Nützlichkeitserwartungen der Jugendpolitik – Herausforderungen für die kulturelle Kinder- und Jugendbildung
Abstract
Ausgehend von den gesetzlichen Grundlagen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung problematisiert der Artikel die von Leitbegriffen der Jugendpolitik ausgehenden Nützlichkeitserwartungen, die sich gleichermaßen an Kinder und Jugendliche wie an Pädagogik als gesellschaftliches Projekt richten. Dabei werden vor allem Fragen der Anerkennung von Kindern und Jugendlichen entlang gesellschaftlicher Kategorien wie der des ‚mündigen Subjekts‘ betrachtet. Der Artikel fragt nach dem kritischen Beitrag der Kulturellen Bildung und diskutiert diesen mit Blick auf Fragen der Kinder- und Jugendgerechtigkeit sowie bzgl. digitaler Medienphänomene in grundsätzlicher, mit Blick auf neue Formen der Institutionalisierung des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen in pragmatischer Perspektive. Als weiterer Blickwinkel werden Herausforderungen, die von diskriminierungskritischen Positionen an die kulturelle Kinder- und Jugendbildung ausgehen, betrachtet.
Wenn wir von aktuellen Herausforderungen für eine jugendpolitisch ausgerichtete kulturelle Kinder- und Jugendbildung sprechen, dann sprechen wir zugleich immer von Veränderungen und Veränderungsbedarfen. Um über Veränderungsbedarfe nachdenken zu können, ist es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, von welchen Begriffen wir uns in unseren Reflexionen leiten lassen. Zentrale Leitbegriffe können z.B. aus den rechtlichen Grundlagen einer jugendpolitisch orientierten Kulturellen Bildung abgeleitet werden. Diese werden u.a. im SGB VIII formuliert. Das SGB VIII und seine Ausführungsrichtlinien im Kinder- und Jugendplan des Bundes und denen der Länder sind nicht allein entscheidend für die Strukturen und die Organisationsformen der geförderten Praxislandschaft. Sie formulieren auch Kategorien und Prinzipien, die auf bestimmten Vorstellungen von Kindern und Jugendlichen als individuell differenten und sozial wie kulturell involvierten Subjekten fußen. Die im SGB VIII formulierten rechtlichen Grundlagen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung bestimmen daher nicht nur die Angebotslandschaft in Bund, Ländern und Kommunen entscheidend mit, sondern sie enthalten auch Erwartungen und Anforderungen an intendierte Subjektformen: Diese sollen gesellschaftlich anerkennbar und nützlich sein, so der Anspruch (vgl. Braun 2021; Meseth 2022). Im Folgenden wird daher in einem ersten Schritt der jugendpolitische Auftrag der kulturellen Kinder- und Jugendbildung vor dem Hintergrund der im SGB VIII verankerten Vorstellung von selbstbestimmten, individuell differenten und sozial wie kulturell involvierten Subjekten reflektiert. In einem zweiten Schritt wird der zuvor entworfene kritische Beitrag der kulturellen Kinder- und Jugendbildung problematisiert. Dies erfolgt mit Blick auf Fragen der Kinder- und Jugendgerechtigkeit sowie bzgl. digitaler Medienphänomene in grundsätzlicher, mit Blick auf neue Formen der Institutionalisierung des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen in pragmatischer Perspektive. Als vierter Blickwinkel werden Herausforderungen, die von diskriminierungskritischen Positionen an die kulturelle Kinder- und Jugendbildung ausgehen, betrachtet.
Subjektform und SGB VIII
Die Frage nach aktuellen jugendpolitischen Herausforderungen an die Angebotslandschaft der kulturellen Kinder- und Jugendbildung, ihre Akteur:innen, Strukturen und Organisationsformen fokussiert ein Grenzphänomen. Ein Grenzphänomen nicht etwa, weil der Begriff der Kultureller Bildung die Grenzen professioneller Domänen überschreitend in unterschiedlichsten Handlungsfeldern von der Soziokultur bis hin zur sog. Kulturvermittlung an kunstorientierten Einrichtungen Anwendung findet. Sondern vielmehr, weil Kulturelle Bildung in dieser Perspektive als ein gesellschaftliches Projekt adressiert wird. Die Frage nach den Herausforderungen, welche sich für die Kulturelle Bildung aus Sicht der Jugendpolitik stellen, impliziert, dass die Grenze zwischen einem „pädagogischen Innen“ bzw. einem „nicht pädagogischen Außen“ (Meseth 2022:34; vgl. Tenorth 2004) fraglich ist oder erst gar nicht angenommen wird. Die Vorstellung einer „Autonomie der Pädagogik“ (ebd.) ist brüchig. Dies zeigt ein Blick auf die gesetzlichen Grundlagen der Jugendpolitik. Sie verdeutlichen ein Spannungsverhältnis, das für eine jugendpolitisch orientierte kulturelle Kinder- und Jugendbildung konstitutiv ist. In §1, Abs. 1, SGB VIII werden Grundlagen und Ziele der Jugendpolitik formuliert: „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“. Hier wird eine Positionierung der Subjekte der Jugendpolitik zwischen Selbstbestimmung und Gemeinschaftsfähigkeit, intermediär vermittelt durch Eigenverantwortlichkeit, vorgenommen. Dieses spannungsvolle Verhältnis aus individueller Eigenständigkeit und sozialer Involviertheit der Subjekte umreißt die Programmatik einer jugendpolitischen Pädagogik. Indem die Formulierung des §1, Abs. 1, SGB VIII das Recht auf Förderung und Erziehung im Zusammenklang mit den Kategorien der Selbstbestimmung und der Eigenständigkeit aufführt, betont sie die Relationalität von Individuum und sozialer Gemeinschaft. Dabei ist zu beachten, dass die Formulierung nicht primär Selbstbestimmung, Eigenständigkeit und Gemeinschaftsfähigkeit als Rechte, sondern das Recht auf Förderung und Erziehung in den Vordergrund stellt. Die Kategorien, welche der Anerkennung von Kindern und Jugendlichen als „Persönlichkeit“ (ebd.) zugrunde gelegt werden, setzen Förderung und Erziehung anscheinend voraus. Dies impliziert, dass die gemeinte Relationalität dahingehend zu interpretieren ist, dass Subjekte erst durch Praktiken der sozialen und kulturellen Integration Zugang zu Möglichkeiten der gesellschaftlichen Anerkennung ihrer differenten und zugleich schützenswerten Individualität erlangen können. Das dem SGB VIII zugrundeliegende Verständnis von Relationalität ist mit der Vorstellung einer spezifischen Subjektform verknüpft: Ein individuelles und sozial involviertes Subjekt, welches der Philosoph Volker Gerhardt als Differenzerfahrung im Medium des mit anderen geteilten „Allgemeinen“ (Gerhardt 1999:39) kennzeichnet (vgl. im Folgenden Braun 2021:36 ff.). Das Allgemeine, von dem Gerhardt ausgeht und das er als Voraussetzung der Individualität der gesellschaftlich involvierten Subjekte versteht, liegt in den sozial und kulturell geteilten Begriffen sowie in den von diesen Begriffen durchzogenen sozial und kulturell geteilten Praktiken. Diese Subjektvorstellung beruht auf einem Begriff der Relationalität, der die wechselseitige Hervorbringung von Individuum und Gemeinschaft betont, ohne jedoch dabei die Vorstellung eines sich nach eigenen Gründen selbstbestimmenden Subjekts aufzugeben. Damit ist dieser Entwurf eines relationalen Subjekts, welcher der im SGB VIII intendierten Subjektform entspricht, weit entfernt von aktuellen posthumanistischen Positionen, innerhalb derer Relationalität als Vorrangigkeit der Relationen vor den Relata, d.h. den Subjekten und ihren Selbst- und Weltverhältnissen, beansprucht wird (vgl. Barad 2012; Braidotti 2014; Haraway 2018; Leineweber et al. 2023).
Als primäres Ziel formuliert der Gesetzgeber im SGB VIII die Förderung der individuellen und sozialen Entwicklung junger Menschen sowie den Abbau von Benachteiligung (vgl. §1, Abs. 3.1, SGB VIII). Dabei wird die Möglichkeit, „in allen sie betreffenden Lebensbereichen selbstbestimmt zu interagieren“ (§1, Abs. 3.3, SGB VIII) und „gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können“, als zentrale Zielstellung formuliert. Das SGB VIII geht damit von einem Subjekt aus, dass sein Leben selbst führen muss. In Gerhardts Entwurf vermittelt sich dem Subjekt das Bewusstsein seiner differenten Eigenständigkeit aus eben dieser Notwendigkeit, das Leben „führen“ (ebd., Hervorhebung im Original, TB), d.h. sich in der mit anderen geteilten Welt eigenständig verhalten zu müssen. Die Individualität des Subjekts realisiert sich in seinem Verständnis als Verhältnisbestimmung zwischen den mit anderen geteilten allgemeinen Grundlagen sozialen und kulturellen Zusammenlebens sowie dem eigenständigen Handeln des Individuums. D.h., Individualität zeigt sich in besonderer Weise in der Ausgestaltung des Verhältnisses differenter Positionen und Perspektiven zu mit anderen geteilten sozialen und kulturell überindividuellen Bestimmungen. In der sich durch eigenständige Entscheidungen organisierenden Auseinandersetzung mit eben diesen, die auch das SGB VIII intendiert, sieht Gerhardt den Ausdruck eines sich selbst bewussten Individuums angesiedelt: „Die Eigenständigkeit ist das Ziel und zugleich die Bedingung für das zurechenbare individuelle Handeln […] Das aber heißt: Er [der erwachsene Mensch, TB] ist für sich selbst zuständig, hat sein eigenes Urteil zu fällen und seine eigene Entscheidung zu treffen“ (Gerhardt 1999:76). Die in §1, Abs. 1, SGB VIII genannten Ziele der Förderung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen intendieren also eine Subjektform, in der das in soziale Situationen eingelassene Handeln der Subjekte als praktischer Ausdruck einer auf eigenständigen Entscheidungen beruhenden Verhältnisbestimmung zur geteilten physischen, sozialen und kulturellen Welt erkenntlich wird. Den rechtlichen Grundlagen der jugendpolitisch beauftragen Kinder- und Jugendbildung liegt, mit Gerhardt gesprochen, demnach eine spezifische Relation von Individuellem und Allgemeinem zugrunde: Das Allgemeine einer begrifflich gefassten sozial, kulturell und physisch geteilten Welt stellt für das Subjekt erst die Voraussetzung dar, sich selbst als in Differenz und Eigenständigkeit herausgefordert zu erleben. In diesem Sinne ist das Allgemeine sowohl das Medium als auch der Ort der Realisierung von individueller Differenz und „Persönlichkeit“ (§1, Abs. 1, SGB VIII). Individualität fußt auf der Ausgestaltung dieses Verhältnisses entlang moralischer Fragen, die das Subjekt sich „zu eigen“ (Gerhardt 1999, S. 30, Hervorhebungen im Original, TB) macht, d.h. an denen es sein Leben nach eigenen Gründen und Vorstellungen eigenständig führt. Jugendpolitisch lässt sich in dieser Perspektive auf das SGB VIII ableiten, dass der angestrebte Dreiklang aus Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Gemeinschaftsfähigkeit Teil des modernen Projekts bürgerlicher Mündigkeit sind (vgl. Fuchs 2016).
Gerhardt betont, dass sich die intendierte Subjektposition mündiger Eigenständigkeit nicht durch fraglose Übernahme vorgegebener Sinnordnungen einstellt. Stattdessen ist aus seiner Sicht das Moment der individuellen Differenz entscheidend. Diese beruht auf der Erfahrung der Differenz eigener Vorstellungen von denen anderer (vgl. Gerhardt 1999:278). Indem das individuelle Subjekt feststellt, „dass andere eben dasselbe, was es mit seinen Begriffen allgemein begreift, gleichwohl anders begreifen“ (Gerhardt 1999:274), erfährt es zum einen, die eigene Differenz im Medium der mit anderen geteilten physischen, sozialen und kulturellen Welt. Zum anderen erlebt es auch die grundsätzliche Interpretierbarkeit der gemeinschaftlichen Koordinaten. Es ist die differente Interpretation geteilter Begriffe, die es dem Subjekt erlaubt, sich in der eigenen Individualität zu vergegenwärtigen und bewusst zu erleben, dass es aufgrund seines Verständnisses von sich und der Welt seinem eigenen Verstehen unterworfen und von den Anderen unterschieden ist Die individuelle Eigenständigkeit des mündigen Subjekts geht demnach nicht „der Objektivität voraus, sondern sie folgt ihr nach. Sie ist eine Reaktionsbildung auf die Enttäuschung in Erwartung eines realen Vollzugs; sie entsteht nur im Medium der Objektivität“ (ebd., Hervorhebungen im Original, TB). Mit anderen geteilte Begriffe sowie deren Symbolisierung in sozial und kulturell anerkannten Praktiken bilden somit die Voraussetzungen, dass das Subjekt sich selbst in seiner von geteilten Sinnordnungen und begrifflich gefassten Bedeutungen differenten Individualität vergegenwärtigen kann. In dieser Erfahrung tritt nicht allein das Individuum als Differenz in sein subjektives Bewusstsein, sondern auch das Allgemeine, auf welches sich die Gemeinschaftsfähigkeit der jugendpolitischen Pädagogik bezieht, in Erscheinung. So wie das eigenständige Subjekt nach Gerhardt (1999) sich in seiner Individualität durch die Erfahrung seiner unauflöslichen sozialen und kulturellen Involviertheit erkennt, vergegenwärtig es zugleich auch die Ansprüche, Erwartungen, Erfordernisse des geteilten Allgemeinen. Die auf der Differenzerfahrung fußende Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit, von denen §1, Abs. 1, SGB VIII spricht, stellen in diesem Sinne auch eine Voraussetzung der Gemeinschaftsfähigkeit sowie letztlich der Gemeinschaft dar, denn, so Gerhardt, „das Allgemeine ist nichts ohne den Fall, in dem es sich exemplifiziert. Ohne das Individuelle, in dem es sich konkretisiert, bliebe es bedeutungslos“ (Gerhardt 1999:39).
Anerkennung und Nützlichkeitserwartungen
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Formulierung in §1, Abs. 1, SGB VIII eine jugendpolitisch untersetze Pädagogik kaum verdeckt mit einer gesellschaftlichen Nützlichkeitserwartung (vgl. Meseth 2022, S. 38) ausstattet. Erhellend ist hierfür die Verknüpfung des im obigen Sinne integrativen Rechts auf Förderung und Erziehung mit dem Begriff der „Persönlichkeit“ in §1, Abs. 1, SGB VIII. Die selbstbestimmte, eigenverantwortliche und gemeinschaftsfähige Persönlichkeit, von der die Rede ist, stellt mehr als ein einfaches Wirkungsziel von Erziehung und Förderung dar. Sie bedeutet vielmehr eine Adressierung von Kindern und Jugendlichen im Rahmen der ihnen vorausgehenden gesellschaftlichen Sinnordnungen und der diesen inhärenten, auf das individuelle Subjekt bezogenen Nützlichkeitserwartungen. Der Gesetzestext ruft damit die Grundlagen für die Anerkennbarkeit von Kindern und Jugendlichen als vollwertige Subjekte auf. Er entspricht damit der sogenannten, auf das Grundgesetz (GG) bezogenen, Menschenbildformel des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 1954 (vgl. Gördel 2017:119 f.). Diese besagt, dass das Menschenbild des Grundgesetzes nicht von einem „isolierten souveränen Individuum [ ]“ ausgeht:
„[D]as Grundgesetzt hat vielmehr die Spannung Individuum – Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten. Das ergibt sich insbesondere aus einer Gesamtsicht der Art. 1, 2, 12, 14, 15, 19 und 20 GG. Dies aber heißt: der Einzelne muss sich diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein Zumutbaren zieht, vorausgesetzt, dass dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt“ (BVerfGE 4, 7 (15)).
Nicht zuletzt weist die Verknüpfung der normativen Ziele – Selbstbestimmung, Eigenverantwortlichkeit, Gemeinschaftsfähigkeit – mit der Kategorie des „Rechts“ in §1, Abs. 1, SGB VIII auf Voraussetzungen der Anerkennung von Kindern und Jugendlichen als gesellschaftliche Subjekte hin. Axel Honneth (2012) entwirft in seiner „moralischen Grammatik sozialer Konflikte“ (ebd.) Gesellschaft „als Gefüge von Anerkennungsordnungen und Anerkennungsverhältnissen“ (Nullmeier 2003:401, Hervorhebung im Original, TB), welche die innere und äußere Freiheit der Subjekte sichern und schützen. Dabei unterscheidet er drei Dimensionen der Anerkennung, mit denen jeweils spezifische Formen der reziproken Bezugnahme der Individuen verbunden sind. Neben emotionaler Zuwendung in Primärbeziehungen sowie sozialer Wertschätzung innerhalb von Wertegemeinschaften betont Honneth als dritte Dimension der Anerkennung die kognitive Achtung von Subjekten. Diese, so Honneth, drückt sich im gesellschaftlichen Zugeständnis aus, allgemeine Rechte in Anspruch nehmen zu können. In der Zuschreibung von Rechtsansprüchen zeigt sich, nach Honneth, die gesellschaftlich anerkannte „moralische Zurechnungsfähigkeit“ (Honneth 2012:211) des Individuums sowie seine Fähigkeit, einen gesellschaftlichen Beitrag leisten zu können (vgl. ebd.).
Nicole Balzer und Norbert Ricken (2010) haben Honneths Modell der Anerkennung dahingehend kritisiert, dass er Anerkennung als eine gewissermaßen nachholende und bruchlose (vgl. Honneth 2012:196) gesellschaftliche Bestätigung von im Subjekt vorfindlichen Qualitäten konzipiere (vgl. Bedorf 2010:125). Sie bemängeln, dass Honneth den hervorbringenden Charakter von Prozessen und Normen des Anerkennens zu wenig berücksichtige (vgl. Balzer/Ricken 2010:66) Für unseren Zusammenhang heißt dies, dass die in §1, Abs. 1, SGB VIII formulierten Ziele den Subjektstatus von Kindern und Jugendlichen nicht bloß nachholend bestätigen, sondern dass sie die Koordinaten und Kategorien bestimmen, innerhalb derer Kinder und Jugendliche überhaupt als anerkennbare Subjekte gelten können. Anerkennung bedeutet in dieser Perspektive nicht allein eine positive Bestätigung, sondern sie hat einen Charakter der „Hervorbringung wie auch der Einschränkung des Anderen“ (ebd.:66). Balzer und Ricken verdeutlichen mit García Düttmann (1997) Anerkennung als machtvolles Geschehen, in welchem das individuelle Subjekt weder in der Vorfindlichkeit seiner Eigenschaften noch in seinen individuellen Gründen und Vorstellungen evaluiert und bestätigt, sondern in der Entsprechung zu äußeren Ansprüchen sozial und kulturell erst hervorgebracht wird (Balzer/Ricken 2010:66). Diesen performativen Charakter der Anerkennung hat bereits Judith Butler im Rückgriff auf Arbeiten von Luis Althusser (vgl. Althusser 1977) im Blick, wenn sie Anerkennung als eine Praxis der Adressierung beschreibt. Indem an Individuen entlang sozialer und kultureller Begriffe/Normen ein „benennende[r] Ruf “ (Butler 2006:15) ausgeht, werden diese erst als soziale und kulturelle Subjekte konstituiert. Die vorausgreifenden und das Individuum entwerfenden gesellschaftlichen Normen der Anerkennung stellen in diesem Sinne „Möglichkeitsbedingungen seiner Existenz“
Die an die Pädagogik gerichtete gesellschaftliche Nützlichkeitserwartung impliziert also den Anspruch, sie möge helfen, ein Subjekt zu konstituieren, das den gesellschaftlichen Kategorien und Erfordernissen entspreche. Jugendpolitisch beauftragte Pädagogik im Anforderungsfeld von Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Gemeinschaftsfähigkeit zielt auf ein mündiges Subjekt, das anhand vernünftiger Urteils-, Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit, „ein Zusammenleben in Selbstbestimmung, in kultivierter Freiheit“
Scheitern als Chance
Kinder und Jugendliche sind entsprechend darauf angewiesen, die appellativen Normen der Anerkennbarkeit anzunehmen, sie sich anzueignen, sie zu verkörpern und handelnd zu wiederholen (vgl. Balzer 2014:480). Hierbei ist entscheidend, dass die Handlungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen mit Momenten des Scheiterns verknüpft ist. Darauf weisen sowohl Gerhardt als auch Butler – bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Ansätze und Prämissen – hin. Während für Gerhardt die Differenz eines eigenständigen Individuums sich in der Enttäuschung der Annahme einstellt, es interpretiere die Bedeutung der sozial und kulturell geteilten Begriffe und Praktiken so wie die anderen, betrachtet Butler das Moment des Scheiterns aus Richtung der das Individuum in Kategorien, Namen und Begriffen anrufenden Gesellschaft. Sie weist darauf hin, dass die begrifflich sowie in sozialen und kulturellen Praktiken vermittelten Normen der Anerkennung durch das Subjekt reproduzierend wiederholt werden müssen. Diese Wiederholung in der Interpretation von Begriffen (vgl. Gerhardt 1999:274) wie auch in ihrer körperlichen Symbolisierung in Gesten und Artefakten kann jedoch nie identisch erfolgen. Sie scheitert insofern, als sich in die individuellen Wiederholungen unvermeidlich Variationen einschreiben, die aus den jeweiligen differenten Interpretationen der Subjekte hervorgehen. Für Butler ergibt sich die Handlungsfähigkeit der Subjekte aus diesem unvermeidbaren Moment der variierenden „Umdeutung (resignification)“ (Butler 1993:125). Während für Gerhardt das Scheitern der eigenen Interpretationen an den Interpretationen anderer die Eigenständigkeit des Subjekts zur Erfahrung bringt, stellt für Butler das Scheitern der Normierung, deren Wirkungen immer „über die ursprüngliche Absicht der Benennung hinausgehen“ (Butler 1998:230), die Eigenständigkeit des Subjekts erst her. Für beide bleiben jedoch sozial und kulturell legitimierte Begriffe und die implizit von Begriffen durchzogenen Praktiken das unverzichtbare Medium des Individuums. Das Scheitern der eigenen Vorstellungen an den Interpretationen anderer bzw. das Scheitern der identischen Wiederholung von das Individuum entwerfenden gesellschaftlichen Normen der Anerkennung öffnen „die Möglichkeit der Abweichung [...] [und] die Chance auf eine Verschiebung", so auch Thomas Bedorf (Berdorf 2010:86-90). Im Scheitern der subjektiven Aneignung von Begriffen und Praktiken öffnet sich somit für das Subjekt auch eine produktive Möglichkeit, als Individuum auf seine eigene und damit auf eine „ethischere Art zu sein“
Im Sinne einer jugendpolitisch beauftragen Pädagogik gilt es daher, Voraussetzungen zu ermitteln, die es ermöglichen, das Moment interpretativer Veränderung in ihren Strukturen, Kulturen und Praktiken zu betonen. Denn indem die in §1, Abs. 1, SGB VIII umrissene jugendpolitische Auftragslage der Pädagogik ein mündiges Subjekt entwirft, ist sie im Sinne der Verwirklichung ihrer Auftragslage zugleich auf den Schutz der Unversehrtheit und Eigenständigkeit des entworfenen Subjekts angewiesen. Die in §1 SGB VIII implizierte „bürgerliche Mündigkeit“ (Bünger 2022:38) zielt nicht allein auf die „Fähigkeitserwartung“ (vgl. Meseth 2022:35), die „gesellschaftlichen Verhältnisse sowie die eigene Beteiligung an deren Reproduktion“ (Bünger 2022:38) voranzubringen, sondern diese auch in Frage stellen zu können. Auftrag der Pädagogik ist es daher auch, Gelegenheiten zu einer Praxis im Umgang mit den das Subjekt anrufenden sozialen und kulturellen Normen zu schaffen, die sich als Möglichkeitsraum der abweichenden, bisweilen idiosynkratischen Interpretation darstellt. Eine jugendpolitische Pädagogik ist daher im Sinne Butlers aufgefordert, Möglichkeiten der Resignifikation (vgl Butler 1993:125), der Neu-Interpretation von Normen der Mündigkeit und der Anerkennung als Subjekt bereitzustellen. Zwar ist das Subjekt „genötigt nach Anerkennung seiner Existenz in Kategorien, Begriffen und Namen zu trachten, die es nicht selbst hervorgebracht hat“
Mündigkeit und Interpretation
Wenngleich die jugendpolitische Programmatik eines mündigen Subjekts als Fähigkeitserwartung auch die der Kritik an den bestehenden Normen der Anerkennung umgreift, so bestimmt sie im Sinne Butlers dennoch die Existenzbedingungen der Subjekte. Sie appelliert als eine Politik der vorentwerfenden Subjektivierung an Praktiken der „Zuschreibungen, Beanspruchungen und Einschränkungen einer vernünftigen Argumentations- und Handlungsweise“ (Bünger 2022:305). Dies impliziert auch Ansprüche, was ein mündiges Subjekt in seinen praktischen und theoretischen Fähigkeiten auszeichne, und birgt die Gefahr, dass bei nicht Einlösung dieser Erwartungen die Anerkennung vorenthalten bleiben könnte. Eine jugendpolitisch grundierte Pädagogik der Mündigkeit ist in diesem Sinne immer eine Pädagogik der Macht. Indem sie eine „kognitive Fähigkeit zum Diskurs und zum begründeten Urteil“ erwartet (Meseth 2022:34), normiert sie Subjektpositionen und steht in dem problematischen Potential, die Anerkennung der Position eines mündigen, d.h. auch eigenständigen und zur Selbstbestimmung berechtigten Subjekts in bestimmten Fällen Individuen vorzuenthalten. Die Frage, „wer mit welchen Kriterien als mündig bezeichnet wird und wer wiederum über diese Kriterien entscheidet“ (Meseth 2022:34), verdeutlicht die Machtförmigkeit des Projekts eines mündigen Subjekts. Mündigkeit als jugendpolitischer Auftrag impliziert damit immer auch eine Normalitätserwartung (vgl. Bünger 2022:308), die eben Butlers Fragestellung betrifft, welche Subjektform ermöglicht bzw. welche Subjektposition anerkannt wird, und was unter den bestehenden Normen der Anerkennung überhaupt als Leben gelten kann (s.o.; vgl. Butler 2002:265). Dieses destruktive Potential des Projekts eines mündigen Subjekts erfordert es, Möglichkeitsräume für Praktiken der expliziten Resignifikation und Neu-Interpretation zu schaffen, die eben die Situation des kategorialen Bestimmt-Werdens (vgl. Seel 2002) als soziale und kulturelle, d.h. potentiell veränderbare Bedingung der Selbstbestimmung auffällig werden lassen.
Der Annahme Butlers folgend, dass sozial geteilte Kategorien, Begriffe und Namen die Möglichkeitsbedingungen der Existenz
Benennen und Überschreiten
Die Aneignung und die Interpretation geteilter Begriffe wie auch die Organisation und Gestaltung der eigenen Physis als Ausdruck dessen sind im Projekt des mündigen Subjekts der Jugendpolitik Bedingungen für eine Eigenständigkeit im Medium der Gemeinschaftlichkeit. Kindern und Jugendlichen wird in diesem Projekt Anerkennung, Achtung und „Würde“
Die kulturelle Kinder- und Jugendbildung hat sich zum Ziel gesetzt, eben dieses Moment, nämlich die Interpretierbarkeit von vermeintlich eindeutigen Kategorien, Begriffen und Namen, in den Mittelpunkt ihrer Angebote und Organisationsformen zu stellen. Dies tut sie, indem sie Gesellschaft als Kultur, d.h. als stets gestaltet und stets gestaltbar, verdeutlicht. Kultur beschreibt in dieser Perspektive nicht allein ein Archiv von Themen und Präsentationsweisen, sondern zeichnet sich durch die Verbindung „symbolischer Produktion mit sozialer Praxis“ (Lüddemann 2019:5) aus. Das bedeutet, kulturelle Sinnordnungen gewinnen ihre Relevanz erst dadurch, indem sie als gestaltete sowie in ihrer Gestalt als sozial wiederholt bestätigte erkennbar sind. Ihre Bedeutsamkeit besitzen die so gestifteten kulturellen Artefakte, Praktiken und Sinnordnungen, weil sie sich als sozial gestaltete zu erkennen geben. Ihre spezifische soziale Bedeutsamkeit „umgreift“ sozusagen ihre eigene Revidierbarkeit (Lüddemann 2019:5). Prinzipien der kulturellen Kinder- und Jugendbildung konzipieren daher spielerische und experimentelle Gelegenheiten, die Grenzen der geteilten Bedeutungen von Begriffen und Praktiken überschreiten und so „über die ursprüngliche Absicht der Benennung hinausgehen“ (Butler 1998:230). Sie rekurrieren daher nicht allein auf Prinzipien der Jugendarbeit, wie etwa Freiwilligkeit, Interessenorientierung, Partizipation u.a. (vgl. Braun/Schorn 2012/2013), sondern erweitern das Spektrum der Praktiken und ihrer Verknüpfungen, indem sie das „materiale Bestimmtsein“ sowie das „mediale Bestimmtsein“ (Seel 2002:289, Hervorhebungen im Original, TB) des Fühlens, Denkens und Handelns als gleichrangig erachten. Martin Seel beschreibt mit dem Begriff des medialen Bestimmtseins die Angewiesenheit auf sozial und kulturell geteilte „Begriffe“ (ebd.) der sozialen und kulturellen Welt. Das materiale Bestimmtsein fasst er als die unhintergehbare Bezugnahme des Subjekts auf die physische Welt. Die Involviertheit des Individuums bezieht sich also nicht nur auf sozial und kulturell geteilte Begriffe und deren praktische Deutungen, sondern ebenso auf die unreduzierbare Phänomenalität der physischen Welt (vgl. im Folgenden Braun 2021:159 ff.). Dem materialen Bestimmtsein korrespondiert insofern eine aisthetische Dimension von Subjektivität wie dem medialen Bestimmtsein eine kognitive Dimension korrespondiert. Bezieht sich die mediale Bestimmtheit auf die begrifflichen Voraussetzungen der sozialen Existenz des Subjekts, beschreibt das materiale Bestimmtsein in der physischen Welt, in sozialer Hinsicht ebenso existenzielle Grundlagen (vgl. Gerhardt 1999:43; ebd.:208). Denn auch physisches Handeln und aisthetische Erfahrungen können als Artikulation sozialer und kultureller Kategorien verstanden werden. Dies bedeutet, dass physische Handlungen, nicht nur als ein „komplementär bereicherndes präsemiotisches Vermögen“ (Zirfas 2018:138) verstanden werden können, sondern als „selbst von spezifischen Kategorien und Begrifflichkeiten durchkreuzt“ (ebd.) reflektiert werden müssen. Kernmoment jugendpolitisch verorteter Angebote Kultureller Bildung ist es daher, auf den Möglichkeitsausstand der sozialen Situation und der eignen Subjektpositionen zu verweisen, indem sie Settings begünstigen, in denen begriffliche wie auch physische Wissensformen und Praktiken gleichberechtig neben einander sowie einander kommentierend und beeinflussend stehen. Diese Settings zeichnen sich also durch die Betonung ästhetischer Zugänge aus. Diese verknüpfen die Aufmerksamkeit des Individuums für Gegenstände und Situationen, d.h. für Konstellationen der Lebenswelten, mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit für das Wie des eigenen Fühlens, Denkens und Handelns. In der ästhetischen Praxis wird „[u]nsere Wahrnehmung […] so auf ein Objekt oder eine Situation gerichtet, dass zugleich die Position der Wahrnehmung spürbar bleibt; es kommt hier [...] zugleich auf das Vernehmen eines Objekts und auf die Spürbarkeit dieses Vernehmens an“, so Martin Seel (1996:52). Kategorien, Begriffe und Namen, die theoretische wie praktische Wissensformen durchziehen, pausieren in der ästhetischen Situation nicht. Sie werden nur in ihrer Verbindlichkeit in Frage gestellt bzw. ihre Variierung, ihre Resignifikation wird experimentell ausgespielt. Den Bedeutungen, innerhalb derer Kategorien des mündigen Subjekts verknüpft sind, werden temporär neue Bedeutsamkeiten zur Seite gestellt. Damit bleiben sie zum einen für das Projekt des mündigen Subjekt anerkennbar, weil sie auf dessen begrifflich durchzogene Verstandestätigkeit verweisen. Denn sie berühren den variierenden Umgang mit Prozessen der Wiederholung der Kategorien, Begriffe und Namen. Zum anderen ermöglichen sie ein ethisches Fragen (s.o.; vgl. Butler 2002:265), weil sie temporär das Tableau möglicher Subjektpositionen erweitern. Statt Eindeutigkeit herzustellen, zielen Settings der kulturellen Kinder- und Jugendbildung darauf, die Subjekte im Spiel mit einer Vermehrdeutigung zu unterstützen, um so der Frage auf die Spur zu kommen, durch wen oder was sie in ihren Subjektpositionen bestimmt werden bzw. inwiefern sie bestimmbar sind. Settings der kulturellen Kinder- und Jugendbildung öffnen damit Erfahrungssituationen, die zum einen den normierenden Zugriff auf Selbst- und Weltverhältnisse von Kindern relativieren. Sie schützen also deren Eigenständigkeit und Differenz. Zum anderen hinterfragen sie die Eindeutigkeit der sozialen Handlungssituation und weisen auf ihren Möglichkeitsausstand hin. All dies, ohne das Projekt des mündigen Subjekts des SGB VIII aufzugeben. Ästhetische Erfahrung sowie die ihr zugeordneten Praktiken eröffnen dem Subjekt ein distanzierendes Moment der Selbst-Bestimmung, das sich eben erst durch das Paradox einer bewussten Involvierung bzw. eines intensivierten sich Bestimmenlassens durch die Kategorien, Begriffe und Namen einstellt. Angebote Kultureller Bildung bleiben auf Kategorien des mündigen Subjekts bezogen: In der ästhetischen Erfahrung ist das Individuum von Fragen nach praktischen Zwecken oder nach der Angemessenheit und Legitimität zwar vorübergehend entlastet. Es weiß dabei „aber doch zugleich von sich als von dem, das in einer Weltbeziehung steht“, so Dieter Henrich (Henrich 2001:93). Angebote der kulturellen Kinder- und Jugendbildung umkreisen die Frage, wer Subjekt sein kann und was als Leben zählt (s.o., vgl. Butler 2002:265). Sie verlassen die Kategorien von Selbstbestimmung, Eigenständigkeit und Gemeinschaftsfähigkeit nicht. Sie diversifizieren nur die Antwortmöglichkeiten und Artikulationsweisen. Kulturelle Bildung zielt in diesem Sinne darauf, dem Individuum die Konstelliertheit seiner Lebenswelt als Gelegenheit zu einer „verändernde[n] Erprobung seiner selbst“ (Foucault 1986:16) sowie der es umgrenzenden Kategorien, Begriffe und Namen zu vergegenwärtigen.
Herausforderung Jugendgerechtigkeit
Die Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Grundlagen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung hat die Konstituierung mündiger Subjekte als jugendpolitische Zielsetzung herausgestellt. Es ist deutlich geworden, dass eine jugendpolitisch beauftragte Pädagogik Teil eines gesellschaftlichen Kategoriensystems ist, in dem Kinder und Jugendliche im Dreiklang aus Normalitäts-, Nützlichkeits- und Fähigkeitserwartung (vgl. Bünger 2022; Meseth 2022) entlang gesellschaftlicher Normen der Anerkennung bestimmt werden. Zudem konnte jedoch auch herausgestellt werden, dass die Erreichung des Ziels mündiger Subjekte nicht nur auf die Annahmebereitschaft durch die Kinder und Jugendlichen angewiesen ist, sondern auch deren Eigenständigkeit und Differenz schützen und fördern muss. Prinzipien der kulturellen Kinder- und Jugendbildung zielen darauf, den Schutz der Eigenständigkeit und Differenz von Kindern und Jugendlichen mit der Erfahrung unergriffener Möglichkeiten des Fühlens, Denkens und Handelns der sozialen Situationen, in die sie eingelassen sind, zu verbinden. Dies impliziert auch, dass Angebote der Kulturellen Bildung Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bieten, die von den Kategorien, Begriffen und Namen ausgehenden gesellschaftlichen Begrenzungen ihrer Lebenssituationen begreifbar zu machen (vgl. Scherr 1996:221; Thole et al. 2022:335). Es ist verdeutlicht worden, dass Angebote kultureller Kinder- und Jugendbildung die Spannweite der Subjektpositionen anhand einer Ausweitung der Wissensformen sowie durch die Förderung reflexiver Praktiken der Resignifikation ermöglichen sollen. Dennoch ist auch zu berücksichtigen, dass Angebote der kulturellen Kinder- und Jugendbildung strukturell und kategorial Bestandteil gesellschaftlicher Anerkennung bzw. auch der Verkennung von Kindern und Jugendlichen bleiben. Daher ist auch für die Kulturelle Bildung im Rahmen der Jugendpolitik die neuere Programmatik der Jugendgerechtigkeit (vgl. BMFSFJ 2024) von deutlicher Relevanz. Diese richtet sich auf die Strukturen, Organisationsformen sowie die Arbeitsweisen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung. Sie umfasst neben der strukturellen, organisatorischen und praktischen Berücksichtigung der in der UN-Kinderrechtskonvention verbrieften Rechte auf Schutz, Förderung und Beteiligung (vgl. BMFSFJ 2023) besonders die Orientierung, dass Kindheit und Jugend keinesfalls nur Durchgangsmoratorien darstellen. Sie werden stattdessen als eigenständige Lebensphasen mit eigenen Herausforderungen und Bedarfen verstanden. Dies impliziert, dass Interessen und Bedarfe von Kindern und Jugendlichen nicht allein unter dem entwicklungsorientierten Paradigma einer Dienlichkeit für ihre biographische Zukunft bzw. für den sozialen Fortschritt der Gemeinschaft, sondern gleichberechtig unter dem Paradigma der Gegenwärtigkeit reflektiert werden (müssen). Perspektiven und Positionen von Kindern und Jugendlich werden in dieser Perspektive auch ohne Zukunftsbezug als relevant und unverzichtbar verstanden. Dies bedeutet für die Akteur:innen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung, dass sie sich – gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen – mit der Frage auseinandersetzen müssen, wer über Kategorien, Begriffe und Namen entscheidet, mit denen Kinder und Jugendliche in kulturellen Angeboten adressiert werden. Pragmatisch heißt dies, dass Einrichtungen der Kulturellen Bildung Kinder und Jugendliche an der Organisation und – in letzter Konsequenz – auch an der Leitung ihrer Einrichtungen altersangemessen und ihren Rechten, Interessen und Bedürfnisse entsprechend beteiligen müssen. Weil Mündigkeit ein kultureller Begriff für spezifisch subjektivierende Machstrukturen ist, muss eine kritische Kulturelle Bildung, die Differenz und Eigenständigkeit schützen und das Verkennen von Kindern und Jugendlichen abwehren will, junge Menschen an der Macht beteiligen. Die Akteur:innen einer vom Prinzip der Jugendgerechtigkeit aus gestalteten Angebotslandschaft Kultureller Bildung müssen sich daher zukünftig in einem umfänglicheren und konsequenteren Maße als bisher mit Prozessen der Organisations- und Angebotsentwicklung auseinandersetzen, die sowohl dem Zukunfts- als auch dem Gegenwartsbezug der Rechte wie auch der Interessen und Bedarfe von Kindern und Jugendlichen entsprechen (vgl. Braun/Witt 2017).
Herausforderung (Post-)Digitalität
Auch angesichts einer – nicht nur – für junge Menschen existenziellen Kultur der (Post-)Digitalität (vgl. Stalder 2016) ist die Annahme wenig glaubwürdig, Einrichtungen und Organisationsformen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung könnten diese Herausforderungen allein durch partizipative Formate wie z.B. Kinder- oder Jugendbeiräte oder neue Kooperationsformen mit Bildungs-, Sozial- und kunstorientierten Einrichtungen sowie in Kontakt mit informellen Jugendszenen bewältigen. Das Präfix ‚post‘ soll hierbei keinesfalls bedeuten, die Transformationsphase der Digitalisierung sei schon abgeschlossen oder beendet. Im Gegenteil, sie verweist auf eine umfängliche kulturelle digitale Transformation, in der die binäre Einteilung in analog oder digital nicht mehr haltbar ist (vgl. Stalder 2016:18; Jörissen et al. 2020). Es ist daher wahrscheinlich, dass die kulturelle Kinder- und Jugendbildung zu neuen Definitionen und Konzepten ihrer Angebote sowie ihrer Einrichtungen, ihrer Beteiligungskultur u.v.m. finden muss. Hierbei wird für sie aus jugendpolitischer Perspektive die Frage leitend sein müssen, wie sie in einer postdigitalen Kultur sowohl ihre Leitbegriffe der Selbstbestimmung, Eigenständigkeit und Gemeinschaftsfähigkeit als auch ihren Anspruch, die Ausweitung des Spektrums anerkennbarer Subjektpositionen durch eine ästhetisch-kulturelle Praxis reflexiver Resignifikation realisieren kann. Die jugendpolitische Zielvorstellung des mündigen Subjekts erfährt durch die Prinzipien der kulturellen Kinder- und Jugendbildung bereits eine Erweiterung, indem theoretischen und praktischen Wissensformen in ihren Angeboten – zumindest temporär - eine Gleichrangigkeit eingeräumt wird. Die mit dem mündigen Subjekt verknüpfte diskursive Selbstpositionierung setzt ein kritisch-distanziertes Urteilsvermögen voraus. Angesichts digitaler Medienphänomene ist nicht unmittelbar über eine Abkehr von Distanz als diesem reflexiven Moment des mündigen Subjekts nachzudenken. Sehr wohl besteht aber die Notwendigkeit seiner Reformulierung. Denn neueste Studien zeigen, dass eine selbstbestimmte Nutzung digitaler Medien eher eine unmittelbare emotionale Verbundenheit mit den medientechnologisch induzierten Praktiken statt eine kritische Distanznahme voraussetzt (vgl. Flasche 2022). Postdigitale Denk- und Handlungsweisen scheinen also gerade durch immersive Involvierung, und damit durch besondere mediale Nähe, statt durch kritische Distanz, gekennzeichnet zu sein (vgl. Schober et al. 2022). Christian Leineweber, Maximilian Waldmann und Maik Wunder weisen folgerichtig darauf hin, dass Fühlen, Denken und Handeln in einer Kultur der (Post-)Digitalität „in ökologische Verhältnisse von more than human worlds eingebettet sind“ (Leineweber et al. 2023:213; Hervorhebung im Original, TB). D.h., Selbst- und Weltverhältnisse von Kindern und Jugendlichen konstituieren sich eingelassen in soziale Situationen, die nicht allein durch menschliche Subjekte, sondern durch deren Interaktion mit analog-digitalen nicht-menschlichen algorithmusbetrieben Aktanten strukturiert werden. Die Trennung von Mensch und Technik sowie von Analogem und Digitalem ist nicht nur brüchig, sondern hat einen neuen „relationalen Zwischenbereich“ (ebd.) entstehen lassen, aus dem die agierenden menschlichen Subjekte wie auch die nicht-menschlichen Aktanten in ihrer sozialen Bedeutsamkeit „prozesshaft („werdend“) hervorgehen“ (ebd.). Leineweber et al. sehen es daher als notwendig an, „tradierte Interpretationsschemata“ (Leinweber et al. 2023:247), unter die sie Begriffe der Souveränität, Selbstbestimmung oder auch Autonomie fassen, einer grundlegenden Kritik auszusetzen.
Die kulturelle Kinder- und Jugendbildung steht daher in der Gefahr, dass ihre Leitbegriffe bzw. die Kategorien, anhand derer Kinder und Jugendliche angesprochen werden, zunehmend an Passung zu den lebensweltlichen digitalen „Algorithmuskulturen“ (vgl. Jörissen et al. 2020:74) ihrer Adressat:innen verlieren könnten. Die Notwendigkeit einer Reformulierung der Leitbegriffe Selbstbestimmung, Eigenständigkeit und Gemeinschaftsfähigkeit ist für die Akteur:innen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung auch deshalb entscheidend, weil dies eine Voraussetzung dafür darstellt, dass von ihnen geübte Kritik auch unter den Reflexions- und Erfahrungsbedingungen der Postdigitalität stichhaltig bleibt.
Herausforderung Institutionalisierung
Eine weitere Herausforderung für die Akteur:innen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung sowie der von ihnen intendierten Erweiterung der Wissensformen und Anerkennungspraktiken liegt in der Ausweitung der Institutionalisierung des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen. Die Akteur:innen der außerschulischen kulturellen Kinder- und Jugendbildung haben früh Forderungen gestellt, den individuellen Selbst- und Weltsichtweisen von Jugendlichen und Kindern eine besondere Berücksichtigung in diesem Prozess einzuräumen (vgl. Kelb 2007; Braun 2011). Diese Kritik gewinnt nun mit dem Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) bzw. dem Anspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter ab 2026 an neuer Aktualität. Der 14. Kinder- und Jugendbericht kritisierte bereits, dass die Ausweitung der öffentlichen Verantwortungsübernahme für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen durch ein professionelles „Netz an Akteuren und Institutionen“ nicht im ausreichenden Maße als „reglementierend, normierend und kontrollierend“
Herausforderung Diskriminierungskritik
Der Anspruch einer jugendpolitisch beauftragten und gleichermaßen kritischen kulturellen Kinder- und Jugendbildung liegt also darin, dass Kinder und Jugendliche unter den Kategorien, Begriffen und Namen, anhand derer sie adressiert werden, nicht verkannt werden – d.h., weder in ihrer differenten und sozial wie kulturell involvierten Individualität noch in ihrem Recht, die Normen der gesellschaftlichen Anerkennung in Frage zu stellen und neu zu interpretieren. Denn darauf zielt letztlich das jugendpolitische Projekt des mündigen Subjekts: sich in der mit anderen geteilten Welt selbst bestimmen, um in dieser Welt mitbestimmen zu können. Das sogenannte mündige Subjekt kann den Anspruch geltend machen, sich die Kategorien, Begriffe und Namen so anzueignen, dass die über die Subjektform gleichermaßen mitkonstituierte Form der Gemeinschaft, ihre Normen und Werte, so beansprucht werden können, dass dies nicht nur ihre Reproduktion, sondern auch ihre Veränderung beinhaltet. In diesem Sinne entwirft die kulturelle Kinder- und Jugendbildung in einer jugendpolitischen Perspektive Persönlichkeitsbildung immer auch in Bezug auf kulturelle Teilhabe und gesellschaftliche Partizipation. Auch wenn ihre Ansätze darauf zielen, die Zuschreibungen, die dem mündigen Subjekt auferlegt werden, sowie das Potential und die Gefahr der Verkennung, die von diesen Zuschreibungen ausgehen, bzw. dem Risiko des Entzugs von Anerkennung entgegenzuwirken, so implizieren sie immer auch Vorstellungen „guter Ordnungen“ (vgl. Battaglia/Mecheril 2020:42) des Zusammenlebens. Santina Battaglia und Paul Mecheril haben auf den machtpolitischen „normativen Vektor“ (Battaglia/Mecheril 2020:41) Kultureller Bildung hingewiesen. Kulturelle Kinder- und Jugendbildung als „Bildung zur kulturellen Teilhabe“ (Ermert 2009) fördert Kinder und Jugendliche darin, ihr Fühlen, Denken und Handeln durch kulturelle Praktiken als kulturelle Praxis zu erschließen und diese in ihrer sozialen und politischen Situiertheit zu reflektieren (vgl. Braun 2023:217). Die Auseinandersetzung mit kulturellen Symbolen, Sinnordnungen und Praktiken soll dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche die Welt als gestaltet und gestaltbar sowie eigene Standpunkte und Perspektiven als in dieser Welt situierte und gleichermaßen veränderbare erfahren können. Indem aber kulturelle Kinder- und Jugendbildung Möglichkeiten des Fühlens, Denkens und Handelns in sozialen Situationen hinterfragt, umkreist sie zugleich immer auch Vorstellungen, wie es „gut“ sein könnte. Battaglia und Mecheril weisen darauf hin, dass diese Vorstellungen letztlich nicht nur mit Fragen ihrer Verwirklichung verbunden sind, sondern sie implizieren auch Fragen der Berechtigung und Anerkennung sowie der Diskriminierung. Sie „führen auch immer mit sich, wer über solche Vorstellungen ‚guter Ordnung‘ bedeutsam verfügt, darüber befinden darf und soll, wem damit also politische Subjektivität zukommt“ (Battaglia/Mecheril 2020:42). Die Autor:innen problematisieren, dass in Angeboten Kultureller Bildung daher immer eine „zumeist implizite, indirekte und diffus bleibende Adressierung eines Gegenbildes“ potentiell angelegt ist (Battaglia/Mecheril 2020:41). Dieses Gegenbild, so Battaglia und Mecheril, ist stets mit der Opposition eines Wir, das der vorgestellten guten Ordnung entspricht, und eines „Nicht-Wir“ verbunden. Die Konstitution eines „Nicht-Wir, sei es auf Grund seiner Klassen- oder Bildungslage, aber auch […] auf Grund seines natio-ethno-kulturellen Status“, führt mit sich, dass das Nicht-Wir als nicht dazugehörig, als anders und in diesem Sinne immer als „weniger kultiviert als das Wir, um das es geht“, gilt (ebd.:41). So wie es die Idee der Mündigkeit desavouiert, „über sie zu reden, ohne zugleich die strukturellen Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu reflektieren“ (Thole et al. 2022:356), so kann auch eine kulturelle Perspektive, welche die Gestaltbarkeit von Gesellschaft in den Vordergrund rückt, ihr Versprechen, die Spannweite von anerkennbaren Subjektpositionen zu erweitern, nicht einlösen, wenn sie verschweigt, dass Kultur ein Feld der Machtbeziehungen ist (vgl. Menrath 2019/2018). Das machtpolitische kulturelle Feld, in dem soziale Bedeutungen und Sinnordnungen verhandelt werden, ist durch Praktiken der Anerkennung, der Verkennung und der Diskriminierung strukturiert. Entsprechend hat Carmen Mörsch bereits vor längerer Zeit kritisiert, dass hegemoniale Ansprüche und diskriminierende Mechanismen in den Diskursen, Strukturen und Angebotsformen auch der Kulturellen Bildung meist übersehen werden (vgl. Mörsch 2013). Sie fordert daher eine „dekonstruktive […], reformative“ und „transformative“ (Mörsch 2013:115 ff.) Weiterentwicklung des Theorie- und Praxisfelds mit dem Ziel einer „hegemoniekritische[n] Praxis“ (ebd.:38; vgl. auch Mörsch 2019). Auch Max Fuchs (2021; 2024) hat für den Bereich der Kulturellen Bildung kritisch reflektiert, inwiefern Diskurse und moderne Leitbegriffe wie die der Mündigkeit und jener der Emanzipation mit Strukturen und Praktiken der Diskriminierung in Relation stehen.
Eine kritische Begleitung des jugendpolitischen Projekts eines mündigen Subjekts durch die kulturelle Kinder- und Jugendbildung kann daher nicht allein durch die spielerische Erweiterung der Wissensformen und Praktiken geschehen. D.h., der ästhetische Umgang mit Weisen der Wahrnehmung und des Ausdrucks wie auch experimentelle, künstlerische Identitätsentwürfe allein reichen nicht aus, um Kulturen, Strukturen und Praktiken der Diskriminierung als solche aufzudecken. Vielmehr wird es darum gehen müssen, Kultur in ihrem Merkmal der Revidierbarkeit dahingehend zu reflektieren, dass sie als „umkämpfte Praxis“ (Menrath 2019/2018) des Bestimmens und des Bestimmt-Werdens strukturiert ist. Dies bedeutet in diversitätssensibler und diskriminierungskritischer Perspektive zu dekonstruieren, wie in Theorien und Leitbegriffen, Organisationsformen und Praktiken „vorherrschende […] Differenzordnungen […] kontinuierlich (re-)produziert“ werden (Castro Varela 2023:11), so auch Maria do Mar Castro Varela. D.h., wenn eine jugendpolitisch beauftragte Kulturelle Bildung das Ziel kultureller Teilhabe als Voraussetzung der Selbst- und Mitbestimmung eines mündigen Subjekts verfolgen soll, dann müssen sich die Akteur:innen der Frage stellen, wo und wie Kulturelle Bildung anhand von Kategorien, Begriffen und Namen wie „Geschlecht, sexuelle Orientierung, Be_Hinderung, Klasse und Rassisiertheit“ (Mörsch 2021) u.a. „Ausschlüsse, Zumutungen, Demütigungen, Missachtungen [produziert] und legitimiert“ (Battaglia/Mecheril 2020:43). In der Herstellung einer „diskriminierungskritischen Lesefähigkeit“ (Mörsch 2021) der Akteure der kulturellen Kinder- und Jugendbildung sowie einer diversitätssensiblen und diskriminierungskritischen Veränderung ihrer Strukturen, Einrichtungen und Angebotsformen liegt wohl die dringlichste Herausforderung für die Umsetzung des jugendpolitischen Projekts des mündigen Subjekts.
Auf die besondere Dringlichkeit weist nicht zuletzt hin, dass in §1, Abs. 1 SGBVIII das Wort „selbstbestimmt“ erst 2021 in der inklusiven Novellierung des SGB VIII aufgenommen wurde. Der Begriff der Selbstbestimmung wird an dieser Stelle des Gesetzes betont, weil Veränderungen, die 2021 mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) im SGB VIII in Kraft getreten sind, vorsehen, dass das SGB VIII die Gesamtzuständigkeit für alle Kinder und Jugendlichen, eben auch jene mit zugeschriebenen Behinderungen, erhält. Das Prinzip der Selbstbestimmung, das in der Novellierung eigens hervorgehoben wurde, stellt die Grundlage des Projekts eines mündigen Subjekts dar. Die jugendpolitische Aufgabe der Kulturellen Bildung ist es, dieses Prinzip sowohl unter den Bedingungen einer Kultur der (Post-)Digitalität als auch der zunehmenden Institutionalisierung des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen einer konstruktiven Reformulierung auszusetzen sowie diversitätssensible und diskriminierungskritische Strategien zu entwickeln, welche Kinder und Jugendliche in ihrer individuellen Differenz und Eigenständigkeit anerkennen, schützen und beteiligen. Es ist ihre Aufgabe, dem Anspruch, einer endgültigen Antwort auf die Frage, wer als Subjekt gelten und was als Leben zählen wird (vgl. Butler 2002:265), zuvorzukommen. D.h., sich einer abschließenden Beantwortung entgegenzustellen und stattdessen Voraussetzungen zu schaffen, dass die Frage nach Subjekt und Leben immer wieder neu gestellt werden kann. Denn nicht die abschließende Antwort, sondern die Fähigkeit, ausgehend von einer reflexiven Praxis der Resignifikation von Kategorien, Begriffen und Namen Fragen nach Gründen, Vorstellungen und Ordnungen stellen und Antworten in Frage stellen zu können, macht das mündige Subjekt aus, welches im Zentrum der Jugendpolitik steht.