Transparenz und Qualitätssicherung im tanzpädagogischen Berufsfeld. Welche Professionalisierungschancen liegen in einem EQR- bzw. DQR-Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen?
Abstract
Dieser Diskussionsbeitrag greift die gegenwärtig geführte Professionalisierungsdebatte zum Berufsbild des Tanzpädagogen und seiner beruflichen Qualifizierung auf. Um zur Qualitätsentwicklung und -sicherung im tanzpädagogischen Handlungsfeld beizutragen und eine größere Transparenz in der tanzpädagogischen Ausbildungslandschaft mit ihrer immensen Vielfalt an Qualifizierungsangeboten zu erreichen, wird zur Orientierung auf das Referenzinstrument des Deutschen und Europäischen Qualifikationsrahmens verwiesen. Dadurch könnte nicht zuletzt eine größere Vergleichbarkeit und Durchlässigkeit zwischen den formalen und non-formalen Strukturen der tanzpädagogischen Aus-, Fort- und Weiterbildung erreicht werden.
Bereits vor etwa 450 Jahren hat mit der Gründung der Académie Royale de la Danse in Paris (1661) die Professionswerdung zum Tanzmeister bzw. Tanzpädagogen begonnen. Zwischenzeitlich haben sich der gesellschaftliche Stellenwert und die Formen der Institutionalisierung des Tanzes - und damit einhergehend die Berufsfelder und das Berufsprofil des Tanzpädagogen bzw. der Tanzpädagogin stark gewandelt und weit ausdifferenziert. In Abhängigkeit mit der Ausdifferenzierung des tanzkulturellen Feldes haben sich eine Vielzahl von Aus- und Weiterbildungsstrukturen in formaler und non-formaler Trägerschaft etabliert. Dabei sind divergente Entwicklungen zu beobachten: In den staatlichen berufsbildenden Einrichtungen und Hochschulen werden das Profil und die spezifische Qualität, die Umfänge sowie die Abschlüsse durch entsprechende Studienpläne und –ordnungen sowie Modulhandbücher geregelt. Mit der 2007 gegründeten Ausbildungskonferenz Tanz und ihrer im zweijährigen Turnus stattfindenden Biennale Tanzausbildung wurde für diese Ausbildungseinrichtungen auch ein Forum zum Austausch und zur Zusammenarbeit geschaffen. Für die Gruppe der privatwirtschaftlichen Berufsfachschulen und die zahlreichen non-formalen Aus- und Weiterbildungseinrichtungen fehlt dagegen bisher ein solcher Zusammenschluss bzw. eine solche Austauschgelegenheit. Meist wurden diese Aus- und Weiterbildungsstätten aufgrund des Engagements Einzelner gegründet und sind daher nicht nur in ihrer inhaltlich-fachlichen Ausrichtung äußerst vielgestaltig. Die Aus- und Weiterbildungsangebote differieren häufig sowohl in den Ausbildungsschwerpunkten als auch in Umfang und Dauer sowie in der organisatorischen Umsetzung. Aber aufgrund ihrer Pluralität und Heterogenität, ihrer „Einzigartigkeit“ in der öffentlich-medialen Präsentation und ihres „Verinselungs“-Status in den einzelnen Bundesländern sind gemeinsame Standards, Transparenz und Durchlässigkeit in der Mehrzahl nicht gegeben (Vgl. dazu auch Antje Klinge „Ausbildung im Tanz für Kulturelle Bildung“)
Zur momentanen Realität gehört außerdem, dass im deutschsprachigen Raum der Beruf des Tanzpädagogen aber immer noch keine geschützte Berufsbezeichnung ist. Das bedeutet, dass aufgrund fehlender Qualitätsstandards im Grunde Jedermann Tanz unterrichten kann, auch ohne nachgewiesene pädagogischen Fähigkeiten und Kenntnisse, im Gegensatz z.B. des „Diplom d’État“ z.B. in Frankreich (Vgl. Laurent Van Kote 2014).
Und dennoch: Es liegt in den Händen der Einrichtungen, die im Bereich der tanzpädagogischen Aus-, Fort- und Weiterbildung engagiert sind, Verantwortung zu übernehmen für Berufe, die sich dem Feld der Tanzvermittlung verschrieben haben, zumal ein Großteil der Tanz-Lernenden und -Ausübenden Kinder, Jugendliche oder neuerdings verstärkt erwachsene Laien sind.
Konkret heißt das, dass wir als verantwortungsvolle Tanzlehrkräfte und Ausbildungsverantwortliche gemeinsam Rahmenbedingungen schaffen sollten, dass in institutionalisierten und formell organisierten Vermittlungsangeboten Lehrkräfte arbeiten, die über entsprechende anatomische, pädagogische oder didaktische Kenntnisse (um nur einige zu nennen) verfügen und diese sach- und adressatengerecht einsetzen können. Aus diesem Impetus habe ich diesen Diskussionsbeitrag geschrieben, bei dem Fragen der weiteren Professionalisierung und Qualitätsentwicklung im Vordergrund stehen und diese auf der Folie aktueller Entwicklungen in der Berufsbildung im europäischen Kontext diskutiert werden sollen.
Stand der Professionalisierung und fehlende Qualifikationsstandards
Unter dem Begriff der Professionalisierung ist nach Andrea Mohoric (2011) von der nationalen Agentur für Bildung für Europa, „die Entwicklung einer ausgeübten Tätigkeit zu einem gesellschaftlich anerkannten Beruf, mit effizienzsteigernden, qualitätsverbessernden und standardisierenden Wirkungen“ zu verstehen. Den Professionalisierungsprozess beeinflussen vor allem folgende Faktoren:
- Transparenz:
gemeinsames Verständnis; Definition und Beschreibung von Qualifikationen, Berufsbildern; kompetenzorientierte Module sowie berufliche Aus- und Weiterbildungscurricula der Qualifizierungsangebote für Tanzpädagogen - Qualifikationsstandards:
Zertifizierungs-und Akkreditierungsstellen, Qualitätssicherung - Durchlässigkeit:
Anerkennung, Anrechnung, Anschlussfähigkeit, Zugang, Entwicklungswege, Verzahnungsmöglichkeiten von Qualifikationen
In diesem Konzept bleibt allerdings Frage nach der Entwicklung des professionellen Selbst und Selbstbildes ausgeklammert, ebenso die spezifisch pädagogische Handlungskompetenz im künstlerisch-kulturellen Feld. (Vgl. dazu Michael M. Roth „Professionalisierung im Feld der Kulturellen Bildung“). Durch die hier genannten Indikatoren können aber die von einzelnen Tanzverbänden unternommenen Initiativen in ihrem Zusammenhang kritisch überdacht und es können Rückschlüsse zur Weiterentwicklung der beruflichen Bildung im Feld der Tanzpädagogik gezogen werden.
Maßnahmen der Qualitätssicherung in Großbritannien und Deutschland
Im deutschsprachigen Raum sind im Berufsfeld Tanzpädagogik Maßnahmen zur Qualitätssicherung erst in den Anfängen. Beispielsweise gibt es keine Zertifizierungs- und Akkreditierungsstelle, wie sie z.B. in Großbritannien seit 2006 als The Dance Training and Accreditation Partnership (DTAP) entstanden war. The Dance Training and Accreditation Partnership (DTAP) ist eine Institution, die aus einem Verbund verschiedener Tanzorganisationen und –einrichtungen des Feldes besteht:
- Association of Dance of the African Diaspora (ADAD)
- Council for Dance Education and Training (CDET)
- Dance HE (formerly SCODHE)
- Dance UK
- Exercise Movement and Dance Partnership (EMDP)
- Foundation for Community Dance (FCD)
- National Dance Teachers Association (NDTA)
- South Asian Dance Alliance (SADA)
- Sport and Recreation Alliance
- Youth Dance England (YDE)
Zusammen mit der übergeordneten Dachorganisation National Dance Network (NDN) und der Trinity Laban-Hochschule als beobachtende Mitglieder bilden diese Einrichtungen ein gemeinsames Akkreditierungsinstitut, das sich mit Fragen der Anerkennung von Aus- und Weiterbildungen befasst. Die Auflistung zeigt ein beachtlich breites Spektrum an Organisationen, die sich zu diesem Konsortium zusammengeschlossen haben. Von Seiten dieser Tanzausbildungs- und Akkreditierungseinrichtung DTAP wurden auch Nationale Berufsstandards (NOS) für die Leitung von Tanzangeboten entwickelt (Siehe Sector Skill Council for the Creative and Cultural Industries (2011). Die nationalen Berufsstandards (NOS) beschreiben detailliert die Kompetenzbereiche für diejenigen, die selbstständig und in eigenverantwortlichen Positionen Tanzangebote leiten. Diese Auflistung der Berufsstandards kann sowohl zur individuellen professionellen Selbstreflexion genutzt werden als auch zur Einordnung des individuellen berufsbiographischen Qualifikationsniveaus oder auch von beruflichen Aus- und Weiterbildungsgängen, z.B. zur Reflexion des Stellenwerts einzelner Ausbildungsinhalte oder –fächer sowie zur Klärung des Status innerhalb eines Berufsregisters.
Im deutschsprachigen Raum haben einige Ausbildungseinrichtungen und Berufsverbände (z.B. Akademie Remscheid, Danse Suisse, Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik, Deutscher Bundesverband Tanz, Internationale Gesellschaft Rosalia Chladek) inzwischen ebenfalls begonnen, ein jeweils verbandsinternes oder organisationsspezifisches Berufsregister einzuführen. Diese Berufsregister regeln Fragen der Aufnahme, somit auch der generellen und spezifischen Qualifizierung sowie der kontinuierlichen Fort- und Weiterbildung. Bisweilen beinhalten sie weitere Auflagen zur Qualitätssicherung im Feld der tanzpädagogischen Vermittlung, ferner auch ethische Grundsätze (Siehe dazu Royal Academy of Dance 2008 und 2013). In das Berufsregister werden Tanzpädagogen aufgenommen, die den jeweiligen Kriterien entsprechen und die sich verpflichten, sich regelmäßig weiterbilden.
In dem Bemühen um Qualitätssicherung gab es in der BRD bislang zwei Initiativen von Tanzverbänden, um die Qualität der Lehre und die Konzeption von Ausbildungsgängen zu beeinflussen. Es sind dies der „Qualitätsrahmen des Bundesverband Tanz in Schulen“ (2011) (Vgl. Antje Klinge „Ausbildung im Tanz für Kulturelle Bildung“) sowie die „Mindeststandards des Beirat Tanz in der Sektion ‚Darstellende Kunst und Tanz‘ des Deutschen Kulturrats“ (2008) (Vgl. Ulla Ellermann/Barbara Flügge-Wollenberg „Tanz als Alltagskultur“). Ferner wurde das Zentrum für Kulturforschung im Jahr 2011 von Tanzplan, dem Dachverband Tanz Deutschland und Tanz ist KLASSE beauftragt, eine erste empirische Erhebung bei den Trägern von Tanzangeboten und Ausbildungseinrichtungen durchzuführen, um die inhaltlichen Bedarfe und formalen Zugangsbedingungen des Berufsfeldes zu erfassen (Susanne Keuchel/ Wolfgang Keller/ Dominic Larue 2011).
Diese erste Sichtung macht deutlich, dass wir bei weiteren Überlegungen zur tanzpädagogischen Qualifizierung und Qualitätssicherung zwei Ebenen unterscheiden sollten:
Auf einer ersten Betrachtungsebene liegt die grundständige tanzpädagogische Basisausbildung bzw.
-qualifizierung, unabhängig in welchem Studien- oder Ausbildungsformat oder in welcher tanzstilistischen Ausrichtung diese erfolgt. Eine „lebenslange“ berufliche Fort- und Weiterbildung ist dann als weiterer zentraler Baustein der Qualitätssicherung zu betrachten.
Damit kommen wir zum eigentlichen inhaltlichen Kern unserer Überlegungen: An welchen Konzepten könnten wir uns orientieren, um tanzpädagogische Ausbildungsgänge und individuelle professionelle Levels einzuschätzen und zu beurteilen?
Dazu möchten wir zunächst mit dem Deutschen und Europäischen Qualifikationsrahmen ein formales fachübergreifendes Instrument zur Gliederung des allgemeinen und beruflichen Bildung und Kompetenzniveaus vorstellen. Dieses könnte helfen, die Unübersichtlichkeit der vorhandenen Qualifizierungswege und Zertifikate auf dem Feld der Tanzpädagogik klarer zu strukturieren, und damit generell zur weiteren Professionalisierung des Faches beitragen könnte.
Der Deutsche und Europäische Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen
Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) wurde im Jahr 2011 auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie der Kultusministerkonferenz (KMK) verabschiedet. Ausgangspunkt des DQR ist im Eigentlichen der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR), seit nämlich das BMBF und die KMK im Jahr 2006 beschlossen hatten, in Anlehnung an den EQR einen eigenen, nationalen DQR zu entwickeln, um national erworbene Qualifikationen auf EU-Ebene vergleichbar machen zu können. Der EQR ist nach dem Arbeitskreis DQR (2011:3) „ein europäischer Meta-Rahmen, der die verschiedenen nationalen Qualifikationssysteme und -rahmen mit einer gemeinsamen europäischen Referenz“ verknüpfen soll. Der EQR-Qualitätsrahmen besitzt acht Bildungs- bzw. Qualifikationsstufen und die EQR-Qualifikationsbeschreibungen sind in drei Kategorien eingeteilt (Siehe EU-Kommission 2008):
- Wissen:
Theorie und / oder praktisches Faktenwissen - Fertigkeiten:
Kognitive Fertigkeiten (unter Einsatz logischen, intuitiven und kreativen Denkens, wie z.B. Problemlösefähigkeit) und praktische und instrumentelle Fertigkeiten (Geschicklichkeit und Verwendung von Methoden, Materialien, Werkzeugen und Instrumenten) - Kompetenzen / Fähigkeiten:
Übernahme von Verantwortung, Selbständigkeit
Als wichtiges Prinzip des EQR gilt die sog. Lernergebnisorientierung, denn die verschiedenen Abschlüsse und Qualifikationen werden danach beschrieben, was ein Lernender am Ende des Lernprozesses weiß, versteht und in der Lage ist zu tun, unabhängig davon, wie und wo dieses Wissen und das Können erworben wurde. Dies ist erforderlich, damit der EQR auf unterschiedliche (Aus-) Bildungssysteme der EU-Länder anwendbar ist. Die Qualifikationsniveaus beruhen daher auf der Beschreibung von Lernergebnissen und nicht mehr auf dem Lerninput, der durch die Dauer eines Lernprozesses oder die Art der Bildungseinrichtung bestimmt wird. Die Lernergebnisse sind Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die sowohl im Rahmen eines formalen Bildungsgangs, als auch auf informellem Wege erworben werden können. Ausbildungsdauer, Ausbildungsort (Schule, Betrieb, Hochschule, Bildungseinrichtung) und Ausbildungsform (duale Ausbildung, Lernen am Arbeitsplatz, Studium etc.) spielen dabei nicht mehr die zentrale Rolle. Die Lernergebnisse eines jeden Bildungsgangs sollen vielmehr in neutraler Form beschrieben werden, auch ohne einen unmittelbaren Vergleich vorzunehmen oder das Bildungs- bzw. Qualifikationssystem als Referenz heranzuziehen. Damit soll der EQR ein neutraler Rahmen bilden, auf den jede Qualifikation bzw. jeder Bildungsgang in jedem Staat der EU bezogen werden kann; es soll dadurch kein Bildungssystem bevorzugt oder diskriminiert werden.
Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) hat vor allem das Ziel, formale und non-formale Qualifikationen des Bildungssystems, sowohl der Allgemeinbildung als auch der beruflichen Aus- und Weiterbildung gleichermaßen einzuschätzen und dadurch vergleichbarer und transparenter zu machen, um eine erhöhte Durchlässigkeit zwischen den beiden Bildungsbereichen der Allgemeinbildung und berufliche Bildung zu erreichen. Der im Mai 2013 eingeführte DQR-Qualifikationsrahmen besteht aus acht Niveaustufen mit vier horizontalen Kompetenz-Kategorien.
Die DQR-Kompetenzkategorien der berufsfeldbezogenen Handlungskompetenz beziehen sich auf
- Fachkompetenzen:
- Wissen: Tiefe, Breite
- Fertigkeiten: Instrumentelle Fertigkeiten, systemische Fertigkeiten, Beurteilungsfähigkeit - Personale Kompetenzen:
- Sozialkompetenz: Team- und Führungsfähigkeit, Mitgestaltung, Kommunikation
- Selbständigkeit: Eigenständigkeit und Verantwortung, Reflexivität, Lernkompetenz
Neben praktischen und kognitiven Fachkompetenzen werden die übergreifenden Schlüsselkompetenzen als personale Kompetenz und soziale Kompetenz ausgewiesen. Der DQR ist wie der EQR eingeteilt in acht Niveaustufen. Perspektivisch könnte damit erreicht werden, dass auch bildungsbereichsübergreifende fachbezogene Berufsstandards in Form eines verbindlichen Orientierungsrahmens entwickelt werden können.
Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) ●Weites Bildungsverständnis und Orientierung an Lernergebnissen (Outcome) ●Horizontale Struktur des DQR: Verbindung von Fachkompetenz (Wissen und Fertigkeiten) und personaler Kompetenz (Sozialkompetenz und Selbständigkeit) ●Vertikale Struktur des DQR: 8-stufige Matrix zur Zuordnung von Qualifikationen und Kompetenzen zu Niveaustufen ●Erfassung aller Bereiche, die zum lebenslangen Lernen beitragen: formales Lernen, nonformales Lernen und informelles Lernen (selbstorganisiert oder Lernen im Alltag, Training on the job ect.) ●Unterstützung von Durchlässigkeit und Transparenz: ●Förderung des Zugangs und der Teilnahme an lebenslangem Lernen
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Abb. 1: Konzept des DQR (modifiziert nach Gütesiegelverbund Weiterbildung 10/2013)
Zum Vergleich der EQR- und DQR-Systematik und Terminologie siehe im Einzelnen auch ECVET (2011). Aus unserer Sicht ist es bemerkenswert ist, dass im Kompetenz-Modell des DQR wie auch EQR einige für pädagogische Berufe zentrale Kompetenzbereiche nicht extra benannt werden, wie z.B. die Methodenkompetenz oder die didaktische Vermittlungskompetenz. Die Methoden-Kompetenz wird im DQR als Querschnittskompetenz betrachtet, die nicht eigens erwähnt wird, im Unterschied zu Bildungs- und Studienplänen oder Ausbildungscurricula für Berufe im Bildungsbereich und bei Qualifizierungsgängen für pädagogische Berufe.
Durch die Instrumente des DQR bzw. EQR können Einordnungen von Qualifikationsstufen innerhalb einer Fach-Profession vorgenommen werden, um damit die Wertigkeit einer Ausbildung abschätzen zu können. Gleichzeitig tritt auch die Vergleichbarkeit zu analogen Berufsabschlüssen in den Blickpunkt. Im Fall der Tanzpädagogik könnten beispielsweise Abschlüsse aus den Berufsfeldern Tanzpädagogik, Sound bzw. Music & Movement, Sportpädagogik, Outdoor-Erlebnispädagogik, Kulturpädagogik, etc. herangezogen werden. In allen diesen Vergleichsfeldern gibt es wie in der Tanzpädagogik gestufte Abschlüsse bis zu den akademischen Kompetenzniveaus Bachelor, Master und Promotion (Stufen 6-9).
Allerdings sind auch die jeweils unterschiedlichen Auslegungen des Begriffs der Tanzvermittlung oder Tanzpädagogik und dementsprechend sehr divergenten Ausrichtungen und Studienprofile zu beachten, und nicht zuletzt die verschiedenartige Qualitätsansprüche und Zeitumfänge zum Erwerb professioneller Handlungskompetenzen und eines professionellen Habitus.
Um zu prüfen, ob der EQR- bzw. DQR-Qualifikationsrahmen ein übergreifendes Instrument zur Verdeutlichung von Qualifikationsprofilen und zur Verbesserung der Transparenz auf dem unübersichtlichen Feld der Tanzpädagogik sein könnte, werden wir im folgenden Abschnitt Überlegungen und Positionen aus dem erziehungs- und fachwissenschaftlichen Kontext näher beleuchten.
Zum Kompetenzverständnis
Karl Ermert (2012: 860) hatte bereits auf die OECD-Definition (2003: 2) hingewiesen, die Kompetenz allgemein „als die Fähigkeit, komplexe Herausforderungen kontextgerecht erfolgreich zu bewältigen“ begriffen hatte (Vgl. Karl Ermert „Weiterbildung für Handlungsfelder Kultureller Bildung“). Auch in der aktuellen bildungswissenschaftlichen Debatte werden unter Kompetenzen „kontextspezifische kognitive Leistungsdispositionen, die sich funktional auf Situationen und Anforderungen in bestimmten Domänen beziehen“ verstanden (Eckhard Klieme/ Detlev Leutner 2006: 879). Die kognitiven Leistungsdispositionen werden im kompetenten Handeln ergänzt um soziale, emotionale, motivationale und volitionale Verhaltensdispositionen, wobei Verhaltensdispositionen selbst nicht direkt wahrnehmbar sind, sondern als theoretisch begründete Konstrukte können diese nur empirisch erschlossen werden.
Kompetenzen sind also als notwendige Bedingung für erfolgreiches, flexibles und adaptives Handeln in komplexen Anforderungssituationen zu betrachten. André Gogoll (2014: 165) versteht darunter „ein wissensbasiertes Können, d.h. als eine Fertigkeit, der eine gut organisierte und auf verschiedene Verwendungszusammenhänge beziehbare Wissensstruktur aus fachspezifischen Fakten-, Begriffs- und Konzeptwissen, aus Handlungswissen und aus metakognitivem Wissen zu Grunde liegt“.
Das Kompetenzverständnis des DQR und auch die hier angesprochenen fachwissenschaftlichen Kompetenzmodellierungen beruhen eher auf dem von Heinrich Roth (1971: 180) erstmals formulierten erziehungswissenschaftlichen Kompetenzbegriff, den er begrifflich folgendermaßen umschrieben hat: „Mündigkeit als Kompetenz für verantwortliche Handlungsfähigkeit erschließt sich aus der Trias Sach-, Selbst und Sozialkompetenz, entsprechend dieser Annahme ist derjenige mündig, „(…) wer fähig ist, für sich selbstverantwortlich handeln zu können (Selbstkompetenz), wer für Sachbereiche (Sachkompetenz) oder für sozial, gesellschaftlich und politisch relevante Sach- und Sozialbereiche (Sozialkompetenz) urteils- und handlungsfähig (…)“ ist. (Zitiert nach André Gogoll, 2009: 52)
Hinsichtlich des Lehrer-Berufs ergibt sich für Gabriele Lehmann und Wolfang Nieske (2005: 9) die professionelle pädagogische Kompetenz aus nachfolgenden drei Kompetenzbedeutungen. Sie formulieren, „dass eine Person dann für pädagogisch kompetent erachtet werden kann, wenn sie
- fähig ist, die gegebene Aufgabe auf der Basis des hierfür grundsätzlich zur Verfügung stehenden Weltwissens, bezogen auf professionelle Kompetenz des Fachwissens (…) zu bewältigen;
- auf der Basis einer speziellen Berufsethik begründet weiß und entscheiden kann, was im jeweiligen Fall im wohlverstandenen Interesse der anvertrauten Klientel zu tun und zu unterlassen ist.
- Wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, kann und muss der jeweiligen Person die Zuständigkeit für das erforderliche pädagogische Handeln zugesprochen werden.“
Professionelle pädagogische Kompetenz kann sich nach Ansicht der beiden Autoren nur dann realisieren, wenn folgende vier Komponenten zusammenwirken:
- Gesellschaftsanalyse,
- Situationsdiagnose (u.a. soziokulturelle und anthropogene Voraussetzungen),
- Selbstreflexion (berufliches Selbstkonzept und Betroffenheit),
- professionelles pädagogisches Handeln.
Im Zentrum des von Lehmann und Nieske (2005) propagierten Kompetenz-Modells (Abb. 2) steht das professionelle pädagogische Handeln. Dies unterscheidet sich von Alltagshandeln durch seine wissenschaftliche, d.h. intersubjektiv überprüfbare Fundierung und methodische Kontrolle. Die Phase der Handlungsdurchführung (Aktionsphase) könnte auch im Sinne von Hermann Giesecke (2010) durch die fünf Grundformen pädagogischen Handelns , nämlich Unterrichten, Informieren, Beraten, Arrangieren, Animieren, veranschaulicht werden.
Abb. 2: Modell zur Veranschaulichung der professionellen pädagogischen Kompetenz (Lehmann/Nieske 2005: 14)
Das Kompetenzverständnis ist sowohl bei erziehungswissenschaftlichen Kompetenzmodellen als auch bei den einzelnen nationalen und europäischen Qualifikationsrahmen nicht einheitlich. Es finden sich darin Modifikationen, entsprechend ihrer jeweiligen theoretischen Fundierung und spezifischen Anwendungsbezüge sowie aufgrund der nicht überschneidungsfrei möglichen Operationalisierung. Dennoch – und das ist ein wesentlicher Gesichtspunkt – liefern diese Kompetenz-Modelle eine systematische Struktur für die Beschreibung professioneller Aufgaben- und Tätigkeitsprofile.
Fachwissenschaftliche Kompetenz-Profile
Bevor wir uns den professionellen Kompetenzen im Fachgebiet der Tanzvermittlung und Tanzpädagogik zuwenden, werden in diesem Abschnitt zunächst zwei fachverwandte pädagogische Kompetenzprofile vorgestellt, damit wir einen kursorischen Überblick zum momentanen Stand der fach- bzw. arbeitsfeldbezogenen Professionalisierungsdebatte gewinnen können und damit wir den Forschungsstand und Handlungsbedarf für unser Fach abschätzen können.
Für die Sportlehrerausbildung an Schulen formulieren Wolf-Dieter Miethling und Petra Gieß-Stüber (2007) folgende „Big five“-Kompetenzen, die im Rahmen der universitären Ausbildung er-worben werden sollen:
- Sachkompetenz:
Fundus an Wissen, Können, Erfahrungen in der Sport- und Bewegungskultur; - Sozialkompetenz:
Fähigkeit, Interaktionen und Beziehungen zu Schülern konstruktiv zu gestalten; - Methodenkompetenz:
Vielfalt möglicher Unterrichtsmethoden kennen und situativ angemessen einsetzen können; - Selbstkompetenz:
Eigene Involviertheit (bezüglich der Sache, der Entwicklung der Schüler) erkennen und steuern können (Selbstmotivierung, Selbstkontrolle, Stressbewältigung); - Schulentwicklungskompetenz:
Schule als „lernende Organisation“ verstehen; aktive Teilnahme an Organisationsprozessen auf der Ebene der Fachkultur, des Schullebens, des Schulprofils.
Für die Kulturpädagogik benannte Max Fuchs (1994: 123) folgende „Fachlichkeiten“:
- künstlerisch-praktische und wissenschaftliche Kompetenz,
- methodisch-didaktische Kompetenz und Adressatenkenntnisse,
- Organisationsfähigkeiten und Gestaltungskompetenz kulturpädagogischer Rahmen-bedingungen (im Sinne von ‚Management‘)
- Teamfähigkeit und soziale Kompetenz
- konzeptionelle und gesellschaftspolitisch-analytische Wissens- und Handlungskompetenzen.
Birgit Mandel (2001: 293) fasst vor allem Vermittlungskompetenz, Ästhetische Kompetenz sowie Managementkompetenz als arbeitsfeldrelevante kulturpädagogischen Qualifikationen zusammen. Vgl. dazu im Einzelnen die Ausführungen von Wolfgang Zacharias „Kulturpädagogische Fachlichkeit und Berufsfeldentwicklung“.
Bei unserer Suche nach systematischen theoriegeleiteten fachspezifischen Kompetenz-Modellen für TanzpädagogInnen können wir auf erste Vorarbeiten des Bundesverband Tanz in Schulen zum Qualitätsrahmen (2011) verweisen, das methodisch auf einer empirischen Grundlage von Expertenbefragung und kommunikativer Validierung erarbeitet wurde.
Die Kompetenzen der in schulischen Projekten unterrichtenden Tanzpädagogen, Tänzern und Choreografen werden dort folgendermaßen zusammengefasst:
- Fachkompetenz:
Tanzpraktisches Können, tanzkünstlerische Expertise, tanztheoretisches Wissen; - Vermittlungskompetenz:
Pädagogische Kompetenz, didaktische Kompetenz; methodische Kompetenz; - Überfachliche Kompetenz:
Selbstkompetenz, Organisationskompetenz, soziale Kompetenz.
Die professionellen Handlungskompetenzen der LeiterInnen von Tanz in Schulen-Projekte sind ein wesentliche Säule des vom Bundesverband Tanz in Schulen erarbeiteten Qualitätsrahmens. Die spezifische professionelle Expertise der externen TanzkünstlerInnen und TanzpädagogInnen werden in Verbindung mit den anderen Qualitätsfaktoren (Bildungsdimensionen der Schüler, schulische Bedingungen und Aktivitäten der Koordinierungsstellen) reflektiert, daher bilden die im Qualitätsrahmen des Bundesverband Tanz in Schulen beschriebenen Kompetenzfelder nicht vollständig das Spektrum der beruflichen Kompetenzbereiche von TanzpädagogInnen ab. So müsste z.B. – entsprechend dem pädagogischen Leitbild - die Fähigkeit zur Reflexion des gesellschaftlichen Kontextes von Tanz und des jeweiligen tanzpädagogischen Handlungsfeldes stärker ausgewiesen werden und nicht nur innerhalb der pädagogischen Kompetenz subsummiert sein. Dennoch, trotz dieser Einschränkungen können wir insgesamt eine weitgehende Übereinstimmung und eine gewisse Kompatibilität zu den hier dargestellten Kompetenz-Modellen sowie zum DQR-Kompetenz-Verständnis feststellen. Daher sind Chancen vorhanden, zukünftig durch die Beschreibung von Qualifikationsprofilen in einem gemeinsamen, einheitlichen Rahmenmodell die Vielfalt der tanzpädagogischen Qualifikationswege transparent zu ordnen sowie für individuelle berufliche Biographien eine aufbauende und kompatible Struktur mit gegenseitiger formeller Anerkennung zu erreichen. Da eine Vielzahl der der tanzpädagogischen Aus- und Weiterbildung über non-formale und private Angebotsträger organisiert werden - durchaus vergleichbar mit Angebotsstrukturen, wie sie in Arbeitsfeldern der Kulturellen Bildung sowie der Bewegungs- und Gesundheitspädagogik vorhanden sind, sollten daher auch deren Zertifikate gleichermaßen von Arbeitgebern anerkannt werden.
Professionelles Leitbild und potenzielle tanzpädagogische Arbeitsfelder
Je nach berufsfeldspezifischen Einsatzgebieten, Adressatengruppen und Tätigkeitsschwerpunkten sind die beruflichen Anforderungsprofile und damit die Berufsbilder, die dem jeweiligen Selbstverständnis der TanzpädagogInnen zugrunde liegt, breit gefächert und äußerst heterogen:
- Tanzvermittlung in einem breiten Spektrum von Tanzrichtungen mit dem Schwerpunkt Kultureller Bildung für unterschiedliche Adressatengruppen und Altersstufen: Ästhetisch-gestaltende und pädagogisch-vermittelnde Kompetenzen stehen gleichberechtigt nebeneinander (Vgl. Zacharias 2012: 845)
- TrainingsleiterInnen von Kompanien
- DozentInnen und MultiplikatorInnen der professionellen Aus- und Weiterbildung
- Weitere Arbeitsfelder, die Tanz als Medium für individuelle und soziale Veränderungsprozesse einsetzen (z.B. Gesundheitsförderung, Therapie, Rehabilitation, Integration)
In allen Arbeitsfeldern wird erwartet, dass im individuell-biografischen Portfolio oder im Berufsweg neben pädagogischen Kompetenzen und anatomisch-tanzmedizinisches „Körperwissen“ ein hoher Anteil „künstlerischer“ und „künstlerisch-kreativer“ Tanzpraxis als wünschenswert erachtet wird (Vgl. Keller/Keuchel/Larue 2011).
Vielfalt der Tanzpädagogik-Qualifizierungswege
Wie eingangs bereits angesprochen, werden Ausbildungs-, Fortbildungs- und Weiterbildungsangebote von verschiedenen formalen und non-formalen Bildungsträgern in ganz unterschiedlichen Formaten organisiert, die in ihrem zeitlichen Umfang und auch hinsichtlich der Ausbildungsfächer differieren, je nach intendierten Zielsetzungen und Kompetenzen.
Die im Anhang beigefügte Tabelle gibt einen ersten Überblick und illustriert die in diesem professionellen Feld historisch gewachsenen und teilweise überlappenden formalen und non-formalen institutionellen Strukturen der Anbieter, die berufliche Bildungsmaßnahmen im Bereich der Tanzpädagogik organisieren. Sie fasst die staatlichen Ausbildungsstätten sowie Verbände und einige prominente privatwirtschaftliche Einrichtungen zusammen, die tanzgenre-übergreifend und/oder im Bereich des künstlerischen Tanzes tanzpädagogische Qualifizierungsangebote durchführen. Diese tabellarische Auflistung kann sicherlich weder dem Anspruch der Repräsentativität noch der Vollständigkeit genügen, da sie lediglich auf der Auswertung des von Tanzplan Deutschland (2011) zusammengestellten Verzeichnis der staatlichen Ausbildungsinstitutionen sowie des vom Beirat Tanz (2012) publizierten Schaubilds zu Ausbildungsträgern und der von „Kultiversum“ publizierten „Übersicht der wichtigen Ausbildungsstätten“ beruht. Und selbstverständlich lässt sich aus der Aufzählung auch keine Einschätzung vornehmen, welche Wertigkeit und spezifischen Qualitäten die dort angegebenen Qualifizierungen haben und wie es mit deren Vergleichbarkeit beschaffen ist. Durch ergänzende Angaben zum Umfang und zur Dauer sowie den vermittelten Qualifikationen und Kompetenzen könnten die verschiedenen Aus- bzw. Fort- und Weiterbildungsgänge aber bereits klarer klassifiziert und eventuell auch den Kompetenzniveaus innerhalb des nationalen oder europäischen Qualifikationsrahmen zugeordnet werden. Die akademischen BA- und MA-Studiengänge „Tanzpädagogik“, die im EQR bzw. DQR auf den Kompetenzstufen 6 und 7 eingeordnet sind, hatten bereits im Zuge der Bologna-Reformen eine Studienrevision vorgenommen und daher entsprechen ihre Studienpläne, Prüfungsordnungen oder Modulhandbüchern bereits mehr den Bedingungen des nationalen und europäischen Qualitätsrahmens. Dagegen sind die Angaben der Ausbildungspläne der Berufsfachschulen und der non-formalen Aus-, Fort- und Weiterbildungsgänge häufig zu wenig im Hinblick auf die vermittelten Ausbildungsinhalte und Kompetenzen operationalisiert, und ebenso hinsichtlich der zeitlichen Arbeitsumfänge.
Für die professionelle Berufsentwicklung wäre eine Orientierung und Zuordnung der verschiedenen tanzpädagogischen Qualifizierungen und Module in einem übergeordneten Referenzrahmen sinnvoll und vorteilhaft, eine differenzierte Zuordnung der Ausbildungsabschlüsse innerhalb eines gestuften Kompetenzrasters könnte Bewerbern und auch Arbeitgebern von TanzpädagogInnen einen besseren Überblick über die Ausrichtung, die inhaltlichen Schwerpunkte, Dauer und Tiefe der jeweiligen Qualifizierung geben. Um einen solchen Referenzrahmen zu erstellen, wäre eine systematische Erhebung der Daten aller tanzpädagogischen Qualifizierungsangebote ein vordringliches Postulat. Die Projektgruppe „Tanz-Bildung und Ausbildung“ der Gesellschaft für Tanzforschung hat den Recherche- und Forschungsbedarf hinsichtlich der Berufsentwicklung und –qualifizierung bereits bei der diesjährigen Expertentagung an der Akademie Remscheid thematisiert und prüft momentan konkrete Realisierungsmöglichkeiten einer solchen Recherche (Fleischle-Braun 2014). In Zusammenarbeit mit den tanzpädagogischen Berufsverbänden und Tanzorganisationen sollen darüber hinaus das professionelle Berufsbild der TanzpädagogInnen durch die Beschreibung der professionellen Berufsbilder mit ihren Kompetenzprofilen unter Einbezug der EQR- und DQR-Stufen weiterentwickelt werden. Da es zukünftig vermehrt auch zur internationalen Zusammenarbeit von Universitäten mit Partnern außerhalb der Hochschulen kommen wird und dadurch die Durchlässigkeit von formalen und non-formalen Bildungsträgern erleichtert sein dürfte (vgl. hierzu unter anderem die BMBF-Qualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen“), ist ein solches Instrument zur Herstellung von Transparenz und Vergleichbarkeit von Ausbildungsgängen unabdingbar. Nicht nur aus Gründen der verstärkten Mobilität, sondern ganz generell ist der Qualifikationsrahmen eine informative Hilfe zur individuellen berufsbiografischen Selbstreflexion und ebenso stellt er auch für Arbeitgeber eine Orientierungshilfe dar.
Als vordringliche Empfehlung wäre zu formulieren, dass die privaten Berufsfachschulen und ebenso die non formalen Anbieter von Aus- und Weiterbildungsgängen ihre spezifische Qualität und das jeweils angestrebte Profil ihrer Ausbildung evaluieren und ihr Curriculum nach inhaltlich-fachlichen Schwerpunkten und zeitlichen Umfängen strukturiert dokumentieren. Dies wäre nicht nur ein Schritt, um schulintern das Profil und die inhaltlich-organisatorische Ausbildungsstruktur zu präzisieren, sondern dadurch würde die gesamte tanzpädagogische Ausbildungslandschaft insgesamt deutlich transparenter, weil Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Qualifikationswegen sichtbar werden. Speziell für alle non-formale Ausbildungsträger wäre damit insofern eine Aufwertung verbunden, weil dadurch die Qualität und Profilierung von Ausbildungsgängen validierbar und somit Angebote bzw. einzelne Module auch zwischen formalen und non-formalen Bildungsträgern jeweils anerkannt würden. Im Hinblick auf zukünftige Kooperationsmöglichkeiten von formalen und non-formalen Trägern ist dies bereits ein wesentliches Kriterium. Darauf weist ein Passus der Prüfungsordnung des Frankfurter MA-Studiengangs „Zeitgenössische Tanzpädagogik“ darauf ausdrücklich hin und nicht zuletzt ist das an der PH Karlsruhe angesiedelte Projekt „Beyond School“, das im Rahmen der bereits angesprochenen BMBF-Ausschreibung „Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen“ die Bildungslandschaft für Laufbahnen im außerschulischen Bildungsbereichen erforschen und insbesondere „Qualifikationssysteme in der Fitness-, Gesundheits- und Freizeitbranche in Zusammenarbeit mit Partnern außerhalb der Hochschule (interinstitutionelle Netzwerke) entwickeln“ möchte, ist ebenfalls ein Indiz für diese Entwicklung. Ferner könnte aus dem Instrument des Kompetenzrahmens ein fachspezifisches System zur Ansammlung, Übertragung und Anrechnung von Leistungspunkten innerhalb der beruflichen Aus- und Weiterbildung von TanzpädagogInnen entwickelt werden. Die Instrumente des EQR und DQR wurden ja nicht zuletzt auch geschaffen, um die Verschränkung von formaler und non-formaler sowie informeller Bildung stärker zu forcieren und deren Kompetenznachweise anzuerkennen. Hierdurch würde auch ein Großteil der Empfehlungen der Studie des Zentrums für Kulturforschung (2011) umgesetzt (Keller/Keuchel/Larue 2011).
Ein weiterer Nutzen wäre, dass bei Vorlage einer entsprechenden Zertifikats (im Bereich der Gesundheitsförderung ist mindestens die Qualifikationsstufe 3-4 erforderlich) adressatenspezifische, salutogene Tanzangebote im Bereich der Gesundheitsbildung und Prävention ggf. von Seiten der Krankenkassen anerkannt und unterstützt werden könnten.
Fazit
Die Orientierung an einem übergreifenden Qualifikationsrahmen wie dem DQR bzw. EQR könnte also insgesamt zu einer größeren Transparenz und Durchlässigkeit in der formalen und non-formalen tanzpädagogischen Bildungslandschaft führen und würde nicht zuletzt zu einer größeren gesellschaftlichen Anerkennung des TanzpädagogInnen-Berufs beitragen. Daher wäre es ein entscheidender Schritt, wenn gemeinsam mit Verantwortlichen aller Ausbildungsstrukturen die diversen tanzpädagogischen Qualifizierungen in ein derartiges Rahmenmodell eingeordnet werden könnten. Der Vergleich mit anderen pädagogischen Fachdomänen zeigt, dass hier bereits einige vorbildhafte Ansätze und Vorarbeiten existieren. So hat sich beispielsweise die Fitness-Branche bereits 2007 am EQR-Rahmen orientiert und ein Qualifikationsraster für ein „Nationales Trainer-Register“ geschaffen. Auch der Deutsche Olympische Sportbund ist aktiv an der Weiterentwicklung und Umsetzung des DQR beteiligt und wird eine Einordnung der Lizenzen und Abschlüsse seines Qualifizierungssystems von der C-Lizenz bis zum Diplom-Trainer in den nationalen Qualifikationsrahmen (DQR) vornehmen (Vgl. Ralf Sygusch/ Sebastian Liebl 2012). Fachspezifisch werden momentan beim Skilehrerverband, beim Golfverband und im Bereich der Outdoor-Erlebnispädagogik EU-unterstützte Projekte zur Umsetzung des EQR bzw. DQR durchgeführt. Daher sollten sich auch die Dach- und Berufsverbände des Tanzes verstärkt am Diskurs zur Weiterentwicklung von professionellen Ausbildungsstandards beteiligen und sich mit ihrer fachlichen Expertise der anstehenden bildungs- und berufspolitischen Aufgabe der Profilierung des TanzpädagogInnen-Berufs stellen. Es erscheint mir wirklich lohnenswert, an einer fachbezogenen Umsetzung des Qualitätsrahmens zu arbeiten und den hier thematisierten Ansatz der Vergleichbarkeit beruflicher Qualifikationen in diesem Gesamtzusammenhang zu sehen. Ein solches Vorhaben könnte zudem entsprechend der US-amerikanischen „Research of Teacher Education“-Tradition eine TanzpädagogInnen-Ausbildungsforschung begünstigen.
Anhang
Im Anhang hat die Autorin eine Übersicht von Ausbildungsstrukturen und Angebotsbeispielen zur Tanzpädagogik zusammengestellt und diese nach Formalen Bildungseinrichtungen/ -anbietern (Hochschulen, Universitäten, Berufsfachschulen) und Non-formalen Bildungsträgern (Interessens- und Fachverbände, Berufsverbände, private Schuen und Institute) differenziert.