Kulturvermittlung, Kulturmanagement und Audience Development als Strategien für Kulturelle Bildung
2024 aktualisierte Textfassung des gleichnamigen Beitrags aus dem „Handbuch Kulturelle Bildung“ (2012)
Abstract
Der Beitrag reflektiert Ziele, Aufgaben und Funktionen sowie Instrumente und Methoden von Kulturvermittlung, Kulturmanagement und Audience Development. Er dient der Begriffsklärung und historischen Einordnung. Vorgestellt werden zudem Erkenntnisse der Publikumsforschung sowie Strategien, um mehr, neue und diversere Kultur-Besucher*innen zu erreichen.
Der Ausblick macht deutlich, dass die bereits in den 1970er Jahren von Bourdieu kritisierte Distinktionsfunktion kultureller Einrichtungen bis heute nicht aufgehoben werden konnte. Nach wie vor ist das Elternhaus zentraler Kulturvermittler und kulturelle Teilhabechancen hängen vom jeweiligen sozialen Milieu ab. Um dies auszugleichen, müssen Angebote der Kulturvermittlung vor allem auch mit allgemeinbildenden Schulen verbunden werden. Darüber hinaus müssen Kulturvermittler*innen vielfältige Programme und Formate entwickeln, um Menschen außerhalb von Kultureinrichtungen anzusprechen, zu interessieren und zu aktivieren, unter anderem durch Kooperationen mit den unterschiedlichsten Organisationen, von Jugendzentren, Sportvereinen, Volkshochschulen bis zu Betrieben. Voraussetzung dafür ist es, dass Kulturvermittlung sich von einem normativen Kulturbegriff löst, der bestimmte Kulturformen als höherwertiger begreift, und dass die vielfältigen gesellschaftlichen Gruppen, die neu erreicht werden sollen, nicht nur als potentielles Publikum begriffen werden, sondern dass sie gefragt und einbezogen werden in Entscheidungen über Programme und Formate. Kulturvermittlung ist Voraussetzung dafür, dass Kunst und Kultur zur Lebensqualität für viele beitragen können, aber auch, dass kulturelle Angebote dazu beitragen, Menschen zusammen zu bringen, die sich sonst nicht mehr begegnen.
Zentrale Begriffe und historische Einordnung
Kulturvermittlung, Kulturmanagement und Audience Development sind professionelle, kulturbetriebliche Funktionen, die vor allem im strategischen Zusammenspiel Rahmenbedingungen herstellen, unter denen Kulturelle Bildung stattfinden kann. Kulturvermittlung und Kulturmanagement gehen von der professionellen Seite der Vermittler*innen aus, Kulturelle Bildung von der Seite des sich bildenden Subjekts. Auch wenn Kulturelle Bildung ein Selbstbildungsprozess in Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur ist, braucht es häufig professionelle Kulturvermittlung, um diesen Prozess anzuregen. Kulturmanagement und Kulturvermittlung sowie Audience Development als konsequent besucherorientierte Strategie schaffen Rahmenbedingungen dafür, dass Kunst und Kultur von vielen wahrgenommen und für das eigene Leben bereichernd angeeignet werden können.
Kulturelle Bildung ist in der Regel Voraussetzung, um Interesse für verschiedene kulturelle Angebote zu entwickeln und sie gewinnbringend rezipieren zu können und zugleich entwickelt sich Kulturelle Bildung als lebenslanger Prozess durch reflektierte Kunst-Rezeption und/oder eigene gestalterische Praxis bzw. reflektierte ästhetische Erfahrungen. Der Begriff Kulturelle Bildung impliziert zum einen den Besitz kulturellen Wissens und ästhetisch-künstlerischer Kompetenzen und zum anderen den Erwerb dieser Kompetenzen.
Kulturvermittlung ist der Oberbegriff für verschiedene Funktionen, die zwischen künstlerischer Produktion und Rezeption sowie zwischen verschiedenen kulturellen Interessen, Ausdrucksformen und Lebenswirklichkeiten Anschlüsse schaffen und ästhetische, kulturelle und künstlerische Gestaltungsfähigkeiten und -prozesse unterstützen (vgl. Mandel 2008; 2016a).
Der Begriff der Kulturvermittlung bezieht sich auf kulturelle Ausdrucksformen im weitesten Sinne und kann ebenso die Vermittlung der Künste wie die Vermittlung zwischen Kulturen im weitesten Sinne umfassen. Kunstvermittlung im engeren bezeichnet hingegen die Vermittlung der verschiedenen Künste sowohl im Sinne von praktischer Gestaltungskompetenz wie in der Unterstützung der Rezeption von Kunst. In der schulischen Kunstvermittlung wird dies häufig unter dem Begriff Kunstpädagogik gefasst, in der außerschulischen Kunstvermittlung häufig unter spezifischen Begrifflichkeiten wie Museumspädagogik, Theaterpädagogik, Konzertpädagogik, Tanzpädagogik. Vor allem in der Bildenden Kunst gibt es einen intensiven kritischen Diskurs über die Ziele und Herangehensweisen von Kunstvermittlung, die der Gefahr widerstehen solle, in der Rolle „autorisierter Sprecher“ vorgegebenes Expertenwissen als nicht hinterfragbar weiterzugeben und damit Machtstrukturen des Kunstbetriebs zu reproduzieren (vgl. u.a. Mörsch 2009). Gefordert wird eine kritische Kunstvermittlung, die den Teilnehmenden/Rezipient*innen eigene Interpretationshoheit und eigene Gestaltungsmöglichkeiten einräumt und damit auch zu Transformationsprozessen klassischer Kultureinrichtungen beiträgt.
Kulturmanagement bezeichnet strategische Prozesse der Konzeption und Organisation der Rahmenbedingungen kultureller Produktion und Rezeption bei möglichst effizientem und effektivem Einsatz der vorhandenen Ressourcen. Kulturmanagement lässt sich auch als indirekte Form der Kulturvermittlung begreifen, die vor allem in der Funktion des Kulturmarketings als Steuerung von Aufmerksamkeit virulent wird (Mandel 2009).
Marketing umfasst sämtliche Austauschbeziehungen einer Institution oder eines Projekts mit den verschiedenen Interessengruppen. PR bezeichnet Prozesse der strategischen Kommunikation mit den verschiedenen Teilöffentlichkeiten und Zielgruppen und beinhaltet Aufgaben der Information, Positionierung und Imagebildung, Aufmerksamkeitsmanagement sowie den Aufbau dialogischer Beziehungen (Mandel 2012).
Audience Development ist die aus dem Englischen übernommene Bezeichnung für die Gewinnung und Bindung neuen Publikums für kulturelle Veranstaltungen und Institutionen. Audience Development kombiniert dabei Strategien und Methoden des Kulturmarketings und der Kultur-PR mit Formen der Kunstvermittlung auf der Basis von Erkenntnissen der Publikumsforschung, um mehr oder andere, neue und diversere Kultur-Besucher*innen zu erreichen, zu diesen nachhaltige Beziehungen aufzubauen und ihnen bleibende Erfahrungen im Kontext von Kunst und Kultur zu ermöglichen (vgl. u.a. Arts Council England 2004; Mandel 2016 b).
Kulturvermittlung begann sich in größerem Umfang in Deutschland in den 1970er Jahren zu etablieren, nicht zuletzt durch die sogenannte „Neue Kulturpolitik“ und ihre prominentesten Protagonisten Hilmar Hoffmann und Hermann Glaser, die aus ihren Forderungen einer „Kultur für alle“ (siehe Hilmar Hoffmann/Dieter Kramer „Kultur für alle. Kulturpolitik im sozialen und demokratischen Rechtsstaat“) und ihrem Engagement für ein „Bürgerrecht Kultur“ auch die Notwendigkeit einer professionellen Kulturvermittlung ableiteten (Hoffmann 1979; Glaser/Stahl 1983 sowie auch Schwenke 1972). In den traditionellen Kulturinstitutionen wurden museums-, theater- und konzertpädagogische Dienste etabliert, daneben entwickelten sich vielfältige Formen von Soziokultur und außerschulischen kulturpädagogischen Diensten und Einrichtungen. Dennoch blieben diese Angebote im Vergleich der Fördersummen für die klassischen Kultureinrichtungen marginal (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2022). Vor allem seit Anfang der 2000er Jahre hat die Kulturelle Bildung und Kulturvermittlung an Bedeutung gewonnen: sie wurde in einigen Ländergesetzen förderpolitisch verankert, viele große Kultureinrichtungen haben ihre Vermittlungsabteilungen ausgebaut, es gibt verbindliche Kooperationen zwischen Kultur- und Bildungseinrichtungen; die Forschung im Feld hat stark zugenommen, ebenso die Studiengänge, die für Kulturvermittlung qualifizieren. Ein wesentlicher Grund für diese Aufwertung liegt vermutlich im demografischen Wandel, durch den das traditionelle (bildungsbürgerliche) Kernkulturpublikum, für das der Besuch (hoch-) kultureller klassischer Einrichtungen selbstverständlich und selbsterklärend ist, immer kleiner wird, so dass Kultureinrichtungen gezwungen sind, sich um neue Besucher*innen jenseits dieser schrumpfenden Milieus zu bemühen. Weitere Gründe sind die Probleme des Bildungssektors, die auch mit Hilfe von Kulturvermittlung als Voraussetzung für Kulturelle Bildung gelöst werden sollen. Hinzu kommt die zunehmende Internationalisierung des Kultursektors, wodurch Konzepte und Protagonist*innen von Kulturvermittlung aus anderen europäischen Ländern in Deutschland Eingang finden und Kulturpolitik beeinflussen.
Audience Development als Strategie, um mehr und andere Nutzer*innen für Kulturprogramme zu finden, entwickelte sich in Großbritannien und den USA bereits in den 1990er Jahren. Während es in den USA vor allem als Marketingtool genutzt wird, um Veranstaltungen attraktiver zu machen und mehr Tickets zu verkaufen, damit Kulturbetriebe ohne oder mit wenig Förderung existieren können, wurde Audience Development in England durch kulturpolitische Vorgaben initiiert, mit dem Ziel, ein vielfältigeres, für die Gesellschaft als Ganzes repräsentativeres Publikum zu erreichen (Arts Council England 2004).
Unterscheiden lässt sich also im Audience Development zwischen einem sogenannten „Maistream-Approach“, bei dem es darum geht einfach nur möglichst viel Publikum zu generieren und einem „Missionary Approach“ mit dem politischen Ziel, für ein diverseres Publikum Zugänge zu bislang weniger zugänglichen Kunst- und Kulturformen zu ermöglichen (Hayes/Slater 2002).
In Hinblick auf die Programmpolitik kann die Strategie entweder darin liegen, für bestehende künstlerische Produktionen und Programme ein passendes Publikum zu gewinnen („product-led“ Ansatz) oder darin, die Programme an den Interessen bislang unterrepräsentierter, neu zu erreichender Bevölkerungsgruppen zu orientieren („target-led“) (Kawashima 2006).
Im Vergleich v.a. zu England spielt das Publikum in Deutschland tendenziell eine untergeordnete Rolle: Im Vordergrund steht die „Autonomie der Künste“ und der Kunstschaffenden, die nicht durch Publikumswünsche beeinträchtigt werden soll. Viele Kunstinstitutionen v.a. im Bereich Theater, klassische Musik und Museen sind öffentlich und damit zu großen Teilen unabhängig von der Nachfrage und den Interessen eines breiten Publikums: So machen etwa die Einnahmen aus Ticketverkäufen bei den öffentlichen Theatern in Deutschland nur ca. 16% aus, hingegen bei den englischen Theatern ca. 60% der Gesamteinnahmen (Mandel/Nesemann 2024). Allerdings ist auch in Deutschland zu beobachten, dass es zumindest im Diskurs den zunehmenden Anspruch gibt, dass öffentliche Kultureinrichtungen stärker die „diverse Stadtgesellschaft“ in ihrem Publikum und in ihrem Personal repräsentieren sollen (Mandel/Burghard/Nesemann 2021).
Kulturmanagement etablierte sich als Profession in Deutschland wie in den meisten anderen europäischen Ländern Anfang der 1990er Jahre. Grund dafür war vor allem die finanzielle Notwendigkeit, effizienter und effektiver mit vorhandenen Kulturfördermitteln umzugehen, ebenso wie kulturelle Projekte und Institutionen stärker auch kulturwirtschaftlich zu ermöglichen. Wurde Kulturmanagement in seiner Anfängen vor allem als Instrument begriffen, Kultureinrichtungen effizienter aufzustellen, so hat sich das Rollenbild des Kulturmanagers im Diskurs und den Selbstdarstellungen der Studiengänge geweitet: Vom Kunstinstitutionen-Management, das Kultureinrichtungen „rationalisiert“ und ihnen zu ökonomischem Erfolg verhilft, zum „Management kultureller Kontexte“, das nicht nur die Interessen eines einzelnen „Betriebs“ im Blick hat, sondern mit den kulturellen Angeboten auch gesellschaftliche Ziele erreichen möchte (Mandel 2009, 2015). Damit gehört auch die Kulturelle Bildung in den Aktionsradius des Kulturmanagements.
Ziele, Aufgaben und Funktionen von Kulturvermittlung, Kulturmanagement und Audience Development
Kulturvermittlung einschließlich Kulturmanagement und Audience Development kann unterschiedliche Ziele haben:
- Aufmerksamkeit schaffen für Kunst und Kultur sowie Kultureinrichtungen öffentlichkeitswirksam positionieren
- Zugänge zu Kunst vermitteln und Rezeptionsprozesse bereichern
- Kreatives Ausdrucksvermögen, Gestaltungsfähigkeiten und künstlerische Techniken und Kompetenzen vermitteln
- Empowerment / Stärkung des Einzelnen fördern
- Schlüsselkompetenzen wie Teamfähigkeit, Reflexions-, Kommunikationsfähigkeit, interkulturelle Sensibilität ausprägen
- Dialoge, Identität und Gemeinschaft stiften
Kulturvermittlung kann also ebenso Marketingziele durch Aufmerksamkeitsmanagement und Steigerung von Besucher*innen und Einnahmen verfolgen wie zur subjektiven Bereicherung des einzelnen Kulturnutzers beitragen sowie auch gemeinnützige gesellschaftspolitische Ziele verfolgen, die über den Kultursektor hinausreichen.
Kulturvermittlung hat die Aufgabe, möglichst vielfältige Anknüpfungspunkte zwischen professioneller Kunst und Kultur und den kulturellen Interessen und Lebenswelten verschiedener Gruppen der Gesellschaft herzustellen und ein vielfältiges kulturelles Leben zu moderieren, das ebenso die klassischen Kulturangebote umfasst wie die Popkultur, Soziokultur, Breitenkultur und vieles mehr.
Instrumente und Methoden von Kulturvermittlung, Kulturmanagement und Audience Development
Instrumente der Kulturvermittlung lassen sich unterscheiden in direkte Methoden personaler Vermittlung, zu denen etwa Führungen, Workshops, Publikumsgespräche gehören, und mediale Kulturvermittlungsformate wie Informationstafeln, Programmhefte, Apps, VR-Animationen. Kulturvermittlung kann zudem dramaturgische und kuratorische Vermittlungsformate umfassen wie Ausstellungsinszenierungen, Stationen-Theater, relaxed performances, die sehr eng mit einer künstlerischen Produktion verbunden oder sogar kunstimmanent sein können.
Darüber hinaus gibt es indirekte Kulturvermittlungsformen aus dem Bereich PR, die z.B. Plakate, Ankündigungstexte, aber auch Kampagnen und Aktionen umfassen. Diese können positive Erwartungen wecken und emotional zugängliche Vorstellungsbilder von Kunst und Kultureinrichtungen prägen.
Im Kulturmanagement mit Fokus auf Kulturmarketing und Audience Development lassen sich v.a. folgende Instrumente identifizieren:
- Definition von Zielgruppen/Teilöffentlichkeiten, die erreicht werden sollen
- Befragung von Besucher*innen und Nicht-Besucher*innen zu ihren kulturellen Interessen
- Markenbildung: sich als Institution klar positionieren als attraktiver und zugänglicher Ort
- Aufmerksamkeitsmanagement: neue vielfältige Kommunikationsformen für vielfältige Zielgruppen entwickeln
- Gestaltung attraktiver Rahmenbedingungen: Preis, Distribution, Service (u.a. Atmosphäre, gastronomische Angebote)
- Vielfältige, neue Formate entwickeln: Outreach und interdisziplinäre, kommunikative Events, relaxed performances, immersive Inszenierungen
- Entwicklung vielfältiger personaler, medialer und kuratorischer bzw. dramaturgischer Kunst-Vermittlungsformate
- Zusammenarbeit mit Multiplikatoren und kontinuierliche Kooperationen mit Institutionen außerhalb des Kultursektors (z.B. Schulen, Betriebe, Jugendzentren, Sportvereine)
- Bindung des Stammpublikums durch Fördervereine und Mitgliedschaften
- Partizipative Arbeit mit neuen Besucher-/Teilnehmer*innen und deren Einbeziehung in die Entwicklung von Programmen; Publikums-Beiräte
- Diversität im Personal, um verschiedene Perspektiven auf die Programmgestaltung zu ermöglichen
- Für die avisierten Publikumsgruppen attraktive Programme (vgl. Mandel 2013)
Evaluationen von Audience Development Programmen zeigen, dass diese nur dann erfolgreich sind im Sinne der Bindung von neuem, anderen Publikum, wenn sich die Kultureinrichtung auch in ihren Angeboten, ihrem Programm und ihren Strukturen neu aufstellt (Arts Council England 2004; Bollo et al. 2017, Mandel 2013, Hadley 2021).
Kenntnisse aus der Kulturbesucherforschung und Bevölkerungsbefragungen zu kulturellen Interessen bieten wertvolles Wissen für Kulturvermittlung und Audience Development. Nur wenn die verschiedenen Interessen und Bedürfnisse, die mit einem Kulturbesuch oder einem Kunstereignis verbunden sind, berücksichtigt werden durch entsprechende zielgruppen-adäquate Kommunikations-, Service-, Vermittlungsleistungen aber auch durch Programme, die relevant sind, kann dieser zu einem Gesamterlebnis werden, das zu hoher Zufriedenheit und zur Identifikation mit einer Kultur-Einrichtung bzw. mit Kunst und Kultur als einem bereichernden Faktor für das eigene Leben führt.
Eine Studie zu den Publikumsstrategien der Stadt- und Staatstheater in Deutschland zeigte, dass zwar eine Fülle von teilhabeorientierten neuen Formaten und Projekten entwickelt werden, um neue Gruppen anzusprechen, diese aber häufig entkoppelt sind vom „Kerngeschäft“ der Theater, wo an den traditionellen Strukturen und am Kanon festgehalten wird (Mandel/Burghard/Nesemann 2021). Auffällig ist auch, dass Vermittlung und Marketing in den klassischen Einrichtungen oft getrennt voneinander mit verschiedenen Agenden arbeiten: kulturelle Teilhabe für diverse gesellschaftliche Gruppen ermöglichen (Vermittlung) versus das Kernpublikum ansprechen und binden (Marketing) und ihre Aktivitäten strategisch nicht verbinden. Nachhaltiger Erfolg im Sinne eines diverseren Publikums lässt sich nur durch eine veränderte Gesamtmission einer Einrichtung erzielen, die das potentielle Publikum in den Mittelpunkt stellt und bereit ist, auch Strukturen und Programme zu verändern.
Ausblick, Perspektiven und Herausforderungen
Kulturelle Bildung ist auf Kulturmanagement und Kulturvermittlung angewiesen, ebenso wie Kulturmanagement und Kulturvermittlung erst dann nachhaltig erfolgreich sein können, wenn sie sich auch darum bemühen, Prozesse Kultureller Bildung zu ermöglichen. Kunstrezeption erfordert immer den aktiven, folglich also zu aktivierenden Rezipienten, damit sich ihre Wirksamkeit entfalten kann. Nur wenn der Rezeptionsprozess zwischen Kunst und Publikum glückt, wird ein intrinsisches Bedürfnis im einzelnen entstehen, Kulturbesuche wiederholen zu wollen, nur wenn Kunst als Bereicherung empfunden wird, kann sich ein von vielen getragenes kulturelles Leben in einer Gesellschaft entwickeln.
Das größte Herausforderung des Kultursektors in Deutschland ist derzeit nicht das mangelnde kulturelle Angebot, sondern die mangelnde Nachfrage (Klein 2004:10). Nur eine kleine, größtenteils formal hochgebildete Gruppe der Bevölkerung interessiert sich für die vielen, von (öffentlich geförderten) Kulturinstitutionen bereitgestellten Angebote. Die bereits in den 1970er Jahren von Bourdieu kritisierte Distinktionsfunktion kultureller Einrichtungen konnte bis heute nicht aufgehoben werden (vgl. Mandel 2020, Renz 2016). Nach wie vor ist das Elternhaus zentraler Kulturvermittler und kulturelle Teilhabechancen hängen vom jeweiligen sozialen Milieu ab. Um dies auszugleichen, müssen Angebote der Kulturvermittlung vor allem auch mit allgemeinbildenden Schulen verbunden werden, über die alle Kinder und Jugendlichen erreicht werden können.
Darüber hinaus müssen Kulturvermittler*innen vielfältige Programme und Formate entwickeln, um Menschen außerhalb von Kultureinrichtungen anzusprechen, zu interessieren und zu aktivieren, unter anderem durch Kooperationen mit den unterschiedlichsten Organisationen, von Jugendzentren, Sportvereinen, Volkshochschulen bis zu Betrieben.
Voraussetzung dafür ist es, dass Kulturvermittlung sich von einem normativen Kulturbegriff löst, der bestimmte Kulturformen als höherwertiger begreift, und dass die vielfältigen gesellschaftlichen Gruppen, die neu erreicht werden sollen, nicht nur als potentielles Publikum begriffen werden, sondern dass sie gefragt und einbezogen werden in Entscheidungen über Programme und Formate.
Eine wichtige Aufgabe nachhaltiger Kulturvermittlung besteht nicht zuletzt auch darin, nachwachsende Generationen kulturell kompetent zu machen, damit diese ihre eigenen kulturellen Vorstellungen entwickeln und realisieren können.
Kulturvermittlung ist Voraussetzung dafür, dass Kunst und Kultur relevant werden für das Leben unterschiedlicher sozialer Gruppen, dass Brücken gebaut werden zwischen verschiedenen Sprach- und Denkebenen, dass Kunst und Kultur zur Lebensqualität für viele beitragen können, aber auch, dass kulturelle Angebote dazu beitragen, Menschen zusammen zu bringen, die sich sonst nicht mehr begegnen.