Kultureller Bildungsort im digitalen Wandel: Befragung der Leitungen öffentlicher Bibliotheken in Deutschland (2018)
Abstract
Der digitale Wandel betrifft auch die Institutionen Kultureller Bildung – im Hinblick auf Angebote und Zielgruppen, Arbeitsweise und Selbstverständnis. Öffentliche Bibliotheken als stark genutzte kulturelle Bildungsorte gelten vielerorts als Vorreiter des digitalen Wandels, indem sie das Repertoire kultureller Selbstbildung um digitale bzw. Online-Angebot erweitern. Mit der Studie „Bibliotheken/Digitalisierung/Kulturelle Bildung. Horizont 2018“ hat der Rat für Kulturelle Bildung erstmals systematisch repräsentative Daten über die Auswirkungen der Digitalisierung in Bibliotheken im Hinblick auf Kulturelle Bildung erhoben und ausgewertet. Die bundesweite Umfrage unter den Leitungen öffentlicher hauptamtlich geführter Bibliotheken wurde in Kooperation mit dem Deutschen Bibliotheksverband e. V. (dbv) durchgeführt und von der Robert Bosch Stiftung GmbH gefördert. Dieser Beitrag stellt ausgewählte Aspekte der Studienergebnisse vor und diskutiert sie vor dem Hintergrund möglicher Implikationen für die Bibliothek als kulturellen Bildungsort.
Rund 120 Millionen Besucherinnen und Besucher konnten Öffentliche Bibliotheken 2018 in Deutschland jährlich verzeichnen und gehören damit zu den am meisten aufgesuchten Kultur- und Bildungsorten im Bundesgebiet bzw. in den einzelnen Kommunen (Lison 2018:5; siehe: Jürgen Seefeldt „Öffentliche Bibliotheken und ihre Rolle für Bildung und Kultur in ländlichen Räumen“). Ein Grund für den regen Zulauf und die anhaltende Beliebtheit von Bibliotheken ist möglicherweise ihre Flexibilität, Orientierung an konkreten Bedürfnissen ihrer Nutzerinnen und Nutzer und strategische Fokussierung auf Publikumsnähe (Höllerer 2018:43). Ein Beispiel ist die Osloer Nationalbibliothek, in der sich Ruhezonen mit Zonen der Begegnung abwechseln, ein anderes die finnischen und dänischen Bibliotheken, die zu gesellschaftlichen Knotenpunkten ausgebaut werden – Passverlängerung und Wohnungsummeldung inklusive. Auch hierzulande rückt die Nähe zu Nutzerinnen und Nutzern weiter in den strategischen Mittelpunkt der Bibliotheken. Ihre Angebote zur Kulturellen Bildung richten sich an verschiedene Altersstufen und kommen in verschiedenen (Medien-)Formen daher, die Bibliotheken in sich vereinen (Lison 2018:5). Darüber hinaus gehören Bibliotheken zu den Vorreitern der Digitalisierung im Vergleich zu anderen öffentlich geförderten Kultureinrichtungen, so dass viele Bibliotheksleitungen auf einen reichen Erfahrungsschatz im Bereich des digitalen Wandels zurückgreifen können. Aus diesem Grund hat der Rat für Kulturelle Bildung 2018 in Kooperation mit dem Deutschen Bibliotheksverband (dbv) eine repräsentative Befragung der Bibliotheksleitungen mit Fokus auf Kulturelle Bildung und digitale Transformation durchgeführt.
Die Studie selbst setzt sich aus den Ergebnissen dieser Erhebung, den vom Expertenrat gemeinsam formulierten zentralen Befunden und Empfehlungen sowie einer darauf bezogenen Position von Dr. Florian Höllerer als Mitglied des Rates für Kulturelle Bildung zusammen. Sie ist nachzulesen unter https://www.rat-kulturelle-bildung.de/fileadmin/user_upload/pdf/2018-08-29_Bibliotheken_Digitalisierung_Kulturelle_Bildung_screen_final.pdf. Im vorliegenden Beitrag folgen nach einigen theoretischen Überlegungen zur Bedeutung des digitalen Wandels für (öffentliche) Bibliotheken Ausführungen zu Zielen der Studie, zur Methodik und zu den verwendeten Daten. Der anschließende Ergebnisteil basiert auf der Analyse von Klaudia Lehmann, Tilmann Knittel und Sören Mohr von der Prognos AG, die vom Rat für Kulturelle Bildung mit der Konzeption, Datenerhebung und -Auswertung beauftragt wurde. Das Fazit beleuchtet ausgewählte Aspekte der Studienergebnisse und zitiert Teile der vom Expertenrat abgeleiteten Handlungsempfehlungen.
Bedeutung des digitalen Wandels für die (öffentliche) Bibliothek
Ein Blick in die Bibliotheksgeschichte zeigt, wie der technische Fortschritt, ebenso wie die vorherrschende Geisteshaltung der jeweiligen Epochen, mit Selbstverständnis, Funktionsweise und Öffentlichkeitswirksamkeit von Bibliotheken zusammenhängen. Verschiedene Kulturtechniken wie die Kalligrafie und das Kopieren von Handschriften sorgten für die Bewahrung und Verbreitung von Schriften, bis die Buchdruckerkunst als disruptive Technologie eine neue Ära der Bibliotheksgeschichte einläutete.
Seit Erfindung des Buchdrucks sind viele Jahrhunderte vergangen, während der Anbruch des „digitalen“ Zeitalters erst wenige Jahrzehnte zurückliegt (Stengel 2017:35). Der Begriff der Digitalisierung bezeichnet ursprünglich die Umwandlung von analogen Werten in digitale Speicherformen. Im Zuge einer in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangenen Begriffsausweitung bezeichnet er darüber hinaus die digitale Transformation und Durchdringung von Lebenswelten und -bereichen im Sinne eines Megatrends und umfasst unterschiedliche Formen technisch vernetzter digitaler Kommunikation. Bibliotheken sind von Digitalisierung sowohl im herkömmlichen Sinne betroffen – man denke etwa an virtuelle Bibliotheken und Archive wie Europeana, Project Gutenberg oder gewaltige Digitalisierungsprojekte wie Google Books (Stalder 2017:105ff) – als auch von Digitalisierung im Sinne eines Megatrends, der in das Selbstverständnis, die Arbeitsweise, Angebot und Nutzerverhalten innerhalb von Bibliotheken eingreift.
Für die Bibliotheken als stark im Gemeinwesen verankerte Kultur- und Bildungsorte sind verschiedene Zukunftsszenarien bezüglich der Effekte des digitalen Wandels denkbar:
Erweiterung der technischen Möglichkeiten
Zum einen ermöglicht die Digitalisierung Erleichterungen, sowohl für Nutzerinnen und Nutzer als auch für das Personal, und kann damit kostensparend wirken. Durch digitale Technologien können die Inhalte und Medien einer Bibliothek weiterentwickelt werden und Bibliotheken sich als Orte der Medienbildung etablieren. Darüber hinaus erweitern digitale Technologien die bibliothekseigenen Nutzungsmöglichkeiten wie das Arbeiten am PC, das Surfen im Internet, die Nutzung und Ausleihe von Datenträgern sowie das mit digitalen Mitteln gestützte Werken an 3D-Druckern.
Neue Formen des Wissenserwerbs
Zum anderen eröffnet die digitale Transformation neue Kanäle für die Aneignung von Wissen und kulturellem Erbe, indem Buchbestände digitalisiert und online verfügbar gemacht werden. Suchmaschinen eröffnen binnen kürzester Zeit eine Vielzahl an Zugängen zu Informationen. Diese sind zunehmend unabhängig von Trägermedien frei verfügbar und werden beständig aktualisiert, während das Angebot an literarischen Erzeugnissen in Onlineformaten oder -genres stetig wächst. Die genannten Entwicklungen sprechen dafür, dass der Besuch einer Bibliothek für die Literaturrecherche und -nutzung für einige unter Umständen an Notwendigkeit verlieren kann. Andererseits ist es theoretisch ebenso möglich, dass Online-Leseplattformen auf lange Sicht Nutzerinnen und Nutzer wieder in Bibliotheken führen oder dass die Funktion der Bibliotheken als angenommene verlässliche Kuratorinnen gesicherter Informationen (Krauß-Leichert 2002:427) oder guter Literatur in der Wertschätzung steigen.
Bibliotheken als „Dritte Orte“
Darüber hinaus kann eine weitere Entwicklung bei öffentlichen Bibliotheken beobachtet werden, die mit dem Begriff des „Dritten Ortes“ adressiert wird (Seefeldt 2018): die zunehmende Nutzung der Bibliothek als multifunktionaler Treffpunkt ohne Konsumdruck, Begegnungsort, ruhiger Ort zum Lernen als Ort informeller (Kultureller) Bildung“ (Höllerer 2018:45). Inwieweit diese Entwicklung mit dem digitalen Wandel zusammenhängt, der seinerseits virtuelle „Dritte Orte“ in Form von Onlineforen, Videokonferenzräumen und Multiplayer Online Games schafft, kann hier nicht beantwortet werden. Eine zunehmend relevanter werdende Funktion der öffentlichen Bibliothek als erreichbarer und einladender Ort des Verweilens und der Begegnung kann jedoch Bedeutung für die öffentliche Legitimierung der Bibliothek erlangen, sollten digitale Angebote ihr einen Teil des Kerngeschäfts streitig machen.
Diese theoretischen Überlegungen vorausgeschickt ist anzunehmen, dass Bibliotheken sowohl den Einflüssen des digitalen Wandels unterliegen als auch den digitalen Wandel innerbetrieblich aktiv gestalten. Ein „Digitalisierungsschub“ in öffentlichen Bibliotheken kann dabei, wie oben beschrieben, verschiedene Auswirkungen auf das Selbst- und Fremdbild der Bibliothek und ihre Legitimation als öffentlich geförderte Kultur- und Bildungseinrichtung haben.
Bibliotheken/Digitalisierung/Kulturelle Bildung. Horizont 2018: Befragung der Bibliotheksleitungen zum digitalen Wandel
Erkenntnisinteresse
Aus Perspektive des Rates für Kulturelle Bildung stellt der digitale Wandel eine elementare Herausforderung für die Kulturelle Bildung dar (Liebau 2019:4). Dass sie auf diesen kulturell und gesamtgesellschaftlich wirksamen Transformationsprozess Antworten finden muss – aber auch selbst einen zentralen Teil der Antworten bildet, ist eine der Grundüberzeugungen des Rates. Digitalisierung wird daher als weitere Grundlage und Gegenstand Kultureller Bildung gesehen. Eine Untersuchung der Bibliotheken als Pionierinnen der Digitalisierung im Kulturbetrieb erschien in dem Zusammenhang als folgerichtiger Startschuss für den Themenbereich „Transformationsprozesse“, den der Rat für Kulturelle Bildung seit 2018 erschließt.
Wahrgenommene und tatsächliche Veränderungen der Bildungs- und Kultureinrichtung Bibliothek im Selbstverständnis, im Angebot und in der Erfüllung ihres (kulturellen) Bildungsauftrags sowie im Nutzungsverhalten in Zusammenhang mit dem digitalen Wandel zu benennen, bildete das Erkenntnisinteresse der Studie „Bibliotheken/Digitalisierung/Kulturelle Bildung. Horizont 2018“ (Rat für Kulturelle Bildung:2018). Was eine öffentliche Bibliothek innerhalb ihres Einzugsgebiets darstellt, welche Angebote sie macht und welche Bedarfe sie erfüllt, ist eine bildungs- und kulturpolitische Frage. Dabei geht es nicht nur darum zu klären, welchen Veränderungen Bibliotheken im Zuge der digitalen Transformation unterworfen sind, sondern auch darum, wie Bibliotheken aktiv mit entsprechenden Chancen und Herausforderungen umgehen, welche Rolle verschiedene Merkmale wie Lage, Größe und Auslastung dabei spielen. Schließlich sollte die Studie dazu dienen, bildungs- und kulturpolitische Empfehlungen für die Gestaltung der lokalen Bildungslandschaft mit Blick auf öffentliche Bibliotheken zu formulieren.
Daten und Methodik
Mit der Befragung sollte ermittelt werden:
- wie die öffentlichen Bibliotheken als Orte der Kulturellen Bildung den digitalen Wandel gestalten,
- welche digitalen Serviceangebote und (digitalen) Angebote Kultureller Bildung in den Bibliotheken vorhanden sind,
- wie sich die Digitalisierung auf die Bibliothek – Nutzerinnen und Nutzer, Personal, Raumsituation und Kooperationen – auswirkt,
- wie die Bibliotheksleitungen die finanziellen Spielräume, die ihnen im Kontext der Digitalisierung zur Verfügung stehen, bewerten.
Von April bis Mai 2018 wurden alle zu dem Zeitpunkt amtierenden Bibliotheksleitungen der rund 1900 hauptamtlich geleiteten öffentlichen Bibliotheken im Bundesgebiet adressiert. Der Rücklauf entspricht mit 668 Teilnahmen einer Quote von rund 35 Prozent und lässt sowohl aufgrund seiner Höhe als auch der strukturellen Zusammensetzung der Stichprobe eine Verallgemeinerung der Ergebnisse zu (Rat für Kulturelle Bildung 2018:18). Die Befragung wurde als standardisierte Online-Befragung durchgeführt und richtete sich explizit an die Leitungen hauptamtlich geführter Bibliotheken.
Im Rahmen der Studie wurde unter Rückgriff auf Daten der Deutschen Bibliotheksstatistik 2017 die Variable „Bibliothekstyp“ gebildet, welche verschiedene, die Größe der Bibliothek betreffende Strukturvariablen vereint, namentlich die amtliche Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde, der Personalbestand der Bibliothek, die Anzahl der jährlichen Entleihungen einer Bibliothek sowie die Zahl der aktiven Nutzerinnen und Nutzer. Die genannten vier Strukturmerkmale weisen mit 0,4<ρ<0,5 hohe Zusammenhangsmaße auf (Rat für Kulturelle Bildung 2018:56). Daher stehen die fünf nach Größe der jeweiligen Kommune – von Großstadt über große Mittelstadt, kleine Mittelstadt und Kleinstadt bis zur Gemeinde – klassifizierten Bibliothekstypen untereinander nicht nur hinsichtlich der Einwohnerzahl in einer Rangfolge von hoch nach niedrig, sondern auch in Bezug auf das Bibliothekspersonal in Vollzeitäquivalenten, jährliche Entleihungen sowie die Zahl der aktiven Benutzerinnen und Benutzer (Rat für Kulturelle Bildung 2018:19).
Während der Rücklauf über alle Typen hinweg etwas mehr als ein Drittel betrug, haben sich die Leitungen großstädtischer und kleinstädtischer Bibliotheken mit rund 52- bzw. 40-prozentiger Teilnahmequote überdurchschnittlich stark an der Umfrage beteiligt, während die Bibliotheken kleiner Mittelstädte mit rund 27 Prozent im Vergleich unterrepräsentiert sind.
Chancen und Risiken des digitalen Wandels aus Sicht der Bibliotheksleitungen
Der Fragebogen zielt im Hinblick auf das Verständnis, welches die befragten Bibliotheksleitungen von Digitalisierung haben, nicht auf eine Definition ab, sondern auf die für die jeweils Befragten dominanten Effekte der Digitalisierung für verschiedene Lebensbereiche, so etwa „Digitalisierung bedeutet mehr Technik im Alltag“, „Digitalisierung verändert die Art, wie wir lernen“ oder „Digitalisierung verändert den Staat und die Politik“. Dabei schließen sich die verschiedenen Antwortmöglichkeiten nicht immer gegenseitig aus: So kann die Antwort „Digitalisierung beeinflusst die kulturellen Aktivitäten“ durchaus als „Teilmenge“ von „Digitalisierung verändert die gesamte Gesellschaft“ betrachtet werden. Von zehn vorgegebenen Antworten (zuzüglich einer möglichen individuellen offenen Antwort) konnten maximal drei aus Sicht der Befragten besonders relevante Aspekte ausgewählt werden. Die drei am häufigsten gewählten Antwortmöglichkeiten bezogen sich mit 71 Prozent Zustimmung auf Veränderungen der Kommunikation („Digitalisierung verändert die Art, wie kommuniziert wird“), mit 51 Prozent auf Veränderungen des sozialen Miteinanders („Digitalisierung verändert das soziale Miteinander“) und mit 49 Prozent auf Veränderungen der gesamten Gesellschaft („Digitalisierung verändert die gesamte Gesellschaft“). Ob die geringere Zustimmungsquote der Befragten hinsichtlich ökonomischer, politischer, kultureller oder technischer Dimensionen eine Nachrangigkeit in der Wahrnehmung markiert oder ob diese Aspekte von den Befragten schlichtweg unter Veränderungen des sozialen Miteinanders oder auf gesamtgesellschaftlicher Ebene subsummiert wurden, kann aus den Antworthäufigkeiten nicht geschlossen werden. Nichtsdestotrotz ist die Dominanz der sozialen, zwischenmenschlichen Aspekte innerhalb der Antwortmöglichkeiten augenfällig.
Bei der Frage nach Chancen und Risiken für die eigene Bibliothek zeigt sich, dass die überwiegende Mehrheit der Leitungen „gleichermaßen Chancen und Risiken“ infolge der Digitalisierung sieht, wobei die Chancen in Bibliotheken größerer Städte deutlicher hervorgehoben werden als in Kleinstädten oder Gemeinden. Dies kann damit zusammenhängen, dass kleinere Bibliotheken in geringerem Maße von einer Erweiterung der Angebotspalette durch digitale Formate oder von Zeit- und Kostenersparnissen durch Automatisierungsprozesse (Lehmann/Knittel/Mohr 2018:31) profitieren.
Nach ihrer grundlegenden Einschätzung zu den Auswirkungen der Digitalisierung im Hinblick auf Kulturelle Bildung gefragt, stimmte der überwiegende Teil der Befragten der Aussage zu, dass die Digitalisierung neue Wege der Kulturvermittlung erfordert und dass sie neue Angebote Kultureller Bildung befördert (Abbildung 1). Deutlich weniger Leitungen stellen eine Verdrängung nicht-digitaler Angebote im Zuge der Digitalisierung fest. Die Einschätzung gibt also in der Tendenz eine Erweiterung auf der Angebotsseite wieder, die sich laut Einschätzung der meisten Befragten eher positiv auch auf die Nachfrage im Bereich digitaler kultureller Bildungsangebote auswirkt. Dieses Stimmungsbild wird durch die Befunde zu Einschätzungen hinsichtlich der Wirkungen der Digitalisierung auf die eigene Bibliothek in der Gesamtschau gestützt: So geben über drei Viertel der Bibliotheksleitungen an, mittels digitaler Angebote und Services neue – besonders jüngere, aber auch ältere – Nutzerinnen und Nutzer gewinnen zu können, wobei lediglich ein Sechstel der Befragten meint, vormalige Nutzerinnen und Nutzer an den digitalen Wandel zu „verlieren“.
Eine veränderte Lage in Nachfrage und Angebot stellt Bibliotheken vor neue Anforderungen an räumliche, personelle und finanzielle Ressourcen. Der überwiegende Teil der befragten Bibliotheksleitungen teilt die Einschätzung, dass die Digitalisierung neue Aufgaben und Qualifikationsanforderungen an das Personal mit sich bringt und – in größeren Städten – , dass der digitale Wandel die Mitarbeit nicht-bibliothekarischer Fachleute erfordert bzw. Nachqualifizierungen nicht ausreichen, um die neuen fachlichen Anforderungen mit dem Bestandpersonal zu erfüllen. Diese Einschätzungen könnten mit der Demografie des Bibliothekspersonals und entsprechenden Ausbildungshintergründen aus vordigitaler Zeit zusammenhängen. Ein neues Thema ist der Wandel des Berufsbilds Bibliothekarin und Bibliothekar infolge der in den letzten Jahren und Jahrzehnten weiter entwickelten Informations- und Kommunikationstechnologien sowie in Bezug auf erforderliche Kulturmanagement-Kompetenzen dagegen keinesfalls (siehe hierzu Krauß-Leichert 2002).
Die Befunde bezüglich wahrgenommener veränderter Raumanforderungen infolge der Digitalisierung lassen ebenfalls auf den Wandel der Bibliothek als Kulturinstitution und die Veränderung ihres institutionellen Selbstverständnisses schließen. Demzufolge trägt der digitale Wandel dazu bei, dass Bibliotheken zunehmend als Begegnungs- und Kommunikationsorte für Freizeitaktivitäten und zum Arbeiten fungieren und die Anforderungen an die Aufenthaltsqualität von Bibliotheken wächst. Bibliotheksleitungen aus größeren Städten gehen überwiegend von einer zukünftigen Umnutzung frei verfügbar werdender Flächen aus, da virtuelle Bestände physische Bestände teilweise ersetzen.
Bibliotheken als Gestalter digitalen Wandels
Auch wenn die Bibliotheksleitungen das Verhältnis von Chancen und Risiken der Digitalisierung für die eigene Institution unterschiedlich bewerten, gibt der überwiegende Teil der Befragten an, dem digitalen Wandel positiv gegenüber zu stehen. Dazu geht die große Mehrheit der Leitungen nach eigenen Angaben die Herausforderungen des digitalen Wandels engagiert an – wobei der überwiegende Teil das eigene Engagement als „mittel“ bezeichnet und lediglich ein Viertel als „stark“ oder „sehr stark“. Die Vorreiterrolle nehmen die Leitungen großstädtischer Bibliotheken ein, von denen über 60 Prozent von einem „starken“ oder „sehr starken“ Engagement berichten, und die in der Regel über mehr personelle Kapazitäten und damit potenziell auch über mehr Kompetenzen für die strategische Entwicklung verfügen. Der statistisch bedeutsamste Faktor beim angegebenen eigenen Engagement im digitalen Wandel ist die persönliche Einstellung der Leitung zur Digitalisierung (Lehmann/Knittel/Mohr 2018:28) – diese ist jedoch nicht ohne Weiteres als exogener Faktor zu betrachten, da die Einstellung zur Digitalisierung beispielsweise von den vorhandenen Ressourcen oder dem finanziellen Spielraum zur Gestaltung des institutionellen digitalen Wandels beeinflusst sein kann. Weiterhin ist es möglich, dass hochqualifizierte Fachleute mit ausgeprägterer Affinität zu technischen Entwicklungen und hohem Gestaltungswillen eine größere Neigung haben, in großstädtischen Institutionen zu arbeiten oder eine Leitungsfunktion in größeren Institutionen zu besetzen. Auch die von den Befragten wahrgenommene Unterstützung seitens der Kommunalverwaltung und -politik bei der Digitalisierung spielt eine wichtige Rolle für das wahrgenommene Engagement, diese im eigenen Haus voranzutreiben. Zwischen der Erstellung von Entwicklungskonzepten mit digitalem Schwerpunkt und berichtetem Engagement für den digitalen Wandel besteht ebenfalls ein positiver Zusammenhang, wobei die Wirkungsrichtung nicht festgestellt werden kann (Lehmann/Knittel/Mohr 2018:28).
Während die eigene Einschätzung zum Engagement naturgemäß bedingt aussagekräftig ist, sind tatsächlich vorhandene digitale Angebote ein möglicherweise geeigneterer Indikator für den institutionellen Fortschritt im Hinblick auf digitale Transformation. Nahezu alle öffentlichen Bibliotheken stellen den Befunden zufolge Computerarbeitsplätze mit Internetzugang bereit, verfügen über Web-Kataloge und stellen digitale Medien wie E-Books, E-Papers oder E-Audios zur Verfügung. Auch ein öffentlicher WLAN-Zugang gehört in den größeren Bibliotheken zum Standard. Die Befunde verhalten sich konsistent zu Befragungsdaten der Deutschen Bibliotheksstatistik (Lehmann/Knittel/Mohr 2018:29). Weniger häufig genannte Angebote wie die Bereitstellung von Zugängen zu Musikstreaming-Diensten, von 3-D-Druckern, Gaming-Konsolen und VR-Brillen vor Ort sowie die Ausleihe von Notebook- und E-Book-Readern weisen darauf hin, dass das Angebotsspektrum der Bibliothek als Kultur- und Bildungsort sich – wenn auch noch zögerlich bzw. punktuell – verbreitert. Dies bekräftigt die Annahme einer funktionellen Ausdifferenzierung von Bibliotheken abseits des Kerngeschäfts (Höllerer 2018:44f.) Hinsichtlich der digitalen Infrastruktur liegen die kleineren Bibliothekstypen weit hinter den (groß-)städtischen Bibliotheken zurück, so auch in Bezug auf die WLAN-Versorgung. Das Bild von mangelnden digitalen Teilhabemöglichkeiten im ländlichen Raum (Seefeldt 2018) scheint sich in diesen Befunden zu bestätigen.
Die technische und personelle Ausstattung von Bibliotheken ist von finanziellen Ressourcen abhängig, die kleineren Bibliotheken oft fehlen: Gemeindebibliotheken verfügen oft nicht über die Mittel für Kooperationen, außerplanmäßige Veranstaltungen sowie dafür, eine digitale Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Außerdem greifen Bibliotheksleitungen im ländlichen Raum deutlich weniger auf Ehrenamtliche, Honorarkräfte und Kooperationspartner zur personellen Unterstützung ihrer Angebote zurück und sind auf einen durchschnittlichen Personalbestand von weniger als 1,5 Vollzeitstellen angewiesen, was eine zusätzliche Beschränkung ihres Handlungsspielraums darstellt.
Ob der digitale Wandel innerhalb von Bibliotheken und in Bezug auf das institutionelle Selbstverständnis aktiv gestaltet wird, kann auch damit zusammenhängen, inwieweit konzeptuell-strategisches Handeln im jeweiligen Haus üblich ist. Rund ein Viertel der befragten Bibliotheksleitungen gibt an, über ein schriftliches Konzept mit Zukunftsaufgaben zu verfügen – dabei handelt es sich vornehmlich um Leitungen von Großstadtbibliotheken. Dass nur jede zehnte Gemeinde-Bibliothek über ein Konzept zu zukünftigen Aufgaben verfügt, kann mit den beschränkten personellen Ressourcen zusammenhängen (Lehmann/Knittel/Mohr 2018:26). Von allen Bibliotheken, die über ein Konzept verfügen oder für die die Erstellung eines solchen geplant ist – das sind etwas mehr als 50 Prozent der Stichprobe – geben je nach Bibliothekstyp 43 Prozent (Gemeinde) bis 67 Prozent (Großstadt) der Leitungen an, dass das Thema Digitalisierung im Konzept verankert ist bzw. wird. Um einiges höher sind die Werte für die konzeptionelle Verankerung des Themas Kulturelle Bildung: Diese liegen über alle Bibliothekstypen hinweg und teilweise deutlich (bis zu 35 Prozentpunkte) über den Werten zur konzeptionellen Verankerung der Digitalisierung und deuten auf ein ausgeprägtes Selbstverständnis von Bibliotheken als Institutionen Kultureller Bildung hin (Abbildung 2).
Bibliotheken als kulturelle Bildungsorte im digitalen Wandel
Das Selbstverständnis von Bibliotheken als Orte Kultureller Bildung spiegelt sich auch in anderen Befunden wider: Unabhängig von ihrer Größe wird in den jeweiligen Häusern ein vielfältiges Spektrum Kultureller Bildung angeboten. Unter den angeleiteten Formaten befinden sich beispielsweise Angebote der Sprach- und Leseförderung, Filmvorführungen und Trickfilmwerkstätten, wobei Angebote zur Lesekompetenz den höchsten Stellenwert genießen – diese sind ebenso wie Literaturvermittlungsformate in nahezu sämtlichen öffentlichen Bibliotheken in Deutschland vorhanden (Abbildung 3). Ebenso zum Kerngeschäft gehören Vermittlungsangebote zur Förderung der Medienkompetenz, Lesungen, Ausstellungen oder Konzerte – letztere drei Angebote wurden zusammengefasst abgefragt, so dass die Häufigkeit der einzelnen Formate nicht identifizierbar ist. Schreibwerkstätten als die produktive Seite der Kulturellen Bildung werden von etwas über der Hälfte der Großstadt-Bibliotheken und 30 Prozent des Typs „Große Mittelstadt“ angeboten, in Bibliotheken kleinerer Städte und Gemeinden deutlich seltener.
Unter den offenen, also nicht angeleiteten Angeboten Kultureller Bildung befinden sich die häufig etablierten Spielbereiche, etwa für Brettspiele, mit 85-prozentiger Abdeckung in den Großstadt-Bibliotheken sowie die neu aufkommenden Makerspaces, die Nutzerinnen und Nutzern neuartige kreative und produktive Möglichkeiten eröffnen, dabei aber auch mit Raumanforderungen einhergehen, die nicht alle Bibliotheken ohne aufwändige bauliche Maßnahmen erfüllen können und (noch) selten angeboten werden (Rat für Kulturelle Bildung 2018:62).
Für die Entwicklung der Bibliotheken als Kultur- und Bildungsort ist es interessant zu erfahren, inwieweit digitale Technik bei vorhandenen oder geplanten Angeboten Kultureller Bildung eingesetzt wird. Im Bereich der Leseförderung setzt die überwiegende Mehrheit der (groß-)städtischen Bibliotheken digitale Technik ein, während dies auf lediglich knapp über die Hälfte der Gemeindebibliotheken zutrifft. Die starke Differenz erscheint plausibel, da kleinere Bibliotheken tendenziell über eine geringere technische und personelle Ausstattung sowie kleinere Bestände verfügen (Lehmann/Knittel/Mohr:31).
Vor Beantwortung des Fragebogens haben die Bibliotheksleitungen eine Begriffsabgrenzung des umfassenden Konzeptes „Kulturelle Bildung“ als „alle Formen der Leseförderung, Literaturvermittlung, Schreib- und Medienwerkstätten, Ausstellungen, Konzerte, Gaming, Trickfilme sowie die vielfältigen Kombinationsformen dieser Angebote“ an die Hand bekommen, um vor dieser knapp skizzierten Begriffsklärung herauszufinden, welches Verständnis die Befragten im Hinblick auf digitale Angebote Kultureller Bildung aufweisen. Während das aus einer Liste von elf Punkten meistgenannte Format, „Angebote zur Vermittlung von Medienkompetenz“, für den überwiegenden Teil der Befragten ein digitales Angebot Kultureller Bildung darstellt, trifft dies in deutlich geringerem Ausmaß auf die Förderung der Lesekompetenz zu (Abbildung 4). Die Gründe hierfür können verschieden und mehrfach sein: Zum einen verfügt nicht jede Bibliothek über die notwendige technische Ausstattung, um digitale Angebote zur Leseförderung bereitzustellen. Zum anderen sind Leseförderung und Literaturvermittlung, anders als die ebenfalls abgefragten Items „Nutzung neuer Geräte (z.B. Tablets, 3D-Drucker)“ oder „Gaming“, nicht auf digitale Technik angewiesen, sondern grundsätzlich analog möglich und vor dem Hintergrund der jahrtausendealten Geschichte des Buches analog „gelernt“. Vermutlich aus ähnlichen Gründen zählt nur ein geringer Teil der Befragten Lesungen, Ausstellungen und Konzerte sowie Schreiben, Tanzen und Musizieren zu digitalen Angeboten Kultureller Bildung.
Dagegen lassen die hohen Zustimmungswerte in anderen Bereichen auf ein erweitertes Verständnis der Bibliotheksleitungen von Kultureller Bildung schließen, welches die vorgegebene Begriffsklärung in Teilen durchaus überschreitet: So zählen nicht nur über zwei Drittel der befragten Leitungen größerer Bibliotheken „Gaming“, „Makerspaces“ und „Medienwerkstätten“ zu den digitalen Angeboten Kultureller Bildung, sondern auch 43 Prozent dieser Gruppe das Lernen und Anwenden von Computersprachen.
Chancen der Digitalisierung für die Kulturelle Bildung, Chancen Kultureller Bildung für den digitalen Wandel
Weiterhin wurden die Bibliotheksleitungen danach gefragt, ob sich einerseits ihre Angebote Kultureller Bildung im Zuge der Digitalisierung verändert haben und andererseits, ob die Kulturelle Bildung ihrerseits als bedeutsam für die Gestaltung des digitalen Wandels des eigenen Hauses betrachtet wird. Besonders in (Groß-)Städten erkennen Bibliotheken zum überwiegenden Teil (85 bis 91 Prozent) eine Veränderung der kulturellen Bildungsangebote im Zuge des digitalen Wandels. In der Bewertung dieser Veränderungen überwiegen in der Gesamtschau aus Sicht der Leitungen die Chancen in Bezug auf eine erweiterte Angebotspalette Kultureller Bildung gegenüber möglichen Verdrängungseffekten. So gibt eine der befragten Bibliotheksleitungen im Fragebogen an, dass „Kulturelle Bildung, verstanden als Experimentierfeld der Möglichkeitsräume, Werte [vermittelt], die mit Hilfe digitaler Medien ergänzt, verdeutlicht und erfahrbar gemacht werden können“ (Zitat aus Fragebogen, Rat für Kulturelle Bildung 2018:30).Unter möglichen Chancen des digitalen Wandels für Angebote Kultureller Bildung einer öffentlichen Bibliothek wurde auch die Zusammenarbeit mit Akteurinnen und Akteuren sowie Institutionen, darunter auch solche der (Kulturellen) Bildung abgefragt. Die meistgenannten Institutionen aus einer langen Liste möglicher Kooperationspartner sind unabhängig vom Bibliothekstyp Schulen, gefolgt von Kindertageseinrichtungen – dies spiegelt die Integration von öffentlichen Bibliotheken in lokale Bildungslandschaften wider. An dritter Stelle werden im Gesamtschnitt Kultureinrichtungen wie Museen und Theater genannt, wobei in Kleinstädten und Gemeinden Vereine und Eltern bedeutsamer sind. Da Bibliotheken im ländlichen Raum oft zu den einzigen, gut erreichbaren Orten non-formaler oder informeller Kultureller Bildung gehören, erscheint es plausibel, dass die Zusammenarbeit mit Theatern und Museen hier weniger relevant ist. Interessant wäre es zu hinterfragen, warum die Chancen der Digitalisierung für eine Zusammenarbeit mit entfernteren Kulturorten in den kleineren Städten ebenfalls geringer eingeschätzt werden als in den größeren Städten, die eher auf örtliche Nähe zwischen den Institutionen zählen können.
Schließlich wurden die Bibliotheksleitungen gebeten, die Bedeutung von Kultureller Bildung für die Gestaltung des digitalen Wandels einzuschätzen. Diese Frage hat insofern Implikationen für die Kulturelle Bildung, da sie die kulturelle Seite des digitalen Wandels adressiert, die der Rat für Kulturelle Bildung ausführlich in seiner Denkschrift „Alles immer smart" diskutiert hat (Rat für Kulturelle Bildung 2019, siehe auch Frank Jebe „Die Smartness, die Schule, die Sinne: Kulturelle Bildung und Digitalisierung“). Diese wurde entsprechend in offenen Antworten der Leitungen aufgegriffen: „Beim digitalen Wandel handelt es sich um einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel. Wie sollte so etwas ohne begleitende Kulturelle Bildung möglich sein?“, „Ohne Kulturelle Bildung gibt es keine sinnvolle und effektive Nutzung digitaler Ressourcen“ oder auch: „Kulturelle Bildung beinhaltet Kompetenzen wie Literacy, Kritikfähigkeit, Einschätzen und Beurteilen von Sachverhalten, Konzentrationsfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit. Digitaler Wandel ist mehr als nur die Einführung neuer Medien und Techniken. Es ist ein kultureller Wandel, der somit Kulturelle Bildung benötigt, um den damit einhergehenden gesellschaftlichen Wandel erfolgreich und im besten Falle positiv zu gestalten.“
Insgesamt wurde die Frage, ob Kulturelle Bildung von Bedeutung bei der Gestaltung des digitalen Wandels in ihrer Bibliothek ist, von mehr als der Hälfte der befragten Bibliotheksleitungen bejaht, wobei die Leitungen (groß-)städtischer Bibliotheken in der Tendenz eine höhere Zustimmungsquote aufweisen (Abbildung 5): etwa 83 Prozent der Leitungen von Großstadt-Bibliotheken und damit jene, die sich auch für Angebote Kultureller Bildung in höherem Umfang digitaler Technik bedienen. Dass zahlreiche Bibliotheksleitungen keine Einschätzung zur Bedeutung Kultureller Bildung bei der Gestaltung des digitalen Wandels geben können, kann verschiedene Gründe haben. Zum einen haben viele dieser Befragtengruppe in den letzten Jahren keine Veränderungen ihres Angebots wahrgenommen, zum anderen fehlt es in ihren Häusern häufig an einer digitalen Grundausstattung (Lehmann/Knittel/Mohr 2018:33).
Die Auswertung der offenen Antworten auf die Frage nach der Bedeutung Kultureller Bildung für den digitalen Wandel in der eigenen Institution ergab, dass Kulturelle Bildung aus Sicht der Befragten besonders bei der Aufgabe, die Angebote und Vermittlungsformen für die Nutzer zeitgemäß und zukunftsfähig zu gestalten, eine wesentliche Rolle spielt. Dabei ermöglicht Kulturelle Bildung nach Einschätzung der Befragten eine sinnvolle Nutzung der digitalen Ressourcen und hilft, hochwertige Angebote zur Medienkompetenz und Literaturvermittlung bereitzustellen. Darüber hinaus sind einige Befragte der Ansicht, dass Kulturelle Bildung als Teil des Angebots einer Bibliothek förderlich dafür ist, die Finanzierung digitaler Angebote bei Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Verwaltung durchzusetzen.
Fazit
Bibliotheken als Digital-Analog-Wandler – dieses Bild zeichnet sich in den Befunden der Studie „Bibliotheken/Digitalisierung/Kulturelle Bildung. Horizont 2018“ ab. Viel spricht dafür, dass das Ineinander von alten und neuen Medien und Kulturtechniken in den Bibliotheken eine Form der Selbstverständlichkeit gefunden hat: als analog-digitale Hybridität (Höllerer 2018:44). Es ist zu vermuten, dass diesem Befund aus der Befragung der Bibliotheksleitungen ein langer Prozess vorausging – in Jahren des Umbruchs, von den Bibliotheken erarbeiteten Konzepten, wissenschaftlich begleitet und von Diskussionskultur, Selbstkritik und Experimentierfreude grundiert. Bei der Frage, welche Bereiche des Lebens am stärksten durch Digitalisierung berührt werden, stehen für die Befragten die Bereiche Soziales und Kommunikation im Vordergrund. Kulturelle Bildung erscheint als selbstverständlicher Teil all dessen und noch mehr, als Movens für die analog-digitale Hybridität und ihrerseits durch ebendiese in neue Richtungen bewegt. Jedoch – und dieser Teil der Studie gibt zu denken – offenbart sich ein Gefälle zwischen urban und ländlich gelegenen Bibliotheken, das auf eine digitale Kluft hindeutet.
Zwei der neun Empfehlungen, die der Rat für Kulturelle Bildung im Rahmen der Studie formuliert, sollen in diesem Zusammenhang erläutert werden.
Die Öffentlichen Bibliotheken leisten als relevante Orte der kommunalen Daseinsvorsorge, die breite Bevölkerungsschichten über die Generationen hinweg ansprechen, einen grundlegenden Beitrag zur digitalen Teilhabe – und gestalten aktiv Dritte Orte des Wissens und der Begegnung. Sie verstehen sich als Dienstleisterinnen für alle Bürgerinnen und Bürger – unabhängig von Einkommen, Status, Alter, Geschlecht oder Herkunft. Bibliotheken haben die Aufgabe, freien Zugang zu Information, Bildung und Kultur zu gewährleisten und Angebote der Kulturellen Bildung zu vermitteln. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, benötigen sie eine angemessene Ausstattung.
Eine der Empfehlungen des Rates für Kulturelle Bildung betrifft daher die Bedeutung der kontinuierlichen Unterstützung der Bibliotheken seitens der Länder und Kommunen sowie die finanzielle Förderung anstehender Entwicklungsaufgaben insbesondere im ländlichen Raum.
Darüber hinaus sollte die Rolle der Bibliothek als Dritter Ort – als Ort der Begegnung und Kommunikation, des Lernens und Arbeitens – sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum gestärkt werden. Zur Gewährleistung der besonderen Aufenthaltsqualität dieses Dritten Ortes sind die spezifischen Entwicklungsbedarfe der städtischen und ländlichen Bibliotheken vor allem hinsichtlich der unterschiedlichen Ressourcen zu berücksichtigen, die aus den Ergebnissen der Studie erkennbar werden.