Kulturmanagement-Studiengänge: Transformationen durch veränderte gesellschaftlichen Anforderungen und Erwartungen neuer Generationen von Absolvent*innen
Abstract
Die Entwicklungen der Kulturmanagement-Studiengänge seit den 1990er Jahren bis in die Gegenwart spiegelt dieser Beitrag wider. Er bietet einen Überblick in Hinsicht auf die konzeptionellen und inhaltlichen Entwicklungen der deutschlandweiten Studiengänge des Kulturmanagements auf Grund der veränderten Anforderungen aus der Praxis und Gesellschaft und beleuchtet zugleich deren Ausweitung und Diversifizierung.
Zur Genese von Kulturmanagement-Studiengängen in den 1990er Jahren
Bis in die 1990er Jahre wurden die Aufgaben des Managements von Kulturinstitutionen weitgehend von Praktiker*innen ohne Hochschulbildung wahrgenommen. Diese haben die erforderlichen Qualifikationen „on-the-job“ oder auch in berufspraktischen Weiterbildungen erworben. Die ersten Studiengänge an deutschen Hochschulen, in denen systematisch Inhalte des Kulturmanagements vermittelt wurden, entstanden Anfang der 1990er Jahren in Hamburg (berufsbegleitend), Ludwigsburg und Hildesheim (als Bestandteil eines bestehenden kulturwissenschaftlichen Studiengangs). Die ersten Lehrenden waren Praktiker*innen aus der Kulturpolitik und Kulturverwaltung. Impuls für die Gründung der Studiengänge war u.a. die Krise der öffentlichen Haushalte nach der deutschen Wiedervereinigung verbunden mit der Forderung nach effizienterem und effektiverem Einsatz von Ressourcen in (öffentlich geförderten) Kultureinrichtungen und Kulturverwaltung. Die Inhalte der ersten Studiengänge waren vor allem der Betriebswirtschaftslehre und der allgemeinen Managementlehre entnommen, die auf die Bedingungen des Kultursektors übertragen wurden.
Von einer handvoll Studiengänge Anfang der 1990er Jahre ist deren Zahl auf inzwischen ca. 45 Studiengänge sowie ca. 30 Weiterbildungsangebote gewachsen, die sich allgemein mit „Kulturmanagement“ oder „Kultur“ und „Management“ im Verbund mit weiteren Differenzierungen beschäftigen (vgl. Kulturmanagement.net:Studiengänge).
Zunehmende Diversifizierung der Studiengänge ab den 2000er Jahren
Die zunehmende Ausweitung und Diversifizierung des „Studienfaches“ Kulturmanagement dürfte mehr mit den Reformen im Hochschulbereich zu tun haben als mit einem Wandel des Arbeitsmarkts für Kulturmanager*innen. Insbesondere mit der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen hat diese Diversifizierung einen erheblichen Schub bekommen. Abhängig vom bisherigen Studienangebot, den personellen Voraussetzungen der jeweiligen Hochschulen und deren Profilierungsstrategien im Wettbewerb um Studierende entstanden neben generalistischen Studienprogrammen auf einen bestimmten Sektor spezialisierte Studiengänge wie Musikmanagement, Theatermanagement und Kreativwirtschaft. Beide Modelle haben ihre Berechtigung: Mit spezifischem Know How und differenzierten Qualifikationen sind Absolvent*innen prädestinierte Expert*innen für spezifische Kulturbereiche. Angesichts der Unsicherheit, wie sich die Kulturlandschaft ebenso wie der Kulturarbeitsmarkt entwickeln werden, macht eine breite Qualifizierung Sinn.
Kulturmanagement-Studiengänge sind insgesamt deutlich berufsorientierter als andere wissenschaftliche Studiengänge. Sie zielen darauf ab, in komplexen kulturellen Arbeitsfeldern professionell agieren zu können.
Die meisten Studiengänge integrieren in ihre Lehrkonzepte das Engagement der Studierenden in realen Projekten – sei es das Management eines Festivals oder die Entwicklung und Umsetzung von Marketingkonzepten. Das sind vor allem Projekte, die verschiedene inhaltliche und persönliche Handlungskompetenzen und den Umgang mit Unvorhergesehenem herausfordern und die in Stellenausschreibungen immer geforderten Schlüsselkompetenzen wie Teamfähigkeit, Durchhaltevermögen, kommunikative Kompetenzen fördern.
Sämtliche Studiengänge im Kulturmanagement kooperieren mit Praxisinstitutionen über Pflicht-Praktika der Studierenden hinaus durch Lehrbeauftragte aus der Praxis, gemeinsame Projekte und Forschungsvorhaben mit Kulturinstitutionen oder Verbänden.
Das bedeutet nicht, dass in den Studiengängen damit weniger fundiert wissenschaftlich geforscht wird, aber in Anbindung an empirische Praxis und mit Fokus auf Erkenntnisse die von Relevanz für die Gestaltung und Weiterentwicklung im Kulturbetrieb und Kulturpolitik sind.
Aktuell: Wandel der Anforderungen an Kulturmanagement und inhaltliche Neu-Konzeptionierung der Studiengänge
Unabhängig von ihrem jeweiligen Zuschnitt haben die Studiengänge in ihrer inhaltlichen Konzeption auf veränderte Anforderungen an das Kulturmanagement in der Praxis reagiert. Generell geht es aktuell im Unterschied zu den 1990er Jahren weniger um Optimierung des Managementhandelns als vielmehr um grundlegendere Change Management Prozesse in Kulturinstitutionen und Kulturpolitik verbunden mit der Neujustierung von Aufgaben und Inhalten. Angesichts von Veränderungen der Gesellschaft durch Migration, Globalisierung und Digitalisierung werden neue Konzepte und Strategien im Kulturmanagement erwartet, in enger Anbindung an eine konzeptbasierte Kulturpolitik, um das Kulturleben insgesamt diverser und transkultureller zu gestalten und Menschen unterschiedlicher kultureller und sozialer Herkunft nicht nur Teilhabe sondern auch Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten zu ermöglichen.
Auf diesen Wandel und den damit verbundenen Herausforderungen im Kulturmanagement haben die Hochschulen mit Veränderung der Curricula reagiert, die stärker auf die inhaltliche Auseinandersetzung mit kulturwissenschaftlichen, kultursoziologischen und kulturpolitischen Theorien und aktuellen Diskursen setzen. Zugleich wird in den Studiengängen stärker forschungsorientiert, auch in der Lehre gearbeitet. Dies zeigt die Auswertung der Selbstdarstellungen der Studiengänge des Fachverbands für Kulturmanagement, in dem inzwischen ein Großteil der Studiengänge in Deutschland, Österreich und der Schweiz vertreten sind (vgl. Mandel 2015). Die Studiengangskonzepte sind weniger als in der Anfangsphase auf das Management in Kulturbetrieben fokussiert als viel mehr auf die Einordnung des Faches in größere gesellschaftliche Zusammenhänge.
Die Internationalisierung des kulturellen Lebens ist ein weiterer Einflussfaktor auf die Entwicklung der Studiengänge. Waren diese zunächst stark auf die Strukturen und Herausforderungen des Kulturbetriebs in Deutschland fokussiert, so haben inzwischen fast alle Studiengänge Kooperationen mit Kulturmanagementprogrammen in anderen Ländern aufgebaut. Nicht nur sind Auslandssemester und -praktika integraler Bestandteil des Studiums sondern auch die Reflexion kultureller Diversität und „interkultureller“ Differenzen im eigenen Land. Damit verbunden ist auch die Bemühung, die Diversität der Lehrenden und Studierenden zu erhöhen, um die Perspektiven auf Kulturbetrieb und Kulturverständnis zu erweitern.
Die kritische Beschäftigung mit Zielen und Rollenmodellen im Kulturmanagement ist Bestandteil vieler Studiengänge, denn es geht nicht mehr nur um das „Know How“ sondern auch um das „Know Why“. Die Rollenmodelle der*s Kulturmanager*in, das wird an den Selbstdarstellungen der Studiengänge deutlich, haben sich erweitert: Vom Bild des „Spezialisten für ökonomische Fragen“, des „Fundraisers“ und des „Mittlers und Dolmetschers“ hin zum Bild des „Kurators“, „Ko-Produzenten“, „Cultural Producers“, „Schnittstellenmanagers“ und „Change Agent“ in enger Kooperation mit kulturpolitisch Verantwortlichen (vgl. Mandel 2015).
Veränderungen in der Praxis und in dessen Folge ebenso in den Studiengängen des Kulturmanagements haben auch mit generationenspezifischen Ansprüchen und Werten zu tun. In einer Befragung von insgesamt 40 Führungskräften öffentlicher Kulturinstitutionen in Deutschland (vgl. Mandel 2018) wurde deutlich, dass vor allem jüngere Führungskräftegenerationen aus gesellschaftlichen Megatrends wie Migration und Internationalisierung deutlich stärker die Notwendigkeit ableiten, durch programmatische und strukturelle Veränderung ihrer Einrichtung pro-aktiv zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beizutragen – zum Beispiel durch Erweiterung gesellschaftlicher Aufgaben in den Bereichen von Community Building und kultureller Stadtentwicklung. Sie benennen zugleich die Schwierigkeiten solcher Change Management-Prozesse durch bürokratische Strukturen, innovationskritische Mitarbeitende und mangelnde Unterstützung durch kulturpolitische Zuwendungsgeber*innen. Ältere und jüngere Führungsgenerationen unterscheiden sich auch bei den (angestrebten) Führungsstilen und Formen der Arbeitsorganisation. Während die Älteren sich eher als allein verantwortliche Führungsfigur mit klarer Richtlinienkompetenz begreifen, sehen die Jüngeren die Notwendigkeit, mit einem partizipativen Führungsstil, mit Aufgabenteilung und gemeinsamen Entscheidungen auf eine wachsende Komplexität der Führungsaufgaben ebenso wie auf die Ansprüche neuer Generationen von Mitarbeitenden nach Mitbestimmung zu reagieren. Zugleich betonen sie die Schwierigkeit, alle mitzunehmen in Prozessen des „Shared Leadership“.
Veränderte Vorstellungen von Führung und Zusammenarbeiten im Kulturinstitutionen bedeutet für Kulturmanagement-Ausbildungen neben der vielfach schon stattfindenden Beschäftigung mit Change Management-Konzepten auch eine stärkere Auseinandersetzung mit Cultural Leadership und Mitarbeiterführung, was bislang in einem Sektor, in dem man selbstverständlich von der intrinsischen Motivation aller Beteiligten ausging, eher von untergeordneter Bedeutung war. Die Kenntnis und Reflexion von Leadership-Konzepten ist auch im Kultursektor notwendig geworden: Im Umgang mit Generationen, die sich aufgrund der demografischen Veränderungen ihren Arbeitsplatz im Kulturbereich zunehmend aussuchen können.
Damit verbunden ist die Beobachtung, dass sich die Berufsvorstellungen der Absolvent*innen von Kulturmanagement-Studiengängen verändert haben: Viele sind nicht mehr bereit, sich in hierarchische Strukturen klassischer Kulturorganisationen einzufügen und machen lieber „ihr eigenes Ding“. Sie haben, so eine Beobachtung von Oliver Scheytt/Kulturexperten (vgl. kulturmanagement.net 2016), nur noch wenig Interesse an eher instrumentellen und betriebswirtschaftlichen Tätigkeiten, sondern oft den Anspruch inhaltlich mit zu gestalten. Gleichzeitig sind sie nicht mehr bereit, die im Kultursektor übliche Selbstausbeutung mitzutragen, sondern fordern eine gute Work-Life-Balance.