0 des 21. Jahrhunderts erfolgreich zu sein.

Dialogisches Management

Das dialogische Management ist ein von dem Erziehungswissenschaftlicher Jendrik Petersen (Petersen 2003) entwickelter Führungsansatz, mit dem er den gewinnorientierten betriebswirtschaftlichen Ansätzen einen bildungstheoretisch fundierten gegenüberstellt, der ethisches Führungs- und Managementhandeln ermöglichen soll. Petersen ist der Meinung, dass Führungskräfte mit ihrer Leitungsaufgabe für ihr Unternehmen auch eine Verantwortung für gesellschaftliche Entwicklungen übertragen bekommen haben. Dieser können sie nachkommen, wenn sie den Mitarbeitenden eine „kritische Mündigkeit“ (Petersen 2003:16) und Mitverantwortung zugestehen und zutrauen. Um diese Mündigkeit und Mitverantwortung zu erlangen, müssen sie in einen echten Dialog mit den Mitarbeitenden treten und sie dadurch befähigen, eigenständig und reflexiv zu handeln. Die didaktischen Grundlagen für das dialogische Management finden sich in dem Konzept der Organisationspädagogik von Harald Geißler (1995, 2000), dem konstruktivistischen Ansatz der Ermöglichungsdidaktik von Rolf Arnold und Horst Siebert (2006) sowie im Ansatz der subjektorientierten Erwachsenenbildung von Erhard Meueler (2009). Diese drei Ansätze vollziehen die Wende von einer lehr- hin zu einer lernzentrierten Didaktik, die von der Selbständigkeit, den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Lernenden ausgeht und Lehrende als Lernpartnerinnen und Lernpartner sieht. Lehrende und Lernende begegnen sich auf Augenhöhe, die Lehrenden bieten den Lernenden im Dialog Möglichkeiten, Wissen zu erwerben und zu erweitern. Lernen wird dadurch zu einem wechselseitigen, dynamischen Prozess. Diese Begegnung auf Augenhöhe und der Austausch von Wissen ist für Petersen auch für den Umgang von Führungskräften und Mitarbeitenden notwendig, wenn ein Unternehmen auf Dauer funktionsfähig bleiben soll.

Systemische Führung

Der zweite erziehungswissenschaftliche Führungsansatz ist die systemische Führung. Sie beruht wie das dialogische Management auf einer humanistischen, subjektorientierten, dialogischen und zudem systemischen Haltung. Einer ihrer bekanntesten Vertreter ist Rolf Arnold. Für ihn ist systemische Führung dadurch gekennzeichnet, dass Führungskräfte sich nicht als allzuständig sehen, sondern in kooperativer Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitenden Lösungen entwickeln. Eine Überschneidung mit Petersens dialogischen Management ist unübersehbar. Arnold hat in seinem Buch „Das SANTIAGO-Prinzip“ (Arnold 2009) acht Faktoren identifiziert, die systemische Führung kennzeichnen:

  1. Stellvertretende Führung
    Ihr Ziel es ist, die Mitarbeitenden zur Selbstführung zu befähigen. Führung ist in diesem Verständnis kein reines Leitungsinstrument, sondern ein Teil einer dialogischen Personalentwicklung. Führungskräften kommt vor allem die Aufgabe der Motivation und Moderation zu.
  2. Autopoiesis
    Der Begriff kommt aus dem Griechischen und meint in etwas „Selbsterhalt“ oder „Selbstorganisation“. Die Aufgabe der Führung ist es, Organisationen aus dem Kreislauf der reinen Selbsterhaltung herauszuholen, indem sie Anstöße zur Weiterentwicklung gibt. Diese Weiterentwicklung muss dann von ihr begleitet und moderiert werden.
  3. Nachhaltigkeit
    Führung darf nicht nur dafür sorgen, dass sich eine Organisation kurzfristig weiterentwickelt und mehr Gewinn macht. Sie sollte Personal- und Organisationsentwicklung so gestalten, dass Maßnahmen mittel- und langfristig wirken und sowohl der Organisation als auch den Mitarbeitenden Stabilität geben.
  4. Transformation von Deutungsmustern
    Die Sichtweise eines Menschen auf die Welt ist von Deutungsmustern geprägt. Weiterentwicklung geschieht, wenn diese Deutungsmuster durchbrochen und verändert werden können. In Organisationen ist es die Aufgabe der Führungskräfte, diesen Transformationsprozess anzustoßen und zu begleiten.
  5. Interpretation
    Menschen interpretieren das Geschehen in der Welt unterschiedlich. Geprägt werden sie dabei u.a. durch ihre Deutungsmuster. In einer Organisation kommen verschiedenen Menschen mit ihren individuellen Interpretationen zusammen. Die Führungskraft muss dafür sorgen, dass trotz dieser Individualität eine Zusammenarbeit möglich ist und die verschiedenen Interpretationen im Idealfall zu einer fruchtbaren Weiterentwicklung der Organisation und ihrer Mitarbeitenden beitragen.
  6. Arrangement
    Arrangement in der systemischen Führung bezeichnet die Gestaltung eines Lehr-Lern-Prozesses innerhalb eines Unternehmens. Dies liegt in der Verantwortung der Führungskräfte. Innerhalb des Prozesses sollten Mitarbeitende gestärkt und zu eigenverantwortlichem Handeln motiviert werden. Dafür braucht es eine Führungskultur, die auf Vertrauen und Dialog basiert.
  7. Gelassenheit
    Gelassenheit ist weniger eine Führungsaufgabe als eine Grundhaltung, die es der Führungskraft erleichtert, die Prinzipien der systemischen Führung zu leben und umzusetzen.
  8. Organisationslernen
    Arnold geht wie Petersen davon aus, dass nicht nur die Mitarbeitenden als Einzelne lernen, sondern auch die Organisation als Ganzes. Zu diesem Lernprozess tragen die Mitarbeitenden aller Ebenen durch ihre persönlichen, sozialen und fachlichen Kompetenzen bei. Führungskräften kommt dabei die Aufgabe der Moderation zu, um die Potenziale aller Organisationsglieder fruchtbar für die Entwicklung der Gesamtorganisation machen zu können.

Kulturelle Bildung als Kern von „Good Leadership“

In allen vier Ansätzen finden sich grundlegende Inhalte, die sich auch im Selbstverständnis der Kulturellen Bildung finden. Zu ihnen gehören Subjektorientierung, eine wertschätzende Haltung und ein dialogischer, gleichberechtigter Umgang. Sie bilden darum den Rahmen von „Good Leadership“. Unser Ziel war jedoch die Entwickelung eines Ansatzes, dessen Kern die Kulturelle Bildung ist. Aus diesem Grund haben wir den Rahmen mit zwei zentralen Inhalten der Kulturellen Bildung gefüllt: die Sicht auf den Menschen sowie ihre Ziele und Handlungsprinzipien. Unser Verständnis von Kultureller Bildung orientiert sich an der Definition von Vanessa-Isabell Reinwand-Weiß, die Kulturelle Bildung als „Bildungskonzept und pädagogische Haltung“ (siehe: Vanessa-Isabell Reinwand-Weiß (2013/2012): Künstlerische Bildung – Ästhetische Bildung – Kulturelle Bildung) bezeichnet, die den Menschen mit den Mitteln der Kulturpädagogik zur Selbst- und Weltgestaltung befähigen will. Bildung wird dabei weit verstanden als ein Konzept, das sowohl Menschenbildung als auch Kompetenzentwicklung umfasst.

Bei „Good Leadership“ ist die Sicht auf den Menschen dadurch gekennzeichnet, dass nicht der Mensch dem Unternehmen hilft, sich zu entwickeln, sondern umgekehrt das Unternehmen dem Menschen. Personalentwicklung wird als Allgemeinbildung verstanden, durch die sich der Mensch als Individuum entwickeln kann. Bei dieser Sichtweise ist es die Aufgabe des Unternehmens, den Menschen zur politischen, sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe zu befähigen. Dazu muss es ihm ermöglicht werden, sich entsprechend seinen persönlichen Interessen und Kompetenzen weiterzubilden (Gerdiken 2017, S. 65f). Das Unternehmen soll diese Weiterbildung unabhängig von der Aufgabe finanzieren, die der Mensch im Unternehmen hat. Mit dieser Sichtweise wird die gängige Praxis, Mitarbeitende entsprechend den Bedürfnissen des Unternehmens weiterzubilden, auf den Kopf gestellt: das Unternehmen investiert in Inhalte, die ihm vermeintlich nichts nutzen. Im Verständnis von „Good Leadership“ fließen diese Investitionen jedoch dadurch in das Unternehmen zurück, dass sich die Mitarbeitenden in ihren Interessen ernst genommen und unterstützt erleben und dies durch eine gesteigerte Motivation an das Unternehmen zurückgeben. Voraussetzungen für diesen Rückfluss sind eine veränderte Blickrichtung der Führungskräfte, die sich auf die Entwicklungspotenziale der Mitarbeitenden und nicht des Unternehmens richtet, angstfreie Handlungsräume, größtmögliche Handlungs- und Entscheidungsfreiheit und eine mittel- bis langfristige Entwicklungsplanung. Für Unternehmen, die auf schnellen Profit zielen, ist der „Good Leadership“-Ansatz nicht geeignet.

In den Zielen und Handlungsprinzipien der Kulturellen Bildung finden sich die zweiten zentralen Inhalte, die „Good Leadership“ kennzeichnen. Bei der UNESCO-Weltkonferenz 2010 in Seoul (UNESCO 2010) wurde als ein Ziel der Kulturellen Bildung formuliert, Prinzipien und Praktiken Kultureller Bildung anzuwenden, um zur Bewältigung der heutigen sozialen und kulturellen Herausforderungen beizutragen. Zur Umsetzung wurden folgende Strategien vorgeschlagen:

  • durch Kulturelle Bildung das kreative und innovative Potenzial der Gesellschaft steigern
  • Potenziale Kultureller Bildung im Hinblick auf die soziale und kulturelle Lebensqualität/Gesundheit erkennen und ausgestalten
  • die Rolle Kultureller Bildung für die Förderung sozialer Verantwortlichkeit, sozialen Zusammenhalts, kultureller Vielfalt und interkulturellen Dialogs unterstützen und fördern
  • Kapazitäten fördern, um auf wichtige globale Herausforderungen, von Frieden bis Nachhaltigkeit, mit Kultureller Bildung reagieren zu können.

Tom Braun und Brigitte Schorn haben darüber hinaus zehn Handlungsprinzipien für die Kulturelle Bildung formuliert (siehe: Tom Braun/Brigitte Schorn (2013/2012): Ästhetisch-kulturelles Lernen und kulturpädagogische Bildungspraxis). Sie lauten:

  • Handlungsorientierung und Ganzheitlichkeit
  • Freiwilligkeit
  • Partizipation
  • Lebensweltorientierung
  • Erfahrung von Selbstwirksamkeit
  • Fehlerfreundlichkeit und Stärkenorientierung
  • Selbstgesteuertes Lernen in der Gruppe
  • Offenheit für Vielfalt
  • Zusammenarbeit mit kulturpädagogischen Fachkräften und Kunstschaffenden
  • Öffentlichkeit und Anerkennung

Durch die Interviews, die wir mit den Studierenden durchgeführt haben, wissen wir, dass diese zum einen den Aspekten der Kulturellen Bildung, die im Ziel der Seoul-Agenda formuliert sind, eine große Bedeutung für Leadership-Handeln zumessen. Zum anderen erachten sie die Handlungsprinzipien „Erfahrung von Selbstwirksamkeit“, „Ganzheitlichkeit und Ressourcenorientierung“ sowie „Erfahrung von Selbstwirksamkeit“ für wichtig und ergänzen sie um die Punkte „Subjektorientierung“, „dialogischer und partizipativer Umgang“ und „Eigenständigkeit“. Diese Aspekte finden sich sowohl in den Rahmenansätzen von Good Leadership als auch in den Zielen der Kulturellen Bildung.

Da die Interviews mit Studierenden und nicht mit Personen geführt wurden, die in Unternehmen bereits Führungsverantwortung tragen, konnten wir mit unserer Forschung nicht beweisen, dass Kulturelle Bildung zu einem humaneren Führungshandeln führt. Mit dem Konzept „Good Leadership“ können wir aber eine forschungsbasierte Empfehlung abgeben, wie und warum Kulturelle Bildung in Führungskräftequalifizierungen integriert werden sollte, wenn Unternehmen die Etablierung einer menschenfreundlichen, auf Dialog und Zusammenarbeit basierenden Führungskultur anstreben.

 

Verwendete Literatur

  • Arnold, Rolf (2009): Das Santiago-Prinzip. Systemische Führung im lernenden Unternehmen. Baltmannsweiler: Schneider.
  • Arnold, Rolf/Siebert, Horst (2006): Konstruktivistische Erwachsenenbildung. Von der Deutung zur Konstruktion von Wirklichkeit. 5. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider.
  • Emundts, Ruth (2003): Kunst- und Kulturförderung - Symbol der Unternehmenskultur? Eine interdisziplinäre Untersuchung. Berlin: Rhombos.
  • Geißler, Harald (1995): Organisationslernen und Weiterbildung : die strategische Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft. Neuwied, Kriftel, Berlin: Luchterhand.
  • Geißler, Harald (2000): Organisationspädagogik: Umrisse einer neuen Herausforderung. München: Vahlen.
  • Gerdiken, Ulrike (2017): Zwischen Emanzipation und Optimierung. Kulturelle Bildung in der Personalentwicklung. München: kopaed.
  • Grote, Sven/Goyk, Rüdiger (2018): Agile Führung – das neue Gutwort im Management? In: Grote, Sven/Goyk, Rüdiger (Hg.): Führungsinstrumente aus dem Silicon Valley. Konzepte und Kompetenzen (17-35). Berlin, Heidelberg: Springer.
  • Hofert, Svenja (2016): Agiler Führen. Einfache Maßnahmen für bessere Teamarbeit, mehr Leistung und höhere Kreativität. 2. aktualisierte Auflage. Hamburg: Springer VS.
  • Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft: Exzellenzprogramme: https://www.kulturkreis.eu/arbeitskreise/kulturelle-bildung (letzter Zugriff am 23.05.22)
  • Kirchgeorg, Manfred/Meynhardt, Timo/Pinkwart, Andreas/Suchanek, Andreas/Zülch, Henning (2017): Das Leipziger Führungsmodell. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Leipzig: HHL Academic Press.
  • Meueler, Erhard (2009): Die Türen des Käfigs. Subjektorientierte Erwachsenenbildung. Baltmannsweiler: Schneider.
  • Petersen, Jendrik (2003): Dialogisches Management. Frankfurt am Main Berlin Bern Bruxelles New York Oxford Wien: Lang.
  • Rat für Kulturelle Bildung (Hg.) (2013): Alles immer gut - Mythen Kultureller Bildung. Essen. https://www.rat-kulturelle-bildung.de/fileadmin/user_upload/pdf/RKB_ALLES_IMMER_GUT_Einzelseiten.pdf  (letzter Zugriff: 30.05.2022).
  • UNESCO (2010): Seoul Agenda. https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000190692  (letzter Zugriff 23.05.2022).

Anmerkungen

Der vollständige Forschungsbericht ist erschienen unter

  • Gerdiken, Ulrike/Lämmlein, Barbara/Lutz-Vock, Hannah (Hg.) (2021): Durch Kulturelle Bildung zu Good Leadership? Über die Auswirkungen von Kunst und Kultur auf die Entwicklung angehender Führungskräfte. München: kopaed.

Zitieren

Gerne dürfen Sie aus diesem Artikel zitieren. Folgende Angaben sind zusammenhängend mit dem Zitat zu nennen:

Ulrike Gerdiken (2022): Besser führen durch Kulturelle Bildung? Impulse aus dem Forschungsprojekt „Durch Kulturelle Bildung zu Good Leadership?“. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://kubi-online.de/artikel/besser-fuehren-durch-kulturelle-bildung-impulse-aus-dem-forschungsprojekt-durch-kulturelle (letzter Zugriff am 16.07.2024).

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Dieser Artikel wurde dauerhaft referenzier- und zitierbar gesichert unter https://doi.org/10.25529/ack4-4c94.

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