Evaluation in der Praxis der kulturellen Kinder- und Jugendbildung

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von Helle Becker

Erscheinungsjahr: 2013/2012

Thema und Begriffsbestimmung

Evaluation ist Teil jeder systematischen Reflexion über die Bedingungen, Prozesse und Wir­kungen professionellen Handelns. Anhand von Qualitätsdefinitionen und -kriterien werden mit der Beschreibung, Analyse und Bewertung der Arbeit deren Zielerreichung und Qualität geprüft. Evaluation ist eine Voraussetzung für Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung.

Evaluation in der kulturellen Kinder-­ und Jugendbildung kann unterschiedliche Ausprägun­gen haben (siehe Tobias Fink „Evaluationen im Feld der Kulturellen Bildung“): von der alltäglichen, individuellen Reflexion über die planvoll angelegte Selbstevaluation bis zur nach wissenschaftlichen Standards durchgeführten Fremdevaluation. Sie kann sich auf die Bedingungen (Kontext-­, Struktur-­ und Inputqualität), den Prozess (Durchführungsqualität) oder die Ergebnisse und Wirkungen (Output­- und Outcome­-Qualität) kultureller Kinder-­ und Jugendbildung beziehen. Gegenstand von Evaluationen können alle Bereiche kultureller Kinder­- und Jugendbildung sein, die Teil eines Qualitätsmanagements sein können, d.h. kulturelle und künstlerische Erfahrungs-­ und Bildungsprozesse, Ressourcen und Infrastruk­turen, Organisations­- und Managementprozesse, kulturpädagogische Professionalität, Geschäfts-­ und Kundenkommunikation, Leitungsverantwortung sowie Kooperations-­ und Vernetzungsaktivitäten (vgl. BKJ 2010:204).

Ziele und Formen von Evaluationen richten sich nach den vorausgesetzten Qualitätsdefi­nitionen, -kriterien und -bereichen. Evaluation kann sich punktuell auf als defizitär erkannte Teilbereiche beziehen oder Teil eines umfangreichen Qualitätsmanagementsystems von Einrichtungen und Organisationen Kultureller Bildung sein. Häufig wird sie als Anforderung von Zuwendungsgebern auferlegt, z.B. als Zielerreichungsprüfung von Maßnahmen, für die (externe) Akkreditierung förderungswürdiger Zuwendungsempfänger oder zur Erlangung von Qualitätssiegeln.

Historie

Das Thema Evaluation wurde für die kulturelle Kinder-­ und Jugendbildung seit Ende der 1980er Jahre aktuell. Anlass gab die Neuausrichtung der öffentlichen Verwaltung. Mit der Debatte über die Effektivität und Effizienz öffentlicher Dienstleistungen wurden „Neue Steu­erungsmodelle“ eingeführt, die unter anderem die Bewertung des Outputs bürokratischen Handelns vorsahen. Im Zuge von Verwaltungsreformen waren auch Kultureinrichtungen und öffentliche Einrichtungen Kultureller Bildung wie Bibliotheken, Museen, Musikschulen oder Jugendkunstschulen davon betroffen. Einen zweiten Anlass bot die Thematisierung von Qua­lität und Qualitätsnachweis durch die Bundesinitiative „Qualitätssicherung in der Kinder­- und Jugendhilfe“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Seit Ende der 1990er Jahre wurden im Rahmen dieser Bundesinitiative Evaluierungsvorhaben gefördert, die exemplarisch Ziele und Wirkungen der durch den Kinder-­ und Jugendplan des Bundes (KJP) geförderten Kinder-­ und Jugendhilfe untersuchten. Die Ergebnisse wurden von 1996 ­-2001 in der Broschürenreihe „Qs – Materialien zur Qualitätssicherung“ veröffentlicht und halfen mit, Qualitätsmanagement und Qualitätssicherungsverfahren – darunter auch Modelle der Selbstevaluation – in der Fachpraxis der deutschen Jugendhilfe zu etablieren.

Aktuelle Situation: Beschreibung – Bewertung – Anwendungskontext

Seitdem, und verstärkt durch eine zunehmende Output­-Orientierung in Bildungstheorie und Bildungsforschung, kann das Thema Evaluation und Qualitätsentwicklung als bei den Trägern der kulturellen Kinder-­ und Jugendbildung etabliert gelten. Laut einer Mitgliederbefragung der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V. (BKJ) im Jahr 2009 gehört die regelmäßige Evaluation der eigenen Arbeit mittlerweile zum Alltagsgeschäft von Einrichtun­gen und Organisationen der kulturellen Kinder­- und Jugendbildung (siehe BKJ 2010:25­-35).

Dabei ist die Zahl der Fremdevaluationen, vor allem aus Kostengründen, eher gering. Hier dominieren Abschluss- oder Qualifizierungsarbeiten von Hochschulen, gefolgt von Un­tersuchungen und Forschungsprojekten, in die Träger der Kulturellen Bildung eingebunden sind, wissenschaftliche Begleitstudien, z.B. zu Modellprojekten und ­-programmen sowie, eher selten, selbst in Auftrag gegebene wissenschaftliche Untersuchungen. Im Rahmen von Selbstevaluationen führen Einrichtungen und Organisationen kultureller Kinder­- und Jugend­bildung vor allem Befragungen an Teilnehmenden durch, entweder standardisiert in Form schriftlicher Fragebögen oder mittels qualitativer Feedbackmethoden, beides meist am Ende einer Veranstaltung oder eines Projektes. Auch allgemeinere Befragungen zum Gesamtan­gebot, z.B. unter TeilnehmerInnen vergangener Maßnahmen oder deren Eltern, zählen dazu. Verbände setzen analog dazu Mitgliederbefragungen ein. Daneben ist die Auswertung von Strukturdaten (Anzahl, Merkmale der Teilnehmenden; bei Verbänden Merkmale der Mitglieder) Teil von Selbstevaluationen. Selbstevaluation findet auch auf der Ebene des Personals (Refe­rentInnen, TeamerInnen, KünstlerInnen), beispielweise durch regelmäßige Berichterstattung, Feedback­ und Auswertungsgespräche statt. Ein besonderes Evaluierungsinstrument stellen Zertifizierungsverfahren wie der „Kompetenznachweis Kultur“ oder der „Nachweis International“ dar, mit dem individuelle Wirkungen bei den Teilnehmenden festgestellt werden können. Nicht zuletzt gehört die Selbstevaluation von einzelnen Betriebsbereichen zum Management von Trägern, z.B. die Überprüfung von Führungs-­ und Kompetenzstrukturen, der Presse-­ und Öffentlichkeitsarbeit sowie interner und externer Kommunikationsabläufe anhand von Ziel­vorgaben sowie ein Finanz-­ und Projektcontrolling.

Ausblick, Perspektiven und Herausforderungen

Die Frage, was „gute“ kulturelle Kinder­- und Jugendbildung ausmacht, ist abhängig von den jeweiligen fachlichen Qualitätsvorstellungen, von den Intentionen und Zielperspektiven, die mit einem Engagement in der Kulturellen Bildung verknüpft werden. Hier sind im Feld der Kulturellen Bildung unterschiedliche Positionen zu finden. Daher gewinnt in den letzten Jahren die Referenz auf Qualitätsrahmen an Bedeutung. Hierbei handelt es sich überwiegend um fachliche Orientierungsrahmen, die in Zusammenarbeit mit Wissenschaft von Fachverbänden erarbeitet und für ihre Mitgliedsbereiche nutzbar gemacht wurden (Beispiele gibt es im Bereich Museumspädagogik oder den Musikschulen, aber auch für das FSJ Kultur). Qualitätsrahmen gibt es in Form von Rahmenkonzeptionen, Kriterienlisten oder Qualitätsleitfäden. Avancierte Formen von Qualitätsrahmen setzen fachliche (kulturpädagogische) Qualitätsmerkmale mit normativen Qualitätsdimensionen (träger-­ und einrichtungsbezogene Wert­- und Qualitätsvor­stellungen) mit betrieblichen Qualitätskriterien (Management, Markt, Wirtschaftlichkeit) in Beziehung. Daneben geben Referenzbereiche, in denen kulturelle Kinder-­ und Jugendbildung stattfindet oder mit denen sie kooperiert, eigene Qualitätsrahmungen vor, beispielweise im Bereich der Kultur (spartenspezifische oder einrichtungsspezifische Qualitätsvorgaben, z.B. für Museen, Bibliotheken, Theater), Jugend (Standards der Jugendarbeit und der Internationalen Jugendarbeit), des Freiwilligendienstes (FSJ Kultur), der frühkindlichen Bildung (Kindergarten, Kindertagesstätten) und besonders im Bildungsbereich (bildungstheoretische Vorannahmen), speziell im Bereich der Schule, vor allem der Ganztagsschule. Damit sehen sich viele Träger Verpflichtungen und Anforderungen an (Selbst-)Evaluationen gegenüber, die je nach Praxis-­ und Politikbereich sowie Zuwendungsvorgaben der öffentlichen Hand auf Bundes-­, Landes­- und kommunaler Ebene sehr verschiedenartig ausfallen.

In der Diskussion um die Relevanz von Evaluation und Qualitätssicherung in der Kulturellen Bildung sind (mindestens) drei Aspekte als Zukunftsaufgaben zu nennen: Einmal gilt es, die wachsende und Ressourcen strapazierende Vielfalt von Evaluationsanforderungen unter ge­meinsamen Standards oder Rahmensystemen zusammenzuführen. Darüber hinaus ist nach wie vor ungelöst, wie Effekte, vor allem aber Wirkungen Kultureller Bildung valide festgestellt werden können. Hier stellen sich Fragen nach der grundsätzlichen Möglichkeit von Wirkungs­analysen pädagogischer und künstlerischer Prozesse, nach Möglichkeiten der Ziel­- und Indikatorenformulierung ebenso wie die nach gegenstandsadäquaten Evaluationsmethoden.

 

Verwendete Literatur

  • Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) (Hrsg.) (2010): Studie zur Qualitäts­sicherung in der Kulturellen Bildung. Bestandsaufnahme zu Instrumenten der Qualitätssicherung in der Kulturellen Bildung, Weiterbildung, Ganztagsschule und in Kindertageseinrichtungen. Fachbeiträge zu verschiedenen Qualitätsdimensionen und Evaluationsverfahren in der Kulturellen Bildung. Remscheid: BKJ.

Anmerkungen

Dieser Text wurde erstmals im Handbuch Kulturelle Bildung (Hrsg. Bockhorst/ Reinwand/ Zacharias, 2012, München: kopaed) veröffentlicht.

Zitieren

Gerne dürfen Sie aus diesem Artikel zitieren. Folgende Angaben sind zusammenhängend mit dem Zitat zu nennen:

Helle Becker (2013/2012): Evaluation in der Praxis der kulturellen Kinder- und Jugendbildung. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://kubi-online.de/artikel/evaluation-praxis-kulturellen-kinder-jugendbildung (letzter Zugriff am 14.09.2021).

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Dieser Artikel wurde dauerhaft referenzier- und zitierbar gesichert unter https://doi.org/10.25529/92552.38.

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