Zwischen Selbstwirksamkeit und Beteiligung in ländlichen Räumen - Kulturelle Bildung und Schule im Spannungsfeld?

Reflexionen auf das Projekt KulturStarterInnen in Sachsen

Artikel-Metadaten

von Kristin Elsner, Börge Meyn

Erscheinungsjahr: 2025

Abstract

Jugendkulturelle Interessen als Ausgangspunkt für die Gestaltung der eigenen Lebenswelt verstehen und damit mehr Kulturelle Bildung für Oberschüler*innen in ländlichen Räumen ermöglichen – das waren die Hauptziele des mehrjährigen Modellprojekts KulturStarterInnen in Sachsen. Das Projekt befand sich im Spannungsfeld zwischen Kultureller Bildung und Schule, da Schule als ein Ort fungiert, an dem die Zielgruppe der Oberschüler*innen im ländlichen Raum erreicht werden kann und wo der Bedarf an kulturellen Bildungsangeboten nach wie vor groß ist. Zugleich waren die KulturStarterInnen ein außerschulisches Angebot, das mit den Prämissen Kultureller Bildung Freiwilligkeit, Stärkenorientierung und Partizipation (vgl. Braun/Schorn 2013/2012) durchgeführt wurde, woraus sich folgende Fragestellungen ergaben: Welche Rahmenbedingungen bringt die Projektarbeit von außerschulischen kulturellen Bildungsangeboten innerhalb des Systems Schule mit sich? Was braucht es für eine gelingende, partizipativ angelegte Projektarbeit mit Oberschüler*innen in ländlichen Räumen?

Als ehemalige Projektleiter*innen schauen wir reflektierend auf die vergangenen Projektrunden zurück und stellen prägnante Ergebnisse und Erkenntnisse im Artikel vor. Vor Ort begleiteten wir die Jugendlichen pädagogisch-methodisch und passten das Konzept den Bedingungen stetig – und nicht nur vor dem Hintergrund Corona-bedingter Einschränkungen – an.

Einleitung: Das Projekt KulturStarterInnen

Von Mai 2019 bis August 2023 fand das Modellprojekt KulturStarterInnen, veranstaltet von der Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen e.V. (kurz: LKJ Sachsen) statt. Oberschüler*innen (in Oberschulen sind sowohl Haupt- als auch Realschulen integriert) in den Landkreisen Leipziger Land und Nordsachsen wurden dabei unterstützt, in ihrer Freizeit eigene kulturelle Projekte an ihrer Schule zu konzipieren und durchzuführen. Das Projekt wurde vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus mit einer Personalstelle gefördert. Wir blicken zurück auf Erkenntnisse aus drei Projektrunden KulturStarterInnen (2019-2023) im Spannungsfeld von Kultureller Bildung und Schule und gleichen Erwartungen mit Realitäten ab.

Jugendkulturelle Interessen als Ausgangspunkt für die Gestaltung der eigenen Lebenswelt verstehen und damit mehr Kulturelle Bildung für Oberschüler*innen in ländlichen Räumen ermöglichen – das waren die Hauptziele des mehrjährigen Modellprojekts KulturStarterInnen. Bei der Konzeption, Vorbereitung und Durchführung von eigenen kulturellen Projekten an ihrer Schule konnten die Teilnehmenden aktiv mitwirken und soziale Kompetenzen, ihre Kommunikationsfähigkeit sowie ihr Selbstbewusstsein stärken. Jede Projektrunde fand ihren Auftakt in einem mehrtägigen StartCamp, bei dem die Jugendlichen verschiedene Kreativ-Workshops besuchten, sich untereinander kennenlernten und mehr zum Thema Projektmanagement erfahren konnten.

Durch die stark einschränkenden Umstände, die vor allem an Schulen für kulturelle Bildungsprojekte mit externen Projektpartner*innen durch die Covid-19-Pandemie hervorgerufen wurden, wurde schnell deutlich: Die Aktionen und konkreten Projektergebnisse sollten weniger im Fokus des Projekts stehen als der Prozess des gemeinsamen Gestaltens des Schulraum mit Peers. Die Selbstwirksamkeitserfahrungen verknüpft mit eigenen Interessen und die Abstimmung innerhalb der Schulprojektgruppe zeigten sich als Mittelpunkt des Projekts. Als Modellprojekt konzipiert und im Laufe der Projektrunden immer wieder flexibel an die Bedingungen angepasst, können wir auf verschiedene Erkenntnisse aus der Projektpraxis zurückblicken und diese für das Spannungsfeld, in dem sich Kulturelle Bildung und Schule befinden, diskutieren. Ein Spannungsfeld deshalb, weil die Projektarbeit in Kooperation mit Oberschulen eine direkte Ansprache von vielen Jugendlichen ermöglichte und dort Jugendliche angetroffen werden können – der Ort Schule dabei aber auch gewisse Rahmungen mit sich bringt. Kulturelle Bildungsprojekte unterliegen den Prinzipien der non-formalen Bildung, unter anderem mit den Prämissen der Freiwilligkeit und Beteiligung. Im besten Fall wird Kulturelle Bildung in Schule als erlebbarer Raum für Partizipation und kreative Gestaltung wahrgenommen, wenngleich der Ort Schule vom Charakter her nicht frei von institutionalisierten Regeln und Rahmungen ist.

Im Folgenden arbeiten wir ausgehend von Ergebnissen der verschiedenen Projektrunden der KulturStarterInnen weiterführende Erkenntnisse für die Kulturelle Bildung in Schule heraus.

Zentrale Erkenntnisse aus dem Projekt KulturStarterInnen

Kulturelle Interessen von Oberschüler*innen können im Projekt umgesetzt werden und eine individuelle Entwicklung der Teilnehmenden mit Blick auf Selbstwirksamkeitserfahrungen wird gestärkt.

Das Konzept des Projekts KulturStarterInnen sah vor, Jugendliche an Oberschulen zu sogenannten kulturellen Projektmanager*innen auszubilden, d.h. sie mit den Grundkenntnissen des Projektmanagements vertraut zu machen und dabei einen Einblick in die vielen verschiedenen Facetten von Kultureller Bildung zu ermöglichen, zum Beispiel indem sie selbst in Workshops künstlerisch aktiv wurden. Mit diesem Ziel wurde ein breites Verständnis des Kulturbegriffs gefördert und junge Menschen konnten sich darin selbst als Träger von Kultur und jugendkulturellen Ausdrucksformen verstehen. Die Ausdrucksformen sollten dabei möglichst lebensweltnah auf die individuellen und kollektiven Interessen der Schüler*innen eingehen und verorteten diese konkret in ihrer eigenen Lebenswelt, im Bereich der Schule. Denn genau an dieser Schnittstelle kann Schule als Ort fungieren, an dem Kulturelle Bildung für möglichst viele Kinder und Jugendliche zugänglich wird – sie kann „(...) als der zentrale gesellschaftliche Ort verstanden werden, um die Forderung der UN-Kinderrechtskonvention nach kultureller Teilhabe umzusetzen” (vgl. Braun 2013/2012). Die Relevanz von Kultureller Bildung an Schule ist damit besonders hoch, wobei nicht außer Acht gelassen werden sollte, dass Schule als Bildungsinstitution dieses Teilhabeversprechen zwar inhärent hat, selbst aber auch Bildungsungerechtigkeiten mitproduziert bzw. diese nicht auflöst (vgl. Sturzenhecker 2014).

Umgesetzt wurde dieser Ansatz, indem Jugendliche im Modellprojekt dazu eingeladen wurden, ihre jugendkulturellen Interessen zum Ausgangspunkt für ihre Projekte zu machen und die Gestaltung ihres schulischen Lernraums mit kreativ-künstlerischen Mitteln selbst in die Hand zu nehmen. In diesem Zusammenhang entwickelten die Teilnehmenden selbstständig Ideen für kulturelle Projekte an ihrer Schule, die nicht nur ihnen den Einblick in kulturelle Projekte ermöglichten, sondern auch der gesamte Schüler*innenschaft Aktivitäten boten oder kulturell nutzbare Orte in der Schule geschaffen haben. Für Teilnehmende brachten gerade das Zusammentreffen mit anderen Jugendlichen aus verschiedenen Landkreisen, das dadurch entstandene Gruppengefühl und die gemeinsame Entwicklung von Projektkonzeption und -durchführung positive Entwicklungen hervor: höheres Selbstbewusstsein, konkrete Selbstwirksamkeitserfahrungen, Kommunikationsfähigkeit in Gruppenaushandlungsprozessen und weitere soziale Kompetenzen zeigten sich in der Evaluation und Reflexion des Projekts und im Gespräch mit den Teilnehmenden und den Ansprechpersonen der Schulen.

Selbstwirksamkeit, Stärkenorientierung, Teamarbeit und Aushandlungsprozesse

Die offene Aufgabenstellung und das aktive Ausprobieren kulturell-künstlerischer Methoden ermöglichte es den Teilnehmenden, einen weiten Kulturbegriff zu erfahren und in ihren Projekten aktiv anzuwenden. Dabei bestand das Projekt aus mehreren aufeinander aufbauenden Phasen. Zunächst wurden die Teilnehmenden in den Schulen angesprochen und erhielten durch Workshops Einblicke in verschiedene künstlerische und kulturelle Bereiche. Weitere Workshops wurden bei 3,5-tägigen StartCamps durchgeführt und zusätzlich erhielten die Teilnehmenden Einblicke ins Projektmanagement und in die Veranstaltungsplanung. Alle Teilnehmenden, die jeweils pro Schule in einer Gruppe zusammenarbeiteten, gingen zudem mit einer Projektidee aus dem Startcamp, die sie an ihrer Schule umsetzen wollten. Dies beinhaltete verschiedenste Projekte – von einer Schulparty über einen Grafitti-Workshop zur Gestaltung der Schule bis hin zu einem Escape Room für die Nutzung in den Schulpausen. Anschließend fanden mehrere Treffen zwischen den Teilnehmenden und der Projektleitung an den jeweiligen Schulen statt, um die Aktionen genauer zu planen und vorzubereiten. Diese Treffen fanden außerhalb der Schulzeit statt. Abschließend wurden die Aktionen durchgeführt und mit den Teilnehmenden das Projekt und die Zusammenarbeit reflektiert.

Die Schule ist hier ein geeigneter Ort, da die Teilnehmenden bereits viele Wünsche und Ideen zu ihrem Alltag in der Schule formulieren können und sich derer bewusst sind. Nach der Sammlung verschiedener Ideen für die Umsetzung des Projekts musste sich die Gruppe auf einen Vorschlag einigen. Dabei zeigte sich, dass die Festlegung auf ein Thema bei einigen Teilnehmenden zu einem leichten Motivationsverlust führte, da sie sich ein anderes Thema gewünscht hätten. An dieser Stelle ist der freiwillige Charakter des Projekts zu erwähnen, da damit die empfundene Sinnhaftigkeit des Projekts für die Teilnehmenden gefördert wird. Die Teilnehmenden entschieden sich, auch wenn sie sich ein anderes Thema gewünscht hätten, weiterhin freiwillig an dem Projekt mitzuwirken und ihre Ideen einzubringen.

Insgesamt zeigten sich die Teilnehmenden sehr reflektiert über ihre Teamarbeit und die von ihnen im Team eingenommenen Rollen. Für die meisten Teilnehmenden stellte es eine große Herausforderung dar, Aufgaben für die Gruppe zu übernehmen und in der Gruppe Entscheidungen zu finden. Hier war eine Moderation durch eine Person außerhalb der Gruppe unabdingbar, was in den meisten Fällen durch die Projektleitung geschah. Andererseits zeigt sich hier auch der Mehrwert des Projekts für die Teilnehmenden: Sie konnten eigene Stärken in der Zusammenarbeit mit anderen Gleichaltrigen und die Wichtigkeit von gemeinschaftlichen Aushandlungsprozessen erfahren und meist zu einem positiven Abschluss bringen. Dies ging auch aus der Evaluation der Teilnehmenden nach der Durchführung ihres Projektes hervor. Es wurden unter anderem als neue Fähigkeiten und Kenntnisse Teamfähigkeit genannt und dabei auch die eigene Rolle reflektiert: „mehr aus mir herauskommen”, „ruhiger werden, andere was machen lassen” bzw. „mehr Vertrauen in Andere“.

Selbstständige Organisation, Absprachen und Verantwortlichkeiten innerhalb der Projektgruppen

Die teilnehmenden Schüler*innen wurden von der Projektleitung, Schulsozialarbeiter*innen und Lehrkräften über das Projekt informiert und konnten sich freiwillig für ein Engagement außerhalb der Schulzeiten in dem Projekt entscheiden. Bei den Schüler*innen handelte es sich um Oberschüler*innen aus dem ländlichen Raum Sachsens in den Klassenstufen sieben bis neun. Da allgemein bei den Teilnehmenden wenig Vorwissen über Planung und Durchführung von kulturellen Projekten vorhanden war, sollten diese durch das Projekt zum einen Fähigkeiten der Projektplanung erlangen als auch zu aktiven Gestalter*innen ihrer Schule werden. So konnten die Teilnehmenden, in Absprache mit den jeweiligen Schulleitungen, unter anderem das Schulhaus oder auch den Pausenhof künstlerisch und nach ihren Vorstellungen gestalten. Dies reichte von Tape Art bis hin zu dem Bau von Sitzgelegenheiten auf dem Schulhof aus Palletten. Generell bestand bei den Teilnehmenden ein Interesse an kreativer und künstlerischer Arbeit, mit dem sich auch das Interesse an einer Teilnahme am Projekt begründen lässt.

Ein wesentlicher Knackpunkt des Projekts war die Begleitung der Jugendlichen während der Projektphasen vor Ort in der Schule. Ursprünglich als punktuelle Begleitung angedacht, sollte die Projektleitung vor allem eine koordinierende Funktion innerhalb des Netzwerks an Schulen ausfüllen, in Verbindung mit organisatorischer und pädagogischer Unterstützung der Projektgruppen. Die Ansprechperson an der Schule (meistens Lehrer*innen oder Schulsozialarbeiter*innen) war als Brücke zwischen Projektleitung und Schüler*innen vorgesehen. Bereits in der ersten Projektphase stellte sich heraus, dass die Erwartungen, die die LKJ Sachsen dahingehend mitbrachte – selbstständige Organisation und Durchführung von Projekttreffen, eigenständige Entwicklung einer Projektidee, Teamkoordination – nicht erfüllt werden konnten. Dies führte in den nächsten Projektrunden dazu, dass die Projektleitung bei jedem Treffen der Schüler*innen (welche alle zwei Wochen stattfanden) vor Ort an die Schule kam und gemeinsam mit ihnen ihr kulturelles Projekt an der Schule Schritt für Schritt plante.

Generell erscheint eine kontinuierliche Betreuung der Projektgruppen notwendig; als problematisch zeigte sich aber auch die fehlende Verbindlichkeit seitens der Teilnehmenden für übernommene Aufgaben. Es fiel den Teilnehmenden schwer, Aufgaben (wie zum Beispiel die Absprache mit der Schulleitung oder mit Workshopleitenden) auch außerhalb der Projekttreffen eigenständig durchzuführen. Auch die Schüler*innen selbst reflektierten im Nachgang die fehlende Zuverlässigkeit innerhalb der Gruppe und die Schwierigkeit, Prozesse als Gruppe auszuhandeln. Vermutlich wäre es sinnvoll, diese Kompetenzen methodisch innerhalb des Projekts noch gezielter zu stärken und Wissen dazu zu vermitteln, um auf diese im Verlauf der Projektumsetzung zurückgreifen zu können. Möglich würde das über eine regelmäßige oder mit größerem Zeitbudget versehene Projektphase, denkbar auch, falls das Projekt stärker in die schulischen Strukturen eingebunden werden sollte, zum Beispiel als Ganztagsangebot oder als Projektwoche. Gerade im Hinblick auf den verpflichtenden Ganztag an Sachsens Schulen ist dabei eine Zusammenarbeit mit außerschulischen Partner*innen, wie Künstler*innen aus der Region, und Projekten notwendig, um kulturelle Bildungsangebote an den Schulen möglich zu machen – auch eine Empfehlung der Kultusministerkonferenz (KMK 2022:8).

Prinzipiell lässt sich aber sagen, dass diese Herausforderungen auch in anderen Bereichen der freien Arbeit mit der Zielgruppe festzustellen sind. So berichteten mehrere Ansprechpersonen an den Schulen von Problemen der Teilnahme an nicht verpflichtenden Angeboten im Freizeitbereich für Schüler*innen. Es bleibt weiterhin zu evaluieren, wie in Schule und über Angebote der Kulturellen Bildung ein eigenverantwortliches, selbstmotiviertes Arbeiten gefördert werden und gelingen kann, um partizipative Projektformate und die Mitgestaltung des eigenen Schul- und Lebensraums bei der Zielgruppe zu stärken. Kulturelle Bildung bietet sich dafür an, neben künstlerischen Ausdrucksmitteln vor allem auch die Stärkung des Individuums sowie die Gestaltung von gemeinschaftlichen Prozessen zu unterstützen (vgl. BKJ 2020). Nur so können Bildungsangebote nach den verpflichtenden Schulstunden als gestaltbare Freizeit empfunden werden, die Lust auf Beteiligung machen. Dahingehend sollte Projekt- und Gruppenarbeit, die auf eine organisierte Aufgabenverteilung, Interesse für ein selbstgewähltes Thema und die Auswahl an motivierenden und zeitgemäßen Lernmethoden basiert, auch in den Fokus des schulischen Alltags rücken. Für gelingende Partnerschaften zwischen Schule und Kulturakteur*innen braucht es eine engagierte Zusammenarbeit, auch mit entsprechenden Zeitbudgets der Ansprechpersonen der Schule.

StartCamp mit positiven Effekten

Das StartCamp fand bei den Teilnehmenden aller Projektrunden großen Zuspruch. Zum einen als Argument zur Teilnahme insgesamt und zum anderen als Raum für Austausch und kreatives Ausprobieren mit Gleichaltrigen aus anderen ländlichen Gebieten in Sachsen. Damit wurde ein soziales Miteinander auch über das Projekt hinaus gefördert. Einige Teilnehmende trafen sich mit Teilnehmenden aus anderen Schulen außerhalb des Projekts und das Kennenlernen von Peers aus anderen Regionen und Kleinstädten Sachsens wurde so ermöglicht. Der Rahmen des StartCamps schuf einen wichtigen Ort der Begegnung.

Dieser Erfahrungswert deckt sich auch mit Erkenntnissen aus dem 6. Sächsischen Kinder- und Jugendbericht, der sich insbesondere mit der Digitalisierung jugendlicher Lebenswelten beschäftigt und aus dem deutlich wird, dass der „direkte soziale Kontakt (…) für die jungen Menschen unersetzbar zu sein [scheint]“ (Sächsisches Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Gesellschaftlichen Zusammenhalt 2023:193). Nicht nur wird der soziale Kontakt geschätzt, „der nicht durch ein Zusammenkommen im digitalen Raum zu ersetzen sei“ (ebd.), sondern junge Menschen weisen direkt auf das Fehlen von „informellen Begegnungsorten“ (ebd.) hin. Kulturelle Bildung kann dort „zunächst einmal Orte und Ereignisse der Begegnung von und für lokale Gemeinschaften“ (Kolleck et al. 2024:3) ermöglichen. Indem das KulturStarterInnen-Projekt eine informelle Rahmung für ein Miteinander unter Peers geschaffen hat, war es für viele eine Möglichkeit des Austauschs und der Begegnung, der sonst so nicht gegeben ist.

Das StartCamp war nicht nur ein guter Startpunkt zur kreativen Gruppenarbeit, sondern sorgte auch für Motivation für die Umsetzung des Projekts, da die Teilnehmenden ihr eigenes Projekt mit denen der anderen Gruppen vergleichen und in einen Zusammenhang stellen konnten. Bei dem StartCamp zeigte sich zudem, dass ein Arbeiten an einem Dritten Ort andere Motivationen und Lernmomente schaffen kann. Gerade das soziale Miteinander war für die Teilnehmenden, bestimmt auch resultierend aus den Erfahrungen der Coronapandemie, von großer Bedeutung.

Schule als Kooperationspartnerin

Wenn Kulturelle Bildung auf Schule trifft, gelingt in gewinnbringenden Kooperationen oftmals ein Perspektivwechsel bzw. eine -erweiterung (vgl. AG Netzwerkstellen Kulturelle Bildung in den Kulturräumen im Freistaat Sachsen 2020:5), denn es entstehen eine Vielzahl von Mehrwerten innerhalb einer Kooperation zwischen Schule und Kulturakteur*innen: Vereine und Einzelpersonen, die mit ihren Kulturangeboten an Schulen kommen, erreichen die Teilnehmenden in ihrer Alltagswelt und können damit ihre Angebote den Bedingungen entsprechend anpassen. Durch die Zusammenarbeit und den Kontakt mit Schulleitungen und Lehrkräften erhalten sie Einblicke und Perspektiven auf das Lernen in Schule und der damit verbundenen alltäglichen Bedarfe und Herausforderungen, mit denen Schüler*innen und Lehrer*innen konfrontiert sind, genauso wie neue Methoden und Ansätze. Für Lehrer*innen bzw. Schulleitungen ist unter anderem eine Zusammenarbeit mit außerschulischen Akteur*innen deshalb spannend, weil sie lokale Netzwerke im direkten Umfeld von Schule aufbauen können (ebd.). Außerdem lernen sie ihre Schüler*innen nochmal anders kennen, in dem sie zum Beispiel durch die Beteiligung an kulturellen Bildungsprojekten neue Fähigkeiten von ihnen wahrnehmen. Für Schüler*innen bietet eine Kooperation zwischen Schule und Kulturakteur*innen neue Formate von Mitgestaltung und sie können sich aktiv mit ihren Ideen einbringen. In kulturellen Bildungsprojekten an Schule können sie ein breites Spektrum von Ausdrucksmöglichkeiten und Selbstwirksamkeit erleben. Durch Methoden der non-formalen Bildung gelingt es außerdem, sich selbst mit den eigenen Stärken und Kompetenzen noch besser kennenzulernen (vgl. ebd.).

Wichtig ist und bleibt dabei eine offene, wertschätzende und vor allem kooperative Haltung zwischen den Akteur*innen (vgl. beispielsweise Kammler/Spahn 2018), damit der Perspektivwechsel gelingen kann. Das erfordert nicht zuletzt ein hohes Maß an Kommunikation im Vorfeld sowie im laufenden Prozess, wenn sich Anforderungen und Bedarfe möglicherweise noch weiterentwickeln, verändern oder aufgrund von externen Faktoren neu gedacht werden müssen.

Ansatzpunkt des Projektes war deshalb der Ort Schule, weil dieser Ort wie kaum ein anderer die Möglichkeit bietet, eine Vielzahl von Jugendlichen dort zu erreichen, wo sie bereits viel Zeit verbringen. Schule als Kooperationspartnerin war deshalb für uns der naheliegendste Ort, um Jugendliche zu kulturellen Akteur*innen auszubilden bzw. sie mit den Facetten der Kulturellen Bildung in Kontakt zu bringen. Trotz der notwendigen Betreuung durch die Projektleitung vor Ort stellte sich die Schule als guter Anknüpfungspunkt für das Projekt heraus, auch wenn ein Dritter Ort sicherlich Vorteile gebracht hätte. So hätte zum Beispiel der mit Schule stark verbundene und geprägte Charakter – die tägliche Schulumgebung und die Lernräume, das damit inhärente Leistungs- und Wettbewerbsprinzip, stark formalisierte Abläufe in Einheiten von Schulstunden (vgl. Kapitel „Kulturelle Bildung als Gegenpol zu Schule?“ in Hübner 2024) – für die Teilnehmenden minimiert werden können. Vorteile von Dritten Orten, wie beispielsweise öffentliche (Kultur-)Einrichtungen oder der öffentliche Raum, sind die zentrale Lage und die gute Erreichbarkeit von möglichst vielen Menschen, zum Beispiel für gemeinschaftsstiftende Projekte und Begegnungen. Auch die gegebene Möglichkeit der Vernetzung und der direkten Zusammenarbeit mit anderen lokalen Akteur*innen, die für die Projektarbeit spannend sein könnte, werden dadurch unterstützt: Die Jugendlichen waren teilweise auf der Suche nach lokalen Künstler*innen, die sie bei der Umsetzung von gestalterischen Aufgaben in ihrem erdachten Kulturprojekt an ihrer Schule unterstützen sollten. Möglicherweise könnten diese Kontakte und die Zusammenarbeit in einem Ort außerhalb der Schule und des Privaten so leichter entstehen und die Jugendlichen würden in ihrem Lebensumfeld einen neuen Ort der Begegnung kennenlernen. Einen Ort außerhalb der Schule zu bespielen und zu beleben, kann auch Voraussetzungen mitbringen, die gerade für non-formale Bildungssettings wertvoll sind: Die Gruppe kann beispielsweise gemeinsam neue Regeln des Miteinanders an diesem Ort erarbeiten und findet andere (Frei-)Räume der Zusammenarbeit vor.

Schule an sich als Ort der Kulturellen Bildung kann dennoch gut funktionieren. Dann wäre auch eine noch engere Bindung des Projekts an Schule eine Möglichkeit, zum Beispiel im Rahmen des Ganztagsangebots, da dies besser in den bestehenden Rahmen der Schule passen würde und so auch regelmäßige Termine vor Ort ohne Absprachen möglich gewesen wären. Da eines der zentralen Ziele des Projektes die aktive und kreative Mitgestaltung der Schule durch kulturelle Projekte war, ist eine direkte Anknüpfung an die Schule durchaus sinnvoll. Einen weiteren Nutzen hatten die teilnehmenden Schulen durch die Fortbildungen für Schulsozialarbeiter*innen und Lehrer*innen ab dem Schuljahr 2022/2023. Diese fanden im Zusammenhang mit den Hackdays von Make Your School statt und gaben den Teilnehmenden einen Einblick in das Projekt und die kreative schulische Arbeit mit Coding.

In der konkreten Projektzusammenarbeit mit Schule als Kooperationspartnerin zeigte sich das Spannungsfeld von Kultureller Bildung und Schule in aller Deutlichkeit: Schule als Ort, um Jugendliche direkt zu erreichen und um die Rahmungen für kulturelle Projekte und deren Einbindung zu nutzen, ist sicherlich für die Entwicklung und Selbstwirksamkeitserfahrungen der Schüler*innen wünschenswert. Die Rahmungen, system-organisatorische und ganz praktische Fragen der Umsetzung in Schulen sollten dabei trotzdem nicht unterschätzt werden, denn diese beeinflussen maßgeblich auch die Erfahrungen, die Teilnehmende machen, und die Räume, die sie selbst gestalten (können).

Projekt bietet Anknüpfungsstellen zu weiteren Kooperationen

Zusätzlich zu der Zusammenarbeit mit den Oberschulen und der Ansiedlung des Projekts direkt an den Schulen bot das Projekt Anknüpfungspunkte für weitere Kooperationen. So wurde ab dem Schuljahr 2022/2023 das Projekt um die Kooperation mit Make Your School (ein Projekt von Wissenschaft im Dialog, bei dem Schüler*innen Herausforderungen und Probleme an ihrer Schule mit technischen und digitalen Mitteln lösen) erweitert. Dadurch konnten an vier teilnehmenden Schulen zwei- bis dreitägige Hackdays stattfinden, bei denen Schüler*innen der neunten Klassen sich auf kreative Weise und mit Mitteln des Programmierens mit den Problemen an ihren Schulen auseinandersetzen konnten. Die erdachten Lösungen für diese Probleme wurden dann mit digitalen Mitteln umgesetzt. Möglich machte diese Zusammenarbeit der weite Kulturbegriff des Projekts – in dem auch Jugendkulturen als anerkannte Kulturformen aus der Lebenswelt junger Menschen impliziert waren – und die Idee des lebensnahen Lernens. Damit konnte die Ebene des medienpädagogischen Arbeitens mit in das Projekt eingebracht werden, die zum Beispiel an einer Oberschule in das Projekt der Teilnehmenden integriert wurde. Dort entstand ein Escape Room als ein interaktives, räumliches Gruppenspiel, bei dem die Schüler*innen konkret die Erfahrungen aus den Hackdays mit Begleitung umsetzten.

Es braucht eine hauptamtliche Projektleitung: für Kommunikation, Organisation, Begleitung der Schulen.

Ein entscheidender Ansatz war es, in den Schulen Grundlagen für kulturelle Bildungsarbeit in der Freizeit zu schaffen. Da für eine qualitativ hochwertige Durchführung des Projekts die Ressourcen in den Schulen selbst nicht vorhanden waren, ist eine hauptamtliche Projektleitung notwendig. Nicht nur um die Kommunikation, Organisation und Begleitung der teilnehmenden Schulen zu gewährleisten, sondern auch um die teilnehmenden Schüler*innen vor Ort bei ihren Projekten zu begleiten. Das Konzept, dass die Projektleitung nur sporadisch vor Ort ist, ging nicht auf, da die strukturierte, zielführende Arbeit an einem Projekt für die Zielgruppe eine große Herausforderung darstellte. Wünschenswert wäre hier eine Begleitung durch eine Fachkraft vor Ort, um die teils langen Reisezeiten der Projektleitung aus ressourcenschonenden Gründen (Zeit, Benzin) zu vermeiden. Aufgrund der Verortung des Projekts in ländlichen Räumen und dem dort vorhandenen Fachkräftemangel im Bereich der Kulturellen Bildung war dies nicht ohne Weiteres umzusetzen. Der Fachkräftemangel stellt aber nicht nur ein Problem für die konkrete Projektumsetzung dar, sondern birgt auch allgemein große Probleme für die kulturelle Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in ländlichen Räumen und kann verhindern, dass sich Projekte und Strukturen langfristig etablieren können. Wenn vor Ort kein geeignetes Personal für kulturelle Bildungsprojekte gesichert ist, die Arbeitsbedingungen aufgrund von strukturellen Problemlagen weniger attraktiv ist (Stichwort Mobilität und Versorgung), kann auch keine kulturelle Teilhabe gelingen.

Abschluss des Modellprojekts

Als mehrjähriges Modellprojekt angelegt, gelang es im Laufe der Projektzeit die verschiedenen Projektrunden immer mehr an die Bedarfe der Teilnehmenden anzupassen, entsprechend dem inhärenten Charakter von Modellprojekten. Wir können auf Grundlage des Feedbacks der Teilnehmenden feststellen, dass die Jugendlichen überwiegend positiv auf die Teilnahme am Projekt zurückblicken: Empowerment, das Kennenlernen von anderen Peers über die eigene Schule hinaus sowie die neuen Möglichkeitsräume für die Gestaltung ihrer schulischen Lebenswelt, die sich durch das Projekt auftaten, beschrieben die Teilnehmenden positiv: Die Mehrheit von ihnen unterstrich, dass sie im Projekt „ihre eigenen Ideen“ umsetzen konnten, ebenso hoben sie die Möglichkeit hervor, „etwas Neues zu lernen“, „aktiv zu sein“ sowie die Tatsache, neue Ideen an der Schule umzusetzen. Selbstkritisch reflektierten sie ebenso, dass vor allem die Absprachen innerhalb der Gruppe schwierig waren bzw. fehlten. Gerade die Aushandlungsprozesse innerhalb der Gruppe und auch die eigene Selbstwirksamkeit können demnach herausgestellt werden. Wie nachhaltig diese Erfahrungen wirken, lässt sich ohne Evaluation zu einem späteren Zeitpunkt schwer überprüfen.

Gerade in Modellprojekten und mit Ende dieser stellt sich die Frage, inwiefern und unter welchen Anpassungen das Projekt auch in Zukunft weitergeführt werden könnte. In zwei Landkreisen in Sachsen organisiert und durchgeführt ist dabei vor allem spannend zu überlegen, inwiefern das Projekt auch für andere Landkreise interessant ist. Durch die starke Vor-Ort-Begleitung der Projektleitung wurde schnell deutlich, dass diese nicht allein eine „koordinierende Praxis aus der Ferne” als zentrale Aufgabe haben sollte, sondern es für die Teilnehmenden vor Ort, aber auch für die oftmals stark eingespannten Fachkräfte der Schule, eine Ansprechperson geben muss, die Kapazitäten und Kompetenzen für die enge Begleitung der Jugendlichen hat. Wie oben bereits erläutert, stießen wir hier an das strukturelle Problem des Fachkräftemangels, welches verdeutlicht, wie schwierig es ist, eben solche Personen in den Landkreisen zu finden, diese auch fair und unter guten Arbeitsbedingungen zu entlohnen und somit eine attraktive Stelle anzubieten. Aus unserer Sicht wäre es denkbar, wenn im Rahmen des Projekts bzw. als Vorlauf zur Projektarbeit an den Schulen die Möglichkeit einer Multiplikator*innen-Ausbildung für Personen in den entsprechenden Landkreisen angeboten werden könnte. Das würde vor allem die Personen an Schule adressieren, die dafür Ressourcen haben und ihre Kompetenzen im Bereich der Projektarbeit oder der Kulturellen Bildung erweitern würden, wie beispielsweise Schulsozialarbeiter*innen.

Fazit

Wir stellen fest, dass sich Schule und Kulturelle Bildung in einem Spannungsfeld befinden: Es ist ein Ort, an dem die Zielgruppe der Oberschüler*innen im ländlichen Raum erreicht werden kann und wo der Bedarf an kulturellen Bildungsangeboten nach wie vor groß ist. Zugleich sind die KulturStarterInnen ein außerschulisches Angebot, das den Prämissen Freiwilligkeit, Stärkenorientierung und Partizipation unterliegt. Für diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen braucht es Kontaktpersonen an Schule, die damit umgehen und die Beziehungsarbeit vor Ort mit den Jugendlichen vor dem Hintergrund von oftmals begrenzten Ressourcen leisten und gestalten können. Für die Schüler*innen sind wöchentliche Treffen erstrebenswert, um sie leichter zu motivieren und die kontinuierliche Arbeit zu gewährleisten – allerdings erschweren strukturelle Bedingungen in ländlichen Räumen (wie beispielsweise Busfahrzeiten), die Rahmenbedingungen von Schule und der Fachkräftemangel auch eine flexible Projektarbeit. Ebenso bedarf es vor Ort Netzwerke mit Fachkräften (im besten Fall mit pädagogischen und künstlerisch-kreativen Fähigkeiten und Expertise), sodass Kooperationen aufgebaut und gestärkt werden können. Die Netzwerkstellen Kulturelle Bildung der sächsischen Kulturräume sind dafür insofern passende Schnitt- und Anlaufstellen für Bildungskooperationen, da dort Fachkräfte der Kulturellen Bildung mit regionaler, kommunenübergreifender Expertise und Kenntnis über die Bedarfe der Akteur*innen vor Ort tätig sind und zwischen diesen vermitteln. Bundesweit einmalig liegt mit dem Kulturraumgesetz in Sachsen „ein transparentes und demokratisches Instrument zur solidarischen Finanzierung von Kultureinrichtungen mit regionaler Bedeutung” (Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus 2025) vor, welches das Ziel verfolgt, gut funktionierende Strukturen der Kulturellen Bildung und der Kulturförderung aufzubauen und weiterzuentwickeln. Das Kulturraumgesetz ist zwar allgemein etabliert und stößt auch nach 30 Jahren auf positive Resonanz, benötigt aber eine Reform, vor allem, um die Fördersummen von Land und Kommunen für die nichtstaatlichen Kultureinrichtungen zu erhöhen. Es bleibt nach wie vor teils sehr schwierig, geeignete Fachkräfte im ländlichen Raum zu finden; dies verweist auf die Wichtigkeit von funktionierenden Strukturen Kultureller Bildung, die zum Beispiel auch hier durch die Netzwerkstellen der Kulturräume aktiv begleitet und vorangebracht werden.