Kulturelle Bildungsangebote für Familien: Potentiale nutzen und Qualität entwickeln
Zusammenfassung der im Endbericht der Europäischen Lernpartnerschaft „Cultural Learning for Families“ veröffentlichten Erkenntnisse und Impulse für die Qualitätsentwicklung kultureller Bildungsangebote für Familien
EDUCULT – Denken und Handeln im Kulturbereich aus Wien, die Fundació Interarts per a la Cooperació Cultural Internacional aus Barcelona, das Študentski Kulturni Center – ŠKUC aus Ljubljana sowie die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung – BKJ aus Remscheid und Berlin haben sich in den Jahren 2011 bis 2013 intensiv im Rahmen einer Lernpartnerschaft, von der EU durch das Programm „Lebenslanges Lernen“ unterstützt, mit der Frage der Potentiale von kulturellen Bildungsangeboten für Familien beschäftigt. Denn: Wenn man sich im Kontext des Konzepts von lebenslangem oder lebensbegleitendem Lernen mit Fragen der Kulturellen Bildung beschäftigt, dann wird schnell klar, dass es keinen Grund gibt, kulturelle Bildungsangebote auf eine junge Zielgruppe zu beschränken.
Familien als Zielgruppe
Es ist allgemein bekannt und empirisch belegt, dass der familiäre Hintergrund, speziell der Bildungshintergrund, das Ausmaß der kulturellen Teilhabe wesentlich mitbestimmt – und damit auch die Aneignung kultureller Kompetenzen, eines Kulturbewusstseins und die Fähigkeiten zu eigenem künstlerischen Ausdruck wesentlich beeinflusst.
Forschungsergebnisse im Kontext des früheren englandweiten kulturellen Bildungsprogramms „Creative Partnerships“ (Ipsos Mori 2009) lassen den Schluss zu, dass der Ansatz, nur Kinder und Jugendliche als wesentliche Zielgruppen im Auge zu haben, zu eindimensional ist. Es gilt die gesamte Familie mit Eltern und anderen erwachsenen Bezugspersonen in den Blick zu nehmen, wenn Kulturelle Bildungsangebote geplant werden. Die Studie zeigt, dass Kinder, die kulturelle Bildungsangebote (meistens im Rahmen von Angeboten der Schule) nutzen, WegbereiterInnen für kreative und kulturelle Lernprozesse ihrer Eltern und Großeltern sein können, die ansonsten nie an kulturellen Bildungsangeboten teilnehmen würden, weil sie die Meinung haben, dass „das nichts für uns ist“.
Um herauszufinden, was für Familien von Interesse sein könnte, und welche sichtbaren oder unsichtbaren Hindernisse vor allem bildungsfernere Familien von der Nutzung kultureller Bildungsangebote und Einrichtungen abhalten, scheint ein partizipativer Ansatz nötig zu sein, der die gesamte Familie anspricht. Das ist der entscheidende Punkt, an dem die Kulturelle Bildung oft an ihre Grenzen kommt, denn nach wie vor scheinen diese Angebote für Kinder- und Jugendliche vor allem aus der Mittelschicht leichter zugänglich zu sein, weil der familiäre Hintergrund und die gesamte Familienkonstellation gar nicht im Blick sind.
Die Herausforderungen sind:
- kulturelle Bildungsangebote zu entwickeln, die sich an Familien richten, in denen verschiedenste Altersgruppen vertreten sind,
- Kommunikationswege zu entwickeln, die Familien als Ganzes erreichen, vor allem solche in (aus welchen Gründen auch immer) benachteiligten Lebenssituationen,
- zu berücksichtigen, dass das klassische Modell von Familie im stetigen Wandel begriffen ist und immer neue Formen des Getrennt- oder Zusammenlebens entstehen.
Mögliche Vorteile kultureller Bildungsangebote für Familien
Die vier europäischen Organisationen der Lernpartnerschaft gehen davon aus, dass kulturelle Bildungsangebote in mehrerlei Hinsicht Vorteile bieten können.
- Für Familien: Gemeinsames Erleben und Lernen im Rahmen von kulturellen Bildungsangeboten beinhaltet die Möglichkeit, die Beziehungen zwischen den Generationen positiv zu beeinflussen.
- Für den Einzelnen: Lernen im Rahmen von kulturellen Bildungsangeboten kann die eigenen Fähigkeiten weiterentwickeln, Wissen vertiefen, Werte vermitteln und den Ausdruck von Gefühlen erleichtern.
- Für den Kulturbereich: Kulturelle Bildungsangebote für Familien können dazu dienen, neues Publikum zu gewinnen und zu binden.
- Für die Gesellschaft: Kulturelle Bildungsangebote können Geschichte, kulturelles Erbe und die Zukunft miteinander in Verbindung bringen, u.a. auch dadurch, dass die Kinder von ihren Eltern und/oder Großeltern etwas lernen und umgekehrt, auch die älteren Generationen etwas von den Kindern und Jugendlichen lernen können. Zudem können in kulturellen Bildungsangeboten für Familien verschiedenste soziale Fragen, interkulturelle Fragen, Fragen zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit sowie viele weitere generationsübergreifend relevante Themen aufgeworfen und gemeinsam behandelt und verhandelt werden.
Grundannahmen und Zielsetzungen
Wenn mit kulturellen Bildungsangeboten mehr Erwachsene erreicht werden sollen, um kulturelle Teilhabe und künstlerischen Selbstausdruck sowohl von Kindern und Jugendlichen als auch von Erwachsenen zu ermöglichen, dann müssen qualitativ hochwertige intergenerationelle kulturelle Bildungsangebote und -strategien entwickelt werden, um mehr Erwachsene und Familien, vor allem aus benachteiligten Lebensverhältnissen, von den Lern- und Lebenserfahrungen in kulturellen Bildungsangeboten profitieren zu lassen.
Grundannahmen der Partner in der Lernpartnerschaft waren:
- Gemeinsame künstlerische und kulturelle Lernerfahrungen führen zu mehr Zusammenhalt in der Familie.
- Der bestimmende Faktor für gelingendes Aufwachsen und erfolgreiche Lebensgestaltung ist die Intensität des Einbezogenseins der Eltern in die Bildungsbiografie ihrer Kinder.
- Erwachsene, die selbst in früheren Jahren keine kulturellen Bildungsangebote nutzen konnten, können durch ihre Kinder an aktive künstlerische und kulturelle Teilhabe herangeführt werden.
Die Frage der kulturellen Bildungsangebote für Familien wurde von zwei Richtungen aus beleuchtet:
- Erstens durch genaue Betrachtung von existierender Praxis in verschiedenen Städten Europas anhand von Qualitätskriterien wie z.B.:
> anregendes Lernumfeld,
> qualifiziertes künstlerisches und pädagogisches Personal,
> ansprechender Inhalt, der für Familien als Hauptzielgruppe interessant ist,
> partizipative Methoden, um die Zielgruppen aktiv einzubeziehen,
> innovative didaktische Ansätze.
- Zweitens durch genaue Betrachtung und Diskussion der strukturellen Voraussetzungen wie z.B.:
> Kooperationsformen zwischen formalen, nicht-formalen und informellen Lernorten (wie Sozialzentren, Familien- und Erwachsenen-Bildungsstätten, Kultureinrichtungen),
> finanzielle und personelle Ausstattung,
> Management und Koordination,
> Strategien und Verwaltungsaufbau.
Um das übergeordnete Ziel zu erreichen, die Entwicklung von neuen und kreativen Ansätzen für intergenerationelle kulturelle Bildungsangebote für Familien vor allem in benachteiligten Lebenssituationen, müssen die beiden Bereiche der pädagogischen Praxis und der strukturellen Gegebenheiten immer gemeinsam gesehen und weiterentwickelt werden.
Qualitätsbereiche und Kriterien der Qualitätsentwicklung für kulturelle Bildungsangebote für Familien
Im Verlauf der Lernpartnerschaft wurden Aspekte diskutiert und analysiert, die zu qualitativ hochwertigen kulturellen Bildungsangeboten für Familien beitragen. Diese Liste von Qualitätsbereichen und -kriterien soll dazu dienen, kulturelle Bildungsangebote für Familien besser planen und umsetzen zu können.
Strategie, Zielsetzungen und Evaluation
Klare Zielsetzungen:
Für verschiedene Zielgruppen müssen bei der Planung kultureller Bildungsangebote auch verschiedene sehr klare und spezifische Zielsetzungen vorhanden sein. Gleichzeitig muss aber berücksichtigt werden, dass die verschiedenen Generationen miteinander agieren werden. Deshalb müssen sich die Zielsetzungen z.B. grundsätzlich von denen kultureller Bildungsangebote unterscheiden, die ausschließlich für Kinder konzipiert sind. Insofern sollten so weit wie möglich die verschiedenen Alters-/Zielgruppen bereits in die Planung der Angebote und ihrer Zielsetzungen aktiv einbezogen sein, und sie alle sollten angeleitet werden, die Zielerreichung auch selbst aktiv mit zu evaluieren.
Ganzheitlicher Ansatz:
Die Entwicklung kultureller Bildungsangebote für Familien sollte auch einen Lern- und Entwicklungsprozess in der jeweiligen Einrichtung auslösen. Denn über einzelne und kurzfristige Familienangebote hinaus, sollte sich die gesamte Einrichtung mit ihren Räumlichkeiten, ihrem Personal, ihren finanziellen Ressourcen, ihrer Kommunikation usw., hin zu einer Einrichtung des Lernens entwickeln, die auch für generationsübergreifende Gruppen und Familien attraktiv ist.
Kontinuität über Altersgruppen hinweg:
Einrichtungen der Kulturellen Bildung machen oft die Erfahrung, dass es mit zunehmendem Alter immer schwieriger wird, junge Teilnehmende auch weiterhin an sich zu binden und ihnen attraktive Angebote zu machen. Von der frühen Kindheit über die Pubertät zum Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden unterschiedlichste Ansprüche an kulturelle Bildungsangebote gestellt. Und mit zunehmendem Alter schwinden die Bedeutung und der Wunsch nach gemeinsamen Erlebnissen mit den Eltern, was völlig normal ist. Hier ist es nötig, Kinder und Jugendliche noch aktiver in die Planung und Ausgestaltung kultureller Bildungsangebote einzubeziehen, ihnen eine Stimme zu geben, vielleicht Technologie affine Projektformen zu wählen und ihnen mit den Erwachsenen gemeinsam die Möglichkeit der gegenseitigen Bereicherung zu eröffnen.
Geschlechterrollen und das Verständnis von Familie:
Bei der Gestaltung kultureller Bildungsangebote für Familien sollte die Tradierung stereotyper Rollenverteilungen in Familie und Gesellschaft auf jeden Fall vermieden werden, und ebenso sollte die Thematisierung verschiedenster aktueller Familienmodelle ihren Platz in den Angebotsformen haben.
Evaluation und Qualitätsentwicklung:
Wie alle anderen kulturellen Bildungsangebote sollten gerade neue Ansätze und Projektformen für Familien sehr konsequent anhand der vorher gesetzten Ziele ausgewertet werden, um durch das generierte Wissen bei der Planung weiterer Angebote rasch Veränderungen vornehmen oder gar umsteuern zu können.
Institutionelle Erfordernisse
Gesicherte Finanzen:
Um langfristige Beziehungs- und Lernerfolge in der Arbeit mit Familien erzielen zu können, müssen die Finanzen für weitere Angebote sichergestellt sein. Auch innerhalb einer Einrichtung muss geklärt sein, welche Mittel regelmäßig für die Arbeit mit Familien zur Verfügung stehen, um die Angebotsformen weiterentwickeln und neue Erkenntnisse umsetzen zu können. Nur so kann gesichert werden, dass die Zielgruppe Familien auch längerfristig erreicht werden kann.
Verantwortliche Mitarbeitende:
Die Zuständigkeit für die zielgerichtete Arbeit mit Familien sollte in Einrichtungen eindeutig geklärt sein. Andere Mitarbeitende sollten die für die Arbeit mit Familien verantwortlichen KollegInnen auch als FortbildnerInnen ansehen und nutzen, um insgesamt die Weiterentwicklung der Einrichtung gemeinsam gestalten zu können.
Aus- und Weiterbildung:
Die für die Arbeit mit Familien zuständigen Mitarbeitenden müssen in der Lage sein, mit mehreren Generationen gleichzeitig zu arbeiten und dabei deren Bedürfnisse und unterschiedlichen Aktionsmöglichkeiten zu erkennen und im Vorhaben zur Geltung zu bringen. Gezielte Weiterbildung zur Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten wird sicherlich oft von Nöten sein. Aber auch nicht-pädagogisches Personal, beispielsweise im Einrichtungsmanagement oder Kartenverkaufsbereich, muss für die Arbeit mit mehreren Generationen gleichzeitig sensibilisiert und evtl. geschult werden. Hierzu sollten neue Fortbildungsprogramme z.B. in Zusammenarbeit mit Universitäten oder Fortbildungseinrichtungen entwickelt werden.
Teamwork:
Um qualitative, kulturelle Bildungsangebote für Familien entwickeln und anbieten zu können, müssen alle Abteilungen einer Einrichtung aktiv zusammenwirken. Dazu ist es natürlich erforderlich, dass die Leitungen von Einrichtungen hinter diesem Bildungskonzept stehen und alle motivieren, dazu etwas beizutragen.
Offenheit und Partizipation:
Wenn irgend möglich sollten Kultur- und kulturpädagogische Einrichtungen sich für die Mitwirkung von anderen Akteuren aus dem Sozialraum öffnen, um der Zielgruppe Familie in diesem Sozialraum ein angemessenes kulturelles Bildungsangebot machen zu können oder auch, um über diese Partner überhaupt den direkten Kontakt mit Familien in benachteiligten Lebenslagen aufnehmen zu können.
Methoden
Die Teilnehmenden in den Mittelpunkt stellen:
Die Entwicklung von kulturellen Bildungskonzepten für Familien setzt fundierte Kenntnisse über die Zielgruppe voraus, über ihre eventuell sehr unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen sowie über die Familienstrukturen, Altersgruppen usw. Nur mit diesem Wissen kann zielgerichtet ein adäquates kulturelles Bildungsangebot konzipiert werden – und das am besten unter aktiver Beteiligung der Zielgruppe.
Aktive Einbeziehung aller:
Kulturelle Bildungsangebote, die das Lernen zwischen den Generationen und Familienmitgliedern fördern wollen, müssen für alle Altersgruppen aktivierende Elemente enthalten, um die Interaktion zwischen Jung und Alt zu fördern; passive Wiedergabe von vorbestimmten Inhalten und festgelegten Arbeitsformen eignet sich dazu deutlich schlechter.
Unterschiedliche Mitwirkungsformen:
Die Vielfalt möglicher Zielsetzungen und die Vielfalt der Bedürfnisse in der Zielgruppe Familie erfordern eine mindestens ebenso große Vielfalt an didaktischen Herangehensweisen, pädagogischen Konzepten und inhaltlichen Ausrichtungen, was für viele Einrichtungen eine große Herausforderung darstellen kann. Wichtig ist, Teilnehmenden jeden Alters eine für sie ansprechende und angemessene Form der Mitwirkung zu ermöglichen, was bei Kindern naturgemäß völlig anders aussehen kann wie beim Ruheständler.
Nutzung neuer Technologien:
Neue Technologien sind für Kinder und Jugendliche oftmals sehr attraktiv und ermöglichen neue, andere und vielfältige Zugänge zu kulturellen Bildungsangeboten auch jenseits traditioneller Kunst- und Kulturorte. Besonders interessant ist hierbei der Aspekt, dass die Einbeziehung neuer Technologien in kulturellen Bildungsangeboten von Familien dazu führen kann, dass die Jüngeren zu Lehrenden und die Älteren zu Lernenden werden, was eine spannende Umkehrung der oftmals üblichen Verhältnisse darstellt.
Die Künste ins Zentrum:
Ein auf die Künste ausgerichtetes kulturelles Bildungsangebot bedeutet oftmals Konfrontation mit etwas Neuem, Ungewohntem. Die Lernenden müssen ihre „Komfortzone“ verlassen und damit umgehen, dass die Kunstwerke keine Antworten liefern, sondern nur Fragen provozieren. Um solche Prozesse angemessen zu planen und anzuleiten, bedarf es professioneller KünstlerInnen, KulturpädagogInnen und KulturvermittlerInnen.
Zugangsmöglichkeiten
Zugang für alle:
Kultureinrichtungen und auch kulturpädagogische Einrichtungen sind in Europa noch längst nicht für alle Bevölkerungsgruppen ohne Hürden zugänglich. Gerade Familien in benachteiligten Lebenslagen sollten nicht auch noch durch Ausschlussmechanismen von kulturellen Bildungsangeboten ferngehalten werden. Deshalb sollten Kultur- und kulturpädagogische Einrichtungen ganz gezielt diese Zielgruppen in den Blick nehmen.
Lokale Ausstrahlung:
Kultureinrichtungen und kulturpädagogische Institutionen sollten darüber nachdenken, kulturelle Bildungsangebote für Familien außerhalb ihrer angestammten Räumlichkeiten durchzuführen, und zwar dort, wo sich die Zielgruppe Familie evtl. aufhält und auskennt. Hierbei kann natürlich die Kooperation mit anderen Akteuren und Einrichtungen aus dem Bildungs- oder Sozialbereich vor Ort eine wichtige Rolle spielen.
Öffnungszeiten:
Kulturelle Bildungsangebote, die sich an Familien richten, müssen auch zu Zeiten angeboten werden, zu denen sie überhaupt von der ganzen Familie und auch von verschiedenen Formen von Familie gleichzeitig genutzt werden können. Manchmal mögen das Wochenenden und Ferienzeiten sein, aber auch hier muss von Ort zu Ort und von Fall zu Fall je unterschiedlich über den angemessenen Zeitraum nachgedacht werden.
Transport:
Fahrtkosten und die Preise des öffentlichen Nahverkehrs werden von finanziell schlechter gestellten Familien immer wieder als Hindernis für die Nutzung öffentlicher Angebote genannt. Insofern ist auch bei kulturellen Bildungsangeboten für Familien dieser Punkt immer zu prüfen und eventuell durch Absprachen mit Verkehrsverbünden und Stadtwerken zu lösen.
Kosten:
Auch die Teilnahmebeiträge für kulturelle Bildungsangebote schrecken Familien teilweise von der Teilnahme ab, was nur durch preiswerte oder kostenfreie Angebote ausgeglichen werden kann.
Zugänglichkeit:
Kultureinrichtungen und kulturpädagogische Einrichtungen müssen sicherstellen, dass ihre Räumlichkeiten und Veranstaltungsorte z.B. auch für ältere Menschen mit Gehbeeinträchtigungen zugänglich sind, wenn diese gemeinsam mit ihren EnkelInnen ein Angebot wahrnehmen wollen.
Räumlichkeiten:
Einerseits müssen die räumlichen Voraussetzungen für Angebote an Familien gegeben sein, wie z.B. familienfreundliche Toiletten und Waschräume (z.B. mit Wickelmöglichkeit). Andererseits können auch durchaus attraktive Räume für einkommensschwache Familien ein Problem darstellen, wie z.B. ein Museumsshop, den man durchqueren muss, um überhaupt zum Ausgang zu gelangen.
Kommunikation und Beziehungspflege
Nutzung mehrerer Sprachen:
Speziell in Orten oder Stadtteilen, die eine große Vielfalt an kulturellen Hintergründen der BewohnerInnen aufweisen, sollten Kultur- und kulturpädagogische Einrichtungen mehrere Sprachen im Rahmen ihrer Kommunikationsstrategie verwenden, um bestimmte Familien als Zielgruppe überhaupt erreichen zu können.
Vielfalt der Informationskanäle:
Zur Verbreitung kultureller Bildungsangebote für Familien sollten auf jeden Fall eine Vielzahl von Kommunikationswegen genutzt werden, um überhaupt eine Vielfalt in der Teilnehmendenschaft erreichen zu können. Hier kann auch die Kooperation mit verschiedenen Akteuren aus dem Sozialraum sehr hilfreich sein, wie z.B. Elternvereine u.a.
Neue Technologien:
Auch soziale Netzwerke und andere neue Technologien sollten in der Kommunikation von kulturellen Bildungsangeboten für Familien von den Einrichtungen aktiv genutzt werden, um die eigene Sichtbarkeit bei verschiedenen Zielgruppen deutlich zu erhöhen.
Beziehungen, die auf Dialog basieren:
Um die Interessen der Zielgruppe Familie besser aufnehmen zu können, bedarf es stabiler Beziehungen zu diesen Familien, die auf gegenseitiger Kenntnis, Vertrauen und Dialog beruhen, was für die Institutionen eine große Herausforderung darstellt.
Zusammenarbeit
Vernetzte Zusammenarbeit:
Die kulturellen Bildungsangebote für Familien mit ihren beschriebenen komplexen Anforderungen erfordern ein engmaschiges Netz von motivierten Akteuren und Mitwirkenden aus verschiedenen Bereichen, die jeweils ihre Expertise einbringen und gemeinsam vielfältige Lernmöglichkeiten für Familien schaffen können.
Informations- und Erfahrungsaustausch:
KünstlerInnen, Kultureinrichtungen, kulturpädagogische Einrichtungen, KulturpädagogInnen und KulturvermittlerInnen, die kulturelle Bildungsangebote für Familien planen und durchführen, sollten sich in ihrer Region vernetzen, um so einen intensiven Informations- und Erfahrungsaustausch zu ermöglichen. Die Vielfalt der Zielgruppe und der möglichen Arbeitsansätze sowie die Komplexität der Angebote machen einen regelmäßigen Austausch nötig, der gleichzeitig eine regelmäßige Fortbildung für die Beteiligten darstellt. Eine Einrichtung sollte jeweils die Koordination dieser Vernetzung gewährleisten, um längerfristige Wirkungen des Austauschs sicherzustellen.
Internationaler Austausch:
Zusätzlich zur lokalen oder regionalen Vernetzung können die kulturellen Bildungsangebote für Familien durch einen internationalen Erfahrungsaustausch, z.B. in Form von kurzen Hospitationen in anderen europäischen Einrichtungen, bereichert werden.
Kontext
Politischer Wille und Unterstützung:
Einige der hier beschriebenen Qualitätsmerkmale können nur erreicht und umgesetzt werden, wenn Kultureinrichtungen oder kulturpädagogische Einrichtungen ein politisch-strategisches Umfeld und finanzielle Rahmenbedingungen haben, die das Ziel eines adäquaten kulturellen Bildungsangebots vor allem für Familien in benachteiligten Lebenslagen ebenfalls mittragen und erreichen wollen. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, dass Einrichtungen, die solche Angebote entwickelt haben und regelmäßig anbieten, sowohl die Öffentlichkeit als auch Politik und Verwaltung ausführlich – aber in klaren Worten – über diese komplexen Angebotsformen informieren.
Anpassung an örtliche Gegebenheiten:
Kulturelle Bildungsangebote für Familien müssen wie beschrieben dem sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Kontext angepasst werden, in dem sie verwirklicht werden sollen. Dies beinhaltet auch, deutliche konzeptionelle Unterschiede bei der Planung von Angeboten in der Stadt oder im ländlichen Raum zu machen.
Bestandsaufnahme
Sowohl vor der Planung erster kultureller Bildungsangebote als auch immer wieder während eines regelmäßigen Angebots sind offene und ehrliche Bestandsaufnahmen wichtig, die zu weitergehenden Überlegungen, neuen konzeptionellen Ideen und vielleicht völlig anderen Herangehensweisen führen können.
Im Verlauf der europäischen Lernpartnerschaft ist ein Fragebogen zum Self-Assessment entstanden, der als gute Grundlage für solche Planungs- oder Weiterentwicklungsprozesse dienen kann. Er umfasst 55 Fragen auf drei verschiedenen Ebenen. Der Fragebogen liegt aktuell nur in englischer Sprache vor und kann direkt dem Endbericht der Europäischen Lernpartnerschaft „Cultural Learning for Families“ entnommen werden.