Alle Künste unter einem Dach – Jugendkunstschule als konzeptioneller Rahmen
„Jugendkunstschule“ ist der Name für ein Einrichtungskonzept, das 1967 mit der „Denkschrift Jugendkunstschule“ in die Bildungsreformdiskussion eingeführt wurde und seither um seine bundesweite Profilierung und Durchsetzung ringt. Im Kern handelt es sich um außerschulische, spartenübergreifende, mithin „multimediale“ Einrichtungen der Kulturellen Kinder- und Jugendbildungsarbeit (siehe Benedikt Sturzenhecker „Kulturelle Bildung in der Kinder- und Jugendarbeit“), die mit vielfältigen Konzepten und Methoden Kindern und Jugendlichen aller Altersstufen und aller familiären, kulturellen und sozialen Hintergründe – in jüngster Zeit zunehmend auch Erwachsenen – Experimentier- und Entfaltungsangebote mit und in den Künsten unterbreiten.
Idealiter vereinen Jugendkunstschulen „alle Künste unter einem Dach“ und erschaffen so in Kursen, Workshops, Ferienateliers, Projekten – auch der aufsuchenden Kulturpädagogik oder in Schul- und Kitakooperationen einen breit angelegten, zugangsoffenen Möglichkeitsraum, um den BesucherInnen dabei zu helfen, die eigene schöpferische Fähigkeit gemeinsam und in Auseinandersetzung mit anderen zu entdecken und zuweilen bis zur Hochschulqualifikation zu entfalten. Die Angebotsformate reichen vom Zeichenkurs bis zum Handyfilmprojekt, von der Installation im öffentlichen Raum bis zum Tanzprojekt in der Kita. Ein weiteres, wachsendes Wirkungsfeld öffnet sich in der Qualifizierung kulturpädagogischen Fachpersonals und der Beratung anderer Bildungsträger. Dies gilt in fast allen Bundesländern vor allem für Kindertagesstätten und Schulen, insbesondere im offenen Ganztag.
Das weitreichende Ideal, „allen“ Menschen, zumindest jedoch allen Kindern und Jugendlichen ästhetische Erfahrung in „allen“ Künsten zu ermöglichen, bleibt beständige Herausforderung und Entwicklungsaufgabe für Jugendkunstschulen. Diese erarbeiten ihre Angebote zwar auf der Grundlage des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (§ 11, Abs. 3: kulturelle Bildung). Doch dessen Ausführungen zur Jugendarbeit und Jugendbildung werden durch landesrechtliche Regelungen präzisiert – wie beispielsweise durch Jugendfördergesetze, Landesjugendpläne, die Kunstkonzeption des Landes Baden-Württemberg, das Kunstschulkonzept des Landes Niedersachsen. Weitere rechtliche Bestimmungen ergeben sich aus den Weiterbildungsgesetzen der Länder (in der Regel für Teilnehmende ab 16 Jahren), während der Kulturbereich – und damit auch die in seinem Zusammenhang initiierte kulturelle Jugendbildung – auf bundes- oder landesgesetzliche Regelungen bislang verzichten muss. Die konkrete Ausgestaltung erfahren diese Angebote erst durch die Jugendhilfe und die Kultur- und Bildungsentwicklungsplanung der Kommunen (Kolfhaus/Eichler 1993).
Jugendkunstschulen agieren entsprechend lokal höchst unterschiedlich, sodass nicht von einer bundeseinheitlichen Jugendkunstschule ausgegangen werden kann. Als Scharniereinrichtungen lokaler Jugend-, Kultur- und Bildungsnetzwerke kooperieren Jugendkunstschulen nicht nur mit verschiedensten Partnern in allen relevanten Handlungsfeldern, sondern gehen auch von den Zielgruppen, Gegebenheiten, Bedarfslagen und Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort aus und verfügen dementsprechend über unterschiedlich breite Spartenvielfalt bei individueller, künstlerischer und pädagogisch-methodischer Schwerpunktsetzung und Handlungsfähigkeit. Je nach landespolitischer Förderpraxis und kommunaler Rückendeckung sind Jugendkunstschulen unterschiedlich stark verbreitet. Die Ausdifferenzierung des Selbstverständnisses berührt auch die Bezeichnung der Einrichtungen: Kreativitätsschule, Kunstschule, Kulturpädagogischer Dienst, Bildkunstschule, Kreativitätszentrum, Kultur- und Kunstwerkstatt sind nur einige Begriffe, die sich in starker konzeptioneller Nähe bis hin zur Deckungsgleichheit mit dem Konzept Jugendkunstschule bewegen.
Diese – auch durch den Bundesverband der Jugendkunstschulen und Kulturpädagogischen Einrichtungen mitverantwortete – „Vielfalt“ ist insoweit also Stärke und Schwäche zugleich. Denn die Offenheit für heterogene Selbstverständnisse erschwert einerseits eine klassische Profilbildung nach außen; ein hoher, verpflichtender Standard für alle Einrichtungen würde das Feld andererseits zu stark ausdünnen. Anzustreben wäre daher ein bindender Dialog über konzeptionelle Entwicklungsziele im Bundesmaßstab, der Perspektiven eines gemeinsamen Konzeptrahmens formuliert, ohne dabei jedoch exklusive Wirkungen in der Praxis in Kauf zu nehmen. Gemeinschaftlich ausgehandelte Entwicklungsziele, etwa in Bezug auf Themen-, Sparten- und Methodenvielfalt für Jugendkunstschulen müssen wiederum in den Landesentwicklungen operationalisiert werden, um praktische Wirkung zu zeigen. Schrittmacherfunktion übernimmt hier etwa Nordrhein-Westfalen mit den vom Landesverband LKD gemeinsam mit allen 60 Mitgliedseinrichtungen entwickelten „Mindeststandards“ – die auch den Zugang zur Landesförderung regeln – wie ebenso Mecklenburg-Vorpommern mit seiner staatlichen Anerkennungsregelung, die die Anwendung „geeigneter Verfahren der Qualitätssicherung und Selbstevaluation“ (MBWK MV 2010:15) voraussetzt. Anerkennung und Förderzugang sind hier derzeit nicht aneinander gekoppelt.
Von Oederan bis zum Berliner Modell – Verbreitung und Vernetzung
Bei der Gründung der ersten Jugendkunstschulen in Wesel (1968), Wuppertal (1969) und Oederan (1967) standen die tschechischen Volkskunstschulen ebenso Pate wie die flämischen und niederländischen Bildkunstschulen und Kreativitätszentren. Heute gibt es in Deutschland 400 Jugendkunstschulen, die mit ihren Angeboten jährlich 600.000 Kinder und Jugendliche erreichen. Da Bildung und Kultur in Deutschland den Bundesländern obliegen und auch die Jugendfördergesetzgebung wie oben ausgeführt Ländersache ist, haben sich Jugendkunstschulen in der Bundesrepublik uneinheitlich bzw. ungleichzeitig entwickelt (bzw. noch nicht entwickelt). Eine aktive Jugendförderplanung macht das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen zum „Mutterland“ der Jugendkunstschulen in Deutschland. Hier hat sich seit den 1970er Jahren, unterstützt durch zahlreiche Bundesmodellversuche, eine relativ homogene Landschaft von heute etwa 60 Einrichtungen herausgebildet. Die 1980er und 1990er Jahre sind geprägt durch aktive Landesentwicklungen insbesondere in Baden-Württemberg, Berlin, im Saarland und zum Teil auch in Niedersachsen, dessen Einrichtungslandschaft jedoch auch heute noch stark ehrenamtlich geprägt ist. Die konzeptionelle Fokussierung auf die „Kunstschule“ hat sich betrieblich-institutionell hier nicht amortisiert, sodass einer der traditionsreichsten Landesverbände heute vor einem Neubeginn steht. Unter den neuen Bundesländern haben sich in diesen Jahren vor allem Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt engagiert. Aktuell besonders aktiv sind Mecklenburg-Vorpommern, das 2009 landesgesetzlich die „staatliche Anerkennung“ von Jugendkunstschulen geregelt hat und eine echte Drittelfinanzierung der Einrichtungen aus Landesmitteln gewährleistet, und Rheinland-Pfalz. Die rheinland-pfälzische Förderinitiative zur Jugendkunstschulgründung verdient vor allem deshalb besondere Beachtung, weil dieses Bundesland in der Ganztagsschulentwicklung besonders weit fortgeschritten ist und zugleich die Strukturentwicklung außerschulischer Bildungspartner gezielt fördert. Ein ähnlicher Bedarf zeichnet sich auch in Sachsen ab, ohne jedoch gezielte Förderinitiativen nach sich zu ziehen. Äußerst zurückhaltend hat sich bislang das in der Musikschulförderung vorbildliche Bundesland Bayern gezeigt, dessen Einrichtungsentwicklung im Bundesmaßstab abfällt und weitgehend ehrenamtlich oder durch Einzelkommunen getragen ist. Den jüngsten Vorstoß in Sachen Strukturentwicklung hat kürzlich Berlin gemacht, wo zugunsten eines flächendeckenden Netzes (in jedem Stadtteil eine Jugendkunstschule) KunstlehrerInnen für die Einrichtungsleitung von schulischen Verpflichtungen (teilweise) freigestellt werden.
Seit 1983 vertritt der Bundesverband der Jugendkunstschulen und Kulturpädagogischen Einrichtungen e.V. (bjke) die in 13 Landesverbänden organisierten Jugendkunstschulen in Deutschland. Der bjke fördert bundesweit den Auf- und Ausbau einer lebendigen kunst- und kulturpädagogischen Einrichtungslandschaft, ist Ansprechpartner von Initiativen, Institutionen, Fachverbänden, Einrichtungen sowie Kommunen und Ministerien und bietet für seine Mitglieder Tagungen, Workshops und Konzeptberatung an. Er war außerdem Träger von Modellprojekten (z.B. in den Bereichen Interkultur (bjke e.V./Smith 2008), ästhetischer Früherziehung, kulturpädagogischer Arbeit in sozialen Brennpunkten) sowie des Bundeswettbewerbs „Raus kommen! – Der Jugendkunstschuleffekt“ und Mitherausgeber von „infodienst. Das Magazin für Kulturelle Bildung“. Europaweit haben sich die Jugendkunstschulen im Netzwerk arts4all zusammengeschlossen, das im Wesentlichen Konzept- und Informationstransfer betreibt.
Vom Kulturpädagogischen Angebotsverbund zum eigenständigen Dienst – Organisationsformen und Trägerschaft
Über 65 % der Jugendkunstschulen befinden sich in freier, rund 30 % in kommunaler Trägerschaft, die übrigen 5 % in privater oder Stiftungshand. Als Rechtsform freier und privater Trägerschaft überwiegt der eingetragene Verein. Unabhängig von der Rechtsform reicht die organisatorische Bandbreite von Jugendkunstschulen vom kulturpädagogischen Angebotsverbund in strukturschwachen Regionen bis hin zu den kulturpädagogischen Diensten und kommunalen Vernetzungskonzepten der Metropolen.
Die von Raimund Bartella 2003 zusammengestellte Orientierungshilfe des Deutschen Städtetages unterscheidet zudem – vor allem mit Blick auf mittelgroße Städte – zwischen „‚eigenständigen‘ und ‚angegliederten‘ oder ‚integrierten‘ Konzepten“ (DST 2003:16ff.). Eigenständig sind demnach all diejenigen Modelle, die – in der Regel in eigenen Räumlichkeiten/ eigenem Haus im Stadtbild – in mehr oder weniger differenzierter Form der Spartenvielfalt (mit oder ohne Musik) unter dem einen Dach der Jugendkunstschule verpflichtet sind. Ungeachtet dezentraler Angebotsinitiativen ‚ist’ das Haus dann die Jugendkunstschule. Angegliedert oder integriert sind solche Formen, in denen der Jugendkunstschulbereich – nicht selten nachträglich – in bereits bestehende Institute einbezogen worden ist.
Unproblematisch sei dies am ehesten dann, wenn – ähnlich den niederländischen Kreativitätszentren – Jugendkunstschule eine von mehreren (in etwa gleich starken) Säulen unter einem gemeinsamen Dach sei. Schwieriger – so der Deutsche Städtetag weiter – werde es, „wenn das ‚Dach‘ selbst ‚Einrichtung‘ ist, weil Jugendkunstschule sich dann einem eingeführten ‚Markenkonzept‘ unterordnen soll oder muss. Relativ verbreitet (vor allem in Baden-Württemberg), jedoch bundesweit immer noch Ausnahmefälle, sind die Musik- und Kunstschule und die Jugendkunstschule im VHS-Kontext (siehe Hans-Hermann Groppe „Kulturelle Bildung an den Volkshochschulen“). Gelungene Integrationsbeispiele basieren auf einem Mindestmaß an Eigenständigkeit, insbesondere durch räumliche Entflechtung und eigenständige Programmverantwortung.“ Dementsprechend fordern z.B. auch die Mindeststandards der Jugendkunstschulen in NRW ein „ausgewogenes Verhältnis“ zwischen den angebotenen Kunstsparten sowie Eigenständigkeit in Leitung, Budget und Programm.
Viel mit wenig – Personalstruktur und Finanzierung
Jugendkunstschulen sind klassische Honorarkraftbereiche: 90 % des Angebots werden auf Honorarbasis von KünstlerInnen aller Sparten realisiert, was dem Angebot seine Flexibilität, Dynamik und Innovationsbereitschaft sichert, allerdings um den hohen Preis oft unzulänglich gesicherter Arbeitsverhältnisse und mangelnder Kontinuität in der Aufbauarbeit. Dementsprechend verorten Thomas Rauschenbach u.a. Jugendkunstschulen im Kontext „risikogesellschaftlicher Unterbeschäftigung“ (Rauschenbach u.a. 1994:80f.).
Statistisch gesehen setzt eine Jugendkunstschule in Deutschland rund 144.000 Euro im Jahr um. Jedoch erreicht nicht einmal die Hälfte aller Einrichtungen im Bundesgebiet einen Jahresetat von 80.000 Euro. Als Spitzenreiter arbeiten lediglich 5 % der Jugendkunstschulen mit einem Budget von über 400.000 Euro. Diese befinden sich überwiegend in kommunaler Trägerschaft und sind als Mehrspartenbetriebe nicht selten Musik- und Kunstschulen. Wichtigster Partner ist mit rund 40 % am Gesamtjahresetat die Kommune, wobei sich auch hier eine breite Spanne zeigt: Während 6 % mit Hilfe kommunalen Engagements 80 % ihrer Ausgaben decken, erreichen 37 % der Jugendkunstschulen in Deutschland lediglich einen kommunalen Förderanteil von unter 10 % am Jahresetat. Die Landesförderung spielt mit einem Mittelwert von 11,3 % – gemessen an der Gestaltungsverantwortung für Kultur und Bildung – eine eher bescheidene Rolle. In jeder Kommune und in jedem Bundesland werden Jugendkunstschulen unterschiedlich gefördert und greifen auf einen sehr individuellen Finanzierungsmix zurück. Die selbst erwirtschafteten Mittel (vor allem aus Teilnehmerbeiträgen, in geringem Maße auch Einnahmen aus Sponsoring und Spenden) machen ca. 38 % des durchschnittlichen Jahresbudgets aus (bjke 2011:15). Auf einen Festangestellten kommen im Mittel 16 freie MitarbeiterInnen. Während der bjke statistisch von einer für das gesamte Bundesgebiet belastbaren Zahl von 1,2 festen Stellen pro Einrichtung ausgeht, ist die Abweichung von diesem Durchschnitt als ehrenamtliche Leitung, Honorar- oder Teilzeitstelle bestimmender Alltag vor Ort. Einem Drittel fehlt jedwede Hauptamtlichkeit. Seit fast 20 Jahren stagnieren zudem die Jahresetats der Jugendkunstschulen im Bundesdurchschnitt bei steigenden Mitarbeiterzahlen, die Honorarentwicklung für freie (hochqualifizierte) MitarbeiterInnen blieb seit 1995 ebenfalls unverändert. So gilt für Honorarkräfte an Musikschulen – bei immerhin gleicher Effizienz / Gesamtauslastung – durchschnittlich ein 1,7 mal höherer Stundensatz, obwohl dort Kleinstgruppen und Einzelunterricht überwiegen (Eickhoff 2003:16ff.).
Flexibilität und Verstetigung – Herausforderungen
Jugendkunstschulen und Kulturpädagogische Einrichtungen bilden in Deutschland eine relevante Größe lokaler Grundversorgung mit ganzheitlicher Bildung. Sie sind neben den Musikschulen das wichtigste außerschulische Einrichtungsnetz kultureller Jugendbildung. Ihre Sparten- und Methodenvielfalt, Interdisziplinarität, hohe Innovationsdynamik und passgenauen, niedrigschwelligen Angebotskonzepte sowie ihre kulturpädagogische Kompetenz in allen Alterstufen machen sie einerseits zu starken, erfahrenen Partnern vielfältiger zivilgesellschaftlicher Kooperationen. Ebendiese konzeptionell eingeschriebene Vielfalt und Flexibilität erfordert für eine qualitätsorientierte Profilierung und strukturierte Feldentwicklung andererseits kontinuierlich interne bundesweite Wirksamkeits- und Zukunftsdialoge. Eine empirisch fundierte Leistungsevalution (bezogen auf alle 45 landesgeförderten Jugendkunstschulen des bevölkerungsreichsten Bundeslandes mit der größten Einrichtungszahl) stellt der seit 1999 in der Landesförderung Nordrhein-Westfalen verbindlich verankerte „Wirksamkeitsdialog“ in der kulturellen Jugendarbeit dar. Unter anderem wird erhoben und flächendeckend anhand von Programmauswertungen und Nutzungsdaten dokumentiert, ob und inwieweit Jugendkunstschulen dem selbst gesetzten Anspruch einer „Kultur für alle“ gerecht werden (siehe Hilmar Hoffmann/Dieter Kramer „Kultur für alle. Kulturpolitik im sozialen und demokratischen Rechtsstaat“). Geschlechterparitätische Nutzung (in Nordrhein-Westfalen: 55 % weiblich, 45 % männlich), hohe Verweildauer gerade auch in der ‚sensiblen‘ Altersspanne der Pubertät und spezifische Angebotsinitiativen in Querschnittsbereichen begründen diesen Anspruch, wobei insbesondere partizipative Ansätze, Kooperationen mit Schulen, integrative Angebote in Stadtteilen mit besonderem Erneuerungsbedarf und Angebote für Kinder und Jugendliche nichtdeutscher Nationalität realisiert wurden. Des weiteren wurden und werden qualitative Analysen im Hinblick auf Mädchenarbeit (1999), Interkulturelle Arbeit (2000), Bildungswirkungen mit außerschulischen (2002/03) und schulischen Partnern (2003/04) durchgeführt, die die hohe Struktur- und Prozessqualität von Projekten kultureller Jugendbildung unterstreichen (LKJ NRW 2000, bjke/LKD 1999). Exemplarisch lässt sich aufzeigen, dass die kulturpädagogische Praxis der Jugendkunstschulen bei individueller Schwerpunktbildung in besonderer Weise geeignet ist, spezifischen „Problemlagen“ und Gestaltungsdefiziten mit individuellen Lösungskonzepten zu begegnen.
Die Gestaltungserwartungen an Jugendkunstschulen etwa in den Bereichen gesellschaftliche Teilhabe und Integration, Berufsorientierung, frühkindliche Bildung sind entsprechend groß. Diesen hohen Erwartungen entspricht die Bereitschaft zur Struktursicherung derzeit in der Regel noch nicht. Abgesehen von Ausnahmen verlässlicher Förderpraxis in einigen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, zum Teil Berlin (s.o.) und Rheinland-Pfalz arbeiten Jugendkunstschulen mehrheitlich immer noch am Rand – oder jenseits – ihres strukturellen Existenzminimums. Hohe Personalfluktuation infolge zu vieler prekärer Arbeitsverhältnisse gefährdet auf Dauer nicht nur die Grundlage für erfolgreiche Vernetzungsarbeit und (Eigen-)Mittelakquise, sondern vor allem auch „die sachliche Konsolidierung und konzeptionelle Kontinuität, insbesondere in sich neu erschließenden Arbeitsfeldern, da die Unsicherheit in der Beschäftigung von den Betroffenen allenfalls lebensphasenspezifisch in Kauf genommen […] werden kann“ (Rauschenbach u.a. 1994:53). Auch vor dem Hintergrund angespannter kommunaler Finanzen ist die Realisierung der Kernforderung der Kulturenquete nach bundesweiter gesetzlicher Absicherung von Infrastrukturen der Kulturellen Bildung unumgänglich. Kulturelle Bildung sollte als Selbstverwaltungspflichtaufgabe kommunaler Haushalte im Querschnitt von Jugend, Bildung und Kultur verankert werden. Kommunen waren und sind die wichtigsten Träger und Ermöglicher von Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen. Sie (strukturell, ideell und finanziell) in dieser Gestaltungsverantwortung allein zu lassen, wäre jugend-, bildungs- und kulturpolitisch fatal. Die praktische Umsetzung erfordert eine partnerschaftliche Trägerschaft des gesamtstaatlichen Bildungsauftrags, vor allem eine entsprechende förderrechtliche Verankerung für Jugendkunstschulen in Bezug auf Infrastruktur, Projektarbeit und Konzeptentwicklung in allen Bundesländern. Bundespolitisch wünschenswert ist die Gewährleistung bundeszentraler Infrastrukturen und Kommunikationsressourcen zum breitenwirksamen Innovationstransfer.