Jugend macht Denkmal: Erfahrungen aus dem Europäischen Kulturerbejahr 2018

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von Stephanie Reiterer

Erscheinungsjahr: 2020

Abstract

Denkmäler und historische Bausubstanz sind in Stein gehauene europäische Kulturgeschichte und bieten einen (Bildung-)Zugang zu erlebbarer und nachvollziehbarer Geschichte. Sie sind wesentlich für unsere Gesellschaft, prägen unser Stadtbild, die Stadtentwicklung und den Tourismus. So entscheidend Denkmäler und historische Orte für unsere Städte sind, sie brauchen zum Erhalt doch Fürsprecher*innen und Bewahrer*innen, gerade auch in einer jungen Generation. Wie können Kinder und Jugendliche in den Diskurs um Denkmäler und erhaltenswerte Orte einbezogen werden? Akteure der Denkmalvermittlung engagieren sich, um bei jungen Menschen Wertschätzung und Identifikation gegenüber der gebauten Historie zu vermitteln. Anhand eines konkreten Fallbeispiels aus dem Europäischen Kulturerbejahr 2018, wird gezeigt, wie Jugendliche unter dem Motto Jugend macht Denkmal in den Diskurs um Denkmalpflege involviert werden und welche Chancen für Bildung, Stadt und Denkmal in diesen aktivierenden Denkmalprojekten stecken können. Die Erfahrung und die Begleitforschung zeigen, in aktivierenden Bildungsprojekten an erhaltenswerten, zu entwickelnden historischen Orten werden junge Menschen zu aktiven und kreativen Projektmacher*innen, zu Geschichtsentdecker*innen und zu Stadtmacher*innen.

Denkmal und Schule

Denkmäler sind spannende Lernorte. Sie sind dazu geeignet, gesellschaftswissenschaftliche wie naturwissenschaftliche Lerninhalte in der Schule anschaulich, lebensnah und vor allem fächerübergreifend zu vermitteln, so die Deutsche Stiftung Denkmalschutz in ihrer aktuellen Veröffentlichung zum Lernort Denkmal (Michel/Schmidt-Breitung 2018:5). Seit Jahren engagiert sich die Stiftung mit ihrem Programm denkmal aktiv im Bereich Denkmalvermittlung. Denn die Herausforderung ist, junge Menschen in den Diskurs um Denkmäler einzubeziehen und ihnen das Bewusstsein für deren Geschichte und die baukulturelle Qualität zu vermitteln. Bildungsprojekte setzen hier an, sie schaffen am Lernort Denkmal prägende Erlebnisse und Erfahrungen, gepaart mit Wissenserwerb, die zu einer Identifikation mit dem Ort und zu einer Wertschätzung dem Kulturerbe gegenüber führen. Wie aber entstehen Identifikation und Wertschätzung als Basis für einen zukünftigen, verantwortungsvollen Umgang mit unserem gebauten Erbe in Bildungsprojekten? Diese Frage soll mit einem Fallbeispiel aus dem Europäischen Kulturerbejahr 2018 erläutert werden.

Das Europäische Kulturerbejahr 2018 setzte mit seiner Schwerpunktsetzung in Deutschland bei der jungen Zielgruppe an. Mit einer eigenen Vermittlungsstrategie, mitverfasst von der Autorin, richtete sich die Initiative explizit an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Unter dem Motto Sharing Heritage sollten gerade die Erben der Erben angesprochen und animiert werden, sich mit dem gebauten Erbe auseinander zu setzen. Junge Menschen sollen unsere gemeinsame europäische Kultur in ihrer Vielfalt kennen und wertschätzen lernen und in der Auseinandersetzung mit unserem kulturellen Erbe eine europäische Identität entwickeln. Am historischen Erbe vor Ort kann die eigene Vergangenheit bis hin zur europäischen Kultur erzählt, erlebt und verstanden werden. „Der konkrete Gegenstand Denkmal erweist sich in seiner dargestellten materiellen und geistigen Vielschichtigkeit als geeignetes, vielsinniges Mittel der Kulturaneignung.“ (Richter 2009:107)

Es sind aber nicht nur durch die in Denkmallisten geschützten Boden-, Bau- oder Gartendenkmäler, an denen wir die Wichtigkeit des Erhalts und der Bewahrung aufzeigen können, historische Baukultur prägt uns überall und trägt unser Bild von Heimat. Hier setzt der Begriff der erhaltenswerten Orte an, den die Bundesstiftung Baukultur bei Baukulturbericht 2018/19 zum Thema Erbe - Bestand - Zukunft dem Denkmalbegriff an die Seite gestellt hat. Erhaltenswerte Orte tragen bereits im Namen, dass diese Orte in der Diskussion um ihren Erhalt stehen. Als eigene Kategorie „unterhalb des Denkmals“ genießen sie weniger Schutzanspruch, bieten aber unter Umständen mehr Gestaltungspotential.
Diese regional relevanten Gebäude brauchen zum Erhalt Visionen für eine nachhaltige Nutzungen, in die gerade die junge Generation einbezogen werden sollte. Die Erben des Erbes müssen zukünftig diese Nutzungsvisionen mit Leben füllen, wenn diese Orte eine Zukunft haben sollen. Gemeinsam mit jungen Menschen und ihren Ideen können und sollten diese Denkmäler und erhaltenswerte Orte neu gedacht werden. Hier setzen aktivierende Projekte im Denkmal an, die den historischen Ort aktiv einnehmen wollen und über den Raum und seine Zukunft aktiv nachdenken und ins Gespräch kommen wollen.

Aktivierende Denkmalprojekte im Europäischen Kulturerbejahr 2018

Wie junge Menschen zu Akteur*innen und verantwortlichen Mitdenker*innen für Denkmalorte und erhaltenswerte Orte werden, soll am Fallbeispiel des Projektes LOST TRACES... gezeigt werden. Für diese Zielgruppe haben die Architekt*innen Stephanie Reiterer und Jan Weber-Ebnet für die Landesarbeitsgemeinschaft Architektur und Schule e.V. das Projekt LOST TRACES... konzipiert und initiiert – eine Projektidee insbesondere für Schulen, um in Kooperation mit lokalen Partner*innen aus Denkmalpflege und Archäologie, Stadtentwicklung und Kreativwirtschaft Teil des Europäischen Kulturerbejahres 2018 zu werden.

Bei der Projektidee wurden zudem Erfahrungen der Kinder- und Jugendbeteiligung in der Stadtentwicklung genutzt: Forschungsprojekte unter dem Motto Jugend macht Stadt des BBSR haben gezeigt, wie sich Jugendliche aktiv in die Stadtentwicklung einbringen können. Aktivierende Jugendprojekte im Stadtraum haben sich etabliert, in Planungsprozessen werden Jugendliche mit Ihrem Expert*innenwissen eingebunden: Mit Kreativität, eigenen Ideen und ihrer lokalen Expertise können sie Impulse für viele Entwicklungsprozesse in ihrer Lebensorte geben.

Das Projekt LOST TRACES... hat die Erfahrungen von Jugend macht Stadt auf Denkmäler und erhaltenswerte Orten übertragen und für das Kulturerbejahr weiterentwickelt: „Lost traces“ – also verlorene, vergessene Spuren – das sind historische Relikte in der Landschaft, archäologische Spuren, Orte, Stadtbrachen oder verlassene Gebäude. Diese Orte üben auf Jugendliche eine besondere Faszination aus. Das kulturelle Erbe wird jenseits musealer Ästhetisierung spürbar, hier gibt es Freiraum für Imagination, Kreativität und eigenes Handeln. Die jungen Menschen wurden eingeladen, an diesen Orten in ihrem Umfeld auf eine baukulturelle Spurensuche zu gehen, die historischen Gebäude oder archäologischen Spuren zu erkunden, zu hinterfragen, historische Schichten zu entdecken und europäische Bezüge herzustellen. Ein umfangreiches Methodenset mit didaktischen Zugängen und Gestaltungsideen bot dabei den durchführenden Lehrkräften Anregung und Unterstützung. Entstanden ist so ein breites Spektrum an Fotografien, Zeichnungen, Skizzen, Collagen, Hörbeiträge oder Filme, als ein Kaleidoskop der Zugänge, Erfahrungen und Entdeckungen.

Die Projektidee wurde im Dialog mit Lehrkräften entwickelt und baut auf einer langjährigen Erfahrung mit baukulturellen Bildungsprojekten im schulischen Kontext auf. Als offenes Angebot zur Teilhabe am Kulturerbejahr wurde LOST TRACES… als Projektaufruf für alle Schularten und Sparten für das Schuljahr 2017/18 und 2018/19 konzipiert. Die beiden Zyklen wurden von Fortbildungen, einer Projektmacher*innen-Tagung, einem internationalen BauKulturCamp und einem Fachtag zum Thema „Jugend macht Denkmal“ gesäumt.

Projektarbeit an Schulen ist keineswegs einfach, Lehrkräfte und Schüler*innen haben mit der Fülle des Lernstoffs und der zu lernenden Kompetenzen eigentlich ausreichend zu tun. Deshalb ist es wichtig, baukulturelle in Bezug zu übergeordneten Bildungszielen und adäquat zum Lehrplan zu entwickeln. Dazu haben Projektinitiator*innen einen Leitfaden entwickelt, der Anknüpfungspunkte zu Fächern und dem Lehrplan offenlegt, die Projektstruktur aufzeigt sowie Projektpartner*innen und Finanzierungsmöglichkeiten auflistet. Ein für LOST TRACES… entwickeltes Kompetenzraster zeigt dabei vier Kompetenzfelder auf, die sich an den beiden didaktischen Polen der Projektidee orientieren:

  • Rezeption und Reflexion: Besonderheit eines Ortes wahrnehmen und das Potenzial des Ortes als baukulturelles Erbe erkennen
  • Produktion und Kommunikation: Den Ort aktiv einnehmen, partizipativ gestalten und verändern sowie Informationen über den Ort für die Öffentlichkeit erschließen und ins Gespräch kommen.

Das Spektrum des Lernens in den Projekten und die Frage, ob über aktivierende Projekte individuelle Lernerfahrungen gemacht werden können und ein neues Verständnis zu Denkmälern und erhaltenswerten Orten entwickelt werden kann, wurde in einer Begleitforschung (siehe: Marta Brković Dodig/ Sarah Klepp/ Angela Million „Denkmäler als Orte des Lernens und Mitgestaltens") veröffentlicht.

Im Rahmen des Projektes wurden die Jugendlichen zu Pat*innen dieser historischen Orte. Sie übernahmen Verantwortung für ihr Orte und kamen als Fürsprecher*innen ins Gespräch mit Bürger*innen, Expert*innen, Denkmalpfleger*innen und Kreativen. Unter dem Motto Jugend macht Denkmal wurden Jugendliche zu Akteur*innen an diesen unbeachteten, aber erhaltenswerten Orten.

Denn die jungen Menschen wurden selbst aktiv: In Kooperation mit lokal Aktiven und Kreativen aus Architektur und Kultur nahmen sie ihre unbeachteten Orte mit Kunst und Kultur ein. Dabei konnte sie sich mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten einbringen, den Raum im Sinne einer Jugendkultur nach ihren Leidenschaften und Projektschwerpunkten prägen. Sie gestalteten und bespielten ihre Orte für eine bestimmte Zeitspanne künstlerisch, baulich und mit kulturellen Formaten: Raumbildende Interventionen, künstlerische Szenografien, Street-Art, Lichtinstallationen, Führungen, Performances, Ausstellungen, Konzerte oder gemeinsame Essen waren Bestandteil der Entdeckung und Transformation des Ortes.

Wesentlicher Aspekt des Lernens war dabei nicht nur Raumverständnis und die Raumeinnahme, sondern auch die bewusste Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit. Vernissagen und Ausstellungen öffneten die Projektorte für die Bevölkerung und holten diese so gezielt ins Bewusstsein der Bürgerschaft. Vor Ort kamen die jungen Projektmacher*innen mit den Bürger*innen sowie den Verantwortlichen ins Gespräch. Nach den Projekten hat sich gezeigt, die vielen angestoßenen Diskussionen haben den Orten eine Prägung gegeben und Netzwerke entstehen lassen. Ausgehend von den schulischen Projekten konnten Impulse bis in die Verwaltung gesetzt werden. Neue Nutzungen wurden in Raumlaboren erprobt und Visionen für die Zukunft und für die Entwicklung der Orte angestoßen.

So konnten Schulen einen entscheidenden Beitrag in der Stadt- und in der Denkmalentwicklung leisten. Durch aktivierende und partizipative Denkmal-Projekte wie LOST TRACES… entstanden „sinnstiftende Brücken zwischen Vergangenheit und Zukunft […] durch die Neugestaltung der Nutzung von Denkmälern“ (siehe: Susanne Keuchel „Zur Rolle der Kulturellen Bildung in der Baukultur und der Denkmalpflege") in temporären Raumlaboren. Genau diese Wechselwirkung Schule, Bildungsprojekt, Stadtentwicklung und Denkmal wurde durch eine Begleitforschung des Projektes durch Plan zwei Architekten aus Hannover, durch ebenso evaluiert, wie der individuelle Blick auf die Lernerfahrungen.

In der praktischen Erfahrung, gestützt durch die Begleitforschung, wurde deutlich, welchen Einsatz so umfassende Projekte an die Schulen stellen. Um dies zu schaffen, brauchen die Schulen brauchen kompetente Partner*innen. Die Durchführung erfolgte bei allen Projekten mit viel Engagement von Seiten der Schule, der Lehrer*innen und der begleitenden Baukulturvermittler*innen des Vereins sowie durch die Bereitschaft lokaler Kooperationspartner*innen aus Denkmalpflege, Stadtentwicklung sowie der Kultur- und Kreativwirtschaft. Es hat sich gezeigt, Schulen können in vernetzten und unterstützenden Strukturen Partner*innen der Stadtentwicklung werden. Hier steckt ein unglaubliches Potenzial für Schule und Stadt in Sachen politischer und (bau-)kultureller Teilhabe.

Im Europäischen Kulturerbejahr führte der Verein insgesamt umfassende 25 Projekte mit bayerischen aber auch internationalen Schulen durch in Aschaffenburg, Hofheim, Kempten, München, Nürnberg, Regensburg, Würzburg, Bogen, Prag, Avellino, Lido di Venezia etc. Ein begleitender bundesweiter Fotowettbewerb bot interessierten Jugendlichen zudem eine weitere Möglichkeit, sich im Kulturerbejahr eigenständig zu engagieren. Ein internationales BauKulturCamp am Lido di Venezia wurde zum Höhepunkt des europäischen Miteinanders und der Auseinandersetzung mit historischem Leerstand und neuen Nutzungsideen.
Insgesamt konnten über 2.000 junge Menschen motiviert werden, sich mit unserem baukulturellen Erbe auseinanderzusetzen und sich aktiv vor Ort einzusetzen.

ERFAHRUNGEN aus der Denkmal-Aktivierung im Kulturerbejahr

Nach zwei Jahren Laufzeit, im Rückblick auf die Projekte in den Schuljahren 2018/19 und 2019/20 und durch die zwei Begleitforschungen aus den Perspektiven der Stadtentwicklung und des Lernens in der Baukulturellen Bildung, lassen sich wesentliche Erfahrungen und Thesen zur Aktivierung von Denkmälern mit Bildungsprojekten zusammenfassen:

Vergessene oder bedrohte Orte von (bau-)kultureller Bedeutung mobilisieren junge Menschen sowie Erwachsene aller Altersgruppen.

LOST TRACES... hat gezeigt, das erhaltenswerte Orte und Baudenkmäler Kristallisationspunkte bürgerschaftlichen Interesses und Engagements sind. Sie können Impulsgeber für die Stadtentwicklung werden. Denkmäler und erhaltenswerte Orte prägen unser Heimatbild, sie sind identitätsstiftend und sind wesentlicher Teil unseres Stadt- und Lebensgefühls.
Lehrer*innen und Schüler*innen sind bereit, sich für prägende Bauten und Orte in ihrem Lebensumfeld einzusetzen, wenn Bildungsprojekte an Orten ansetzen, die eine persönliche Relevanz für die jungen Projektmacher*innen haben – sei es auf Grund der Lage und Bedeutung in der Stadt, der Geschichte oder einer räumlichen Qualität und interessanten Architektur.

Einige Projekte setzten sich beispielsweise mit leerstehenden oder ungenutzten Kirchen auseinander, einem städtisch relevanten Thema. Gesucht wurden dabei unkonventionelle Nutzungskonzepte, neue Akteursallianzen und eine nachhaltige verbindende Vision. Oftmals steht die Zukunft derartiger Orte jahrelang in der öffentlichen Diskussion. Vielfältige Meinungen und Positionen stehen im Raum und prallen aufeinander.

Passgenaue und nachhaltige Nutzungskonzepte, gerade für historische Gebäude, müssen an den Bedarfen der Bürger*innen ansetzen und mit lokalen Partner*innen von unten nach oben entwickelt werden. Im Prozess gilt es, diese zu überprüfen, weiter zu entwickeln, zu verstetigen oder die Erfahrungen auf vergleichbare Projekte zu übertragen.

In temporären Raumlaboren können tragfähige Konzepte für leerstehende Denkmäler und erhaltenswerte Orte erprobt und unterstützende Netzwerke aufgebaut werden.

Aus der Projekterfahrung hat sich gezeigt, dass Nutzungskonzepte nur durch die direkte Einbindung lokaler Akteur*innen, der Bürger*innen und Kommunen sinnvoll und nachhaltig werden. Gewinnbringend für alle Seiten ist es Bildung, Denkmalpflege und Stadt zusammenzudenken und die Expertise aus allen Bereichen zu nutzen. Aus einer gemeinschaftlichen Initiative von Bildungsakteur*innen und Stadtmacher*innen sowie Denkmalexpert*innen entwickeln sich passgenaue Nutzungsformate sowie nachhaltige Prozesse in Stadt und Gesellschaft. Diese bilden die Basis für eine Entwicklung der Orte und Gebäude im Sinn der Denkmalpflege sowie der Stadtentwicklung.

In den aktivierenden Denkmalprojekten werden Schulen ihrem Auftrag gerecht, lokale Netzwerke zu integrieren und sich als Teil der Stadtgesellschaft einzubringen. Im Rahmen außerschulischer Projekte sollen junge Menschen im Stadtraum bzw. der Stadtgesellschaft Erfahrungen sammeln und Kompetenzen entwickeln.

Bildungsprojekte können dank des Engagements und der Kreativität junger Menschen Impulsgeber und Motor für Raumlabore oder Zwischennutzungen sein und die Zukunft der Orte wesentlich mitgestalten.

Baudenkmäler und erhaltenswerte Orte können einen oft nicht verfügbaren Freiraum für Experimentierwerkstätten, Raumlabore sowie kreative und soziale Prozesse bieten.
Die junge Menschen haben mit großem Engagement Räume mit neuartigen Nutzungen und Gestaltungen temporär aktiviert und ihre Expertise in Entwicklungsprozesse eingebracht. So konnten Räume neu erlebt und Denkmäler, Kulturorte und leerstehendende aber erhaltenswerte Orte neu gedacht werden.

In Ausstellungen, Installationen und temporären Raumlaboren konnten die jungen Menschen sich selbst mit ihren Talenten einbringen und ihre Selbstwirksamkeit erleben. Die Relevanz des eigenen Handelns wurde für die Schüler*innen durch die öffentliche Resonanz, das große Interesse und das positive Feedback erlebbar. Resonanz macht Engagement relevant und lohnenswert. Diese Lernerfahrung prägen ein Leben lang und motivieren zur weiteren gesellschaftlichen Teilhabe, sie schaffen Identität und Wertschätzung.

Aktivierende Bildungsprojekte in allen Bereichen der Baukultur – von der Stadt über die Schule bis zum Denkmal – tragen zudem wesentlich zur politischen Bildung bei, weil sie Teilhabe als gewinnbringend erleben lassen.

Denkmäler sind nicht nur außerschulische Lernräume, sie können Möglichkeitsräume für individuelle Lern-, Erfahrungs- und Gestaltungsprozesse sein.

Erhaltenswerte Orte und Denkmäler gibt es in der Stadt und auf dem Land, in jedem schulischen Umfeld. Sie sind außerschulische Lernorte: Das gebaute Kulturerbe kann von den Schüler*innen erlebt und entdeckt werden, hinterfragt und nach Geschichte und Geschichten hin untersucht werden. Wenn diese Orte, wie beim Projekt LOST TRACES… zudem leer gefallen sind, ergeben sich Freiräume, die durch die Schüler*innen mit Leben gefüllt werden können.

Am Ende des ersten Projektjahres wurden Daten für eine Evaluation der Lernerfahrungen gesammelt. Hier zeigte sich die Aufgeschlossenheit der Jugendlichen, schätzten sie doch die Möglichkeit, neue Orte zu besuchen und zu erleben, neue Kulturen, aber auch neue Arbeitsmethoden kennenzulernen. Der individuelle Erfahrungsprozess, das eigene Erkunden und Erleben des Ortes von der Archivarbeit über die Fotosafari, wurde von den Befragten ebenso positiv erlebt wie der Gestaltungsprozess, das praktische Verändern und Einnehmen des Raumes vom Modell bis in den realen, historischen Ort hinein. Ebenso als positiv erlebt wurden der Austausch und das Lernen von Exper*tinnen wie Architekt*innen, Planer*innen, Restaurator*innen und Historiker*innen.

Aktivierende, partizipative Projekte wie LOST TRACES… schaffen ein neues Verständnis für unser gebautes Erbe und können junge Menschen in die Diskussion um die Nachnutzung von historischen Leerstand involvieren.

Die Begleitforschung von LOST TRACES… hat nachgewiesen, dass es in den Projekten gelungen ist, eine erweiterte Perspektive auf Denkmäler und das kulturelle Erbe zu vermitteln, gerade im Hinblick auf die Nachnutzung. „Die qualitativen Interviews machen […] deutlich, dass es den Befragten gelungen ist, nicht nur die Geschichte eines Ortes zu erforschen, sondern auch einen persönlichen Zugang sowie neuen Blick auf die beforschten Orte zu erhalten und diese durch künstlerische Interventionen in Orte der Mitgestaltung zu verwandeln“ (siehe: Marta Brković Dodig/ Sarah Klepp/ Angela Million „Denkmäler als Orte des Lernens und Mitgestaltens").

Nach zwei Jahren Projektlaufzeit bestätigt nicht nur der Erfolg den Ansatz, auch die Begleitforschung unterstreicht die Chancen, einerseits für junge Menschen als Lernende am und durch das gebaute Kulturerbe, andererseits für Denkmäler und erhaltenswerte Orte als Lernorte und Orte der Stadtentwicklung. Aktivierende Projekte wie LOST TRACES… prägen die jungen Menschen, aber auch die Orte selbst.

Jugend macht Denkmal

Unter dem Motto Jugend macht Denkmal bieten sich neue und nachhaltige Wege der Kulturellen Bildung mit großer Wirkkraft bis in die Stadtentwicklung. Dazu müssen wir jedoch junge Menschen aktiv in die Verantwortung um Denkmäler und historischen Leerstand einbinden. Es braucht die Bereitschaft historische Orte für junge Menschen zu öffnen, die Offenheit gegenüber den Projektideen der Jugendlichen und – im Falle von Denkmälern – keine Angst vor dem Verlust der Deutungshoheit sowie die Bereitschaft zur Partizipation.

Denn mit Unterstützung durch Lehrkräfte, Expert*innen und lokalen Akteur*innen sowie Kommunen können Jugendliche Denkmäler aktiv mitgestalten und zukunftsfähig machen. Zudem nehmen sie wesentliche Lern- und Gestaltungserfahrungen sowie die Erfahrung der politischen Wirksamkeit, einer als gewinnbringend erlebten Teilhabe und Selbstwirksamkeit, für ihren eigenen Lebensweg mitnehmen. Jugendliche sind Projektmacher*innen, Stadtmacher*innen und Denkmalmacher*innen. Sie sind als konstruktive Akteur*innen der Stadtentwicklung anzuerkennen und können aktiv eine Rolle der Kulturerbesicherung wahrnehmen. Lassen wir die Jugend Denkmal (mit)machen!

Verwendete Literatur

  • Brković Dodig, Marta/ Klepp, Sarah / Million,  Angela (2020): Denkmäler als Orte des Lernens und Mitgestaltens. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/denkmaeler-orte-des-lernens-mitgestaltens-erfahrungsbasierte-lernprozesse-kindern (letzter Zugriff am 30.4.2020).
  • Bundesstiftung Baukultur (2018): Baukultur Bericht 2018/19. Berlin: Bundesstiftung Baukultur.
  • Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz (2017): Empfehlungen zur Umsetzung von Kinder-und Jugendprojekten im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres 2018: ,Sharing Heritage‘. Online verfügbar unter: https://sharingheritage.de/wp-content/uploads/2017/07/Empfehlungen_Jugendprojekte_SharingHeritage-1.pdf.  (letzter Zugriff am 20.3.2020).
  • Habermann-Nieße, Klaus / Schlomka, Bettina (2010): Jugend macht Stadt. Berlin: BMVBS.
  • Keuchel, Susanne (2020): Zur Rolle der Kulturellen Bildung in der Baukultur und der Denkmalpflege. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/zur-rolle-kulturellen-bildung-baukultur-denkmalpflege (letzter Zugriff am 11.03.2020).
  • Landesarbeitsgemeinschaft Architektur und Schule Bayern e.V. (2017): Leitfaden LOST TRACES. Online verfügbar unter: http://lost-traces.eu/idee/ (letzter Zugriff am 20.3.2020).
  • Michels, Inge /Schmidt-Breitung, Dorothea (2018): Lernen am Denkmal. Gute Gründe für den Lernort und Tipps für den Unterricht. Bonn: Deutsche Stiftung Denkmalschutz.
  • Reiterer, Stephanie /Weber-Ebnet, Jan (2020): Dokumentation LOST TRACES..., eine baukulturelle Spurensuche im Europäischen Kulturerbejahr 2018.
  • Richter, Andrea (2009): Kulturpädagogik und Denkmalpflege in Bayern, Grundlagen einer Denkmalpädagogik. Köln: LIT.

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Gerne dürfen Sie aus diesem Artikel zitieren. Folgende Angaben sind zusammenhängend mit dem Zitat zu nennen:

Stephanie Reiterer (2020): Jugend macht Denkmal: Erfahrungen aus dem Europäischen Kulturerbejahr 2018. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://kubi-online.de/index.php/artikel/jugend-macht-denkmal-erfahrungen-aus-dem-europaeischen-kulturerbejahr-2018 (letzter Zugriff am 16.07.2024).

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