Familien als Kulturräume der Kindheit: Eine Befragung von Eltern zur Bedeutung und Praxis Kultureller Bildung
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen zur Studie „Eltern/Kinder/Kulturelle Bildung. Horizont 2017“ des Rates für Kulturelle Bildung
Abstract
In den ersten Lebensjahren werden kulturelle Anregungsräume vor allem von den primären Bezugspersonen geschaffen. Dazu zählt die Familie als eigener Bildungs- und Kulturraum, in dem erste Pfade für die kulturelle Bildungsbiografie entstehen. Familien sind Institutionen und Akteure Kultureller Bildung. Sie stellen Ressourcen bereit und schaffen Rahmenbedingungen, um kulturelle Präferenzen zu entwickeln, kulturelles Wissen im Rahmen eines Kulturtransfers anzusammeln und Angebote der Kulturellen Bildung innerhalb und außerhalb der Familie wahrzunehmen.
Eltern als Erziehungsberechtigte tragen zur informellen und mittelbar auch zur non-formalen und formalen Bildung ihrer Kinder bei. In welcher Qualität und Quantität Kulturelle Bildung in der und durch die Familie stattfindet, hängt unter anderem davon ab, welche Bedeutung kulturelle Aktivitäten für die Eltern selbst haben, welche Bildungserfolge sie sich von ihnen versprechen und welche Unterstützung für ihre Kinder sie auf Grundlage ihres kulturellen Kapitals, ihrer ökonomischen Ausstattung und der Angebote vor Ort leisten können.
In diesem Beitrag zeigen wir auf Grundlage einer repräsentativen Elternbefragung des Rates für Kulturelle Bildung „Eltern/Kinder/Kulturelle Bildung. Horizont 2017“, dass es signifikante Zusammenhänge gibt zwischen elterlichen kulturellen Präferenzen, dem von Eltern berichteten kulturellen Interesse ihrer Kinder und der elterlichen Bereitschaft, kindliche Aktivitäten Kultureller Bildung zu fördern.
Familiäre Grundlagen Kultureller Bildung
Kulturelle Teilhabe beginnt im Elternhaus, sowohl initiiert durch Eltern selbst als auch durch das Repertoire an Kulturgegenständen, die innerhalb des Familienalltags zugänglich gemacht werden. Dies gilt vor allem für die frühe Kindheit, während derer Kinder stark von ihren Eltern und deren Entscheidungen abhängig sind. Auch wenn sich die Bedeutung von Familienmitgliedern für die kulturelle Teilhabe relativiert, sobald andere Einflüsse und Impulse ins Spiel kommen, wenn Kinder und Jugendliche auch ohne Eltern oder andere Familienmitglieder im Rahmen der informellen Selbstbildung aktiv werden und die individuellen Freiheitsgrade der kulturellen Teilhabe wachsen, ist die Familie meist der primäre kulturelle Bildungsraum.
Kulturelle Bildung innerhalb der Familie kann verschiedene Funktionen haben, unter anderem als Investition in kulturelles Kapital oder als Beitrag zur bewusst genutzten Familienzeit. Werden diese oder andere erwünschte Effekte von den Eltern ausdrücklich anerkannt, so wird es wahrscheinlicher, dass Kulturelle Bildung in der Erziehung und im Familienalltag präsent ist. Auch die Opportunitätskosten einer zeitlichen und finanziellen Investition in kulturelle Bildungsaktivitäten des Kindes bzw. der Kinder spielen eine Rolle, da hierfür gegebenenfalls andere Aktivitäten des Kindes, der Eltern oder der Familie zurückgestellt werden müssen. Einstellung, Erfahrungswissen und erwarteter Nutzen in Bezug auf Kulturelle Bildung unter zeitlichen, finanziellen und anderen Restriktionen innerhalb der Familie können beispielsweise ausschlaggebend für die Entscheidung Musikunterricht vs. Sportverein sein (siehe hierzu Cabane/Hille/Lechner 2015) sein. Darüber hinaus kann ein spezifisches Interesse des Kindes initiativ für eigene kulturelle Bildungsaktivitäten sein.
Familiäre Kulturelle Bildung kann mitentscheidend dafür sein, inwieweit Angebote der non-formalen oder informellen Kulturellen Bildung durch Kinder und Jugendliche angenommen werden, denn „alle organisierte Kulturelle Bildung trifft auf schon vorhandene individuell unterschiedliche Erfahrungen, Dispositionen und Präferenzen, die sich biografisch in den primären Lebenswelten der Familie und dem jeweiligen soziokulturellen Milieu bilden bzw. gebildet haben“ (Rat für Kulturelle Bildung 2015a:88). Eltern von Kindern, die ein Musikinstrument lernen, unterscheiden sich in bestimmten Merkmalen signifikant von Eltern, auf deren Kinder dies nicht zutrifft (Hille/Schupp 2013:12). Auch spielt die Offenheit für kulturelle und ästhetische Erfahrungen eine Rolle für die entsprechende Akzeptanz von Angeboten, die sich an Familien als Zielgruppen richten (siehe: Peter Cloos „Kulturelle Bildung und Eltern“ und Rolf Witte „Kulturelle Bildungsangebote für Familien: Potentiale nutzen und Qualität entwickeln“) und über die sowohl Kinder als auch Eltern als Adressaten erreicht werden können.
Mit Blick auf das Aufwachsen in der Familie als primärem Bildungsraum ist es nicht trivial, die Rolle der Eltern oder anderer Familienmitglieder und des betroffenen Kindes selbst bei der Teilnahme an kulturellen Bildungsaktivitäten voneinander abzugrenzen – dies trifft vor allem auf die ersten Lebensjahre zu, in denen „Kinder sich diese Bereiche durch Eigenaktivitäten erschließen, dazu aber auch angeregt und stimuliert werden müssen“ (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012). Wenn gemeinsame kulturelle Aktivitäten zur Teilhabe an der familiären Gemeinschaft beitragen (siehe: Hans-Rüdiger Müller „Familie als kulturelles Erziehungsmilieu“), wachsen die betroffenen Kinder mit bestimmten ästhetischen und kulturellen Werten auf, die den Weg für spätere Aktivitäten der selbstinitiierten Kulturellen Bildung bereiten können.
Dies vorausgeschickt, sind kulturelle Bildungsbiografien multifaktoriell bestimmt, von zahlreichen verschiedenen Einflüssen und Zufallsbegegnungen und nicht zuletzt den Präferenzen der Kinder selbst, die nicht dem kulturellen und ästhetischen Wertesystem der jeweiligen Eltern entsprechen müssen. Familien und ihre Mitglieder sind „relativ autonom“ in der Entwicklung ihres kulturellen Profils (Bilstein 2017:37). Auch die Biografien von Ausnahmeerscheinungen kultureller Selbstbildung zeichnen ein ambivalentes Bild bezüglich der Rolle familiärer Unterstützung für die Motivation eigener künstlerischer Aktivitäten (siehe: Rainer Treptow „Biografie, Lebenslauf und Lebenslage“).
Unstrittig bleibt, dass Familien unterschiedliche individuelle Angebote zur informellen oder non-formalen Kulturellen Bildung bereitstellen, die Kinder annehmen können (oder müssen) und damit als primäre Institutionen Kultureller Bildung wichtige Anregungsmilieus für die frühe kulturelle Teilhabe darstellen.
Eltern/Kinder/Kulturelle Bildung. Horizont 2017: Eine Repräsentativbefragung von Eltern zur Bedeutung und Praxis Kultureller Bildung
Erkenntnisinteresse, Daten und Methodik
Im Jahr 2015 hat der Rat für Kulturelle Bildung eine Befragung von 532 Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Jahrgangsstufe zu ihren „Begegnungsmöglichkeiten und Erfahrungen mit den Künsten“ beim Institut für Demoskopie Allensbach in Auftrag gegeben (Rat für Kulturelle Bildung 2015b) . Ein Ergebnis der Befragung war, dass den Eltern eine „zentrale Rolle bei der Herausbildung und Förderung kultureller Interessen von Kindern zukommt“ (Rat für Kulturelle Bildung 2017a:15, Rat für Kulturelle Bildung 2015b:8). Zum einen rangierten die Eltern aus Sicht der sich selbst als kulturinteressiert bezeichnenden Schülerinnen und Schüler weit vorne, wenn es um Auslöser ihres eigenen Kulturinteresses ging (Tabelle 1).
Auslöser für Kulturinteresse bei Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Klasse
Darüber hinaus zeigte die Befragung Zusammenhänge zwischen dem von den befragten Jugendlichen geäußerten Stellenwert künstlerischer Schulfächer und dem Stellenwert künstlerischer Schulfächer, den die Jugendlichen ihren Eltern zuschrieben.
Vor diesem Hintergrund hat der Rat für Kulturelle Bildung 2017 eine repräsentative Elternbefragung zur Bedeutung und Praxis Kultureller Bildung beauftragt und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt (Rat für Kulturelle Bildung 2017a). Die Befragung fand von Mai bis Juni 2017 in Form mündlich-persönlicher standardisierter Interviews statt.
Mit der Befragung sollte untersucht werden, welche Bedeutung Kulturelle Bildung aus Sicht von Eltern hat. Der Begriff Kulturelle Bildung ist stark fachsprachlich bestimmt und kann nicht als allgemein bekannt oder einheitlich verstanden vorausgesetzt werden (siehe: Jens Oliver Krüger; „“Kultur ist eigentlich vieles“ – Zur Abgrenzbarkeit von Kultureller Bildung aus der Perspektive von Eltern“). So wurde die Bedeutung Kultureller Bildung in der Befragung anhand der Einstellung der befragten Eltern zu Kultur, anhand ihrer Präferenzen für kulturelle Ausdrucksformen und der Umsetzung kultureller Aktivitäten durch sie selbst oder ihre Kinder ermittelt.
Die angesprochenen Mütter und Väter wurden unter anderem danach befragt,
- welche Bedeutung einzelne Kulturbereiche für sie haben,
- welche Bedeutung sie der Förderung kultureller Aktivitäten für die Entwicklung ihrer Kinder beimessen,
- ob Ihre Kinder an angeleiteten Angeboten Kultureller Bildung außerhalb von Regelbetreuung und -unterricht teilnehmen.
In die Befragung eingeschlossen wurde eine bundesweit repräsentative Querschnittstichprobe von 664 Müttern und Vätern zu nahezu gleichen Anteilen mit Kindern im Alter von drei bis 17 Jahren.
Das Alter von Kindern spielt eine wichtige Rolle für kulturelle Bildungsaktivitäten in der und durch die Familie. Beispielsweise beschäftigen sich eher jüngere Kinder mit Vorlesen, Singen, Musik- oder Geschichten hören (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012), während einige Kulturaktivitäten erst für Kinder in einem bestimmten Alter möglich bzw. üblich sind. In der Auswertung der Untersuchung wurden drei Altersgruppen (3-6 Jahre, 7-12 Jahre, 13-17 Jahre) gebildet. Da die befragten Eltern in Bezug auf die Zugehörigkeit ihrer Kinder zu den Altersgruppen nicht dem tatsächlichen Anteil der Kinder in der Bevölkerung entsprechen, wurden die Eltern diesbezüglich disproportional berücksichtigt. Darüber hinaus wurden auch soziodemografische Merkmale der Befragten zur Darstellung und Auswertung der Ergebnisse herangezogen, so etwa die Höhe des monatlichen Haushaltsnettoeinkommens in Klassen (x < 2500 Euro, 2500 ≤ x ≤ 3999 Euro, x ≥ 4000 Euro), der höchste formale Bildungsabschluss der Befragten bzw. ihrer Ehe- oder Lebenspartner (Einfacher Bildungsabschluss = höchstens Hauptschulabschluss, mittlerer Bildungsabschluss = Realschul- oder vergleichbarer Abschluss, Abitur = Abitur oder Fachhochschulreife, Studium = abgeschlossenes Studium an einer Universität oder Fachhochschule) und Umfang der Berufstätigkeit.
Ausgewählte Ergebnisse der Untersuchung
1. Kulturelle Bildungsaktivitäten von Kindern aus Sicht von Eltern
In der Befragung wurden informelle und non-formale Aspekte der Kulturellen Bildung untersucht. Beispielsweise wurden die teilnehmenden Eltern danach gefragt, ob sie und ihre Kinder sich gemeinsam mit bestimmten kulturellen Ausdrucksformen beschäftigen. Nach einer Kartenspielvorlage sollten die Befragten erst angeben, ob sie selbst sich täglich, mindestens einmal pro Woche, mindestens einmal pro Monat, seltener oder nie mit den entsprechenden Bereichen beschäftigen. Alle Eltern, die mindestens eine „seltene“ Beschäftigung mit dem jeweiligen Genre angegeben hatten, wurden dann danach befragt, ob diese Beschäftigung auch zusammen mit ihrem Kind bzw. ihren Kindern stattfindet. Die häufigsten Zustimmungswerte finden sich hier in den alltagskulturellen Bereichen „Filme, Videos“, „Rock-, Popmusik“ und „Fotografie“ (Abbildung 1).
Beschäftigung der Eltern mit ihren Kindern nach kulturellen Bereichen (1)
Die Ergebnisse zeigen, dass Eltern, die eine starke Präferenz für einen kulturellen Bereich haben, sich in diesem Bereich eher mit ihren Kindern beschäftigen (Tabelle 2): 72 Prozent der Eltern, die in der Befragung angegeben haben, dass ihnen Fotografie persönlich wichtig ist, geben an, sich zusammen mit ihren Kindern mit Fotografie zu beschäftigen, während dies auf 49 Prozent der befragten Eltern insgesamt zutrifft. Ähnliche Differenzen zeigen sich in den Genres Malerei und Gedichte.
Beschäftigung der Eltern mit ihren Kindern nach kulturellen Bereichen (2)
Neben der informellen Kulturellen Bildung zu Hause oder bei gemeinsamen familiären Freizeitaktivitäten können Kinder Kulturelle Bildung im non-formalen Bereich erfahren, etwa im Rahmen der musikalischen Früherziehung, in Tanzkursen oder anderen extracurricularen Aktivitäten.
Mit Blick auf non-formale Aktivitäten der Kulturellen Bildung wurden die Eltern danach gefragt, ob ihr Kind bzw. eines ihrer Kinder innerhalb der vergangenen zwölf Monate an einer „Aktivität im Bereich Kunst, Musik, Tanz, Theater usw.“ teilgenommen hat, und zwar entweder außerhalb der regulären Betreuung bzw. des regulären Unterrichts in Kindergärten/Schulen oder außerhalb von Kindergärten/Schulen.
Teilnahme des Kindes bzw. der Kinder an Angeboten der Kulturellen Bildung
58 Prozent der Befragten geben an, dass ihr Kind bzw. ihre Kinder innerhalb des letzten Jahres an solchen Aktivitäten außerhalb des Regelunterrichts bzw. der regulären Betreuung teilgenommen haben (Abbildung 2). 47 Prozent geben eine Teilnahme an einer kulturellen Aktivität in Form eines Kurses oder ähnlichem außerhalb von Kindergarten bzw. Schule an.
Während eine Teilnahme an non-formalen Angeboten im Schul- oder Kindergartenkontext in allen betrachteten Gruppen häufiger ist als eine Teilnahme an non-formalen kulturellen Angeboten außerhalb dessen, sind die Abstufungen zwischen den Häufigkeitswerten der betrachteten Gruppen nach Bildungsabschluss vergleichbar groß.
2. Elterliche Motivationen, kulturelle Bildungsaktivitäten zu unterstützen
Unter der Annahme, dass die kindliche Teilnahme an kulturellen Bildungsaktivitäten sowohl vom intrinsischen Interesse der jeweiligen Kinder abhängt als auch der Einstellung und den Möglichkeiten ihrer Eltern, stellt sich die Frage nach der Motivation von Eltern, Kulturelle Bildung aktiv zu fördern.
Die beteiligten Eltern wurden im Rahmen der Untersuchung danach gefragt, inwieweit sie Wert auf die Teilnahme ihres Kindes bzw. ihrer Kinder an „angeleiteten Angeboten zu Kunst, Musik, Tanz, Theater oder Ähnlichem“ legen.
Elterliches Interesse an der Teilnahme ihrer Kinder an Angeboten der Kulturellen Bildung
Während jeweils 38 Prozent der befragten Eltern der ersten Aussage entweder „voll und ganz“ oder „eher“ zustimmen, also für über drei Viertel der Befragten die Teilnahme ihres Kinders bzw. ihrer Kinder an non-formalen Angeboten der Kulturellen Bildung befürworten (Abbildung 3), trifft dies für insgesamt 20 Prozent der Eltern „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ zu; jedes fünfte Elternteil legt demnach wenig bis gar keinen Wert auf die Teilnahme ihrer Kinder an angeleiteten Formen Kultureller Bildung.
In Bezug auf die Teilnahme der eigenen Kinder an angeleiteten kulturellen Angeboten zeigt sich, dass ein starkes Interesse bei Eltern mit höherem Bildungsabschluss deutlich häufiger vorkommt (Zustimmung „voll und ganz“, während ein grundsätzlich vorhandenes Interesse (Zustimmung „eher“) weniger stark nach Bildungshintergrund variiert und in den Gruppen „Abitur“ (45 Prozent) und „Mittlerer Abschluss“ (39 Prozent) am häufigsten genannt wird.
Für die Förderung Kultureller Bildung seitens der Eltern kommen verschiedene Motive in Frage. In der Elternbefragung wurden einige davon in den Blick genommen:
- das kulturelle Interesse des Kindes bzw. der Kinder,
- die Meinung, dass Kulturelle Bildung förderlich für die kindliche Entwicklung ist,
- die Meinung, dass Kulturelle Bildung auf das Berufsleben vorbereitet,
- die Meinung, dass kulturelle Aktivitäten zwischen Eltern(teil) und Kind(ern) positiv zum Familienleben beitragen.
Das Motiv „Kulturelles Interesse des Kindes bzw. der Kinder“ setzt voraus, dass die jeweiligen Eltern von dem Interesse wissen bzw. sie das Verhalten ihrer Kinder als Interesse an einem bestimmten kulturellen Bereich oder einer spezifischen Aktivität interpretieren.
Die Eltern wurden im Rahmen der Untersuchung danach gefragt, ob ihr Kind bzw. ihre Kinder „großes", „etwas“ oder „kaum, gar kein“ Interesse an kulturellen Aktivitäten haben. Insgesamt gaben fast 80 Prozent der Befragten an, dass ihr Kind bzw. ihre Kinder „großes Interesse“ oder „etwas Interesse“ an kulturellen Aktivitäten hat, während 16 Prozent ihr Kind als kaum oder gar nicht an kulturellen Aktivitäten interessiert einschätzen (Abbildung 4).
Elterliche Einschätzung des Interesses ihrer Kinder an kulturellen Aktivitäten
Eltern mit einem höheren Bildungsabschluss schätzen ihr Kind bzw. ihre Kinder häufiger als an kulturellen Aktivitäten interessiert ein als dies Eltern mit einem niedrigeren Bildungsabschluss tun. Die Unterschiede nach Bildungshintergrund zwischen den kumulierten Häufigkeiten „großes Interesse“ und „etwas Interesse“ sind dabei weniger hoch ausgeprägt (Einfacher/Mittlerer Abschluss: 72 Prozent, Abitur: 82 Prozent, Studium: 87 Prozent) und befinden sich relativ nah am Mittelwert (79 Prozent), wohingegen die Differenzen in der Ausprägung „großes Interesse“ größer ausfallen.
Darüber hinaus berichten Eltern, die sich selbst als „sehr“ kulturinteressiert beschreiben, weit überdurchschnittlich häufig, dass ihre Kinder ein „großes Interesse“ an kulturellen Aktivitäten aufweisen. Dieser Zusammenhang wird weiter unten diskutiert.
Ein weiteres Motiv der kulturellen Förderung der eigenen Kinder besteht in einer Bildungsaspiration, die sich auf die Persönlichkeits-, motorische oder geistige Entwicklung der eigenen und/oder auf spezifische Kompetenzen der formalen Bildungsbiografie beziehen kann.
In der Untersuchung wurden die Eltern nach ihrer Einschätzung zum Stellenwert kultureller Aktivitäten im Blick auf die Entwicklung von Kindern befragt. Dieselbe Frage wurde ihnen zum Stellenwert von Aktivitäten in Naturwissenschaft und Technik gestellt.
Bei der Betrachtung aller Befragten zeigen sich ähnliche („sehr wichtig“: Kulturelle Aktivitäten: 47 Prozent, Aktivitäten in Naturwissenschaft und Technik: 52 Prozent) bis identische („wichtig“: jeweils 44 Prozent) Häufigkeiten im Vergleich (Abbildung 5). Eltern mit einem höheren Bildungsabschluss stimmen häufiger zu, dass kulturelle Aktivitäten „sehr wichtig“ für die Entwicklung von Kindern seien (Einfacher Bildungsabschluss: 32 Prozent, Mittlerer Bildungsabschluss: 44 Prozent, Abitur: 55 Prozent, Studium: 60 Prozent), während die Zustimmungswerte für „wichtig“ weniger stark nach Bildungsgrad variieren. Ein ähnliches Antwortverhalten zeigt sich bei der Frage nach der Bedeutung von Naturwissenschaften und Technik.
Einschätzung zum Stellenwert kultureller Aktivitäten vs. von Aktivitäten in Naturwissenschaft und Technik für die Entwicklung von Kindern
Mit Ausnahme der Eltern mit einfachem Bildungsabschluss stimmen über 90 Prozent der befragten Eltern der Aussage zu, Kulturelle Aktivitäten seien „wichtig“ oder „sehr wichtig“ für die Entwicklung von Kindern. 21 Prozent der Eltern mit einem einfachen Bildungsabschluss dagegen betrachten kulturelle Aktivitäten als „weniger, kaum, gar nicht wichtig“. Bei den Eltern mit einfachem Bildungsabschluss ist außerdem die Differenz zwischen der Bewertung kultureller vs. naturwissenschaftlich/technischer Aktivitäten mit Abstand am höchsten.
Schon in der frühen Förderung von Kindern können die Einschätzungen von Eltern hinsichtlich der Übertragbarkeit erworbener Kompetenzen für die Arbeitswelt eine Rolle spielen. So wurden die Eltern in der Befragung auch danach gefragt, welche Bedeutung sie kulturellen sowie technisch/naturwissenschaftlichen Aktivitäten für die Vorbereitung des Berufslebens ihrer Kinder beimessen (Abbildung 6).
Während insgesamt 45 Prozent der Befragten kulturelle Aktivitäten hierfür als „wichtig“ einschätzen (Aktivitäten in Naturwissenschaft und Technik: 49 Prozent), stimmt ein gutes Viertel der Befragten der Aussage zu, kulturelle Aktivitäten seien „sehr wichtig“ als Vorbereitung für das Berufsleben (Aktivitäten in Naturwissenschaft und Technik: 42 Prozent).
Einschätzung zum Stellenwert kultureller Aktivitäten vs. von Aktivitäten in Naturwissenschaft und Technik für die Vorbereitung auf das Berufsleben
Viele Aktivitäten der informellen Kulturellen Bildung – Theater- und Museumsbesuche, Vorlesen, Filmabende, gemeinsames Basteln, Singen und Jammen – können zwischen Eltern und Kindern als Beitrag zur familiären „Quality Time“ stattfinden. In der Untersuchung wurden die teilnehmenden Eltern gefragt, inwieweit sie glauben, dass gemeinsame kulturelle Aktivitäten wichtig für den Zusammenhalt ihrer Familie sind.
Bedeutung gemeinsamer kultureller Aktivitäten für den Familienzusammenhalt aus Elternsicht
Insgesamt stimmen fast 80 Prozent der Eltern dieser Aussage „voll und ganz“ (43 Prozent) oder „eher“ (36 Prozent) zu (Abbildung 7). Über die Hälfte der Eltern, die sich selbst als „kaum, gar nicht“ kulturinteressiert einschätzen, stimmen der Aussage, gemeinsame kulturelle Aktivitäten seien wichtig für den Zusammenhalt ihrer Familie, „eher nicht“ (35 Prozent) oder „überhaupt nicht“ (18 Prozent) zu, wohingegen fast alle der sich als „sehr“ kulturinteressiert einschätzenden Eltern die Bedeutung kultureller Aktivitäten für den Familienzusammenhalt bejahen.
Als mögliche Motive für die elterliche Förderung kultureller Bildungsaktivitäten ihrer Kinder wurden, jeweils aus Sicht der Eltern, das kulturelle Interesse der Kinder, positive Auswirkungen Kultureller Bildung für die kindliche Entwicklung, die fördernde Wirkung Kultureller Bildung für die Berufsvorbereitung sowie der Beitrag Kultureller Bildung für den familiären Zusammenhalt betrachtet. Ein weiteres Motiv zur Förderung kultureller Bildungsaktivitäten bei Kindern kann das eigene Kulturinteresse der Eltern sein.
Alle fünf Motive weisen eine signifikante positive Korrelation mit dem Interesse der Eltern an der Teilnahme ihrer Kinder an angeleiteten kulturellen Angeboten auf, und zwar jeweils in einer Stärke um den Bereich von |ρ| = .50 Dieser Cut-off-Wert zur Interpretation eines starken Effekts wird noch überschritten bei der Korrelation zwischen dem Interesse der Eltern an der Teilnahme ihrer Kinder an angeleiteten kulturellen Angeboten und dem Interesse der Kinder an kulturellen Aktivitäten aus Elternsicht (ρ=.540) und der Korrelation zwischen dem Interesse der Eltern an der Teilnahme ihrer Kinder an angeleiteten kulturellen Angeboten und dem kulturellen Interesse der Eltern (ρ=.537). Außerdem hängt das kulturelle Interesse, das Eltern sich zuschreiben, stark mit dem Interesse, welches sie bei ihren Kindern gegenüber kulturellen Aktivitäten beobachten, zusammen (ρ=.510).
Mit Blick auf das Interesse der Eltern an der Teilnahme ihrer Kinder an angeleiteten kulturellen Angeboten weisen die weiteren betrachteten Aspekte einen moderaten Zusammenhang auf (Bedeutung kultureller Aktivitäten aus Sicht der Eltern: ρ=.494, Bedeutung kultureller Aktivitäten als Vorbereitung auf das Berufsleben: ρ=.448, Bedeutung kultureller Aktivitäten für den Zusammenhalt der Familie: ρ=.457).
Zusammenhänge zwischen ausgewählten Variablen
3. Hemmnisse und Barrieren der Förderung kultureller Aktivitäten
Da die Teilnahme von Kindern an kulturellen Aktivitäten vor allem im jungen Alter in einigen Fällen nur durch elterliche Unterstützung möglich ist, haben Eltern auch eine Gatekeeper-Funktion für die kulturelle Bildungsbiografie ihrer Kinder.
Barrieren gegenüber einer Förderung kultureller Aktivitäten der Kinder können etwa die Knappheit an finanziellen Mitteln sein, die der Familie zur Verfügung stehen, aber auch der Mangel an geeigneten Angeboten Kultureller Bildung am Wohnsitz der Familie. Auch Informationsasymmetrien bzw. der Mangel an spezifischem Wissen können eine Rolle spielen, wenn es um eine kulturvermittelnde Funktion von Eltern geht.
In der Untersuchung wurden die Eltern danach gefragt, inwieweit sie ihrem Kind bzw. ihren Kindern kulturelle Angebote ermöglichen können.
60 Prozent der befragten Eltern stimmen der Aussage zu, dass sie ihren Kindern kulturelle Angebote, für die sie sich interessieren, ohne weiteres ermöglichen können, während ein Drittel der Befragten hierfür „finanzielle Einschränkungen“ in Kauf nehmen müssen (Abbildung 8).
Insgesamt stimmen 4 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass die Wahrnehmung solcher Angebote „finanziell in der Regel gar nicht möglich“ ist; bei Befragten mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 2500 Euro sind es 12 Prozent.
Finanzierbarkeit von Angeboten Kultureller Bildung, für die das Kind bzw. die Kinder sich interessieren
Umgekehrt können Kinder nicht nur ein Anlass sein, kulturelle Aktivitäten mit der Familie aufzunehmen, sondern auch eine Barriere für die kulturelle Teilhabe von Eltern sein, da sie einen Teil des finanziellen und zeitlichen Budgets in Anspruch nehmen, der somit nicht mehr für kulturelle Aktivitäten der Eltern zur Verfügung steht. Auf die Aussage „Seitdem ich Kinder habe, verzichte ich selbst zumindest gelegentlich aus finanziellen Gründen auf den Besuch von kulturellen Veranstaltungen“ stimmen insgesamt 41 Prozent der befragten Eltern zu (Abbildung 9). Dabei variiert die Zustimmungsrate stark nach Höhe des Einkommens. Für die kindliche Kulturelle Bildung ist diese Aussage insofern relevant, als dass Eltern bei einem zunehmenden Verzicht auf eigene kulturelle Aktivitäten auch weniger kulturelles Kapital ansammeln, welches ihren Kindern als kulturelles Anregungspotenzial zur Verfügung steht.
(Gelegentlicher) Verzicht auf den Besuch von Kulturveranstaltungen seit Elternschaft aus finanziellen Gründen
Auch die Umgebung der Familie, Wohnort und Nachbarschaft, können die Teilnahme der Kinder an Angeboten Kultureller Bildung beeinflussen. In Gegenden mit gering ausgeprägter Infrastruktur oder in Randlagen kann der Teilnahmewunsch von Kindern an spezifischen kulturellen Bildungsangeboten Eltern vor größere Herausforderungen stellen. Eine Bewertung des verfügbaren Angebots durch die Eltern kann ebenfalls ausschlaggebend für eine Teilnahme der Kinder sein.
Auf die Aussage „Bei uns vor Ort gibt es ausreichend Kulturangebote für mein Kind/meine Kinder mit guter Qualität“ stimmen 52 Prozent der Befragten zu und 53 Prozent geben an, dass es vor Ort ausreichend für ihr Kind bzw. ihre Kinder interessante Kulturangebote gibt (Abbildung 10). Jeweils circa ein Drittel widersprechen diesen Aussagen, und 14 Prozent bzw. 15 Prozent sind hierzu unentschieden bzw. machen keine Angabe. Die vergleichsweise hohen Werte für „Unentschieden, keine Angabe“ legen nahe, dass mehr als jedes zehnte Elternteil die Angebotsstruktur für Kulturelle Bildung am Wohnort nicht gut kennt.
Während jeweils knapp über die Hälfte der Befragten grundsätzlich zu einer positiven Einschätzung der verfügbaren Angebote Kultureller Bildung kommen, stimmen 57 Prozent der Befragten der Aussage zu, sich diese auch leisten zu können.
Elterliche Bewertung des Kulturangebots vor Ort für ihre Kinder
Insgesamt stellen Eltern den vor Ort verfügbaren Kulturangeboten für ihre Kinder ein deutlich schlechteres Zeugnis aus, wenn sie in Kleinstädten oder Gemeinden leben als in einer Mittel- oder Großstadt (Abbildung 11). Umgekehrt schätzen zwischen 60 und 70 Prozent der Eltern in Mittel- und Großstädten das Vor-Ort-Angebot mit Blick auf Qualität und Erschwinglichkeit als positiv ein.
Elterliche Bewertung des Kulturangebots vor Ort für ihre Kinder nach Größe des Wohnorts
Sowohl für die Identifikation und Auswahl kultureller Bildungsaktivitäten für ihre Kinder als auch für eigene kulturelle Vermittlungstätigkeiten spielt das kulturelle Kapital von Eltern eine Rolle. Wenn Eltern sich nicht in der Lage sehen, auf spezifische kulturelle Interessen unterstützend einzugehen, werden non-formale Angebote umso wichtiger für die kulturelle Bildungsbiografie eines Kindes.
In der Untersuchung wurden die Eltern gefragt, inwieweit sie sich zutrauen, ihre Kinder „gut unterstützen zu können, wenn sie im künstlerischen, musikalischen Bereich etwas lernen möchten“ (Abbildung 12).
Zutrauen in eigene Unterstützungsmöglichkeiten der Kinder bei künstlerischen und musikalischen Bildungsaktivitäten
Jeweils ein knappes bzw. gutes Drittel der Befragten stimmt der Aussage, ihre Kinder bei solchen Aktivitäten unterstützen zu können, „voll und ganz“ bzw. „eher“ zu, ein weiteres Drittel stimmt dieser Aussage entweder „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ zu. Bei Eltern mit einfachen Bildungsabschlüssen sind die Anteile derer, die sich die Unterstützung (eher) zutrauen und derer, die sie sich (eher) nicht zutrauen, paritätisch aufgeteilt, während fast 80 Prozent der Eltern mit Studium sich die Unterstützung (eher) zutrauen.
Da eine kausale Interpretation mittels der vorliegenden Daten nicht möglich ist, können wir nicht sagen, inwieweit das Ausbleiben von finanziellen, örtlichen oder anderen Restriktionen seitens der Eltern eine stärkere kulturelle Teilhabe ihrer Kinder wahrscheinlich machen würde. Ein Blick auf Tabelle 3 zeigt lediglich, dass der Annahme nach begünstigende Faktoren – wie finanzielle Möglichkeiten (Haushaltseinkommen), kulturelles Kapital (Bildungsabschluss, Einschätzung der eigenen Unterstützungsmöglichkeiten), kulturelles Interesse der Eltern und das von Eltern berichtete Interesse der Kinder an kulturellen Aktivitäten teilzunehmen – sowohl mit dem Interesse der Eltern, dass ihr Kind an Aktivitäten Kultureller Bildung teilnimmt als auch jeweils untereinander signifikant und positiv zusammenhängen (die negativen Vorzeichen in der Tabelle bei „Haushaltseinkommen“ und „Schulbildung“ entstehen durch gegenläufige Skalierungen).
Auffällig ist dabei, dass das kulturelle Interesse der Kinder aus Sicht der befragten Eltern sowie das Kulturinteresse der Eltern selbst die größte Effektstärke im Zusammenhang mit dem elterlichen Interesse bezüglich der Teilnahme ihrer Kinder an angeleiteten kulturellen Angeboten aufweisen, wohingegen Haushaltseinkommen (|ρ|=.248) und Schulbildung (|ρ|=.276) eine im mittleren Bereich eher niedrige Effektstärke aufweisen.
Die Ballung bzw. Interaktion von begünstigenden familiären Faktoren für die Teilnahme von Kindern an Aktivitäten Kultureller Bildung bedeuten im Umkehrschluss, dass eine kindliche Teilnahme an Angeboten Kultureller Bildung, wenn die genannten Faktoren schwächer ausgeprägt sind, mehr potenziellen Barrieren gegenübersteht. Dies trifft etwa auf den Zusammenhang zwischen Einschätzung der eigenen Unterstützungsmöglichkeiten und Interesse bezüglich der Teilnahme der Kinder an non-formalen Kulturangeboten zu. Eltern, die sich weniger in der Lage sehen, kulturvermittelnd oder anderweitig unterstützend zu agieren, könnten dies durch angeleitete Angebote von außen ausgleichen. Der erkannte Zusammenhang deutet jedoch eher darauf hin, dass Eltern, die eher geneigt sind, kulturelle Aktivitäten bei ihren Kindern anzuregen, sich auch selbst eine unterstützende Rolle zutrauen und umgekehrt.
Fazit
Das Bild von Familien als Agenturen und Generatoren (Bilstein 2017:35) für Kulturelle Bildung wird in der Studie „Eltern/Kinder/Kulturelle Bildung. Horizont 2017“) empirisch unterfüttert. Ein besonders interessanter Befund liegt in der möglichen Erklärungskraft des kulturellen Interesses und des von Elternseite berichteten kindlichen Interesses an Kulturaktivitäten für die elterliche Förderung Kultureller Bildung. Dass diese Aspekte von Bedeutung sind, erscheint intuitiv plausibel. Bemerkenswert hieran ist, dass das Interesse von größerer Bedeutung erscheint als Haushaltseinkommen und die Schulbildung der Eltern. Dieser Befund deckt sich mit Ergebnissen von Cabane, Hille und Lechner, die gezeigt haben, dass Offenheit (für künstlerische Erfahrungen) der Eltern einen weitaus größeren Effekt für musikalische Aktivitäten von Kindern hat als das jeweilige Haushaltseinkommen (Cabane/Hille/Lechner 2015:27).
Bemerkenswert ist auch der hohe Zusammenhang zwischen Kulturinteresse der Eltern und dem berichteten Interesse ihrer Kinder an kulturellen Aktivitäten. Es ist zwar möglich, dass kulturell besonders interessierte Eltern eher dazu geneigt sind, ihren Kindern dahingehende Merkmale zuzuschreiben, dass sie besonders sensibel für tatsächliche Interessensäußerungen ihrer Kinder sind oder auch, dass sie ein besonders weitgefasstes Kulturverständnis haben, das ein entsprechend großes Spektrum an Äußerungsformen und Aktivitäten abdeckt. Nichtsdestotrotz wird sowohl ein echtes Kulturinteresse als auch ein zugeschriebenes eher dazu führen, dass die betreffenden Kinder darin gefördert werden.
Darüber hinaus erscheint ein innerfamiliärer Transferprozess kultureller Interessen, auch wenn er im Rahmen der Studie nicht nachgewiesen kann, plausibel: Das persönliche Interesse für Kulturbereiche, ästhetische Erfahrungen und Ausdrucksformen kann, sofern (mit-)geteilt, den Charakter eines öffentlichen Guts annehmen, von dem die ganze Familie profitiert.
Ein dritter interessanter Punkt betrifft das Thema Bildungsaspiration. Die Befragung hat ergeben, dass Eltern, die kulturelle Aktivitäten als förderlich für die kindliche Entwicklung einschätzen, eher dazu neigen, die Bedeutung kultureller Aktivitäten für die Vorbereitung auf das Berufsleben hoch einzuschätzen (ρ=.650). Ebenso gibt es einen signifikanten positiven Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Bedeutung kultureller Aktivitäten und der Bedeutung technisch/naturwissenschaftlicher Aktivitäten sowohl hinsichtlich der Entwicklung von Kindern (ρ=.419) als auch mit Blick auf die Berufsvorbereitung (ρ=.455). Einen Zusammenhang zwischen kulturellen Interessen und allgemeiner Bildungsaspiration hat auch die bereits erwähnte Befragung von Schülerinnen und Schülern des Rates für Kulturelle Bildung ergeben (siehe: Christian Rittelmeyer „Anmerkungen zu forschungsbezogenen und bildungspolitischen Aspekten der Studie Jugend/Kunst/Erfahrung. Horizont 2015 >> Eine Position“). Eine der sechs Empfehlungen, die der Rat für Kulturelle Bildung seinen Studienergebnissen anschließt, lautet daher „Erfolgreiche Modelle der Elternansprache systematisch untersuchen und in die Fläche tragen“. Wenn das Kulturinteresse von Eltern – oder anders gesagt, eine ausgeprägte Offenheit für ästhetische Erfahrungen und Wertschätzung kultureller Ausdrucksformen – ein bedeutendes Motiv für die elterliche Unterstützung kindlicher Kultureller Bildung ist, sollte das politische Ziel der kulturellen Teilhabe über die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen hinausgehen und in die Breite der Gesellschaft, in alle Altersgruppen getragen werden.