Museen und Outreach

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von Ivana Scharf, Dagmar Wunderlich

Erscheinungsjahr: 2014

Outreach in der kulturellen Bildungsarbeit von Museen

In den vergangenen Jahren ist die Bedeutung von Outreach in dem Maße gestiegen, wie Museen erkannt haben, dass sie andere Methoden und Wege finden müssen, um ein diverseres Publikum anzusprechen und zu beteiligen. Um neue, bisher museumsferne Besucher zu erreichen, erfordert es eine aktive, zielgerichtete Ansprache der Bevölkerung mit neuen Formaten und Konzepten, die in einem strategischen Outreachansatz zum Ausdruck kommen. Mittlerweile ist Outreach in zahlreichen Museen weltweit etabliert. Es gibt Outreach-Manager, Outreach-Kuratoren und Outreach-Abteilungen. Prominente Beispiele mit einer langen Outreach Tradition sind das Philadelphia Museum of Art oder The Field Museum in Chicago. Hier ist Outreach als fester Bestandteil der Museumsarbeit mit verschiedenen Formaten von Distance Learning über Community Engagement Programme bis zu mobilen Museen verankert. Die Glasgow Museums zeigen, was es bewirken kann, wenn Outreach als Haltung in den Institutionen gelebt wird. Der Erfolg sind gut besuchte und lebendige Museen, mit bunt durchmischter Besucherschaft (Wunderlich 2011). In Deutschland ist das Jüdische Museum Berlin mit der mobilen Ausstellung „on.tour – Das JMB macht Schule“ seit 2007 unterwegs und hat in Folge dessen die erste Outreach-Abteilung an einem deutschen Museum etabliert. (Scharf 2011) Weitere Praxisbeispiele von Museums-Outreach an Schulen, in die Communities oder für digitales Outreach haben die Autorinnen in ihrem Blog aufgeführt: www.museum-outreach.de

Mit Outreach geht das Museum in die sozialräumlichen Strukturen und Lebenswelten unterschiedlicher Art mit variablen inklusiven Angebotsstrukturen hinein. Outreach kann mit speziell entwickelten Programmen gezielt gegen soziale Ausgrenzung und Benachteiligung wirken und die Veränderung der Organisationskultur im Museum in Bezug auf bisher ausgeschlossene Besuchergruppen initiieren. Das Potenzial von Outreach, Museen als Orte kultureller Bildung zu erschließen, die zu einem besseren Verständnis der persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung beitragen, wird in Deutschland häufig noch zu eng betrachtet. Zum Beispiel geschieht dies, wenn im Sinne aufsuchender Kulturarbeit und lebenslangen Lernens es nur als praktische Notwendigkeit gesehen wird, um ältere und weniger mobile Personen mit Museumskoffern zu erreichen, dass „das Museum auch schon mal nach ‚draußen‘ geht.“ (siehe Hannelore Kunz-Ott „Museum und kulturelle Bildung“). Oder Outreach wird lediglich als Marketing-Instrument verstanden, um auf das Museum aufmerksam zu machen (Mandel 2009:82) sowie als „indirekte Kulturvermittlung“, wenn „Kulturveranstaltungen ‚outreach‘ an öffentlichen oder touristisch attraktiven Orten gezeigt werden.“ (siehe Birgit Mandel „‘Niedrigschwellige‘ Kulturvermittlung öffentlicher Kulturinstitutionen als integrales Konzept zwischen Kunstmissionierung und Moderation kultureller Beteiligungsprozesse“)

Im traditionellen Verständnis sind Museen Orte der Sammlung, der Aufbewahrung und der Präsentation. Angebote der kulturellen Bildung stellen den Versuch dar, musealisierten Objekten wieder Lebensweltlichkeit zu verleihen. Das Anknüpfen an die Lebenswelt sowie die „Mobilitätsorientierung“ in der kulturellen Bildung im Museumskontext wird schon seit Jahrzehnten gefordert (Weschenfelder/Zacharias 1992). Die Antwort auf die Frage, auf wessen Lebensweltlichkeit sich deutsche Museen bisher in ihrer systemimmanenten Logik einstellen konnten, geben die zahlreichen soziologischen und kultursoziologischen Analysen der Besuchersituation in Museen. Sie kommen alle zu dem Ergebnis, dass die Besucherschaft höher gebildet ist und aus einem entsprechenden sozialen Umfeld stammt. Mit Outreach erwirbt das Museum die Kompetenz, Beziehungen auf Augenhöhe auch zum nichtwissenschaftlichen Umfeld aufzubauen und die Chance zur Aktualisierung ihrer überlieferten Dingwelt.

Definitionen von Outreach

Das Wort Outreach hat mehrere Bedeutungen. Als Verb bedeutet „to outreach” hinausreichen, übertreffen, überwinden. Als Nomen bedeutet „outreach” Reichweite und das zugänglich machen von Informationen oder Dienstleistungen an Personen, die andernfalls ausgeschlossen sein könnten. Aus der Verbindung dieser Bedeutungsebenen entsteht der Begriff Outreach. Es gibt keine allgemein gültige Definition und Outreach kann in die eine oder andere Richtung dieser beiden Bedeutungsebenen tendieren. Outreach kann als Marketing-Instrument verstanden werden, als aufsuchende Kulturarbeit oder eine bestimmte Organisationskultur im Umgang mit neuen, bisher ausgeschlossenen Besuchergruppen beschreiben (siehe folgende Definitionsmatrix). Immer häufiger wird Outreach in Zusammenhang mit der Erhöhung von Zugangschancen als Konzept gegen soziale Ausgrenzung und Benachteiligung gesehen sowie als Initiierungstool von Change-Management-Prozessen. Aus Sicht der Autorinnen muss es daher heißen: „Outreach ist ein systematischer Prozess, bei dem die Kulturinstitution abteilungsübergreifend strategische Maßnahmen plant, durchführt und evaluiert, um Gesellschaftsgruppen einzubeziehen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht aus eigenen Stücken das Kulturangebot wahrnehmen. Dieser Prozess bewirkt eine Veränderung in der Haltung der Institution, ihrer Programmgestaltung und Kommunikation. Ziel ist eine diversere, die Gesellschaft widerspiegelnde Besucherschaft.“ (Heisig/Scharf/Wunderlich 2014)

Outreach als Marketing-Instrument von Museen

Outreach als aufsuchende Kulturarbeit der Museen

Outreach als Instrument zur Organisationsentwicklung

Um eine breitere Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen, kann es sinnvoll sein, außerhalb des eigenen Hauses nicht nur in Form von Flyern und Plakaten, sondern mit Kulturangeboten präsent zu sein.

(Mandel 2009:82)

Basically museum outreach is a process that involves going out from a specific organization or centre to work in other locations with sets of people who typically do not or cannot avail themselves of the services of that centre.

(Golding 2006:4)

“Extension” refers to the programs museums offer outside the museum building to their traditional audiences, while “outreach” refers to museum activities that are designed for new or non-traditional audiences, whether offered in the museum or another location.

(Lord/Lord 1997:119)

 

 

Ebenfalls in den Museen der USA wurde der „outreach”-Gedanke entwickelt. Er umfasst verschiedene Maßnahmen, durch die ein Museum einem einzelnen Bürger oder auch der Bevölkerung eines ganzen Stadtteils näher gebracht und es in die jeweilige Lebenswirklichkeit integriert wird. Dies ist unter anderem durch die gezielte Zusammenarbeit mit Schulen und Gruppen aller Art, Museumsbusse, Museumskoffer und kleine, leicht montierbare Wanderausstellungen zu erreichen.

(Waidacher 1999:117)

Outreach ist ein systematischer Prozess, bei dem die Kulturinstitution abteilungsübergreifend strategische Maßnahmen plant, durchführt und evaluiert, um Gesellschaftsgruppen einzubeziehen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht aus eignen Stücken das Kulturangebot wahrnehmen. Dieser Prozess bewirkt eine Veränderung in der Haltung der Institution, ihrer Programmgestaltung und Kommunikation. Ziel ist eine diversere, die Gesellschaft widerspiegelnde Besucherschaft.

(Heisig/Scharf/Wunderlich 2014)

Die Entwicklung von Outreach in Museen

Den Ursprung hat Outreach in den USA. 1903 etablierte das American Museum of National History mit seinem „School Service” ein Verleihangebot mit kleinen Ausstellungseinheiten für Schulen. Das 1893 in Chicago gegründete Naturkundemuseum begann 1912 seine Bildungsarbeit. Die lange Outreach-Tradition ist im Selbstverständnis des Museums verankert und Teil des Mission Statement. Das Philadelphia Museum richtete in den 1930er Jahren mehrere Außenstellen – sogenannte „satellite museums” – ein. Eine weite Verbreitung fand Outreach in den USA nach 1954, initiiert durch eine neue Gesetzgebung im Zuge der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung (National Archives and Records Administration 2014). Das Gesetz untersagte Diskriminierungen aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, Alter oder Religion in jedem staatlich finanzierten Programm. In einer Studie über die Outreach- und Verleihprogramme amerikanischer Museen aus dem Jahr 1983 wird deutlich, dass die Museen auf die gesetzliche Forderung unter anderem mit Outreach-Programmen reagierten. Fünf Prozent der Museen gaben an, ihre Outreach-Programme vor 1900 eingeführt zu haben und Dreiviertel der Museen etablierten sie ab 1960 (Fleisher Zucker 1983:158). Von den Anfängen bis zu den 1970er Jahren beschrieb Outreach Maßnahmen von Museen, mit denen ein breiteres Publikum außerhalb des Museums erreicht und Nichtbesucher vor Ort aufgesucht wurden. Seit den 1980er Jahren sind Outreach-Programme durch öffentliche Nachfrage, gesellschaftliche Interessen und Forderungen bestimmt. In Europa lassen sich ähnliche Tendenzen erkennen. In den 1990er Jahren wurde in Großbritannien mit der zunehmenden Bedeutung der gesellschaftlichen Verantwortung von Museen weithin Outreach eingesetzt, um dieser Anforderung gerecht zu werden (Golding 2006:4). Outreach wird Mittel und Zweck zugleich:  „(…) the socially engaged museum is now no longer to be conceived of as a building to which visitors are enticed, but as a service which tailors its work to different target audiences. As a result, outreach work has become an important means of service delivery, both as an end in itself, and as a way in which the museum can publicise itself.” (Merriman 2004:95). In Deutschland wurde Outreach als Marketing-Instrument 1997 im Rahmen des internationalen Workshops zum Thema Museumsbesuch im Multimedia-Zeitalter diskutiert (Schuck-Wersig 1998). 2008 kam Outreach dann im Sinne der aufsuchenden Kulturarbeit als systematisch und strategisch entwickelter Ansatz in Form eines mobilen Museums auf die Agenda (Scharf 2011).

Outreach, Audience Development, Partizipation und Inklusion

Outreach bewegt sich im Spannungsfeld von drei Strategien, integriert Elemente von ihnen und geht daher in der Gesamtheit über sie hinaus: Audience Development, Partizipation und soziale Inklusion.

Audience Development ist die bislang im deutschsprachigen Raum am besten dokumentierte, wissenschaftlich untersuchte und praktisch angewandte Methode (Mandel 2012). Sie wurde in den USA als strategisches Instrumentarium zur Gewinnung neuer Publika entwickelt und in vielen Kultureinrichtungen implementiert (Walker-Kuhne 2005). Audience Development und Outreach sind beides strategische Management-Ansätze. In Deutschland werden beide Strategien jedoch oft als lediglich pädagogische Programme oder reine Marketingmaßnahmen umgesetzt und wahrgenommen. Ein Ziel beider Ansätze ist die Gewinnung neuer, bisher unterrepräsentierter Zielgruppen für Kultureinrichtungen durch systematische und zielgruppengerechte Ansprache von „Noch-Nicht-Besuchern“. Im Gegensatz zu Outreach geht es bei Audience Development jedoch nicht primär um die Öffnung einer Institution für bisher von der Teilhabe am kulturellen Leben ausgeschlossene Zielgruppen, auch wenn dies in vielen aktuellen Audience-Developement-Strategien durchaus ein wichtiger Bestandteil ist. Die Einbeziehung der neu zu gewinnenden Zielgruppen in die Programmgestaltung ist bei Outreach deutlich höher. Kurz gefasst: Outreach ist Involvieren und Audience Development ist Adressieren. Eines der Ziele von Outreach ist es, die Reichweite der Kultureinrichtung und ihres Bildungsauftrages zu erhöhen, auch wenn dadurch nicht zwangsläufig die Besucherzahlen steigen. Denn der Schulbesuch eines mobilen Museums z.B. in einer ländlichen Region muss nicht zu einem Gegenbesuch der Schüler in dem weit entfernten Museum führen. Dennoch werden Zielgruppen erreicht, die sonst nicht den Weg ins Museum gefunden hätten.

Soziale Inklusion ist ein zentraler Begriff in der New Museology (Sandell 2007, Hooper-Greenhill 1997, u.a.). Der Terminus Inklusion ist heute jedoch vornehmlich auf den Bereich der Einbeziehung von Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen fixiert und ist in der Museums-Diskussion allgegenwärtig. Wird das Antonym von sozialer Inklusion verwendet, also soziale Ausgrenzung, evoziert dies Bilder von z.B. Obdachlosen und die Abwehrreaktion, das Museum könne sich nicht um alle sozialen Probleme der Gesellschaft kümmern, ist die Folge. Doch wird der Begriff der sozialen Exklusion sachlich betrachtet, umschreibt er den Ausschluss bestimmter Gruppen aus der Mehrheitsgesellschaft. Das können bestimmte Jugendgruppen oder ältere Menschen sein, egal ob in einem urbanen Umfeld oder in ländlichen Räumen. Wenn man Museen als Institutionen sieht, in denen der Diskurs zu führen ist, wie die Gesellschaft von heute und morgen aussehen soll, dann muss es Aufgabe der Museen sein, diesem Ausschluss entgegenzuwirken. Outreach dient hierbei als Instrument der Organisationsentwicklung, mit der das Museum seine gesellschaftliche Rolle definieren und in all seinen Tätigkeitsfeldern inklusiver werden kann. Richard Sandell und Jocelyn Dodd sehen das Potenzial von Outreach in diesem Zusammenhang in zwei Bereichen: Erstens die Schwellen abzubauen, die von einem Museumsbesuch abhalten und zweitens – der umstrittenere Ansatz – die gesellschaftlichen Probleme anzugehen, von denen die sozial ausgegrenzten Gruppen betroffen sind, wie z.B. Obdachlosigkeit, Kriminalität und Arbeitslosigkeit (Sandell/Dodd 1999:72). Dies setzt den Willen zu Zusammenarbeit mit verschiedenen sozialräumlichen Partnern voraus, die Zugang zu den verschiedenen Anspruchsgruppen haben.

Outreach ohne Partizipation ist kein Outreach. Doch wie genau ist der Partizipationsbegriff im Zusammenhang mit Outreach zu verstehen? Es ist zu beobachten, dass es in der Museumspraxis grundlegend verschiedene Auffassungen von dem gibt, was partizipativ ist. Im Gegensatz zum Englischen, Französischen und auch Italienischem gehört das Wort Partizipation im Deutschen nicht zum alltäglichen Sprachgebrauch. Es ist der Wissenschaft und Politik vorbehalten. So bleibt Raum für viele verschiedene Interpretationen. Der Duden sagt: „Teilhabe“. Als Teilhabender kann ich jedoch sowohl passiver Rezipient als auch wirklicher Akteur sein (Piontek 2012:221f.). Es gibt verschiedene Vertiefungsebenen von Partizipation im musealen Kontext: eine Ausstellungseinheit, bei der auf einen Knopf gedrückt wird und es passiert etwas, wird genauso partizipativ genannt wie eine von verschiedenen Anspruchsgruppen in einem gemeinsamen Prozess entwickelte und gestaltete Ausstellung. Doch das aktive Mitgestalten „von draußen“ muss ein Museum zulassen: „I define a participatory cultural institution as a place where visitors can create, share, and connect with each other around content.“(Simon 2010:ii) Laut Nina Simon können Besucher einer partizipativen Kulturinstitution eigene Ideen und Objekte einbringen, darüber diskutieren und sich mit anderen, die die Interessen teilen, vernetzen. Das alles geschieht um die Inhalte herum, für die die Institution steht. Simon unterscheidet verschiedene Intensitäten der Partizipation in vier Stufen (Simon 2010:190): Bei einem “contributory project”, dessen Ablauf allein vom Museum bestimmt wird, kann die Besucherschaft Objekte und Ideen einbringen, bei einem “collaborative project” als aktiver Partner und bei einem “co-creative project” schließlich von vornherein als gleichberechtigter Partner die Ziele des Projektes mitbestimmen und umsetzen. Bei einem “hosted project” stellt das Museum räumliche oder andere Ressourcen für ein extern entwickeltes Projekt zur Verfügung. Auch Carmen Mörsch nimmt eine vierstufige Einteilung vor, und zwar bei den Formen der Vermittlung (Mörsch 2009): Bei der affirmativen Kunstvermittlung wird der Inhalt des Museums einer Fachöffentlichkeit von „autorisierten Sprechern“ der Institution nach außen hin kommuniziert. Beim zweiten reproduktiven Diskurs soll die Vermittlung das zukünftige Publikum des Museums heranbilden. In der dritten dekonstruktiven Stufe, wird das Museum als gesellschaftliche „Distinktions-, Exklusions- und Wahrheitsmaschine“ (Mörsch 2009:10) zusammen mit dem Publikum kritisch hinterfragt. Im vierten transformativen Diskurs führt die Kunstvermittlung durch Mitgestaltung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen Museen an das lokale Umfeld heran. Nur transformative Kunstvermittlung ist laut Mörsch Partizipation im eigentlichen Sinne. Es ist also genau zu hinterfragen, ob hinter Partizipation in der Museumspraxis nicht oft nur Interaktion, also „eine Illusion der Beteiligung ohne wirklichen Einfluss steht“ (Sternfeld 2012:119ff). Mit Outreach im Sinne einer veränderten Organisationskultur betreibt das Museum nicht nur eine kollaborative, co-kreative Partizipation im Sinne transformativer Vermittlung, und strebt dabei nicht nur den Lebensweltbezug der Öffentlichkeiten an, sondern geht selbst hinein in die Lebenswelt der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen.

Ausblick

Outreach ist der zeitgemäße Ansatz in die reale sozialräumliche Fläche – von urban bis ländlich – und in den virtuellen Raum hinein zu gehen. Outreach bietet die Chance zu erweiterten Allianzen, Kooperationen, regionalen und überregionalen Bündnissen. Einige Ansätze sind in aktuellen Initiativen zu erkennen. Im Modellprogramm „Kulturagenten für kreative Schulen“ übernehmen Kulturagenten an der Schnittstelle von Schule, Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden heute in Deutschland teilweise Aufgaben von Outreach-Managern auf Seiten der Schulen. Sie moderieren, kuratieren, managen, akquirieren Finanzmittel, binden diverse Akteure ein und stellen Vernetzungen her in den Umgebungsraum der Schule. Das Gegenstück im Museum wäre School-Outreach, das einen Bereich von möglichen Outreach-Aktivitäten darstellt. In den Museen in Deutschland bleibt enormer Entwicklungsbedarf, der immer mehr erkannt wird. Initiativen wie „MuseobilBox“ des Bundesverbandes Museumspädagogik und „Von uns für uns! Die Museen unserer Stadt entdecken“ des Deutschen Museumsbundes im Rahmen des BMBF-Programms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ zeigen dies. Das Konzept zur „MuseobilBox“ jedoch, das im Sinne von Outreach mit weitreichenden Vernetzungs- und Qualifizierungsmaßnahmen von den Autorinnen nachhaltig geplant und entwickelt wurde, ist unter den Zwängen traditioneller Strukturen und des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Land in der Art beschränkt worden, dass abzuwarten bleibt, ob es das so dringend erforderliche Innovationspotential entfalten kann.

Outreach ist die entscheidende Erweiterung des traditionellen museumspädagogischen Ansatzes vor Ort und hat das Potenzial das Verhältnis zwischen Museum und nicht museumsaffinen Publikum grundlegend zu verändern und viel weiter zu gehen, als alles, was bisher erprobt wurde. Und Outreach geht sogar noch weiter: Outreach ist eine Intervention aus dem System Museum heraus in dieses hineinwirkend und damit das System irritierend. Wenn Outreach strategisch und systematisch implementiert wird, trägt es dazu bei, die Umwelt-Beziehungen des Museums und das System Museum selbst zu verändern.

Verwendete Literatur

  • Fleisher Zucker, Barbara (1983): A Survey of Outreach and Loan Programs Offered by Museums. In: Curator: The Museum Journal, Volume 26, Issue 2, June 1983, 155–174.
  • Golding, Vivian (2006): Recollection and the UK Museum: Object, Image and the World. Paper presented for the conference „Connections, Communities and Collections” in Miami Beach, Florida, USA, July 10-12, 2006.
  • Heisig, Julia/ Scharf, Ivana/ Wunderlich, Dagmar (2014): Was ist Outreach? – Definitionen. www.museum-outreach.de (Zugriff am 10. April 2014).
  • Hooper-Greenhill, Eilean (Hrsg.) (1997): Cultural Diversity. Developing Museum Audiences in Britain. London: Leicester University Press.
  • Lord Gail Dexter, Lord Barry (1997): The Manual of Museum Management. London: Routledge.
  • Mandel, Birgit (2009): PR für Kunst und Kultur. Handbuch für Theorie und Praxis. Bielefeld: transcript.
  • Mandel, Birgit (2012): Audience Development als Aufgabe von Kulturmanagementforschung. In: Bekmeyer-Feuerhahn, S. et al (Hrsg.): Zukunft Publikum, Jahrbuch für Kulturmanagement 2012. Bielefeld: transcript.
  • Merriman, Nick (2004): Involving the public in museum archeology. In: Merriman, Nick (Hrsg.) (2004): Public Archeology (85-108). London: Routledge.
  • Mörsch, Carmen (2009): Am Kreuzpunkt von vier Diskursen: Die documenta 12 Vermittlung zwischen Affirmation, Reproduktion, Dekonstruktion und Transformation. In: Dies. (Hrsg.): Kunstvermittlung (9-33). Zürich/Berlin: diaphanes.
  • National Archives and Records Administration et al. (Hrsg) (2014): http://www.ourdocuments.gov/doc.php?flash=true&doc=87, (Zugriff am 10. April 2014).
  • Piontek, Anja (2012): Partizipation in Museum und Ausstellung. In: Das partizipative Museum (221 – 230). Bielefeld: transcript.
  • Sandell, Richard (2007): Museums, Prejudice and the Reframing of Difference. London: Routledge.
  • Sandell, Richard/ Dodd, Jocelyn (1999): The Museum Journal, Issue 11, Juli 1999.
  • Scharf, Ivana (2011): Wie macht man ein Museum mobil? Die Bildungsinitiative „on.tour – Das JMB macht Schule“ des Jüdischen Museums Berlin. In: Prof. Dr. Loock, Friedrich/ Prof. Dr. jur. Scheytt, Oliver (Hrsg.) (2011): Handbuch Kulturmanagement & Kulturpolitik. 22. Ergänzungslieferung. Stuttgart: RAABE.
  • Schuck-Wersig, Petra/ Wersig, Gernot (1998): Berichte und Mitteilungen aus dem Institut für Museumskunde Nr. 13, Deutsche Museen im Internet. Explorative Studie und Tagungsbericht anlässlich des Workshops „Museumsbesuch im Multimedia-Zeitalter“.
  • Simon, Nina (2010): The Participatory Museum. Santa Cruz: Museum 2.0.
  • Sternfeld, Nora (2012): Plädoyer. Um die Spielregeln spielen! Partizipation im post-repräsentativen Museum. In: Das partizipative Museum (119-126). Bielefeld: transcript.
  • Waidacher, Friedrich (1999): Handbuch der Allgemeinen Museologie. Wien: Böhlau.
  • Walker-Kuhne, Donna (2005): Invitation to the party. Building bridges to the Arts, Culture and Community, New York, Theatre Communications Group.
  • Weschenfelder, Klaus/Zacharias, Wolfgang (1981/1992): Handbuch Museumspädagogik. Orientierungen und Methoden für die Praxis (1. Auflage/3. Auflage). Düsseldorf: Schwann.
  • Wunderlich, Dagmar (2011): Wem gehören die Museen? “Public Engagement” – Ein Blick nach Schottland. In: Bundesverband Museumspädagogik e.V. (Hrsg.) (2011): standbein spielbein. Museumspädagogik aktuell. Heft 91, (36-38).

Anmerkungen

Vielen Dank an Julia Heisig für die Mitarbeit am Text.
2018 ist das Buch zum Beitrag erschienen. Ivana Scharf/ Dagmar Wunderlich/ Julia Heisig: Museen und Outreach - Outreach als strategisches Diversity-Instrument.

Zitieren

Gerne dürfen Sie aus diesem Artikel zitieren. Folgende Angaben sind zusammenhängend mit dem Zitat zu nennen:

Ivana Scharf, Dagmar Wunderlich (2014): Museen und Outreach. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://kubi-online.de/index.php/artikel/museen-outreach (letzter Zugriff am 14.09.2021).

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Dieser Artikel wurde dauerhaft referenzier- und zitierbar gesichert unter https://doi.org/10.25529/92552.143.

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