Zwischen Freiraum und Steuerung: Handlungsfeldübergreifende Bildungslandschaften
Abstract
Der aktuelle Diskurs um „kulturelle Bildungslandschaften“ zeigt, dass die Auseinandersetzung mit dem Konzept der „Bildungslandschaften“ und ihren vielfältigen Ausgestaltungsformen in der Praxis für die Kulturelle Bildung und die kulturelle Schulentwicklung relevant ist. Eine zentrale Frage ist dabei die nach Bedingungen von Vernetzung und Kooperation der im Querschnitt der Kulturellen Bildung zugrunde liegenden Handlungsfelder Schule, Jugend und Kultur. Wesentlich für die gelingende Umsetzung einer Bildungslandschaft ist eine Perspektivverschränkung der beteiligten Handlungsfelder, die die einseitige Ausgestaltung als reines Steuerungskonzept oder Sozialraumkonzept überwindet. Mit dem Vorschlag der Auslegung von Bildungslandschaften als handlungsfeldübergreifendes Konzept, entwirft der Beitrag eine Perspektive, die sowohl Steuerungsebene und Sozialraum berücksichtigt und wechselseitig in Bezug setzt als auch die jeweiligen unterschiedlichen Logiken der Handlungsfelder. Folgt man diesem Ansatz, zeigen sich hinsichtlich der Frage nach den Bedingungen, die die Vernetzung und Kooperation von schulischen und außerschulischen Akteuren ermöglichen, Freiraum und Steuerung als zwei zentrale Pole. Trotz ihrer begrifflichen Opposition bedarf es beider – so die These dieses Beitrags – um handlungsfeldübergreifende Bildungslandschaften zu verwirklichen und alle Akteure gleichermaßen zu beteiligen. Die Kommune kann in diesem Prozess eine besondere Rolle einnehmen, da sie zugleich steuernde Instanz und Ort für Freiraum sozialräumlicher Gestaltung von Bildungslandschaften sein kann. Der Beitrag entwickelt seine Argumentation für den Vorschlag, Bildungslandschaften als handlungsfeldübergreifendes Konzept umzusetzen, anhand von Ergebnissen aktueller Praxisprojekte im Handlungsfeld Jugend. Im Anschluss weist er Perspektiven für die Schule[ntwicklung] auf und zeigt, dass die Kultur[elle Bildung] in handlungsfeldübergreifenden Bildungslandschafen eine besondere Rolle einnehmen kann. Abschließend diskutiert er Konsequenzen für die Rolle der Kommune. In kritischer Auseinandersetzung mit dem Begriff Local Governance plädiert der Beitrag dabei nicht für eine „top-down“ initiierte Verantwortungsgemeinschaft, sondern für eine Öffnung der Kommune im Sinne einer Bereitstellung freier Räume für selbst gesteuerte Gestaltung von Bildungslandschaften.
Zum Konzept der Bildungslandschaft
Das Konzept der Bildungslandschaft ist nicht neu. Als Reaktion auf und in Auseinandersetzung mit dem PISA-Schock reißt die Debatte, angestoßen durch die Leipziger Thesen des Bundesjugendkuratoriums (vgl. BJK 2002) und den 12. Kinder- und Jugendbericht (vgl. BMFSJ 2005) seit nun über 15 Jahren und zahlreichen Gestaltungsformen in der Praxis nicht ab. Unter dem Ziel regional, kommunal oder lokal die unterschiedlichen Bildungsakteure vor Ort zu vernetzen, wird mit dem Konzept der Bildungslandschaft der Anspruch verfolgt, bestmögliche Bedingungen des Aufwachsens und Lernens sowie eine höhere Chancengerechtigkeit zu schaffen (vgl. BJK 2002; BMFSJ 2005). Im Mittelpunkt steht ein ganzheitliches Bildungsverständnis, das sowohl formale als auch non-formale und informelle Bildungsprozesse umfasst (vgl. BJK 2002; BMFSJ 2005; Deutscher Verein 2009).
Trotz einer langen und intensiven Debatte in Politik, Verwaltung, Praxis und Forschung gibt es keinen definitorisch festgelegten Begriff von Bildungslandschaften (vgl. Sass 2015). Bildungslandschaft bleibt „Metapher“ (Stolz 2012: 90) einer politischen Konzeptionierung oben genannten Anspruchs. Mit Bezug auf den grundlegenden Diskurs (vgl. stellv. Bleckmann/Durdel 2009; Bollweg/Otto 2011; Bleckmann/Schmidt 2012) fasst dieser Beitrag Bildungslandschaften im Kern als ein (systematisch) aufeinander und miteinander (regional, kommunal oder lokal) abgestimmtes Konzept von (ganzheitlicher) Bildung. Die Klammern deuten darauf hin, dass sowohl hinsichtlich des programmatischen Anspruchs und der praktischen Ausgestaltung Differenzen bestehen (bezüglich des bisher nicht eingelösten ganzheitlichen Bildungsanspruchs vgl. Schlingensiepen-Trint 2017) als auch hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung bzw. des räumlichen Bezugs (vgl. Sass 2015). Die Vernetzung und inhaltliche Abstimmung finden auf verschiedenen Ebenen statt: 1) Zum einen zwischen Land und Kommune bzw. Kreis 2), zum anderen auf der lokalen, kommunalen, regionalen Ebene; letztere wiederum differenziert in die Abstimmung bzw. Zusammenarbeit von den 3) Akteuren vor Ort und 4) zwischen den Akteuren und der Kommune, respektive dem Landkreis (vgl. Duveneck 2016).
In der aktuellen Konzeptionierung und Ausgestaltung von Bildungslandschaften sind zwei differente Zugänge zu identifizieren: die Interpretation einer Bildungslandschaft als Steuerungskonzept und die einer Bildungslandschaft als Sozialraumkonzept. Wird eine Bildungslandschaft als Steuerungskonzept ausgelegt und ausgestaltet, ist diese eher strategisch, planerisch und verwaltend angelegt. Die politisch-administrative Ebene steht im Vordergrund. Zentral sind der Steuerungsaspekt und die Rolle der Kommune. Thomas Olk und Thomas Stimpel bezeichnen diese auch als „managerielle“ bzw. „Top-down“-Perspektive (Olk/Stimpel 2011: 171f.). Bildungslandschaften als Sozialraumkonzept hingegen sind „bottom-up“ gedacht und gestaltet (ebd.: 172). Die sozialräumliche, lebensweltliche Ebene steht im Vordergrund. Wesentlich für diesen „Teilhabeansatz im Sozialraum“ ist eine Beteiligungsorientierung (ebd.: 171).
Beide Konzeptionen gemeinsam zu denken und bei der Ausgestaltung von Bildungslandschaften vor Ort zu berücksichtigen, stellt eine Herausforderung dar. Die These dieses Beitrags ist es, dass nur durch eine Vereinigung beider Perspektiven alle relevanten Akteure ihrem eigenständigen Auftrag entsprechend beteiligt werden, Vernetzung und Kooperation gelingen können und dadurch ein ganzheitlicher Bildungsbegriff und somit der formulierte Anspruch des Konzepts annähernd umgesetzt werden kann. Es bedarf einer Bildungslandschaft, die sowohl im Sozialraum verankert ist und gestaltet wird als auch durch die Steuerungsebene gerahmt und begleitet wird. Das zeigt sich bereits im Hinblick auf die jeweils differenten Ebenen und Akteure, die im Fokus stehen und die dadurch unterschiedliche Prozessgestaltung.
Bildungslandschaft als Steuerungskonzept – zentrale Ebenen und Akteure
Betrachtet man die Handlungsfelder Schule, Jugend und Kultur in einer als Steuerungskonzept interpretierten Bildungslandschaft und damit die verbundene Frage, wie Vernetzung und Kooperation zwischen schulischen und außerschulischen Akteuren gelingen kann, stehen die Abstimmungsprozesse zwischen den verschiedenen Steuerungsebenen der Beteiligten im Fokus. Welche Steuerungsinstanz gibt Auftrag und Rahmen? Wer wirkt steuernd in die Prozesse ein? Wer steht beratend und begleitend zur Seite? Herausfordernd sind dabei mit Blick auf Schule und Jugend die differenten wesentlichen Kontrollebenen der Handlungsfelder: Land und Kommune. Während die Landesebene als Gesetzesebene in der Schulpolitik die wesentliche Kontrollebene der Schule darstellt, formuliert sie hinsichtlich der durch das SGB VIII bundesrechtlich verankerten Jugendhilfe nur ergänzende Richtlinien. Entscheidende Instanz der Jugendhilfe ist als Ausführungsebene die kommunale Ebene. Die wiederum nach dem Subsidiaritätsprinzip von öffentlichen (ÖT) und freien Trägern (FT) gestaltet wird. Vicki Täubig (2011: 223) spricht in diesem Kontext von Bildungslandschaften als „doppeltes Mehrebensystem“. Die Kulturelle Bildung nimmt in diesem Zusammenhang zudem eine eigene, besondere Stellung ein, da sie, wie in der Abbildung 1 veranschaulicht, quer zu allen Ebenen liegt. Sie ist „in Bezug auf administrative Zuständigkeiten […] nicht einheitlich geregelt“ und in mehreren Rechtsbereichen verankert (Mack 2012: 734). Zuständigkeiten liegen bei Bund, Land, Kommune sowie bei unterschiedlichen Ministerien und Ressorts.
Eine Herausforderung bei der Entwicklung einer Bildungslandschaft ist es, diese unterschiedlichen Steuerungslogiken wahrzunehmen, anzuerkennen und miteinander zu vermitteln, statt nur einer zu folgen. Die bisherigen Gestaltungsformen von Bildungslandschaften in der Praxis zeigen, dass ihre Entwicklungen und ihr Zentrum wesentlich von ihrem steuernden Impulsgeber beeinflusst ist (für eine ausführliche Analyse des Einflusses des Impulsgebers auf die Entwicklung und Ausgestaltung einer Bildungslandschaft siehe auch Eisnach 2011). Beispielsweise sind die vom Ministerium für Schule und Bildung (MSB) initiierten Regionalen Bildungsnetzwerke (RBN) in Nordrhein-Westfalen (NRW) in ihrer Ausgestaltung sehr schulzentriert, was gleichzeitig eine Umsetzung des formalen Bildungsbegriffs statt eines ganzheitlichen zur Folge hat. Der top-down initiierte Prozess und die Besetzung des RBN, des zentralen Regionalen Bildungsbüros (RBB) und der Lenkungskreise mit einem großen Stellenanteil aus dem Handlungsfeld Schule (MSB 2018: 17f.) prägen die Ausgestaltung der Netzwerke um die im Zentrum stehende Schule. Die anderen Handlungsfelder finden (in ihrem Auftrag und ihrem Bildungsbegriff) keine gleichwertige Berücksichtigung. Dieser innerhalb der eigenen Steuerungslogik verbleibende Prozess wurde als solcher nicht nur seitens der Jugendarbeit identifiziert und kritisiert (vgl. stellv. Deinet 2013; Lindner 2010; Schalkhaußer/Thomas 2013). Auch Hans-Günther Rolff (vgl. 2013: 39f.) stellt in seiner Expertise zu den RBN in NRW die sehr geringe Berücksichtigung des Handlungsfelds Jugend fest. Es bedarf in der Steuerung folglich einer Dezentrierung der Perspektive, um alle Bildungsakteure gleichermaßen zu beteiligen. Was wiederum eine Grundvoraussetzung dafür ist, den bei der Einführung des Konzepts der Bildungslandschaft beanspruchten ganzheitlichen Bildungsbegriff, umzusetzen.
Bildungslandschaft als Sozialraumkonzept – zentrale Ebenen und Akteure
In einer als Sozialraumkonzept ausgelegten Bildungslandschaft stehen hingegen die konkreten Akteure vor Ort im Fokus. Das können Institutionen und Träger sein, wie beispielsweise die Schule, die Offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA), die Jugendverbandsarbeit (JV), die Jugendberufshilfe (JBH), aber auch Akteursgruppen, wie die Kinder und Jugendlichen, Familie und Peers. Wie in der Abbildung 2 dargestellt, nimmt die Kulturelle Bildung auch hier eine Sonderstellung ein. Sie ist konkret vor Ort potenziell überall erlebbar und „keiner einzelnen Institution und nicht ausschließlich einem Rechtsbereich zugeordnet“ (Mack 2012: 734).
„Bottom-up“ kann eine Bildungslandschaft in einem ersten Schritt durch jeden Akteur vor Ort initiiert werden. Durch die Beteiligungsorientierung gelingt es hier zudem, die eigentlichen Subjekte der Bildungslandschaften – die Kinder und Jugendlichen – als Akteur*innen und Gestalter*innen von Bildungslandschaften ernst zu nehmen. Bezüglich einer multiprofessionellen Zusammenarbeit der Akteur*innen vor Ort ist die zentrale Herausforderung in einer Bildungslandschaft als Sozialraumkonzept Transparenz und gegenseitiges Wissen über bzw. ein Eingehen auf die Systemlogiken der anderen Akteur*innen. Auch hierfür bedarf es einer Vermittlung der Perspektiven aller beteiligten Handlungsfelder. Da es im Kern in einer Bildungslandschaft um die Umsetzung eines gemeinsamen Konzepts ganzheitlicher Bildung aller Bildungsakteure vor Ort geht, ist „die anderen“ zu verstehen bzw. die Perspektive der Akteure der anderen Handlungsfelder – zunächst einmal zumindest – zu kennen, eine wesentliche Grundlage gelungener Kooperationen in Bildungslandschaften. Bisherige Ausgestaltungen von Bildungslandschaften zeigen, dass Vernetzungen und Kooperationen zwischen Beteiligten der unterschiedlichen Handlungsfelder häufig scheitern, wenn ein Wissen über die Partner fehlt (vgl. stellv. LJR 2016; Kreis Lippe 2015). Hierzu gehören sowohl Kenntnisse über Organisation und Strukturen des Berufsalltags (beispielsweise Arbeitszeiten und -orte, hauptamtliche und ehrenamtliche Strukturen) sowie der unterschiedlichen Handlungslogiken der Akteure (beispielsweise gesetzlicher Auftrag, Selbstverständnis, eigene Fachlichkeit) des jeweiligen Handlungsfelds auf Prozessebene als auch über die Hintergründe der an Planung und Steuerung Beteiligten (lokal wie in Politik und Verwaltung). Stefanie Schmachtel-Maxfield (2013) argumentiert in diesem Kontext für eine Fruchtbarmachung des von Anne Edwards (vgl. 2010) unter kulturhistorischer Perspektive entwickelten Konzepts professionellen Handelns, des Relational Agency. Dieses stellt die Fähigkeit des Einnehmens der Perspektive des Anderen als Grundvoraussetzung multiprofessioneller Zusammenarbeit heraus (für die mögliche Relevanz dessen für kommunales Bildungsmanagement vgl. auch Duveneck 2018).
„This description of relational agency conceptualises integrated, co-constructive strategybuilding as a process in which professionals gain knowledge of what is important to other professionals regarding the problem they are trying to address. Actors need to learn how others interpret the problem and what their responses to it are; that way they develop a broader interpretation of the problem and envision new ways of responding to it.“ (Schmachtel-Maxfield 2013: 42)
Mindestvoraussetzung und erster Schritt ist ein gemeinsam geteiltes Wissen. In diesem Sinne argumentiert der Beitrag im Folgenden für handlungsfeldübergreifende Bildungslandschaften, das heißt solche, in denen nicht ein Handlungsfeld mit seinen Akteuren im Zentrum steht bzw. Akteure unterschiedlicher Handlungsfelder nebeneinander agieren. Vielmehr geht es um eine übergreifende Zusammenarbeit, in deren Fokus die gegenseitige Kenntnis und Achtung der unterschiedlichen Steuerungs- und Systemlogiken stehen, die eine gemeinsame Problemdefinition und -bearbeitung ermöglichen.
Handlungsfeldübergreifende Bildungslandschaften – Einblicke aus dem Handlungsfeld Jugend
Um für eine handlungsfeldübergreifende Bildungslandschaft zu argumentieren, greift der Beitrag auf Ergebnisse aktueller Praxisprojekte zur Entwicklung von Bildungslandschaften aus einem der Kulturellen Bildung zugrunde liegenden Handlungsfeld, dem Handlungsfeld Jugend zurück, um im Anschluss daran (ganz im Sinne des oben dargestellten Relational Agency) Perspektiven für Schule und Kultur aufzuweisen. Im Folgenden gibt der Beitrag dafür Einblicke in den Prozess der Gestaltung von Bildungslandschaften durch Akteure vor Ort und dafür ausgewählt in 1) die zentralen Schritte zur Gestaltung von Bildungslandschaften, 2) mögliche Vorgehensweisen in der Erschließung und bei der Gestaltung von Bildungslandschaften sowie 3) Bedingungen für gelingende Netzwerke und Kooperationen zwischen schulischen und außerschulischen Partnern. Hintergrund ist eine erste vergleichende Analyse der Ergebnisberichte folgender vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration NRW (MKFII NRW) geförderten Projekte in der Jugendarbeit: „Wir hier – Jugendringe und Jugendverbände in Kommunalen Bildungslandschaften“ des Landesjugendrings (LJR) NRW (vgl. LJR 2016), „Bildung(s)gestalten – Kommunale Bildungslandschaften aus Sicht der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienbildung“ der Arbeitsgemeinschaft offene Türen (AGOT) NRW (vgl. AGOT 2014) und „Kommunale Bildungslandschaften aus Sicht der Offenen Kinder- und Jugendarbeit“ des Kreises Lippe (vgl. Kreis Lippe 2015) sowie der Berichte der wissenschaftlichen Begleitung der Projekte („Bildung(s)gestalten“ betreffend siehe Sass 2015; „Bildung(s)gestalten und „Wir hier“ zusammenfassend siehe ebd. 2016).
Zentrale Schritte zur Gestaltung von Bildungslandschaften
Entscheidet sich ein Akteur, an der Gestaltung von Bildungslandschaften teilzunehmen, lassen sich aus allen Projekten (wenn nicht anders ausgewiesen, jeweils aus allen oben genannten Projektdokumenten) standortunabhängig folgende sechs wesentliche Schritte identifizieren:
- Praktische Jugendarbeit vor Ort: Um in Bildungslandschaften aktiv zu werden, ist es grundlegend, als Bildungsakteur aufzutreten und mit eigenen Projekten Bildung vor Ort zu gestalten. So ist eine Umsetzung des eigenen (Bildungs-)Auftrags (SGB VIII, §§ 11, 12) und gesellschaftspolitischen Anspruchs (vgl. u. a. Sturzenhecker 2008) möglich.
- Interne und externe Positionierung als Bildungsakteur: Im Kontext einer multiprofessionellen Zusammenarbeit einer Bildungslandschaft ist es zentral, sich als Bildungsakteur zu positionieren. Relevant ist hier zunächst die Vergewisserung nach innen: eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Bildungsbegriff und die Schärfung des eigenen Bildungsprofils durch Workshops und Fachtage sowie Bestandsanalysen und Befragungen innerhalb der eigenen Strukturen, zum Beispiel Mitgliedsverbände. Anschließender Schritt ist die Kommunikation der internen Positionierung nach außen, beispielsweise durch die Veröffentlichung von Bildungsbroschüren, als wesentliche Grundlage in der Kommunikation und Kooperation mit anderen Akteuren zu betrachten.
- Handlungsfeld-/sowie ressortübergreifende Netzwerke und Kooperationen: In der Gestaltung von Bildungslandschaften ist des Weiteren die Erschließung, Initiierung und der Ausbau von Netzwerken und Kooperationen wichtig. Hier ist es bedeutsam, sowohl eigene vorhandene Netzwerke auszubauen als auch neue zu entwickeln. Dabei können bisherige Kooperationen als Motor für neue Netzwerkbildung genutzt werden sowie umgekehrt bisherige Netzwerke als Motor für neue Kooperationen zwischen schulischen und außerschulischen Akteuren.
- Anknüpfen an bestehende Bildungslandschaftsstrukturen: Möchte ein Akteur in Bildungslandschaften aktiv werden, ist es weiterhin relevant, an vorliegende lokale, kommunale und/oder regionale Strukturen anzuknüpfen. Besteht beispielsweise ein RBN und ist dieses die maßgebliche Struktur, ist es sinnvoll, sich in dieses einzubringen. Das RBN kann Basis für weitere Vernetzung und Kooperationen sein (vgl. Kreis Lippe 2015). Durch die auch in den Projekten wahrgenommene Schulzentriertheit der RBN (vgl. Sass 2015; Kreis Lippe 2015) bedarf es in der Anknüpfung an die Strukturen der RBN jedoch einer Beharrlichkeit, insbesondere bezüglich der Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit den Bildungsbüros. Anknüpfungspunkte können sein: eine Mitgestaltung von Bildungskonferenzen durch die Jugendarbeit (vgl. LJR 2016), eine Initiierung gemeinsamer Projekte mit dem Bildungsbüro (vgl. ebd.), ein Einfordern eines stetigen Platzes in der Bildungskommission (vgl. ebd.) bzw. einer Einbindung der Jugendarbeit in den kreisweiten Lenkungsausschuss (vgl. AGOT 2014). Je nach Ausprägung, Aktivität und Rolle des RBN kann es jedoch auch sein, dass dieses nicht der wesentliche Ort der Gestaltung von Bildungslandschaften der Kommune/des Kreises ist, sondern andere. Es bedarf vor dem Aktivwerden folglich einer eingehenden Analyse der eigenen lokalen und regionalen Strukturen und Akteure (Bestandsanalyse), um die bedeutsamen Strukturen und Akteure zu identifizieren.
- Gestaltung relevanter Gremien und Arbeitskreise: Aus diesen Gründen ist es neben einer Mitwirkung in den Strukturen der RBN ebenso zentral, weitere bzw. andere relevante Gremien und Arbeitskreise zu gestalten. Das umfasst die Mitwirkung in bestehenden Arbeitskreisen und Gremien ebenso wie die Gründung von neuen kommunalen oder regionalen Arbeitskreisen bzw. runden Tischen zum Thema Bildung. Diese sind sowohl Orte des gegenseitigen Kennenlernens der unterschiedlichen Strukturlogiken und Fachlichkeiten als auch Orte des Erarbeitens von gemeinsamen Begrifflichkeiten, Problemdefinitionen und inhaltlichen Grundlagen der Zusammenarbeit.
- Handlungsfeldübergreifende multiprofessionelle Qualifikationen: Weiterhin geeignet für einen solchen gegenseitigen Austausch sowie Perspektivverschränkung und -vereinigung sind gemeinsame Fortbildungen von außerschulischen und schulischen Fachkräften sowie Fachkräften der Akteure vor Ort und der RBB.
Mögliche Vorgehensweisen bei der Erschließung und Gestaltung von Bildungslandschaften
Nach der Identifikation der zentralen Schritte geht es im Folgenden um mögliche Vorgehensweisen. Die Reihenfolge der Schritte auf dem Weg der Gestaltung einer Bildungslandschaft durch einen Akteur hängt wesentlich von den internen Strukturen sowie den Strukturen vor Ort ab. Es gibt keinen „Königsweg“. Vor dem Hintergrund von „Wir hier“ (vgl. LJR 2016) lassen sich jedoch drei mögliche „Grundwege“ herausstellen, die sich von den Charakteristika der Erschließungsweise der Bildungslandschaften unterscheiden.
Weg 1: Vom Sozialraum in die Steuerungsebene
Ausgangspunkt ist hier die Initiierung konkreter Projekte mit neuen Kooperationspartnern. Aus diesen entstehen neue stetige Vernetzungsstrukturen zwischen den Bildungsakteuren sowie Änderungen der Strukturen vor Ort. Diese ergeben langfristig eine Veränderung der „Landschaft“. Beispiel ist hier die vom KJR Siegen-Wittgenstein entworfene und federführend durchgeführte Projektwoche „Lernen mal anders“ in der Gemeinde Wilnsdorf. Die Kooperationspartner (die Vereine der Gemeinde Wilnsdorf, der KJR Siegen-Wittgenstein, die Schulsozialarbeiterin der Gemeinde, die Hauptschule, die Jugendpflege Wilnsdorf) gestalteten gemeinsam für Fünftklässler*innen der Hauptschule eine Woche des Lernens, in der die Inhalte innerhalb der Schulzeit, außerhalb von Schule, im Sozialraum, von außerschulischen Bildungsträgern des Sozialraums vermittelt wurden. Im weiteren Verlauf fand die Konzeption „Lernen mal anders“ auch für andere Kommunen des Kreises Anwendung. Zudem war das Jugendamt des Kreises von der Herangehensweise des Projekts so überzeugt, dass die Förderrichtlinien des Kinder- und Jugendförderplans (KJFP) dahingehend geändert wurden, dass sie die Zusammenarbeit von Schule und Jugendarbeit mit sozialräumlichem Ansatz als besonders förderungswürdig aufnahmen (vgl. Schlingensiepen-Trint 2017). Dieser Prozess lässt sich als Bottom-up-Prozess vom Sozialraum in die Steuerungsebene beschreiben: Aus einem Kooperationsprojekt vor Ort in einer Gemeinde des Kreises entwickelten sich strukturelle Änderungen der gesamten Förderlandschaft.
Weg 2: Handlungsfeldübergreifende Vernetzungsstrukturen (weiter-)entwickeln
Basis sind die gegebenen Vernetzungsstrukturen des Akteurs, hier des Jugendrings, sowohl in den Sozialraum als auch in die Steuerungsebene. Diese sind Ausgangspunkt für die Durchführung neuer Projekte mit bereits vorhandenen Partnern, sowohl an Schule als auch im Sozialraum. Gleichzeitig sind die gegebenen Vernetzungsstrukturen Grundlage für den Zugang zu den Strukturen RBN (Mitgestaltung von Bildungskonferenzen, Durchführung von multiprofessionellen Fortbildungen mit dem RBB) und münden so in Veränderungen der Landschaft durch aktives Sich-Einmischen auf Steuerungs- und sozialräumlicher Ebene (Beispiel ist hier das Vorgehen des Arbeitskreis Jugend [AKJ] Essen, vgl. Schlingensiepen-Trint 2017).
Weg 3: Die interne und externe Positionierung als Bildungsakteur als Motor der Entwicklung
Ausgangspunkt und Mittelpunkt dieser möglichen Vorgehensweise, Bildungslandschaften zu gestalten, ist eine Selbstanalyse des Akteurs. Beginnend mit dem Schritt der Vergewisserung nach innen, mittels einer Bestandsanalyse zum eigenen Bildungsangebot sowie einer Befragung zur Erfassung des eigenen Bildungsprofils, geht der Blick zunächst reflektierend von innen nach außen, bevor gehandelt wird. Die Ergebnisse werden in einer Bildungsbroschüre zusammengefasst. Diese ist nun Grundlage für die folgenden Handlungsschritte. Diese können sein: die aktive Vernetzung vor Ort (u. a. Gründung von und Mitarbeit in Arbeitskreisen), die Initiierung von Projekten im Sozialraum sowie das Einbringen in die Strukturen RBN (beispielhaft genannt sei hier das Vorgehen des Kinder- und Jugendrings [KiuJR] Bochums, vgl. Schlingensiepen-Trint 2017).
Die aus den Projektergebnissen identifizierten Schritte und Wege unterstützen die These, Bildungslandschaften handlungsfeldübergreifend (im oben herausgestellten Sinne) zu gestalten. Prozesse gelingen dort, wo 1) eine Verzahnung von Steuerungskonzept und Sozialraumkonzept stattfindet und 2) des Weiteren die Akteure der Handlungsfelder insofern übergreifend zusammenarbeiten, als dass sie eine gemeinsame Problemdefinition und -bearbeitung auf Grundlage einer Perspektiverweiterung und -verschränkung anstreben. Das zeigt sich ebenfalls mit Blick auf die Gelingensbedingungen für Netzwerke und Kooperationen.
Bedingungen für gelingende Netzwerke und Kooperationen zwischen schulischen und außerschulischen Akteuren
Netzwerke und Kooperationen zwischen schulischen und außerschulischen Akteuren sind zentraler Kern von Bildungslandschaften. Auf Basis der vorliegenden Ergebnisdokumente der oben genannten Projekte (vgl. LJR 2016; Kreis Lippe 2015, AGOT 2014), der Berichte der wissenschaftlichen Begleitung (vgl. Sass 2015; zusammenfassend ebd. 2016) sowie einer ersten Bündelung der Projekte im gemeinsamen Dokument „Zukunftsplan Bildungslandschaften“ (Dialogforum Bildungslandschaften NRW 2018) lassen sich die folgenden Netzwerkbedingungen für die Kooperation außerschulischer und schulischer Akteure als wesentliche Gelingensbedingungen herausfiltern:
Hinsichtlich der Steuerungsebene bedarf es zentraler Schnittstellen – in den Ergebnisdokumenten der Projekte wird häufig von „zentralen Kümmerern“ gesprochen – die die dargestellten multidimensionalen Ebenen der beteiligten Akteure im Blick haben und miteinander in Einklang bringen. Zudem braucht es finanzielle und strukturelle Rahmenbedingungen, die den Prozess der Gestaltung von Bildungslandschaften begleiten. Sowohl seitens der Jugendarbeit – relevant ist hier unter anderem hauptamtliches Personal für die fachliche und verbindliche Mitarbeit in Bildungslandschaften – als auch seitens der Schule. Auch hier bedarf es klarer finanzieller Positionen zur Unterstützung der Kooperation mit Jugendarbeit. Zentral ist außerdem ein dem Prozess vorausgehender sowie ein den Prozess rahmender politischer Wille zur Veränderung (lokal, regional und auf Landesebene, das heißt mit Bezug auf alle relevanten Steuerungsebenen).
Mit Blick auf die Ebene des Sozialraums bedarf es Räumen und Möglichkeiten der Gestaltung von Bildungslandschaften im und durch den Sozialraum sowie der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen durch lokale Akteure und Einflussmöglichkeiten/Rückflüsse dieser Ebene auf die Steuerungsebene (bottom-up). Zudem ist das Ernstnehmen des Beteiligungsgedankens, das heißt des Einbezugs der Kinder und Jugendlichen in die Gestaltung von Bildungslandschaften, relevant. Auch aus dieser Perspektive bedarf es einer zentralen Schnittstelle, eines sogenannten zentralen Kümmerers.
Resümierend bedarf es folglich einer handlungsfeldübergreifenden Kommunalen Bildungslandschaft im obigen Sinne mit (transparenten) Rahmenstrukturen, die es Akteuren aller Handlungsfelder ermöglicht, gleichwertig teilzunehmen, und offenen Sozialräumen für die freie selbsttätige Gestaltung. Wesentlich zeigt sich hinsichtlich Vernetzung und Kooperation die Nachfrage nach einer zentralen Schnittstelle, die zwischen den Ebenen und Akteuren vermittelt, koordiniert und zusammenführt. Eine solche Schnittstelle weist auf den Bedarf hin, Bildungslandschaften handlungsfeldübergreifend zu denken, um eine gemeinsame Problemdefinition und -bearbeitung möglich zu machen. Eine zentrale Schnittstelle kann diesen Prozess der Kenntlichmachung und Vermittlung der unterschiedlichen Steuerungs- und Handlungslogiken der Handlungsfelder unterstützen.
Nimmt man nun die Ausgestaltung konkreter Kooperationen zwischen Schule und außerschulischen Partnern in den Blick, braucht es klare Vereinbarungen und Verbindlichkeiten für die Zusammenarbeit von Jugendarbeit und Schule; ein gemeinsames Bewusstsein und einen gemeinsamen Willen der Kooperationspartner über Ziel, Inhalte und Zielerreichung. Dazu gehört ein gemeinsamer Bildungsbegriff, ebenso Kenntnis über die Fachlichkeit und Perspektive des anderen Akteurs sowie Anerkennung dieser. Auch auf Basis dieser Ergebnisse lässt sich für eine handlungsfeldübergreifende Bildungslandschaft, in deren Kern die gegenseitige Perspektivenkenntnis, -einnahme und -verschränkung steht, argumentieren.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es in der Umsetzung von Bildungslandschaften für die Realisierung eines ganzheitlichen Bildungsbegriffs – was wiederum nur durch die Beteiligung aller Akteure in ihren eigenen (Bildungs-)Aufträgen erreicht werden kann – wesentlich ist, diese nicht als ein reines Steuerungskonzept oder Sozialraumkonzept zu denken und daraufhin zu gestalten, sondern als ein handlungsfeldübergreifendes Konzept, das Steuerungsebene und Sozialraum (jeweils mit den unterschiedlichen Logiken der Handlungsfelder) berücksichtigt und wechselseitig in Bezug setzt. Es braucht Initiierungen und Impulse aus Politik und Verwaltung sowie selbst gestartete und gestaltete Projekte aus dem Sozialraum – inklusive eines möglichen Rückflusses (im Sinne von tatsächlichem Einfluss) der Sozialraumebene auf die Steuerungsebene. Nur so gelingt es, einseitige Logiken aufzubrechen und Akteure gleichermaßen in den Gestaltungprozess einzubeziehen.
Perspektiven für die Schule[ntwicklung]
Bildungslandschaften handlungsfeldübergreifend, mit einer gemeinsamen, wechselseitigen Berücksichtigung von Steuerungsebene und Sozialraumebene zu konzeptionieren und praktisch umzusetzen, ermöglicht ebenfalls Perspektiven für die Schule[ntwicklung]. Relevant ist dabei zum einen die Verzahnung der Ebenen: „Wenn im Sozialraum der Schule Kooperationen gepflegt werden und eng mit der Bildungsverwaltung zusammengearbeitet wird, erhöht sich die Qualität von Schule und die Zufriedenheit aller Beteiligten.“ (Durdel 2009: 132) Dabei können die Entwicklung, Initiierung und Gestaltung von Bildungslandschaften sowie die Umsetzung des damit einhergehenden ganzheitlichen Bildungsbegriffs nicht allein durch die Schule[ntwicklung] erfolgen. Vielmehr bedarf es entgegen einer „Überforderung“ der Einzelschule und der Lehrkräfte (vgl. Coelen 2009: 89) multiprofessioneller Zusammenarbeit im Sinne der oben ausgearbeiteten handlungsfeldübergreifenden Bildungslandschaft. In Bezug auf die Ganztagsschulentwicklung formuliert Thomas Coelen (ebd.: 89), diese brauche „interprofessionelle Kompetenz“. Zentral ist hier die gegenseitige Anerkennung der anderen Fachlichkeit und ein „Abstimmen von eigenen beruflichen Handlungsvollzügen mit anderen pädagogischen Professionellen“ (ebd.: 92). Die Kooperationen mit außerschulischen Akteuren können dabei (Ganztags-)Schule auf zwei Weisen weiterentwickeln: 1) durch die Einbindung außerschulischer Akteure in das Handlungsfeld Schule, sowohl curricular a) als auch fächerergänzend b), sowie 2) durch die Öffnung von Schule: Schüler*innen erleben Bildungsangebote außerschulischer Partner innerhalb der Schulzeit, außerhalb des Schulorts (für die Kooperation von Schule und Kultur in diesem Sinne siehe Keuchel 2014). Basierend auf den Ergebnissen des Projekts „Wir hier“ lassen sich ebensolche differenten Arten der Mitgestaltung von Schule durch Jugendarbeit herausstellen: 1a) die Initiierung vertraglicher Bildungspartnerschaften, mit einer Gestaltung curriculare Inhalte durch Träger der Jugendarbeit (genannt sei hier die Bildungspartnerschaft zwischen dem JR Dortmund und der Droste-Hülshoff Realschule); 1b) das Angebot freiwillig ergänzender Angebote mit jugendverbandsspezifischen Inhalten (beispielsweise die Juleica-AG des Stadtjugendrings [SJR] Siegen an verschiedenen weiterführenden Schulen in Siegen); 2) die Öffnung von Schule in den Sozialraum (die Projektwoche „Lernen man anders“ des KJR Siegen-Wittgenstein).
Perspektiven für die Kultur[elle Bildung]
Auch für das Handlungsfeld Kultur lassen sich Querverbindungen und Parallelen zu den dargestellten analysierten Ergebnissen aus der Praxis des Handlungsfelds Jugend ziehen. Die identifizierten zentralen Schritte zur Gestaltung von Bildungslandschaften aus der Perspektive Jugend finden sich konzeptionell in ähnlicher Weise im Handlungsfeld Kultur, so beispielsweise im Konzept „Kommunale Gesamtkonzepte für kulturelle Bildung“ (Fuchs 2011: 133). Gleiches lässt sich für die oben dargelegten Bedingungen für Netzwerke und Kooperationen ausmachen. So finden sich diese etwa in den von der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) formulierten „Rahmenbedingungen für Kulturelle Bildung an der Schnittstelle außerschulischer und schulischer Bildung“ wieder (BKJ 2015: 19ff.). Der vorgeschlagene Ansatz der handlungsfeldübergreifenden Bildungslandschaft kann besonders fruchtbar für die Kultur[elle Bildung] sein. Da sie sich, wie eingangs dargestellt, weder strukturell noch bezüglich der Bildungsorte festlegen lässt, kommt ihr in einer als handlungsfeldübergreifend konzeptionierten Bildungslandschaft eine besondere Rolle zu: Sie ist von sich aus sowohl „steuerungsebenen-übergreifend“ als auch „bildungsort-übergreifend“ (Mack: 2012). Mit Wolfgang Mack (ebd.: 736f.) lässt sich für die Kulturelle Bildung zusammenfassen:
„In Bezug auf Planung, Organisation und Gestaltung von institutionalisierten Angeboten Kultureller Bildung ergibt sich daraus die Aufgabe, das Wechselspiel von formaler, non-formaler und informeller Bildung mit und durch Kunst und Kultur so zu gestalten, dass Bildungsprozesse als Ko-Konstruktionsprozess möglich werden. Dabei kommt Einrichtungen und Angeboten der außerschulischen Kulturellen Bildung als non-formalen Bildungsorten eine besondere Aufgabe zu, da sie einerseits gegenüber den Lebenswelten ihrer NutzerInnen offener sind als Institutionen formaler Bildung und da sie mit ihren institutionellen Strukturen und mit dem professionellen Wissen und Können ihrer ProtagonistInnen auch in der Lage sind, institutionalisierte Kooperationen und professionelle Arbeitsbeziehungen in Bezug auf Institutionen formaler Bildung einzugehen und mitzugestalten.“
Dadurch, dass das Handlungsfeld Kultur auf der Steuerungsebene sowie der Sozialraumebene quer zu den anderen Handlungsfeldern liegt und in diese auch „übergreifen“ kann, kann der Kultur[ellen Bildung] in dem gemeinsamen Gestaltungsprozess von Bildungslandschaften eine besondere Rolle bei der Perspektivverschränkung sowie der Vermittlung zwischen Steuerungslogiken und -prinzipien zukommen.
Konsequenzen für die Rolle der Kommune in Bildungslandschaften
Die oben dargelegten zentralen Schritte und Wege der Gestaltung von Bildungslandschaften durch Akteure sowie die Gelingensbedingungen für die Kooperation und Vernetzung zwischen Schule und außerschulischen Akteuren weisen bereits auf mögliche Konsequenzen für die Kommune hin. Die Kommune kann, so argumentiert der Beitrag, im Konzept der handlungsfeldübergreifenden Bildungslandschaft die besondere Rolle des zentralen, die Steuerungsebene und die Sozialraumebene verbindenden Orts einnehmen. Die Ergebnisse aus dem Handlungsfeld Jugend zeigen, dass sie Ort des sogenannten zentralen Kümmerers bzw. der zentralen Schnittstelle[n] zwischen den Ebenen und den Handlungsfeldern sein kann. Konkret lassen sich auf Grundlage aller vorliegender Projektberichte (vgl. LJR 2016; Kreis Lippe 2015; AGOT 2014) folgende erste Anforderungen an die Kommune in einer handlungsfeldübergreifenden Bildungslandschaft formulieren:
- Eine aufeinander abgestimmte, integrierte Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung (vgl. hierzu auch die Ergebnisse von Suthues/Bienek 2016; Hebborn 2011; Böllert 2011; Maykus 2009).
- Die Einrichtung kontinuierlicher Orte zum Austausch der verschiedenen
Bildungsakteure. Das deckt sich mit Stephan Maykus’ Vorschlag, auf Gremienebene gemeinsame Sitzungen von Schul- und Jugendhilfeausschüssen zu initiieren (Maykus 2009: 49). - Die Schaffung von dauerhaften Schnittstellen zwischen den verschiedenen Systemen („Vernetzungskümmerer“). Dieter Gnahs (2012: 120) spricht in diesem Zusammenhang von Kommunen als „Netzwerkknoten“. Norbert Sendzik et. al. (2012) analysieren mittels des Konzepts des Boundary-Spanners, dass das RBB die Kümmerrolle aktuell nur „inter-organisationell“ für das Handlungsfeld Schule einnimmt, es jedoch auch „intra-organisationelle“ Kümmerer braucht. Eine solche Rolle kann bei der Kommune angesiedelt sein. „Boundary-Spanner sind dabei solche Personen, die an Schnittstellen von Organisationen sitzen und sozusagen ‚Brückenfunktion‘ übernehmen, das heißt Informationen über Grenzen (boundaries) hinweg in beide Richtungen weiterreichen (Aldrich & Herker, 1977).“ (Sendzik et al. 2012: 336)
- Die Ausweitung Kommunaler Jugendförderung sowie eine kontinuierliche finanzielle Absicherung der Kinder- und Jugendarbeit vor Ort.
- Gleichzeitig bedarf es einer finanziellen und inhaltlichen Stärkung der RBB hinsichtlich der Öffnung für außerschulische Partner. Auch Schulen brauchen finanzielle und personelle Ressourcen zur Kooperation mit Jugendarbeit. Zudem ist die Einrichtung einer personellen Fachstelle aus der non-formalen Bildung in RBB sinnvoll.
- Öffnung der Kommune für bottom-up initiierte sozialräumliche Prozesse und Einbezug dieser und ihrer Konsequenzen in die Steuerungsebene. Es bedarf eines Raums für die eigenen Initiativen aller Bildungsakteure. Die Kommune wird so ein Ort für freie Räume sozialräumlicher Gestaltung von Bildungslandschaften.
An dieser Stelle argumentiert der Beitrag bewusst für bottom-up initiierte sozialräumliche Prozesse in Kommunen anstatt an den aktuell häufig in diesem Zusammenhang verwendeten Begriff des Local Governance anzuschließen. Kristina Eisnach (2011) fasst in ihrer Auseinandersetzung mit der „Ganztagsschulentwicklung in einer kommunalen Bildungslandschaft“ unter Governance einen Begriff von Steuerung und Kontrolle als einen Prozess der Interaktion zwischen kollektiven Akteuren und damit einen Prozess politischer und gesellschaftlicher (Selbst-)Steuerung (vgl. ebd.: 36). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Governance-Konzept durchaus auch kritisch gesehen werden kann (vgl. Sass 2015; Duveneck 2016). In „Bildungslandschaften verstehen. Zum Einfluss von Wettbewerbsbedingungen auf die Praxis“ zeigt Anika Duveneck (vgl. 2016) aus regulationstheoretischer Perspektive deutlich, dass Bildungslandschaften und das Interesse von Kommunen an ihnen durchaus auch durch die „Bedingungen des interkommunalen Wettbewerbs“ beeinflusst sind. Diese „leiten Kommunen zu einem instrumentellen Interesse an Bildungsvernetzung als Kostensparfaktor zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit an“ (ebd.: 46). Der ganzheitliche Bildungsbegriff im Zentrum des Konzepts der (kommunalen) Bildungslandschaften lässt sich auch vor dem Hintergrund der Anforderungen des Arbeitsmarkts begründen – Bildung ist ein „harter Standortfaktor“ (Leimkühler/Schöne 2012). Sogenannte lokale Governance-Strukturen verstärken und reproduzieren diese Wettbewerbslogik. Duveneck (vgl. 2016: 79ff.) zeigt am Beispiel des Campus Rütli in Berlin, wie durch die „Verantwortungsgemeinschaft“ bereits vorhandene lokale Ressourcen (finanziell wie personell) eingebunden werden, um Regelfinanzierungen zu kompensieren. Statt einer solchen „Verantwortungsgemeinschaft“ schlägt sie eine „Öffnung der Regelstrukturen für externe Expertise und individuelle Bedarfe der Adressatinnen und pädagogischen Fachkräfte“ vor (ebd.: 98). Der Beitrag schließt sich der kritischen Perspektive bezüglich des Governance-Konzepts an und plädiert anstelle einer top-down initiierten „Verantwortungsgemeinschaft“ für eine Öffnung der Kommune für freie Räume, in denen Entwicklungs- und Gestaltungsprozesse frei entstehen können. Nur so kann ein ganzheitlicher Bildungsbegriff (auch abseits von Verwertungsgedanken durch den Arbeitsmarkt) umgesetzt werden und können die unterschiedlichen Bildungsakteure in ihren eigenständigen Ansprüchen und Aufträgen gleichwertig einbezogen werden. Neben der Steuerung durch die Kommune – im Sinne eines Vernetzungsknotenpunkts, der die Steuerungs- und Handlungslogiken der beteiligten Akteure zusammenbinden und im Sinne einer handlungsfeldübergreifenden Bildungslandschaft aufeinander abstimmen kann bzw. Räume für diesen Prozess schaffen kann (siehe oben) –, bedarf es freier Räume, die eine tatsächlich selbst gesteuerte sozialräumliche Entwicklung von Bildungslandschaften durch lokale Akteure vor Ort ermöglichen, inklusive eines möglichen Rückflusses derer auf die Steuerungsebene. Zielperspektive ist folglich eine handlungsfeldübergreifende Bildungslandschaft mit einer wechselseitigen Verknüpfung von Steuerung und Freiraum im Sozialraum.