Freiwilliges kulturelles Engagement in ländlichen Räumen: Vielfalt, Herausforderungen und Lösungsansätze

Artikel-Metadaten

von Maria Rammelmeier

Erscheinungsjahr: 2023

Peer Reviewed

Abstract

Freiwilliges kulturelles Engagement in ländlichen Räumen ist vielfältig. Die kulturell engagierten Personen zeichnen sich durch Innovation, Kreativität, Verantwortungsbewusstsein und Einsatzbereitschaft aus. Die verfügbaren Räumlichkeiten variieren in Größe und Ausstattung, wobei öffentlich finanzierte Räumlichkeiten oft multifunktional genutzt werden. Das Engagement in ländlichen Regionen wird als freiwillig, unentgeltlich und gemeinschaftlich definiert, wobei der Kulturbereich eine bedeutende Rolle spielt. Trotz begrenzter räumlicher Einheiten und geringerer Bevölkerungszahlen in ländlichen Gebieten gibt es eine Vielzahl von potenziellen Kulturakteuren. Das Engagement erfolgt oft in sozialen Netzwerken und dient als Motor für kreative Neugestaltung und soziale Verbindung. Die Motivation hinter dem Engagement beinhaltet Spaß, Leidenschaft und Heimatverbundenheit.
Es gibt verschiedene Rahmenbedingungen, die sich positiv und negativ auf die Umsetzung und damit die Vielfalt des Ehrenamts in ländlichen Räumen auswirken. Daher wird in diesem Artikel der Frage nachgegangen, welche spezifischen Rahmenbedingungen sich auf das kulturelle Engagement auswirken. Anhand von vier empirischen Fallbeispielen wird ein Einblick in das kulturelle Engagement in ländlichen Räumen mittels empirischer Daten gewährt. Darüber hinaus werden mögliche Lösungsansätze für Herausforderungen im freiwilligen Engagement, die durch hinderliche Rahmenbedingungen entstehen, aufgezeigt.

Kulturelles Engagement in ländlichen Räumen ist vielfältig

Kulturelles Engagement in ländlichen Räumen ist von einer Vielfalt geprägt (Rammelmeier 2022) und findet in verschiedenen Kulturbereichen statt, darunter Musik, Theater, bildende Kunst und Literatur. Die Pluralität erstreckt sich über mehrere Aspekte, die anhand der W-Fragen gegliedert werden können: Wer? Wo? Was? Warum? Wie?

Die kulturell engagierten Personen in ländlichen Räumen sind Personen, die eine hohe Innovationsfähigkeit, Kreativität, Verantwortungsbewusstsein und Einsatzbereitschaft auszeichnet. Die vorhandenen Räumlichkeiten, in denen sich Personen freiwillig engagieren, variieren in ihrer Anzahl, Größe und Ausstattung. Bei öffentlich finanzierten Räumlichkeiten kommt oft eine multifunktionale Nutzung durch verschiedene Akteursgruppen zum Tragen. Trotz der begrenzteren räumlichen Einheiten und einer geringeren Anzahl an Bewohner*innen in den Dörfern gibt es eine Vielfalt potenzieller Kulturakteure. Nach dem Freiwilligensurvey wird Ehrenamt als freiwillig, unentgeltlich, öffentlich und gemeinschaftlich mit anderen ausgeübt (Simonson et al. 2017:17). Innerhalb des Freiwilligensurveys erweist sich der Kulturbereich als einer der größten Engagementbereiche, neben Sport/Bewegung und Schule/Kindergarten. Zudem verzeichnet der Kulturbereich eine stetige Zunahme an Engagierten über die Jahre hinweg und wird als ein „Wachstumsbereich“ betrachtet (Alscher 2017). Eine Auswertung der Gesamtzahl der Aktiven in Kultur und Musik ergibt, dass 70% in städtischen Gebieten und 30% in ländlichen Regionen aktiv sind (Alscher 2017). Gemessen an der Bevölkerungsdichte ist der jeweilige Anteil jedoch gleich hoch. Die Bedeutung des unentgeltlichen Engagements verleiht der ehrenamtlichen Tätigkeit eine Eigenlogik, die durch die Einführung von bezahlter Arbeit verloren gehen könnte, insbesondere im Kulturbereich (Röbke 2018). Dies unterstreicht die Notwendigkeit, bei empirischen Auswertungen die jeweilige Organisationsform im Detail zu untersuchen. Ländliche Regionen haben ihre eigenen Besonderheiten und Herausforderungen, die sich auf das kulturelle Leben und das freiwillige Engagement auswirken. Hierbei ist es das Ehrenamt, das nicht nur als Bewahrer von Traditionen, sondern auch als Motor für kreative Neugestaltung und soziale Verbindung im Sozialstaat fungiert (Rammelmeier 2023). Das freiwillige Engagement wird in sozialen Netzwerken umgesetzt. Da das Engagement sehr vielfältig in ländlichen Räumen ist, stellt sich folgende Frage: Welche spezifischen Rahmenbedingungen fördern und behindern das kulturelle Engagement in ländlichen Räumen? Das Ziel dieses Artikels ist es, einen Einblick in das freiwillige kulturelle Engagement in ländlichen Räumen anhand empirischer Daten zu geben. Mit Blick auf förderliche und hinderliche Rahmenbedingungen werden das Engagement dargestellt und mögliche Lösungsansätze aufgezeigt.

Fallbeispiele zu freiwilligem kulturellem Engagement in ländlichen Räumen

Im Rahmen der Forschung von Rammelmeier (2023) wurden 17 leitfadengestützte Experteninterviews mit Kulturschaffenden und Akteuren der Regionalentwicklung geführt, um herauszufinden, wie Regionalmanagement kulturelles Engagement stärken kann. Das Erkenntnisinteresse fokussierte sich auf Gelingens- und Hinderungsbedingungen für die kulturelle Entwicklung in ländlichen Regionen. In Ergänzung zu den Interviews wurden Netzwerkkarten erstellt zur Visualisierung der Kooperationsbeziehungen im kulturellen Engagement. Im Detail wurden die Systeme kulturelles Engagement und Regionalentwicklung in ländlichen Räumen untersucht. Für den vorliegenden Artikel werden vier Fallbeispiele ausgewählt, die aus dem Bereich des freiwilligen kulturellen Engagements stammen. Kriterien zur Auswahl der Kulturschaffenden waren: Durchführung von kulturellen Veranstaltungen in den Bereichen Musik, Theater, Literatur oder Kunst; Leitungsfunktion; Engagement seit mehr als vier Jahren und Tätigkeit in ländlichen Räumen (Gebiete mit einer Einwohnerdichte unter 150 Einwohner*innen pro Quadratkilometer). Untersucht wurde im Raum Ostbayern. Die Namen der Interviewten sind Pseudonyme.

Alle aufgeführten Engagements sind nicht auf Verdienst ausgerichtet. Sie decken ihre Ausgaben beispielweise mit Eintrittsgeldern, Spenden, Mitgliedsbeiträge oder dem Verkauf von Essen und Getränken bei Veranstaltungen.

Fanny – Leiterin der Kunstgruppe

Fanny ist Anfang 50 und beruflich als technische Zeichnerin tätig. Sie hat über einen Zeitraum von zwölf Jahren eine Kunstgruppe geleitet, die im 2-jährigen Turnus Ausstellungen organisierte. Ein Aufruf der Gemeinde als äußerer Impuls motivierte sie das Engagement aufzunehmen. Die Kunstgruppe setzte sich aus Fotograf*innen, bildenden Künstler*innen, Handwerker*innen und Vertreter*innen verschiedener Kunstformen zusammen. Die (Hobby-)Künstler*innen kamen aus einem Dorf mit etwa 2000 Einwohner*innen sowie den umliegenden Ortsteilen der Gemeinde. Fanny engagierte sich darüber hinaus im regionalen Kunstverein.

Das Netzwerk von Fanny umfasst 14 Kontakte. An erster Stelle stehen der Arbeitskreis aus Kommunalpolitker*innen zum Thema Kultur, der Bürgermeister und eine Schulverantwortliche, da die Ausstellungen in der Schule stattfinden. Der kommunale Arbeitskreis unterstützt sie bei der Organisation der Kunstausstellungen und agiert in einer Doppelfunktion als politisches Entscheidungsgremium, da einige Mitglieder im Gemeinderat aktiv sind. Weitere wichtige Kontakte sind Mitglieder des Organisationsteams der Kunstgruppe, die gleichzeitig Künstler*innen sind, sowie die Ehemänner einiger Künstlerinnen und die Presse.

Gretl – Vorsitzende des Kulturvereins

Gretl, Historikerin Anfang 60, übernahm im Jahr 2014 den Vorsitz des Kulturvereins in einem Dorf mit ca. 2000 Einwohnern. Sie trat die Nachfolge des ehemaligen Vorsitzenden an – ihr Engagement wurde von außen angestoßen, als man sie fragte, ob sie den Vorsitz übernehmen möchte. Neben ihrer Tätigkeit im Kulturverein leitet sie eine Kunstgruppe und beschäftigt sich mit der regionalen Geschichte. Ihr kulturelles Engagement beinhaltet die Organisation von Veranstaltungen im Gemeindegebiet, darunter Literaturabende, Kabarett- und Musikveranstaltungen, Lesungen und Vorträge, die in einem gemeindlichen Veranstaltungsraum stattfinden.

Gretl pflegt 16 Kontakte im Rahmen ihres Engagements. An erster Stelle nennt sie Vorstandsmitglieder von Geschichtsvereinen, gefolgt von einer engagierten Privatperson, einer Kunstgruppe und Personen aus der Kirchengemeinde. Zudem arbeitet sie mit Angestellten verschiedener Ämter wie Umwelt, Bau und Denkmalpflege zusammen. Ergänzt wird die Liste durch den Bürgermeister, weitere Vorstandsmitglieder und lokale Geschichtsvereine.

Walli & Traudl – Organisatorinnen eines Kunstdorfes

Walli, 67 Jahre alt und Rentnerin, sowie Traudl, 51 Jahre alt und beruflich als Dekorateurin tätig, organisieren seit Anfang 2000 im zweijährigen Turnus eine Kunstausstellung, die sich über das gesamte Dorf erstreckt. Der Impuls für ihr Engagement kam von innen: Beide waren bereits in kreativen Bereichen aktiv und erkannten das künstlerische Engagement bei anderen Dorfbewohner*innen. Diese Idee der Kunstausstellungen verfolgten sie weiter. Das Organisationsteam (Walli und Traudl) legt Wert darauf, dass alle Teilnehmenden aus dem Dorf stammen oder eine längere Zeit Teil der Gemeinschaft waren.

In Bezug auf ihre Zusammenarbeit oder den Austausch im Rahmen des Engagements nennt das Organisationsteam zehn relevante Personen. Die Gemeindeverwaltung steht an erster Stelle, gefolgt vom Seniorenzentrum, der Gastwirtschaft und der Presse. Auch der Obst- und Gartenbauverein sowie die Feuerwehr spielen eine Rolle, ebenso wie Nachbar*innen und die Dorfgemeinschaft, das Catering und die Künstler*innen selbst.

Bebbi – Vorsitzender des Theatervereins

Bebbi ist Mitte 70 und leitet den vor über 35 Jahren gegründeten Theaterverein, der jährlich ein Theaterstück in der Nähe des Dorfes an mehreren Veranstaltungstagen aufführt. Als Ingenieur im Holzbereich tätig, übernimmt er den Vorsitz. Von den 170 Vereinsmitgliedern sind etwa die Hälfte als Theaterspieler*innen aktiv. Sie kommen aus dem Kernort und den umliegenden Dörfern. Alle Altersgruppen von 5 bis 83 Jahren sind vertreten.

Für Bebbi spielen 15 Personen im Rahmen seines Engagements eine Rolle. Vorstandsmitglieder, Kostümverantwortliche, Kassierer*innen, Schriftführer*innen und Ansprechpartner*innen für die Presse stehen an erster Stelle. Danach folgen Personen, die in verschiedenen Funktionen im Verein agieren, wie der Jugendbeauftragte, ein Architekt, der Landrat als Redner für Begrüßungen, ein Grafiker und der Regisseur. Doppelfunktionen zeigen sich etwa bei einem Vereinsmitglied, das auch als Journalist aktiv ist, oder beim im Verein engagierten Jugendbeauftragten der Gemeinde.

Spezifika ländlicher Räume und des Engagements darin aus Sicht der Kulturschaffenden

Das kulturelle Engagement in ländlichen Räumen ist von Spezifika geprägt, die unter anderem sich aus der sozialen Struktur und Nähe dieser Gemeinschaften im Raum ergeben. Diese Merkmale beeinflussen die Art und Weise, wie Kulturschaffende ihre Aktivitäten gestalten und mit der lokalen Gemeinschaft im Ort interagieren.

In ländlichen Räumen zeichnet sich eine enge Verbundenheit zwischen den Menschen und soziale Nähe aus. In den Interviews wird dies deutlich mit der Aussage: „Dass man die Leute halt kennt. Dass man halt ja und, und, ja, dass jeder jeden kennt." (Fanny). Dies kann eine Vertrautheit und ein Gemeinschaftsgefühl schaffen, das die Zusammenarbeit und Kommunikation begünstigt: „Das läuft Hand in Hand“ (Gretl). Dadurch wird der Informationsfluss und unter Umständen der Einfluss erhöht: „Ich hab einfach auch Einfluss dadurch, dass mich jeder kennt und jeder weiß, was ich tu. Werde auch gehört und es ist einfach ganz ganz eine andere Situation als in dem anonymen Stadtbereich, wo es ganz andere Strukturen gibt." (Gretl). Die enge soziale Verbindung führt aber zeitgleich zur sozialen Kontrolle. Da die Menschen einander kennen, gibt es eine Art informelle Kontrolle, die Verantwortung und Verhalten beeinflusst: „Auf einem Dorf lastet ein gewisser Druck auf einem, der wo in einer führenden Position ist auch wenn er es, und gerade wenn er es ehrenamtlich macht, finde ich. Weil die anderen können es doch ein bisschen abwehren.“ (Bebbi). Persönliche Überlastung kann die Folge von fehlender persönlicher, sozialer Abgrenzung im Dorf sein. Durch das Zusammenwirken von sozialer Nähe und sozialer Kontrolle entsteht eine Dynamik, die damit zusammenhängt, dass meist mehrere Engagements durch eine Person ausgeübt werden: „Ist auch ein großer Vorteil vom Land, dass das alles in Personalunion geht." (Bebbi). Diese Funktion als „Mädchen für alles“ (Bebbi) ist aber auch mit begrenzten Ressourcen der eigenen Person verbunden, seien es zeitliche, personelle oder finanzielle Ressourcen (siehe Grenzen/hinderliche Rahmenbedingungen).

Die räumliche Nähe der Akteure ermöglicht kurze und direkte Kommunikationswege. Informationen und Anliegen können rasch und persönlich ausgetauscht werden, was die Organisation und Koordination von kulturellen Aktivitäten erleichtert: „Gehe ich hinauf ins Rathaus, wenn ich Glück hab, ist er da und wenn nicht, dann trifft man ihn schon irgendwo. Also das war für mich immer, war für mich immer unproblematisch, wenn du den Bürgermeister braucht hast [...] Ich hab den Bürgermeister eigentlich immer eine Einladung irgendwo auf einem Fest geben können, weil man, man ihm eigentlich immer irgendwo über den Weg läuft." (Fanny:58)

Die Motivation für das Engagement sind beispielsweise Spaß, Gemeinschaft, eigene Kunst voranbringen und Heimatverbundenheit.  Sich selbst in der Verantwortung zu sehen, etwas im und für das Dorf zu ändern spielt auch eine Rolle in der Motivation für das Engagement: „[Wir] wollen das hier mitgestalten und wollen's uns auch so schön wie möglich machen" (Walli & Traudl). In ländlichen Räumen wird hier im Vergleich zu Städten häufiger Verantwortung übernommen, durch die höhere Zahl an Besetzungen von Vorstandspositionen (vgl. Alscher 2017).

Bei den untersuchten freiwilligen Engagements im Kulturbereich zeigte sich bei allen eine soziale Ausrichtung auf eine Gruppe oder Gemeinschaft. Dies meint, dass das Engagement gemeinschaftlich organisiert und unterstützt ist. Je nach Institutionalisierung ergeben sich jedoch Unterschiede. Die institutionalisierten Akteure sind beispielsweise Vereine im Bereich Kultur, also Kulturvereine, z.B. Theatervereine, diese zeichnen sich durch einen festen Rahmen und vorwiegend Vereinsmitglieder als Unterstützer aus. Die losen Gruppen sind Kulturschaffende, die sich zu einer Gruppe zusammengeschlossen haben, aber keine Rechtsform besitzen. Hier bilden sich informelle Hierarchien: „Und dann ist das irgendwie so, ja hat sich das dann so ergeben, dass die Fäden dann bei mir zusammengelaufen sind.“ (Fanny:3).

Die Unterstützung im Engagement findet durch verschiedene Instanzen statt. Hier zeigt sich, dass vorwiegend die lokale Ebene einbezogen wird, das heißt näheres soziales Umfeld sowie die jeweilige Gruppe/Verein oder die Gemeindeverwaltung. Des Weiteren wird das kulturelle Engagement häufig von Helfenden über den Verein hinaus immateriell gefördert. In der vorliegenden Forschung zeigt sich, dass die materielle Unterstützung zwar schon eine Rolle spielt, wesentlich entscheidender und ausführlicher wird jedoch die immaterielle Unterstützung aufgeführt. Dies spiegelt sich auch in den Ausführungen zu den förderlichen Rahmenbedingungen wider.

Aus Sicht der Befragten besteht für Kulturschaffende in ländlichen Räumen die Möglichkeit, ihre Ideen und Projekte eigenständig zu gestalten und umzusetzen. Die Nähe zur lokalen Gemeinschaft ermöglicht es ihnen, Einfluss auszuüben und „gehört und gesehen“ zu werden. Walli & Traudl betonen: „Man weiß für wen man es persönlich macht." Des Weiteren bieten die Dörfer andere Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten im Vergleich zur Stadt, wie Rückkehrerin Gretl reflektiert: „Wenn ich jetzt in [N-Stadt] geblieben wär, wo ich auch lange Zeit [x] Jahre eine Wohnung gehabt habe. Ja da wär ich Nix, da könnte man Nix erreichen.“ (Gretl:30). Grundsätzlich kommt es durch die soziale Begrenztheit in ländlichen Räumen zu einer Überschaubarkeit der Strukturen: „Das macht die Sache auch ein bisschen berechenbarer mit den Menschen, die wir kennen." (Walli und Traudl).

Gerade kreative und neue Ideen können in Dörfern aber auch auf eingefahrene Meinungen treffen: „Ja des war aber immer so, das haben wir aber immer so gemacht" (Fanny:72). Dies kann zu Konflikten und gegenseitigen Fremdheitserfahrungen zwischen Kulturschaffenden und Dorfbewohnern, aber auch zwischen Kulturschaffenden beispielsweise mit soziokulturellem und hochkulturellem Fokus führen: „Wir unterscheiden uns halt ein bisschen von den anderen Theatern, die, sagen wir mal Bauernstücke, wie das ‚rotseidene Unterhöserl‘ auf die Bühne bringen“ (Bebbi:196).

Die Kulturschaffenden in ländlichen Räumen können mit dem Wissen über diese Spezifika ihr Engagement den Gegebenheiten anpassen und damit eine besondere Dynamik und eine Bindung zur lokalen Gemeinschaft schaffen. Im konkreten Fall bedeutet das, sich zu informieren und regionsspezifische Eigenheiten zu identifizieren und dementsprechend zu reagieren, Die persönlichen Beziehungen, kurzen Kommunikationswege und der Einfluss auf lokale Bedingungen sind Faktoren, die das kulturelle Engagement in diesen Regionen beeinflussen (Rammelmeier 2021).

Förderliche Rahmenbedingungen im Engagement

Schlussfolgernd wird Folgendes festgehalten: Um kulturelles freiwilliges Engagement in ländlichen Räumen zu ermöglichen, sind neben unterstützenden Personen und Institutionen verschiedene Rahmenbedingungen von Bedeutung. Diese förderlichen Faktoren lassen sich in fünf Dimensionen gliedern.

Abbildung 1: Förderliche Rahmenbedingungen im kulturellen Engagement in ländlichen Räumen

Die räumlichen Bedingungen bilden einen Grundpfeiler für das kulturelle Engagement. Eine geeignete Ausstattung der Räumlichkeiten ist wichtig, z. B. Lichttechnik, Soundanlage oder Bestuhlung. Eine angemessene Größe der Räumlichkeiten ermöglicht es, Aktivitäten ohne Platzmangel durchzuführen. Die Atmosphäre des Raums trägt zur Wirkung der kulturellen Veranstaltung bei. Ein guter Zustand der Räumlichkeiten durch regelmäßige Renovierungen oder Instandhaltungsarbeiten ist dabei Voraussetzung.

Gute Beziehungen überall hin“ (Bebbi) fördern das Engagement im Dorf. Das Knüpfen und Pflegen von Beziehungen zu verschiedenen Akteuren, sei es innerhalb der Gemeinschaft oder über sie hinaus, ist förderlich. Gegenseitige Unterstützung innerhalb der Gemeinschaft stärkt das Engagement und trägt zu einer positiven Dynamik bei. Die Bildung einer engagierten Gemeinschaft oder Gruppe, bestehend aus Mitorganisatoren und Mitwirkenden, schafft Synergien und ermöglicht ein gemeinsames Wirken. Die Verfügbarkeit ausreichender Manpower und die Möglichkeit, voneinander zu lernen, stärken das soziale Miteinander: „Also jeder von uns steckt auch privat, jetzt finanziell und natürlich Energie und Manpower der ganzen Familie in dieses Projekt mit rein.“ (Walli und Traudl).

Der persönliche Einsatz der Engagierten ist ein entscheidender Faktor. Die Präsentation von sich selbst und dem eigenen Engagement trägt zur Identifikation mit der Aktivität bei und kann andere zur Beteiligung inspirieren. Die Bereitschaft, Zeit, Geld und Energie ins Engagement zu investieren, zeigt das persönliche Engagement und den Stellenwert, den das kulturelle Engagement für die Einzelnen hat.

Externe Institutionen können das Engagement auf verschiedene Weise unterstützen, wie beispielsweise durch die Gemeinde: „Wir werden insofern von der Gemeinde gefördert, in dem die uns wo es geht unterstützen. Wenn wir Hilfe vom Bauhof, von irgendetwas brauchen, müssen wir das nur sagen und sind gehört. Also das funktioniert klasse." (Walli und Traudl). Personelle Unterstützung, sei es durch Expertise oder aktive Teilnahme, bereichert das Engagement. Ideelle Unterstützung, auch auf politischer Ebene, verleiht dem Engagement eine höhere Sichtbarkeit und Anerkennung. Die Bereitstellung von geeigneten Räumlichkeiten durch Institutionen erleichtert die Durchführung von Veranstaltungen und Aktivitäten. Finanzielle Förderung bietet den Engagierten weitere Möglichkeiten, um ihre Aktivitäten umzusetzen.

Die Gestaltung von Veranstaltungen (Themen- und Programmauswahl) ist ein förderlicher Faktor. Die Auswahl qualifizierter Künstler*innen oder Vortragender ist entscheidend für die Attraktivität des kulturellen Angebots und hat Einfluss auf die Größe des Publikums. Der Zuspruch und die Beteiligung des Publikums sind ein Indikator für den Erfolg einer Veranstaltung: „Es spielt natürlich eine Rolle, [Theaterverein] kennen sie schon überall. Hat Erfolg, kennen sie auch, wenn du keinen Erfolg hast, kommt ja keiner, will ja gar nicht mitspielen." (Bebbi) Eine gelungene Durchführung trägt zur Etablierung und positiven Resonanz bei, was wiederum das kulturelle Engagement stärkt.

Hinderliche Rahmenbedingungen im kulturellen freiwilligen Engagement in ländlichen Räumen

Trotz des positiven Einflusses des kulturellen freiwilligen Engagements gibt es auch hinderliche Rahmenbedingungen, die das Engagement in ländlichen Räumen erschweren können. Diese Faktoren können die Dynamik des Engagements beeinträchtigen und stellen Engagierte vor Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Im empirischen Material wurden diese Grenzen durch weiterführende Analysen herausgearbeitet, da vorwiegend die Meinung vertreten war: „Wir haben keine Widerstände gegen die wir kämpfen“ (Walli und Traudl). Auf Grundlage der Analyse des empirischen Materials wurden darauf aufbauend Handlungsempfehlungen für Praktiker*innen formuliert.

Die begrenzten persönlichen Ressourcen, wie Zeit, Energie und Kapazität, können Engagierte an ihre Grenzen bringen: „Wenn ich ruder und ruder und ruder und dann irgendwann alles allein mach, dann funktioniert halt auch nicht mehr.“ (Fanny) Eine mögliche Lösung liegt darin, die eigenen Grenzen zu erkennen und bewusst zu setzen. Eine sorgfältige Einteilung der Kräfte und die Setzung von Prioritäten sind essenziell. Engagierte können sich Unterstützung von anderen holen, Aufgaben delegieren und Verantwortung teilen, um die Belastung zu reduzieren. Den Sinn hinter dem Engagement zu erkennen kann motivierend wirken, das Engagement trotz der sich aufzeigenden Grenzen fortzuführen: „Also, wenn man nicht jemanden hat, der wirklich drauf, also unbedingt das machen will. Und einen Sinn drin findet, was man überhaupt dem Dorf, was, was das dem Dorf bringt. Wenn man das nicht hat, dann plätschert’s.“ (Walli und Traudl)

Die Überlastung durch zu viel Verantwortung oder zu viele Aufgaben kann die Gesundheit der Engagierten beeinträchtigen. Engagierte sollten sich ihrer eigenen Belastungsgrenzen bewusst sein und rechtzeitig auf Warnsignale ihres Körpers reagieren.

Die baulichen Gegebenheiten der Räumlichkeiten können eine Herausforderung darstellen. Die Raumwirkung und Atmosphäre beeinflussen die Qualität der Veranstaltungen und Aktivitäten. Besitz- oder Abhängigkeitsverhältnisse können die Flexibilität bei der Nutzung von Räumlichkeiten einschränken. Die Lösung liegt im Akzeptieren dieser Bedingungen und in der Fähigkeit, flexibel damit umzugehen. Bei ungünstigen Bedingungen können Engagierte auf alternative Räumlichkeiten und Orte ausweichen oder ihre Bedarfe offen ansprechen, um die Möglichkeit von Verbesserungen herbeizuführen.

Die Vielfalt der beteiligten Personengruppen, wie Bürger, Vereinsmitglieder, Künstler und Publikum, kann zu Konflikten und Herausforderungen führen. Verschiedene Ansprüche und Erwartungen müssen berücksichtigt werden. Eine Lösung liegt in der Entwicklung einer Vielzahl spezifisch angepasster Lösungsansätze, die unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden. Ein weiterer Aspekt ist das Vorhandensein von „Kümmerern" oder engagierten Personen, die das Engagement mittragen. Der Mangel an solchen Personen kann das Engagement zusätzlich erschweren.

Der begrenzte zeitliche Spielraum aufgrund beruflicher und persönlicher Verpflichtungen stellt eine häufige Herausforderung dar. Eine mögliche Kompensation liegt in der Mobilisierung von Energie, insbesondere durch die Unterstützung der Gruppe. Die gemeinsame Arbeit und das gegenseitige Anspornen können Engagierte befähigen, trotz begrenzter Zeit Ressourcen effektiv einzusetzen und das Engagement erfolgreich voranzutreiben.

Trotz dieser hinderlichen Rahmenbedingungen zeigt sich bei den Engagierten eine hohe Belastbarkeit, eine starke Motivation und Leidenschaft sowie Innovationsfähigkeit. Diese Faktoren sind hilfreich zur Bewältigung der Herausforderungen.

Zusammenfassung

Ländliche Räume und das freiwillige kulturelle Engagement darin ist geprägt von sozialer Nähe und gleichzeitiger Kontrolle, sozialer Überschaubarkeit, kurze Kommunikationswege und Gestaltungspotenzial.

Zusammenfassend zeigt die Untersuchung der spezifischen Rahmenbedingungen für das kulturelle Engagement in ländlichen Räumen eine Vielzahl von Faktoren, die sowohl förderlich als auch hinderlich wirken können. Auf der förderlichen Seite sind räumliche Bedingungen von Bedeutung. Gut ausgestattete Räumlichkeiten, angemessene Größen und positive Atmosphären sind grundlegende Voraussetzungen, um kulturelle Aktivitäten durchzuführen und aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig spielen soziale Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft eine zentrale Rolle. Die nahe Verbundenheit der Menschen in ländlichen Regionen erleichtert die Kommunikation, Koordination und Zusammenarbeit. Die Bildung von Gemeinschaften oder Gruppen fördert den Austausch von Ressourcen, Wissen und Unterstützung. Externe Unterstützung durch Institutionen wie Gemeinden, Vereine oder Experten, sowohl personell als auch finanziell, sind ebenfalls förderlich, um das Engagement zu stärken.

Jedoch treten auch einige hinderliche Rahmenbedingungen zutage. Engagierte in ländlichen Räumen sehen sich mit begrenzten persönlichen Ressourcen konfrontiert, sei es in Form von Zeitmangel, begrenzter Energie oder personeller Kapazitäten. Hier ist ein flexibler und nachhaltiger Rückgriff auf ein soziales Netzwerk an Unterstützer*innen von Vorteil. Die Überlastung durch zu viele Aufgaben oder Verantwortlichkeiten kann die Gesundheit beeinträchtigen. Auch die baulichen Gegebenheiten der Räumlichkeiten können eine Herausforderung sein, wenn sie nicht den Anforderungen entsprechen oder wenig Flexibilität bieten. Durch öffentliche Förderung und Pflege der kulturellen Infrastruktur können solche Bedarfe unter anderem ausgeglichen werden. Die Vielfalt der beteiligten Personengruppen kann zu Spannungen und Konflikten führen, wenn unterschiedliche Ansprüche und Erwartungen nicht berücksichtigt werden und neue innovative Ideen auf traditionelle, eingefahrene Perspektiven treffen. Eine offene und tolerante Haltung aller beteiligten Personen (z.B. Engagierte, Dorfbewohner*innen, Unterstützer*innen) ist an dieser Stelle von Vorteil.Insgesamt wird deutlich, dass das kulturelle Engagement in ländlichen Räumen von einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Faktoren geprägt ist. Die begrenzten Ressourcen und Herausforderungen können durch das Sozialkapital wie persönliche Bindungen und Gemeinschaften ausgeglichen werden. Dennoch zeigen die Engagierten eine bemerkenswerte Belastbarkeit und Leidenschaft, um trotz dieser Hindernisse kulturelle Aktivitäten in ihren Orten und Gemeinschaften zu fördern. Es wird deutlich, dass die Förderung des kulturellen Engagements in ländlichen Räumen gezielte Maßnahmen erfordert, die sowohl die positiven Aspekte nutzen als auch die hinderlichen Faktoren mindern. Dies könnte die Schaffung von besser ausgestatteten Räumlichkeiten, gezielte Unterstützung von Personen mit begrenzten Ressourcen und die Förderung des Austauschs zwischen verschiedenen Akteursgruppen einschließen.

Verwendete Literatur

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Maria Rammelmeier (2023): Freiwilliges kulturelles Engagement in ländlichen Räumen: Vielfalt, Herausforderungen und Lösungsansätze. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://kubi-online.de/index.php/artikel/freiwilliges-kulturelles-engagement-laendlichen-raeumen-vielfalt-herausforderungen (letzter Zugriff am 16.07.2024).

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