Move2gether! – Spezifika von fähigkeitsgemischten Tanzensembles in Praxis und Forschung. Eine qualitative Studie

Artikel-Metadaten

von Fabian Chyle-Silvestri, Ulrike Nestler

Erscheinungsjahr: 2022

Peer Reviewed

Abstract

Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über Konzeption und Realisierung der Studie „Move2gether! – Herausforderungen und Chancen von mixed-abled Ensembles in Tanz, Theater und Musik“ als Beispiel für Forschen im fähigkeitsgemischten Tanz. Die mixed-method Fachstudie wurde zwischen Juni 2020 und Januar 2021 pandemiebedingt digital durchgeführt. Beauftragt seitens des Leipziger LOFFT – DAS THEATER flankierte diese Studie die Neugründung der FORWARD DANCE COMPANY zu Beginn des Jahres 2020 als professionelles Ensemble mit Performer*innen mit nicht-normativen Körperlichkeiten. Die Zielsetzung dieser Ensembleneugründung lag in der Schaffung von professionellen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Beginn an. Um dieses Ansinnen zu unterstützen, wurden die Autor*innen dieses Beitrages beauftragt, die Gelingensbedingungen für fähigkeitsgemischte Tanzensembles deutschlandweit zu eruieren, auszuwerten und mittels unabhängiger fachlicher Expertise durch die Formulierung von Handlungsempfehlungen zu unterstützen. Dieser Beitrag diskutiert zentrale Ergebnisse der qualitativen Erhebung und die Implikationen für Forschungsprozesse im Bereich des fähigkeitsgemischten Tanzes/Performance.
Die Ergebnisse der Studie wurden am 03.11.2021 im Rahmen des Fachtages „(Un)professionelle Welten“ des LOFFT-Theaters abschließend präsentiert und am 12.02.2022 im Rahmen des eintägigen Forschungslabors „Mixed Abled Dance 22 (MAD 22)“ der TU Dortmund einem breiteren Forschungsnetzwerk vorgestellt und hinsichtlich der Forschungsmethodik diskutiert.

Einleitung und Ausgangslage

Fähigkeitsgemischter Tanz rückt in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus. Stadt- und Staatstheater, freie Szene wie auch Festivals verstetigen ihre Umsetzung fähigkeitsgemischten Arbeitens als Kernelement ihrer Arbeits- und Produktionsabläufe (architektonische als auch personelle Infrastrukturen, Audiodeskriptionen und sogenannte „Touch Tours“, etc.). Fähigkeitsgemischtes Arbeiten ist vielfach Ausgangspunkt und Initialzündung für die Herausbildung spezifischer Arbeitsweisen und -routinen als auch für die Etablierung individueller Künstler*innenbiographien oder Community-Projekten. Diese Arbeitsweise findet Niederschlag in sich immer stärker professionalisierenden Ensemblestrukturen – sowohl in der seit 1995 in der freien Szene operierenden DIN A 13 tanzcompany als auch zahlreichen weiteren Ensembles, die lange Zeit vor allem ein neben den Mainstream-Plattformen für Tanz und Performance parallel operierendes Festivalumfeld bespielten. Durch die (Wieder-)Aneignung der Begriffe „Behinderung“, „Crip“ oder auch „Crip Temporalities“ durch Künstler*innen und Kulturaktivist*innen selbst, verhandeln diese einzeln oder im Kollektiv agierende Künstler*innen mit Behinderungen ihre künstlerische Praxis selbstbewusst und -ermächtigend. Es entstehen vermehrt lokale, überregionale aber auch internationale Netzwerke unter ihnen. Künstlerisch erfolgreiche Tänzer-Choreograph*innen wie Michael Turinsky, Claire Cunningham und das Künstlerkollektiv Per.Art unter künstlerischer Leitung von Saša Asentić nehmen eine bedeutsame Rolle auch für die fortschreitende Verstetigung dieses Feldes in Deutschland ein. Während der Covid 19-Pandemie wurde die Aufmerksamkeit verstärkt auf besonders vulnerablere Gruppen der Gesellschaft geworfen. In Zeiten einer erhöhten Digitalisierung der Künste wurden Einzelprojekte, z.B. die Formate „Dis_Move“ und „Dis_Lecture“ an einschlägigen Produktionshäusern der freien Szene präsentiert. Zudem stellen Initiativen wie EUCREA eine wichtige Schnittstelle zwischen dem professionellen Kunstfeld und den community- bzw. Werkstattbasierten Theater- und Tanzprojekten dar und engagieren sich kulturpolitisch für den fähigkeitsgemischten Tanz und die Darstellenden Künste. Hier wären explizit das Strukturförderprogramm „Connect – Kunst im Prozess“ (2018-2021) und sein Vorläuferprogramm „ARTplus“ (2015-2017) zu nennen.

Die grundlegenden Arbeits- und Strukturbedingungen für die fähigkeitsgemischte Ensemblearbeit allerdings wird meist innerhalb von Einzelprojekten sehr individuell und divers entwickelt. Bei der Neugründung von Ensembles, so wie im Fall der FORWARD DANCE COMPANY, stellt es sich als ein großer Spagat heraus, um die Bedingungen und Notwendigkeiten zwischen den Arbeits- und häufig projektorientierten strukturellen Bedingungen der professionellen Ensemblearbeit der freien Szene und vorhandener Werkstattstrukturen auszubalancieren. Welche neuen Wege kann also eine erstmals als festes Ensemble an einer freien Produktionsstätte angegliederte Tanzkompanie diesbezüglich beschreiten? Wie die divergierenden Arbeitskonzepte und Honorierungsverhältnisse verbinden bzw. überbrücken? Inwiefern bedingen strukturelle Gegebenheiten das künstlerische Wirken?

Vor diesem Hintergrund wurde in dieser Fachstudie der Frage nachgegangen, unter welchen kontextuellen Bedingungen sich fähigkeitsgemischte Ensembles gründen und welche strukturellen und künstlerischen Strategien sie entwickeln, um nachhaltig zu arbeiten. Welche Spielräume gibt es, um vermehrt professionalisierende Wege im Bereich der Darstellenden Künste für alle Beteiligten zu ermöglichen und daraus Handlungsempfehlungen für das Feld insgesamt und die jeweiligen institutionellen Strukturen abzuleiten? Im folgenden Kapitel wird die methodologische Durchführungsweise dieser Studie hinsichtlich der drei Arbeitsschritte Literatur- und Datenbankrecherche, Online-Erhebung und qualitative Erhebung dargelegt.

Durchführung der Studie Move2gether!

Literatur- und Datenbankrecherche

Zwischen Juni und September 2020 wurde eine ausführliche Literatur- und Datenbankrecherche durchgeführt, um künstlerische, theoretische und organisatorische Formate und Verortungen im Bereich von fähigkeitsgemischtem Tanz deutschlandweit überblicksartig zu identifizieren. Da das Feld des fähigkeitsgemischten Tanzes in der BRD überschaubar ist und in den Nachbardisziplinen der Darstellenden Künste, wie Theater- und Musikproduktion, ähnliche strukturelle, institutionelle und personelle Grundstrukturen und Beziehungsgefüge vorzufinden sind, wurde die Recherche auf diese Bereiche hin ausgeweitet.

Mittels dieser Literatur- und Datenbankrecherche konnten 42 Ensembles, die in unterschiedlichen Kontexten und Formaten im Bereich der fähigkeitsgemischten Darstellenden Künste tätig sind, identifiziert werden. Eine Vielzahl der eruierten Ensembles weisen ausgeprägte strukturelle Verflochtenheiten mit „Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM)“ auf und kooperieren häufig mit caritativen Einrichtungen oder soziokulturellen Zentren. Hinsichtlich ihrer Zusammensetzung weisen sie eine große Diversität und spezifische Expertisen hinsichtlich physischer und Sinnesbehinderungen als auch Lernschwierigkeiten auf. Diese Varianz ist bedeutsam für die künstlerische Arbeit an sich als auch für das Herausarbeiten von Gelingensbedingungen von fähigkeitsgemischten Ensembles.

Übersicht der Liste der 42 in Deutschland tätigen, fähigkeitsgemischten Ensembles

Ensemble-Übersichtsliste
Ensemble - Übersichtsliste Seite 2
Abb. 1: Stand Sept. 2020; kein Anspruch auf Vollständigkeit

Online-Erhebung

Um möglichst viele Stimmen im Feld einzuholen und alle von uns identifizierten Ensembles zu inkludieren, wurde im Herbst 2020 eine Online-Befragung mit zwei unterschiedlichen Fragebögen realisiert: Fragebogen 1 richtete sich an die Organisator*innen der Ensembles und fokussierte auf die Organisationsformen der bestehenden Ensembles (Rücklauf: 7 Teilnehmende aus 7 Ensembles). Fragebogen 2 richtete sich an alle Mitglieder des Ensembles und ermöglichte die anonymisierte Erhebung subjektiver Haltungen auf die fähigkeitsgemischte künstlerische Praxis (Rücklauf: 33 Teilnehmer*innen). Somit konnte der konzeptuelle Anspruch mit der praktischen Umsetzung der Ensembles miteinander abgeglichen werden.

An der Online-Erhebung nahmen zu 60% Menschen mit Behinderung und zu 40 % Menschen ohne Behinderung teil. Generell zeigten die Fragebogenergebnisse eine starke subjektive Bezogenheit und deutlich positive Resonanz der Ensemblemitglieder in Bezug auf die künstlerische Arbeit im fähigkeitsgemischten Ensemble. Mit Blick auf das Verhältnis im Ensemble zeigte sich eine hohe Zufriedenheit in der Zusammenarbeit (91%) und ein starkes Gefühl von ‚sich verstanden fühlen‘ (97%). Mehrheitlich gaben die Befragten an, sich in der künstlerischen Arbeit gleichwertig zu fühlen (79%). Dies ist umso bedeutsamer vor dem Hintergrund, dass das Verhältnis zwischen Menschen mit und Menschen ohne Behinderung mehrheitlich (62%) als herausfordernd erlebt wurde. Die große Mehrheit der Befragten erhält im fähigkeitsgemischten Ensemble neue Impulse (97%) und konnte sich in der künstlerischen Arbeit weiterentwickeln (94%).

Nachfolgende Abbildungen dienen der Verdeutlichung der Ergebnisse von Fragebogen 1 und 2. (Mehr dazu vgl. das PDF der Gesamtstudie „Move2gether!" sowie den dort zu findenden Anhang 10.2.3.)

Ergebnisse Fragebogen 1

Ergebnisse Fragebogen 2

Ergebnisse Fragebogen 2 Abbildungen
Ergebnisse Fragebogen 2 Abbildungen 2

Qualitative Erhebung

Ab September 2020 wurde eine qualitative Erhebung in Form von fünf Fokusgruppengesprächen und einem Einzelgespräch online durchgeführt. Das methodische Vorgehen lehnte sich an das Vorgehen der Grounded Theory an: jedes Fokusgruppengespräch wurde nach Durchführung und hinsichtlich spezifischer Fragestellungen, Themen und möglichen Kategorien ausgewertet, so dass in diesem iterativen Verfahren (vgl. Strübing, 2008: 41) die darauffolgenden Studienteilnehmenden generiert wurden.

Die Fokusgruppengespräche wurden anhand eines Interviewleitfadens über Zoom realisiert, dauerten in der Regel 1 Stunde und 45 Minuten und wurden von beiden Forscher*innen in Co-Moderation durchgeführt. Pandemiebedingt konnten keine Begegnungen in physischer Präsenz oder teilnehmende Beobachtung von Proben- und Arbeitsprozessen vor Ort realisiert werden. Die Teilnehmenden der Fokusgruppen waren zusammengesetzt aus Performer*innen und Personen aus dem Bereich Leitung/Management. So wurden Innen- und Außenperspektiven erhoben und das Erfahrungswissen als auch Entscheidungsmaximen der Ensembleleiter*innen, -manager*innen und der beteiligten Performer*innen konnten in die Bestandsaufnahme mit einfließen. Die studienteilnehmenden Ensembles bildeten organisationsstrukturell folgende Aspekte ab: Stadttheater als auch freie Szene; diverse langjährig bestehende Ensembles vs. eines ebenfalls in Neugründung befindliches; Ensembles angegliedert an eine Werkstatt, an ein festes Theater oder auch eingebettet in europaweite Produktionsstrukturen. (siehe auch: PDF mit den Detailinformationen zu den Studienteilnehmenden.)

Ergebnisse der qualitativen Erhebung

Die qualitative Erhebung ergab 33 Aspekte (vgl. Mayring (2010) bzw. Böhm (2009) gegliedert nach Ursachen, Kontext, intervenierende Bedingungen, Strategien und Konsequenzen), die mit den Gelingensbedingungen fähigkeitsgemischter künstlerischer Praxis in Zusammenhang gebracht werden können (siehe auch: PDF mit der Übersicht der qualitativen Ergebnisse und tabellarischen Kategoriendefinitionen).

Im Folgenden wird eine Auswahl relevanter und praxisorientierter Ergebnisse expliziert, die aus Sicht der Autor*innen für die Realisierung nachhaltiger fähigkeitsgemischter Projekte unterstützend sein können. Zentrale Aspekte mit Blick auf Gelingensbedingungen und Zielorientierung werden nachfolgend unterstrichen dargestellt.

„Anfangen!“ – Gelingensbedingungen in der Startphase

Schon in der Gründungsphase von fähigkeitsgemischten Ensembles zeigten sich strukturelle Merkmale, die es grundsätzlich zu berücksichtigen gilt. Die Gründungsmomente der an der Studie teilnehmenden fähigkeitsgemischten Ensembles waren zumeist gekennzeichnet von einer erfolgreichen Synergie aus einem zumeist in eine künstlerische Praxis eingebettetem persönlichem Engagement und bestehender Strukturen, z.B. Forschungs- und Bildungseinrichtungen, Kulturfestivals oder Werkstätten. Der Zugriff auf bestehende Infrastrukturen einerseits und ausgewiesene Expertisen in der künstlerischen Praxis oder Kulturmanagement war in allen Gründungsmomenten erkennbar. Zudem ging allen Gründungsmomenten ein längerer zeitlicher Verlauf entweder in Form einer ersten freien Produktion oder in Form einer längeren Planungsperiode voraus.

Vier der interviewten Fokusgruppen verwiesen im Gespräch auf eine langjährige künstlerische Praxis und Zusammenarbeit, d.h. die Ensembles wurden auf langjährige Zusammenarbeit angelegt. Dies wird auch durch die quantitativen Daten gestützt. Zwei der forschungsteilnehmenden Ensembles wurden explizit ausgewählt, da sie aktuell fähigkeitsgemischte Arbeitsstrukturen etablieren. Auch hier sind die Initiator*innen langjährig mit fähigkeitsgemischter Arbeit vertraut bzw. planten diese über mehrere Jahre, so dass ihre in diversen institutionellen Strukturen gesammelten Erfahrungen in die neuen Projektstrukturen eingebracht werden können.

„Künstlerisch Arbeiten!“ – Spezifika der fähigkeitsgemischten Praxis

Welche Strukturen, Fragestellungen, Potentiale und Herausforderungen sind dem Feld inhärent und müssen beachtet werden, soll die fähigkeitsgemischte Arbeit gelingen? Eben diese Gelingensbedingungen sind eng verwoben mit den Spezifika des Feldes. Die Ergebnisse der Interviews weisen darauf hin, dass fähigkeitsgemischte Ensembles sich immer mit Kommunikationsstrukturen bezüglich Teilhabe beschäftigen müssen: „Jetzt geht es wirklich um Kommunikation auf allen Ebenen (O-Ton Interviewpartner*innen).“ Sie tun dies in einem Spannungsfeld von Kommunikationsstrukturen, die Teilhabe entweder ermöglichen oder erschweren. Kommunikationsstrukturen, die Teilhabe ermöglichen, formieren sich z.B. in der Einbeziehung von Gebärdendolmetscher*innen, dem aktiven Einbinden von Menschen mit Behinderungen ins Gespräch und dem lebendigen Wechsel zwischen Nachfragen, Aussetzen und Zurücknehmen als prägnante Kommunikationsstrategien. Kommunikationsstrukturen, die Teilhabe ermöglichen, denken die Logik und Zeitlichkeit aller Anwesenden in der Kommunikation mit und sind geprägt durch Übersetzungsprozesse.

Auf Teilhabe ausgerichtete Kommunikationsprozesse werden zu zentralen Aspekten der künstlerischen Praxis (vgl. den seitens der britischen „Graeae Theatre Company“ (online Link: https://graeae.org) geprägten Begriff der „Aesthetics of Access“). Auf der anderen Seite des Spannungsfeldes findet sich eine Einteilung in „wir und die Anderen“, unterschiedliche Verteilung von Redeanteilen zur Herstellung eines normierten Gesprächsablaufes und weniger Aufmerksamkeit auf weitere Formen der Teilhabe (z.B. Gender). Im Sprachgebrauch können sich zudem Überhöhung und Idealisierung der fähigkeitsgemischten künstlerischen Arbeit zeigen, wodurch Ein- bzw. Ausgrenzungen (re-)produziert werden.

Wie produktiv fähigkeitsgemischte Ensembles ihre künstlerische Praxis organisieren (Anzahl und Formate der Produktionen, Trainingsformate und -strukturen, Probenzyklen etc.) ist ein entscheidender Faktor im Gelingen der fähigkeitsgemischten Praxis. Generell ist die Arbeitsstruktur gekennzeichnet von einer hohen Diversität und wird mehrfach als Laborsituation beschrieben: „Es gibt kaum eine Woche, die der anderen gleicht! (O-Ton Interviewpartner*innen)“ Besonders auffallend ist hier, dass die Arbeitsstruktur aller befragten Ensembles eine Kombination aus der Erarbeitung von Produktionen und die Entwicklung von unterschiedlichen Vermittlungsangeboten umfasst. Die Vermittlungsangebote erstrecken sich von Workshops für das Ensemble bis hin zu Workshops, die für externe Interessent*innen gegeben werden und sichern so eine kontinuierliche Entwicklung der künstlerischen Praxis.

Fähigkeitsgemischte Ensembles zeichnen sich im Idealfall durch eine hohe Fluidität bzw. Neu-definition von Rollen aus. So können sich z.B. künstlerische Rollen als Performer*innen als auch die der begleitenden Unterstützer*innen in Achtsamkeit für die jeweiligen Erfordernisse und Bedürfnisse für-/voneinander verschränken. Dies erfolgt sowohl spontan aber auch geplant, um Aufgaben langfristig gleichmäßiger zu verteilen und Strukturen anpassungsfähiger an Bedarfe werden zu lassen. So wird trainiert, implizite Rollenmuster zu verlernen, und angestrebt, diese flexibel halten zu können. Sprachliche Fixierungen und sich festschreibende Hierarchien werden sichtbar und flexibel gemacht. Neue Erfahrungen werden generiert und Teil der Arbeitspraxis des Ensembles. Die sich ergebenden Rollenwechsel und diverse Rollen(neu)zuschreibungen aufgrund von Expertise und je nach Stand der Ensembleentwicklung und -struktur ermöglichen künstlerische Wechselwirkungen und Befruchtungen und erzeugen anfänglich durchaus auch Irritationen: „Und was ist dann meine Aufgabe dann? Bin ich jetzt überflüssig, oder was? (O-Ton Interviewpartner*innen)“

Wie Rollen im künstlerischen Produktionsprozess verteilt sind oder werden, ist auf den ersten Blick kein Spezifikum der fähigkeitsgemischten künstlerischen Praxis. Allerdings ist am Rollengefüge leitender und assistierender Positionen gut ablesbar, inwieweit Teilhabe real umgesetzt wird. „Jeder macht Vorschläge. Jeder sagt, wie er für sich die Situation anpassen kann. (O-Ton Interviewpartner*innen)“

In der Erhebung zeigten sich unterschiedliche Dispositionen zu den Leitungsrollen im Ensemble: Fähigkeitsgemischte Doppelleitung war bei den beteiligten Ensembles mehrheitlich nicht sichtbar, obwohl diese teils angestrebt wird und teils mit Blick auf diverse Ansprache als notwendig beschrieben wird. Allerdings war bei einigen Interviewpartner*innen die Ermöglichung, ja Gewährleistung, dass Menschen mit Behinderung auch in die künstlerische Leitung kommen, konzeptionell angelegt und gelebter Teil der künstlerischen Praxis.

Rollen mit dem Fokus auf begleitende Unterstützung (wie z.B. „Creative Enabler“, persönliche Assistenzen, Gebärdendolmetscher*innen oder externe Mentor*innen) sind in der fähigkeitsgemischten Praxis von besonderer Relevanz. Die Erhebung zeigte eine große Varianz, wie unterstützende Begleitung definiert und in konkretes Handeln gefasst wird. Generell wird unterstützende Begleitung als notwendig erachtet – gleichermaßen aber hinterfragt, ob sie „nur“ dazu diene, Produktionsprozesse möglichst effektiv, zeitlich kompakt, leistungsfokussiert und an normierten Ablaufprozessen nicht gleichermaßen fähigkeitsgemischter Ensembles orientiert zu gestalten. In der unterstützenden Begleitung thematisieren sich Beziehungsaspekte, die Einfluss auf die Produktion nehmen und die Möglichkeiten professioneller Distanz erfordern.  Begleitungssysteme haben eigene Abläufe (z.B. ausreichend Pausen für die Gebärdendolmetscher*innen), die mitgedacht werden müssen.

Wünschenswert auch in fähigkeitsgemischten Ensembles sind Inklusionsbeauftragte: diese schauen nach Schieflagen im Bezug zu Teilhabe im künstlerischen und sozialen Gefüge und haben Mitsprache bei künstlerischen Entscheidungen. Die Besetzung von Inklusionsbeauftragten ist aus inhaltlichen aber auch aus förderstrategischen Gründen sinnvoll.

Es besteht eine enge Wechselwirkung zwischen der Professionalisierung des gesamten Ensembles und den professionellen Perspektiven der jeweiligen Einzelmitglieder. Lern- und Karrieremöglichkeiten können auf allen Ebenen der künstlerischen Praxis angeboten werden, was eine große Zufriedenheit erzeugt. Praktika und Hospitanzen in anderen Theaterhäusern im Bereich der Regieführung, die Übernahme von Autor*innenschaft oder fachliche Weiterbildungen bilden hier wichtige Elemente der individuellen professionellen Entwicklung. Grundlegend ist, dass Zeit zugestanden wird, sich in den neuen Gebieten- und innerhalb neuer Prozesse auszuprobieren, mit Enttäuschungen umzugehen, Kompromissbereitschaft und Resilienz zu erlernen, denn: „Am Anfang stand ich wie vor einem Berg!“, so schilderte eine der Interviewpartner*innen die persönlichen Erfahrungen. Auch die Verknüpfungen zu anderen freiberuflichen Arbeitskontexten stellt eine weitere Perspektive der individuellen professionellen Entwicklung dar.

Als zentrale Bedingung für das Gelingen fähigkeitsgemischter künstlerischer Praxis ist der erfolgreiche Umgang mit vielschichtigen gruppendynamischen Prozessen. Hier werden Phasen des Zusammenwachsens, insbesondere sich durch die gemeinsame Arbeit aufbauendes Vertrauen nach oftmals anfänglichen Berührungsängsten beschrieben. Die Ensemblemitglieder entwickeln großes Gespür füreinander und lernen sich untereinander intensiv kennen: „Wenn Konflikte entstehen, dann holen wir uns gegenseitig da raus - so weit sind wir (O-Ton Interviewpartner*innen).“ Die offene Thematisierung physischer und psychischer Schwierigkeiten und Beeinträchtigungen ermöglicht eine Offenheit und Direktheit, welche für vertrauensbildende Prozesse notwendig ist, aber manchmal auch spezifische Widerständigkeiten in Probenprozessen zu Tage treten lässt. Dieser Umgang mit gruppenspezifischer Diversität wird als einzigartig und „besonders“ wahrgenommen und daher die Arbeitsweise des eigenen Ensembles außerordentlich wertgeschätzt.

In der künstlerischen Praxis arbeiten alle an denselben Informationen! Das erzeugt Gemeinsamkeit und gleichzeitig setzen alle die Informationen gemäß ihrer individuellen Körperlichkeiten um, was den Blick auf Individualitäten freigibt und schärft. Dies wird durch eine diverse Gruppenzusammensetzung, gefördert, da sie den Nährboden für ein gegenseitiges voneinander Lernen erst möglich macht. Nicht alle Ensemblemitglieder kommen aus künstlerischen Kontexten, was die Entwicklung von transdisziplinären Arbeitsweisen ermöglicht, ja mitunter erfordert.

„Überleben!“ – Nachhaltige künstlerische Praxis etablieren

Innerhalb der fähigkeitsgemischten Darstellenden Künste haben die untersuchten Ensembles Strategien entwickelt, die insgesamt eine nachhaltige künstlerische Praxis hervorbringen. Die nachfolgenden Aspekte sind als Grundlage für strategisches Handeln der Akteur*innen zu verstehen, die eine nachhaltige künstlerische Praxis gewährleisten soll.

Alle Studienteilnehmenden beschreiben lokale und/oder (inter-)nationale Kooperationsmodelle, die ihre künstlerische Arbeit ermöglichen. Diese können Zusammenarbeiten mit Hochschulen, Werkstätten, mit institutionell geförderten Kultureinrichtungen oder mit anderen Künstler*innen und Akteur*innen fähigkeitsgemischter Praxis beinhalten. Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer*innen berichten von (inter-) nationalen Kooperationsmodellen, die den Austausch von Wissen und somit die Weiterentwicklung der künstlerischen Arbeit fördern. Es entsteht ein Mehrwert in der eigenen künstlerischen Praxis, wenn sich diese in einem lokalen und internationalen Spannungsfeld bewegen und behaupten kann. Zudem setzt es die eigenen Erwartungen und Erfahrungen in Relation: „Wir denken immer so, in Deutschland sind wir so weit – wir haben es so gut, die Inklusion hat sich so weit entwickelt, das wird so allgemein akzeptiert, aber ehrlich gesagt, ...es gibt so viel, was woanders weiter ist. (O-Ton Interviewpartner*innen)“

In den Fokusgruppengesprächen wurde der Umgang mit zeitlichen Abläufen als eine Form des strategischen Handelns beschrieben. Generell werden Abläufe im fähigkeitsgemischten künstlerischen Prozess zeitlich anders strukturiert sind zumeist ausgedehnter oder umfassen längere Zeiträume. Beinahe alle Studienteilnehmenden sprechen von einer Langfristigkeit in den Abläufen: „Es braucht einen langen Atem!“ Dies zeigt sich in langjähriger Ver- und Eingebundenheit der Mitarbeiter*innen als auch der jeweiligen Kooperationen. Die hohe Lebensdauer vieler fähigkeitsgemischter Ensembles als auch längere Erarbeitungsphasen der künstlerischen Arbeiten unterstreichen den Aspekt der Langfristigkeit ebenfalls. Die Arbeit ist also verbunden mit langfristigem Einsatz, Kontinuität und Regelmäßigkeit als Basis der künstlerischen Zusammenarbeit.

Innerhalb der fähigkeitsgemischten Ensembles betonen die Interviewpartner*innen die Wichtigkeit, dass die künstlerische Praxis in ein funktionierendes interpersonelles Netz eingebettet sein muss.  Anders als in anderen Arbeitskontexten der Darstellenden Künste, in denen Beziehungsgestaltung eng mit hierarchischen und tradierten Ordnungen verbunden sein kann, stellt sich dies in fähigkeitsgemischten Ensembles anders dar: es gilt jede*n mitzunehmen und Gemeinschaften in der künstlerische Praxis zu bilden. Modelle wie „Peer Training“ oder „Train the trainer“ sichern nicht nur Beziehung und Austausch auf Augenhöhe sondern auch einen horizontalen Wissenstransfer. Dies erscheint in einem traditionell kompetitiven „top-down“ organisierten Arbeitsfeld als ein Gegenmodell, das im Idealfall von fähigkeitsgemischten Ensembles etabliert werden kann. Fähigkeitsgemischte Ensembles sind anders als andere professionelle Ensembles in einem erweiterten interpersonellen Gebilde von z.B. unterstützenden Begleiter*innen, Eltern und Familien verortet. Neben der Notwendigkeit von Vermittlungsangeboten ist auch das Schaffen von informellen Begegnungsräumen ein wichtiger Teil der fähigkeitsgemischten Arbeit: „Begegnung, Begegnung, Begegnung!“ (O-Ton Interviewpartner*innen)

Alle Interviewpartner*innen beschreiben unterschiedliche Formate, in denen sie ihre künstlerische Praxis weitergeben und vermitteln. Es geht darum, künstlerische Expertise zu teilen – auch entgegen der Zuschreibung, eine solche nicht zu besitzen. Die Vermittlung kann als Experimentierfeld für die künstlerische Arbeit und ihrer Strukturierung dienen. Es entstehen Möglichkeiten der Fortentwicklung künstlerischer Praxis: „Nur so kann der Tanz weiter reifen und neue Akzente setzen!“ (O-Ton Interviewpartner*innen) Analog zur künstlerischen Praxis werden auch die Vermittlungsangebote nach den Prinzipien fähigkeitsgemischten Arbeitens umgesetzt: alle arbeiten an derselben Information – umgesetzt im jeweils eigenen Körper. Da es keine dauerhaften Trainingsmöglichkeiten für fähigkeitsgemischte Ensembles gibt, ist das Teilen der Praxis a) Selbstzweck (Training) und b) impliziert kulturpolitische Forderungen: es verweist auf eine Leerstelle im Bereich Aus- und Weiterbildung in den Darstellenden Künsten und damit auf einen deutlichen Bedarf der kulturpolitischen Förderung.

Künstlerisches Arbeiten kann als Forschungsprozess gedacht werden. Dies umso mehr, wenn es wenig oder keine Vorbilder gibt und die künstlerische Praxis immer wieder neu zu entwickeln ist. Der Sprung ins kalte Wasser, d.h. mit wenig Vorwissen ans Werk zu gehen, muss als Strategie von fähigkeitsgemischten Ensembles gesehen werden, weil er ermöglicht, das Unbekannte in den unterschiedlichen Körperlichkeiten und neuen Konstellationen immer wieder zu hinterfragen. Das Unbekannte zu erforschen, ist in der künstlerischen Arbeit von fähigkeitsgemischten Ensembles durchaus körperlich gemeint. Es benötigt eine Neugierde an der eigenen und der Bewegungswelt der Anderen, an unterschiedlichen Körpern, Fähigkeiten und Talenten. Auch eine gewisse Radikalität in der Bereitschaft der Wandlung der eigenen Position kann damit verbunden sein: „Das Ziel ist, dass ich mich nach drei Jahren ersetzt habe in der Dramaturgie mit einem Menschen mit geistiger Behinderung.“ (O-Ton Interviewpartner*innen) 

Will fähigkeitsgemischte Praxis langfristig bestehen, benötigt sie eine politische Unterstützung. Es geht darum sichtbar zu machen, dass die fähigkeitsgemischte Arbeit im künstlerischen und gesellschaftlichen Sinne eine große Bereicherung und Ausdehnung bedeutet. Die Ensemblemitglieder versuchen bereits, diese Erweiterung des Kulturellen und Gesellschaftlichen an unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Stellen zu vertreten: bei Kulturämtern, der Politik oder in weiterführenden Gremien. Die politische Arbeit ist damit Teil der Konzeption und Organisationsstruktur. Mitglieder von fähigkeitsgemischten Ensembles sehen sich hierbei nicht als Bittsteller*innen, sondern als Expert*innen oder Berater*innen von politischen Entscheidungsträger*innen.

Kennzeichnend im strategischen Umgang mit der Heterogenität in fähigkeitsgemischten Ensembles ist ein hohes Maß an struktureller Flexibilität und Offenheit. Da die künstlerische Praxis stark von dem wechselnden Zusammenspiel von Fähigkeiten lebt und sich genau daraus entwickelt und nährt, gibt es kein modulares Vorgehen, welches immer passt: „Es gibt keinen Handkoffer [der vorgibt] so und so musst du es machen. (O-Ton Interviewpartner*innen)“ Was für den künstlerischen Prozess zutrifft, wird auch zur Grundlage und Strategie der Arbeitsstruktur fähigkeitsgemischter Ensembles: jeder Schritt, jede Übersetzung und jedes Zusammenkommen entsteht auf der Grundlage des Ausprobierens von Möglichem und beständigen Aushandelns von Neuem.

Was ergibt sich daraus? - Diskussion

Die Ergebnisse von Move2gether! machen deutlich, dass die fähigkeitsgemischte künstlerische Praxis durch eigene Bedingungen und Spezifika des Feldes und den daraus folgenden Strategien der Ensemblemitglieder mit beeinflusst bzw. co-konstruiert wird. Die beschriebenen Aspekte können Menschen, die eine fähigkeitsgemischte Praxis etablieren wollen, eine Orientierung geben. Darüber hinaus lassen sich aus den Forschungsergebnissen nachfolgende Handlungsempfehlungen für Akteur*innen fähigkeitsgemischter Kontexte ableiten:

Vernetzungen herstellen!

Es ist hilfreich die künstlerische Praxis sowohl in lokale als auch überregionale Kooperationsmodelle mit künstlerischen, edukativen, wissenschaftlichen und sozialen Institutionen und Trägern einzubetten. Diese Vernetzungsstrukturen müssen ausgebaut werden, damit stärkere Synergieeffekte hergestellt werden und gemeinsam kulturpolitisch gehandelt werden kann.

Vermittlungsangebote installieren!

Das Teilen der künstlerischen Praxis ist ein zentraler Bestandteil der künstlerischen Praxis! Da es keine dauerhaften Trainingsmöglichkeiten für fähigkeitsgemischte Ensembles gibt, wird dadurch künstlerische und körperliche Kontinuität gesichert. Zudem verweist es immer wieder neu auf eine Leerstelle im Bereich Aus- und Weiterbildung in den Darstellenden Künsten und damit auf einen deutlichen Bedarf der kulturpolitischen Förderung.

Ästhetische und organisatorische Prozesse und Strukturen zusammen denken!

Fähigkeitsgemischte Ensembles verorten ihre künstlerische Praxis auf eine erfolgreiche Weise in Verquickungen mit komplexen Transformationsprozessen. Um gesellschaftliche Teilhabe und künstlerische Gleichberechtigung zu erwirken, müssen ästhetische und organisatorische Prozesse und Strukturen gemeinsam gedacht werden.  

Ehrenamtliche und freiwillige Arbeit sichtbar machen!

Die künstlerische Arbeit von fähigkeitsgemischten Ensembles bedarf in den meisten Fällen unterstützender Strukturen und Ressourcen. Dies erfolgt auf allen Ebenen und durch das Engagement externer Personen als auch Personen aus dem unmittelbaren Umfeld der Ensemblemitglieder. Die untersuchten Ensembles entwickelten Strategien der Wertschätzung und der Integration in die künstlerische Praxis und Struktur. Ehrenamtliche und freiwillige Arbeit sollte demnach wertschätzend sichtbar und als häufiges Gelingenskriterium transparent gemacht werden.

Honorierungsverhältnisse transparent machen

Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass innerhalb der fähigkeitsgemischten Ensembles sehr diverse Wissensstände und Einblicke in die finanzielle Struktur der Ensembles seitens der unterschiedlichen Mitglieder vorliegen. Über ungleiche Honorierungsverhältnisse müssen offene Debatten transparent auf allen Ebenen geführt werden, so dass dieses Dilemma Sichtbarkeit erhalten kann.

Ergänzende Handlungsempfehlungen für die Kulturpolitik können dem Gesamtbericht der Studie auf den Seiten 40-41 gesondert entnommen werden.

Fazit

Im Feld des fähigkeitsgemischten Tanzes verweben sich künstlerische, wie auch organisatorische, soziale, ästhetische, arbeitsrechtliche und machtstrukturierende Prozesse auf besondere Weise miteinander. Dies nimmt Einfluss auf die Nachhaltigkeit und Verstetigung der Zusammenarbeit. Die Durchführung weiterer Studien scheint in diesem Feld weiterhin empfehlenswert und notwendig – erst wenige Studien haben bisher den Bereich des fähigkeitsgemischten Tanzes analysiert. Auch im Falle dieser spezifischen Fachstudie wäre es möglich mittels intensivierter und diversifizierender Auswertungen der bisher erhobenen Daten, einzelne künstlerische und im weiteren Sinne sozialen Praktiken zu erfassen, zu beschreiben und zu interpretieren. Das Feld hat vielzählige Arbeits- und Strukturierungsweisen geschaffen, welche mittels einer eingehenderen Untersuchung detailreicher analysiert werden und multiplikatorisch ins Feld hineinwirken könnten. Welche Anpassungen des Forschungsdesigns allerdings bräuchte es, um dies zu erreichen?

Zum einen sollte bei zukünftigen Forschungsprojekten von Beginn an eine ausreichende finanzielle Ausstattung gewährleistet sein, so dass Forscher*innenteams ebenfalls fähigkeitsgemischt besetzt werden können und somit unterschiedliche Kontexte, auch aktivistische, angebunden bzw. miteinander verbunden würden. Der Anspruch „no research about us, without us“ könnte so auch in diesem Feld gewährleistet werden. Damit könnte eine größere Handlungsmacht entfalten werden. Mit Blick auf die Beteiligung von Menschen mit Behinderung wurde dieser Anspruch in dem Forschungsdesign dieser Studie zumindest auf Leitungsebene nicht eingelöst, wohl aber konnte aufgrund der Durchführung von Fokusgruppengesprächen die Fähigkeitsmischung der teilnehmenden Ensemblemitglieder gewährleistet werden. Generell erscheint es uns zentral, dass Forschungsprojekte und -ergebnisse in den gesellschaftlichen Kontext zurückgeführt werden. Dies erhält besondere Relevanz im Feld des fähigkeitsgemischten Tanzes, welches sich a) erst formiert und b) strukturell und historisch eher von gesamtgesellschaftlichen Diskursen und Entwicklungen ausgeschlossen ist. Künstlerische Arbeitsprozesse und Organisationsformen leben - zumindest so der Anspruch – von dem Hinterfragen, Neu-Interpretieren und Um-Schreiben von gesellschaftlichen und ästhetischen Normen und Tradierungen.

In der hier vorgestellten Studie dienten die Fokusgruppengespräche als einzige Fenster in die künstlerische Praxis der jeweiligen Ensemblearbeit. Zukünftig wäre es wünschenswert ebenfalls die Proben- und Vermittlungspraxis mittels teilnehmender Beobachtung zu erfassen und mit konzeptueller Planung und Ansprüche und Konzepte des eigenen praktischen Tuns abzugleichen. Das Sprechen darüber stellt oftmals eine Abstraktion und idealtypische Konstruktionen und Ansprüche an das eigene Feld dar. Praxeologische Forschungsdesigns stellen demnach auch in diesem Feld eine wünschenswerte Forschungsmethodik dar. Um die bisher erhobenen Daten einer fähigkeitsgemischten Perspektive zu unterziehen, würde sich als abschließender Gedanke, auch die (Neu-)Auswertung des Datenmaterials (sozusagen in Form einer „restudy“) in einem co-laborativ angelegten fähigkeitsgemischten Team empfehlen. Wir als Forscher*innenteam denken mit der Darlegung der Kernergebnisse der Fachstudie Move2gether! bereits ansatzweise dazu beizutragen.