Ereignis – Erlebnis – Event

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von Michaela Pfadenhauer

Erscheinungsjahr: 2013/2012

Kulturanthropologische Bestimmung

Kulturanthropologisch betrachtet sind Events „anberaumte Zusammenkünfte einer größeren Zahl von Handelnden, die sich für eine bestimmte Zeit an einem bestimmten Schauplatz einfinden und bereit sind, einen oder mehrere gemeinsame Foci der Interaktion zu teilen“ (Knoblauch 2000b:36). Das Event ist nicht nur ein interaktives, sondern ein performatives, d.h. als Aufführung bzw. Vorführung angelegtes Ereignis, wobei hierfür nicht zwingend eine ‚Bühne‘ für die Aufführung aufgebaut wird, wie Hubert Knoblauch (2000a) am Beispiel von Kaffeefahrten verdeutlicht. Auch sind hierbei die einer Vorführung korrelierenden Rollen – Aufführende und Publikum – nicht fest vergeben, sondern die Teilnehmenden sind sich, etwa bei jugendkulturellen Events wie denen der Techno­-Szene, gegenseitig Aufführende und Publikum zugleich (vgl. Hitzler/Pfadenhauer 2009). Dabei kommunizieren Aufführende und Publikum nicht nur miteinander, sondern wechselseitig, d.h., sie machen sich gegenseitig und anderen deutlich, dass und wie sie kommunizieren.

Diese Kommunikation und Interaktion in körperlicher Ko­-Präsenz läuft zumeist nach einem festgelegten rituellen Muster ab. Diese Konventionen und Rituale rahmen das Event als aus dem Alltag herausgehobenes Ereignis, d.h., die Erfahrung setzt sich in der Wahrnehmung des Subjekts deutlich gegen alltägliche Routinen ab. Diese Außeralltäglichkeit wird nicht nur reflexiv, sondern körperlich erfahren, weil und insofern das Subjekt sich aktiv (z.B. klatschend, singend oder tanzend) am performativen Geschehen beteiligt. Events sind also performativ-­interaktive Ereignisse, die von ihrer Erlebnisqualität her raum­zeitlich verdich­tet aus dem Alltag, d.h. aus dem Insgesamt des subjektiven Erlebens herausgehoben sind. Aufgrund des Versprechens gewünschter außergewöhnlicher Erlebnisse üben sie eine hohe Anziehungskraft auf relativ viele Menschen aus (vgl. Hitzler 2000:402).

Phänomenologische Bestimmung

Erleben und Erfahren – diese beiden phänomenologischen Grundbegriffe – deuten darauf hin, dass es bei Events um die Ansprache der Sinne geht (statt um rationale Diskurspraxis), ja mehr noch: um ‚Sensation’, d.h. mehrkanalige Sinneserfahrungen geht. Erfahrungen – als Erlebnisse, die sich nicht nur aus dem Bewusstseinsstrom abheben, sondern die durch rele­vanzgebundene Aufmerksamkeit ausgezeichnet sind (Schütz/Luckmann 2003:449) – sind immer Erfahrungen von etwas, etwas, das nicht mit dem zeitlichen Vorgang des Erfahrens identisch ist. Anders ausgedrückt: Das vom Bewusstsein gegebene Erfahrene transzendiert den Vorgang des Erfahrens. Aus phänomenologischer Perspektive ist ‚Transzendenz’ ein Merkmal menschlichen Erfahrens schlechthin, da Bewusstseinsprozesse durch Intentiona­lität ausgezeichnet sind: Die zeitlich und räumlich zumindest unmittelbare Unzugänglichkeit von Erfahrbarem ist eine kleine Transzendenz – klein deshalb, weil viele räumliche Unzu­gänglichkeiten zumindest prinzipiell, und zeitliche Unzugänglichkeiten, zumindest was die Zukunft betrifft, überwunden werden können. Demgegenüber sind die Bewusstseinsvorgänge anderer immer nur mittelbar, durch Kommunikation, zu erschließen, weshalb der Umgang mit anderen, denen wir Intentionalität zuschreiben, eine mittlere Transzendenz ist. Während diese Erfahrungen routinemäßig bewältigt werden können, also Routinen im Umgang mit kleinen und mittleren Transzendenzen ausgebaut oder technische Hilfsmittel entwickelt und Institutionen gebildet werden können, die bei der Bewältigung von aus Transzendenzen resultierenden Problemen helfen, gibt es eine dritte, mit Angst oder Ekstase einhergehende Art von Erfahrungen, die dem Subjekt (wie Krankheit oder Tod) auferlegt werden, oder die es (wie Ent­-Spannung oder Rausch) sucht.

Ein außergewöhnliches Erlebnis, bei dem der übliche Bereich der täglichen Aufmerksam­keit willentlich überschritten wird, kann vielerlei Anlässe haben. In Gesellschaften wie der unseren stehen kulturell vielerlei ‚Vehikel‘ bereit, die dezidiert dazu dienen, uns in ‚außergewöhnliche‘ Bewusstseinsenklaven, in „Erlebniswelten“, verstanden „als Korrelate dieser ‚außergewöhnlichen‘ Ausschnitte des Erlebens“ (Hitzler 2008) zu befördern. Ronald Hitzler (2011:12) bezeichnet „alle besonderen (besser: besonderten) Bewusstseinsenklaven, deren Rahmenbedingungen von anderen dergestalt mit der Intention vorproduziert und/oder be­reitgestellt werden, um vom erlebenden Subjekt benutzt, also im weitesten Sinne konsumiert zu werden, als ‚kulturelle Erlebniswelten‘.“ Events sind jene Art sozialer Veranstaltungen, die – warum auch immer gewünschte – besondere Erlebnisse versprechen, und bei denen von anderen geeignet erscheinende Vorkehrungen getroffen werden, die die Chance des Einlösens dieses Versprechen erhöhen.

Events als zeitgenössische Form ‚kultureller Erlebniswelten‘ und ihre historischen Vorgänger

Gilt die Herausgehobenheit des Erlebnisses aus dem zeitgenössischen, also spätmodernen Erlebensstrom als Kennzeichen von Events, wie Hitzler (2000:402) dies betont, dann wäre es keine universale, sondern eine historisch relativ junge Ereignisform. Hubert Knoblauch zufolge handelt es sich dabei jedoch nicht per se um eine Ausformung der Spätmoderne. Michael N. Ebertz (2000) zufolge weisen schon die großen Prozessionen und Wallfahrten, die wie die im 13. Jh. eingeführte Fronleichnamsprozession seit Jahrhunderten einen festen Bestandteil der katholischen Tradition bilden, Elemente von Events auf. Demzufolge kann die Katholische Kirche zu recht als „Mutter aller Event­-Agenturen“ (Gerhards 2002a:86; vgl. auch Gerhards 2002b) bezeichnet werden. Ein offensiver Umgang dieser Kirche mit Eventformen lässt sich vor allem bei den im Pontifikat von Johannes Paul II. entwickelten Papst-Messen nachweisen (vgl. Knoblauch 2000b).

Aber nicht nur Kirchen und Glaubensgemeinschaften organisieren heute religiöse Massen­ Events bis hin zu religiösen Hybrid-­Events (vgl. Forschungskonsortium Weltjugendtag 2007), sondern Veranstaltungen, die von ihren Organisatoren als ‚Event’ angepriesen werden, nehmen allerorten an Zahl und Bedeutung zu (vgl. Gebhardt/Hitzler/Pfadenhauer 2000). Sie prägen zunehmend die ökonomische, politische, kulturelle und soziale Wirklichkeit spätmoderner Gesellschaften. Und nicht zuletzt wird die Chance auf Efferveszenz, d.h. auf Gemeinsamkeits-­ und Gemeinschaftsseligkeit, zu einem relevanten Faktor der Integration der vielen Einzelnen in die Stadtgesellschaft des 21. Jh.s (vgl. Betz/Hitzler/Pfadenhauer 2011).

Kennzeichen heutiger Events: Mediatisierung und Reflexivität

Veranstaltungen, die heute als Events bezeichnet werden, sind durch zwei zusätzliche Mo­mente gekennzeichnet, die diese nicht als „zeitlose Formen gesellschaftlicher Ritualpraxis“ (Knoblauch 2000b:40), sondern als etwas epochal Neues erscheinen lassen: Erstens wird das Ereignis nicht nur für die leibhaftig anwesenden Teilnehmenden veranstaltet, sondern kann auch zuhause am (TV­- oder Computer-)Bildschirm mit­erlebt werden. Damit ist zunächst einmal impliziert, dass es nicht mehr ‚bloß‘ ein Ereignis des Augenblicks ist, sondern dass es konserviert und reproduziert und folglich nicht nur in der eigenen Erinnerung, sondern als archivierbares Dokument für die Nachwelt abgelegt werden kann. Vor allem aber ermöglicht die mediale (Live­-)Übertragung eine besondere Verbindung bzw. Verbundenheit zwischen den leibhaftig am Event Teilhabenden und den Nicht­-Präsenten: Indem diejenigen, die dabei sind, permanent mit denen, die daheim geblieben sind, kommunizieren (können), erhält die Event-‚Gemeinde‘ vor Ort – auch der Selbstwahrnehmung nach – eine Art Stellvertreterrolle für (irgend-)ein Ganzes, für eine (spezifische) Allgemeinheit. Aber nicht nur das im technologi­schen Sinne sogenannte „alte“ Medium Fernsehen, sondern „neue“ Medien (Mobile Computer und Internet usw.) gewinnen quantitativ zunehmend an Bedeutung in den kinetischen, poie­tischen und praktischen Aktionen und Interaktionen der Menschen (siehe Kathrin Demmler/Ulrike Wagner „Mediensozialisation und kulturelles Lernen“). Weil hier die Vermehrung und Intensivierung von Mediennutzungen (sozusagen emergenztheoretisch gesehen) in eine neue Qualität von Inter­-Aktionen umschlägt, lassen sich Events heute als Korrelate mediatisierter Erlebniswelten beschreiben (vgl. auch Hepp 2011).

Ebenso entscheidend für Events in der Spätmoderne ist ein Aspekt, den Knoblauch (2000b) als Reflexivität, Gerhard Schulze (1992) als Erlebnisrationalität bezeichnet: Die TeilnehmerInnen vollziehen die je typischen Rituale zum einen im Wissen darum, dass diese die Funktion der Gemeinschaftsbildung haben, und sie vollziehen sie im Bewusstsein, dass diese von den Organisatoren kalkuliert eingesetzt werden. Mehr noch: die Teilnehmenden erwarten von den Organisatoren, dass diese die Wirkung von Ritualen kennen und diese kalkuliert einsetzen, damit sie selber zweckrational ihre eigenen „irrationalen Handlungen“ planen können. Diese Handlungen sind allerdings nicht an der Gemeinschaft orientiert. Die Gemeinschaft wird vielmehr genutzt, um die durch sie ermöglichte besondere individuelle Erfahrung machen zu können. Aus diesem Grund lassen sich Events als „strategische Rituale der kollektiven Einsamkeit“ begreifen (Knoblauch 2000b:49).

Feste und Feiern als universalhistorische Grundkategorien

Die Forschung zu Events wird seit jeher von der Frage begleitet, ob die als Event bezeichneten Veranstaltungen qualitativ und nicht nur aufgrund ihrer Massenhaftigkeit ein sozialwissen­schaftlich relevantes Phänomen sind. Winfried Gebhardt zufolge erweisen sie sich aus einer historisch-kultursoziologischen Perspektive als eine spezifische Ausprägung des Fests. Nicht das Event, aber das Fest einerseits und die Feier andererseits lassen sich demnach als zwei universalhistorische Grundkategorien rekonstruieren, die jeweils in ihrem Verhältnis zum Alltag zu charakterisieren sind, denn beide dienen der Bewältigung des Alltags. Dies allerdings auf unterschiedliche Weise: Die Feier dient der Bewältigung des Alltags, indem sie diesen – durch die Pflege von Bräuchen, Riten, Ritualen, Konventionen – bewusst macht, ja mehr noch „ihn als ein sinnvolles Geschehen ins Bewusstsein hebt“ (Gebhardt 1987:53). Das vorgegebene Zeremoniell, das häufig an einem festgelegten (Feier-)Tag, Ort und Zeitpunkt in getragener Atmosphäre zu zelebrieren ist, erzwingt ein kontrolliertes, selbstbeherrschtes, die subjek­tiven Befindlichkeiten hintanstellendes Benehmen. Demgegenüber lassen Feste den Alltag bewältigen, indem sie diesen aufheben. Sie stellen eine geplante oder spontan aufbrechende Auszeit dar, die affektuelles, spontanes, unbeherrschtes Verhalten erlaubt. Dieser Auffassung liegt die anthropologische Annahme zugrunde, dass eine alltägliche, routinehafte Befriedigung von Bedürfnissen einen von Friedrich Tenbruck so genannten „Gratifikationsverfall“ erfährt. Dieser Effekt lasse den Menschen nach neuen Befriedigungsformen, nach Außeralltägli­chem bzw. der Aufhebung der Alltagsroutine verlangen. „Insofern bieten alle uns bekannten Gesellschaften“, so Alois Hahn, „ihren Mitgliedern nicht nur Festlegungen ihres Handelns, Gewohnheiten und Routinen, sondern auch deren zeitweise exstatische oder rauschhafte Aufhebung“ (Hahn 1972:425).

„Eventisierung“ in der Kritik

Das eigentlich Neue ist das, was Gebhardt (2000:24) die „akzelerierende Eventisierung der Festlandschaft“ in spätmodernen Gesellschaften nennt. Die Festkultur moderner Gesell­schaften unterliegt demnach Prozessen der Deinstitutionalisierung, Entstrukturierung, Pro­fanisierung, Multiplizierung und Kommerzialisierung. Zusammengenommen befördern diese eine Veralltäglichung des Festlichen, in deren Zuge die sinnstiftende und die gemeinschafts­stabilisierende Funktion des Fests, so Gebhardts Diagnose, sukzessive abhanden kommt. Damit stellt er allerdings keineswegs in Abrede, dass Events eine vergemeinschaftende Wirkung haben. Impliziert ist darin vielmehr die Umkehrung des Konstitutionsverhältnisses von (eventförmigem) Fest und Gemeinschaft: „Es ist eben nicht (mehr) die Gemeinschaft, die ein Fest ‚feiert‘, sondern das Fest konstituiert – für den Moment – eine Gemeinschaft“ (Gebhardt 2000:28). Gelingenderweise bringt das Event das hervor, was Victor Turner (1986) als „Communitas“ und Georg Simmel (1970) als „Geselligkeit“ bezeichnet haben: einen Zustand situativer Gemeinschaftlichkeit – nicht immer über Milieugrenzen, häufig aber über Klassen- und Schichtunterschiede hinweg. Die situative Event-­Gemeinschaft vermittelt also eine weitgehend emotional bestimmte Zusammengehörigkeit bzw. ein infolge kollektiver Erregung massenhaft identitätsstiftendes Erlebnis von Einheit trotz bzw. wegen aller Verschiedenheit.

Allerdings ist die „situative Event­-Vergemeinschaftung“ (Gebhardt 2008:202) eben auf das inszenierte Massenspektakel selber beschränkt. Und für Event­-Teilnehmende dürfte der Reiz nicht nur in der ‚Kurzweiligkeit‘, sondern auch in der Kurzfristigkeit der Gemeinschaftlichkeit, d.h. in der eben nicht auf Dauer angelegten Abwechslung von der gewohnten ‚Normalität‘ liegen. Zumindest für solche Veranstalter jedoch, die einen (wie auch immer gearteten) Mehr­-Wert mit ihrem Veranstaltungsangebot intendieren, ist deren ‚Nachhaltigkeit‘ im Sinne einer die Veranstaltung überdauernden Wirkung ein virulentes Thema (vgl. Lucas/Wilts 2004). Die Frage nach der ‚Nachhaltigkeit‘ bzw. nach einer lang- bzw. zumindest längerfristigen Wirkung eines Events ist infolgedessen ein durchgängiges Motiv der Kritik, mit der ‚Eventisierung‘ hier­ zulande begleitet wird, wobei damit zum einen eine „gesamtgesellschaftliche Entwicklung“, zum anderen „Projektion und Produktion, kurz: das Machen irgendeines konkreten Events“ (Hitzler 2011:20) konnotiert ist.

Idealtypisierende Kontrastierung von Event-Typen

Die Kritik an Eventisierung im letzteren Verstande entzündet sich gerade daran, dass nicht jedes Event auf einen wie auch immer gearteten Mehr­-Wert hin ausgerichtet ist. Dem an einem fremden Zweck orientierten Veranstaltungstypus (Marketing-­Event) lässt sich idealtypisch jener Typus kontrastieren, bei dem ausschließlich das außergewöhnliche Erleben Zweck der Unternehmung ist (Szene-­Event). Damit wird der kommerzielle Charakter eines jeden Events nicht in Abrede gestellt. Deren Anziehungskraft resultiert ja wesentlich aus dem ‚Versprechen‘ eines typischerweise verschiedene kulturelle Äußerungsformen und Handlungskomplexe übergreifenden hohen Erlebniswertes. Und eine klar erkennbare Dramaturgie mit Vorlauf, Ablauf, Höhepunkt und Ausklang, eine multisensitive Emotionalisierung durch choreografierte visuelle Reize und technisch perfekte Musik­-Darbietungen und eine sowohl im Hinblick auf den kommunikativen Vorlauf als auch auf die diskursive Nachbereitung langfristig angelegte Medialisierung über unterschiedliche ‚Kanäle‘ erweisen sich als probate Maßnahmen zur Erzeugung eines dergestalt inszenierten Ereignisses mit außeralltäglichem Erlebniswert. Aufgrund der Inszenierungs­-Mittel, auf die für deren Herstellung zurückgegriffen wird, sind Events grundsätzlich ressourcenintensive Angelegenheiten und gehen Eventisierung und Kommerzialisierung Hand in Hand.

Bei den von uns sogenannten Szene-­Events, deren Zweck das außeralltägliche Erleben selber ist, ist ein ökonomisches Interesse nicht selten die wesentliche Antriebskraft für deren Organisation (vgl. Pfadenhauer 2008). Demgegenüber werden Marketing­-Events, d.h. solche Events, bei denen Absatzförderung das erklärte Ziel der Veranstaltung ist, häufig ohne direkte Gewinnabsichten bzw. Gewinnchancen durchgeführt (vgl. Zanger/Sistenich 1998:41). Gerade bei diesen wird die Gesamt-­ oder zumindest die Teilplanung und deren Umsetzung in die Hände professioneller Event­-Agenturen gelegt. Deren zentrale Aufgabe besteht darin, die Zielsetzung(en) ihres Auftragsgebers, der in der Regel als Veranstalter firmiert, zu eruieren und ein Event zu planen, vorzubereiten und durchzuführen, das (der Überzeugung des Auftraggebers nach) zur Realisierung dieser Zielsetzung(en) als möglichst geeignet erscheint. In den letzten Jahren hat sich die Erfolgskontrolle mittels nicht standardisierter Verfahren (z.B. Stimmungsbild), vor allem aber mittels standardisierter Evaluationsinstrumente (Teilnehmen­denbefragungen) als fester Bestandteil des Eventmarketings etabliert. Da die Zufriedenheit des auftraggebenden ‚Kunden‘ vom positiven und nachhaltigen Eindruck abhängt, den das Event (augenscheinlich oder wie auch immer sonst ‚überprüfbar‘) bei den als Zielgruppe definierten Event-Adressaten hinterlässt, ist die Zufriedenstellung der Event-Teilnehmenden indirekt ein relevanter Faktor für die Event-­Organisatoren.

Typen der Eventorganisation

Wesentlich für das professionelle Selbstverständnis des in einschlägigen Event­-Agenturen tä­tigen Organisators eines Marketing-­Events ist die emotionale Distanz zum Event­-Veranstalter einerseits, zum Event­-Teilnehmer andererseits. Damit ist ein entscheidender Unterschied zwi­schen den Organisatoren der beiden Eventtypen angesprochen: Denn im zweiten Fall, d.h. bei Szene-Events, fungieren die Organisatoren zugleich als Veranstalter ‚ihrer‘ Events, weshalb in ihrem Fall ‚Event-Produzent‘ die treffendere Bezeichnung sein dürfte (vgl. Pfadenhauer 2000): Sie gehören in der Regel dem ‚Milieu‘ an, das sie mit ihrer Veranstaltung ansprechen wollen und sind deshalb mit deren (Konsum-­)Gewohnheiten und Vorlieben, Verhaltensweisen und Umgangsformen hochgradig vertraut, weil sie mit ihren eigenen weitgehend deckungsgleich sind. Der Produzent eines solchen Events kann sich relativ ‚beruhigt‘ darauf verlassen, dass die Spaßerwartungen des adressierten Publikums und seine eigenen Spaßvorstellungen mehr oder minder identisch sind. Mit der Organisation von Events realisiert dieser Event­-Produzent folglich gelingenderweise die Integration des Lebensziels ‚Selber-Spaß-haben‘ in die Erwerbsidee ‚Anderen-Spaß-bereiten‘.

Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Eventtypen besteht also darin, dass im einen Fall das Erlebnispotential lediglich das Mittel zu einem (wie auch immer gearteten) Fremd-Zweck darstellt, während im anderen Fall ‚nur‘ die Ermöglichung von Spaß der Zweck der Unternehmung ist. Im ersten Fall geht es darum, mittels eines erlebenswerten Ereignisses einen Mehr-­Wert im Sinne eines Werts aus Veranstalterperspektive (wie Klientelbindung, Aufmerksamkeit, Imagegewinn für den Veranstalter usw.) zu schaffen. Der Zweck von Events als typische Fest­- und Feierform posttraditionaler Vergemeinschaftung (vgl. Hitzler/Honer/Pfadenhauer 2008) ist demgegenüber ‚nur‘ das Spaß-Erleben. ‚Spaß‘ ist allerdings keineswegs ein Oberflächenphänomen: Es ist vielmehr synonym für das je gewünschte außeralltägliche Erleben, das den subjektiven Präferenzen entsprechend eben sehr unterschiedlich sein kann (vgl. grundlegend dazu Hitzler 2002).

Das, was dem Konsumenten intendiertermaßen Spaß macht, ist für den Produzenten der Voraussetzungen dieses Spaßes zunächst einmal und vor allem Arbeit – und zwar des Organisierens. Organisieren – auch von Events – ist ein Handeln, das anderes Handeln bzw. das Handeln anderer vorbereitet, auf eine Zielsetzung hin beeinflusst und hinsichtlich ihres Beitrags zur Zielerreichung bewertet. Kompetentes Organisieren – auch von Events – aber ist eine Form des Handelns, bei der anderes Handeln bzw. das Handeln anderer nicht irgendwie, sondern im Rückgriff auf Wissen (zur Arbeitsgliederung, ­-verteilung und ­-anweisung), auf (Kontroll­-)Strategien, (Motivations-)Techniken, (Evaluations-­)Verfahren und Reflexionsvermögen ‚bewirkt‘ wird. Die Trias des Bereitens, Beeinflussens und Bewertens erfordert also ein mehrdimensionales Kompetenzbündel, dessen Zusammensetzung in dem Maße weiter­gehender Analysen bedarf, indem Eventorganisation zum Gegenstand Kultureller Bildung avanciert (vgl. grundlegend Pfadenhauer 2008).

Verwendete Literatur

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Anmerkungen

Dieser Text wurde erstmals im Handbuch Kulturelle Bildung (Hrsg. Bockhorst/ Reinwand/ Zacharias, 2012, München: kopaed) veröffentlicht.

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Michaela Pfadenhauer (2013/2012): Ereignis – Erlebnis – Event. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://kubi-online.de/index.php/artikel/ereignis-erlebnis-event (letzter Zugriff am 14.09.2021).

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Dieser Artikel wurde dauerhaft referenzier- und zitierbar gesichert unter https://doi.org/10.25529/92552.295.

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