Wer macht was? Rollenverständnisse bei multiprofessioneller Zusammenarbeit in der Kulturellen Bildung am Beispiel von Musikunterricht
Abstract
Kooperationsprojekte in der Kulturellen Bildung können Teilhabemöglichkeiten steigern. Ihr Gelingen ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Ein zentraler Faktor davon ist das Rollenverständnis der projektleitenden Akteur*innen, v.a. in multiprofessionell aufgestellten Teams. Dieses Rollenverständnis kann flexibel mit dem Ansatz transprofessioneller Zusammenarbeit so gestaltet werden, dass das Projekt nicht nur Zugänge zu Kultureller Bildung für die Schüler*innen, sondern auch professionelle Weiterbildungsmöglichkeiten für die leitenden Akteur*innen eröffnet. Anhand empirischer Daten des Forschungsprojekts Kulturkomplizen (KULKOM) werden im vorliegenden Beitrag Rollenprozesse in einem transprofessionell ausgerichteten Projekt inhaltsanalytisch untersucht. Die Daten geben Einblicke in die Handlungsspielräume eines multiprofessionellen Teams und zeigen, wie in informellen Situationen des Musizierens Sicherheit und Offenheit als sich bedingende Faktoren für die Zusammenarbeit entstehen. Sie bilden die Grundlage für die flexible Übernahme von Aufgaben und Rollen in der Projektentwicklung und -durchführung.
Einleitung
Die Teilhabe an Kultureller Bildung soll Partizipation am kulturellen und gesellschaftlichen Leben ermöglichen und ist deshalb eine pädagogische und politische Zieldimension (vgl. Rat für Kulturelle Bildung e.V. 2021:6f.). Ein Mittel zur Förderung dieser Teilhabe sind Kooperationen zwischen Schulen und außerschulischen Partner*innen (vgl. Keuchel/Larue 2012:197). Sie eröffnen nicht nur den Schüler*innen Zugang zu Formen Kultureller Bildung abseits des gängigen Unterrichts, sondern auch den Institutionen Kultureller Bildung Möglichkeiten zur Vernetzung und Verankerung im kulturellen bzw. schulischen Umfeld (vgl. Keuchel 2013:161). Entsprechende Kooperationen zwischen Schule und außerschulischen Partner*innen sind jedoch nach Christel Kumbruck (2001:149):
„[...] kein Idealzustand, sondern ein Ringen um gemeinsames Handeln, das sich u.a. zwischen den Polen Arbeitsteilung und Kooperation, Konflikt und Kooperation, Konkurrenz und Kooperation, Individuums- und Gruppenorientierung, Koordination und Kooperation sowie Kommunikation und Kooperation bewegt.“
Kooperationen, bei denen schulische und außerschulische Alltagswelten zusammentreffen und koordiniert werden müssen, beinhalten unterschiedliche Herausforderungen wie z.B. Zielgruppenpassung, Finanzierungsfragen, Rollenaushandlungen und damit einhergehend Handlungsverantwortung. Die Themen Kooperation und speziell Handlungsverantwortung sind auch Teil des aktuellen Diskurses. In der Tagungsbeschreibung der Tagung „Was tun?“ des Netzwerks Forschung Kulturelle Bildung heißt es: „Indem Menschen handeln, treffen sie Entscheidungen für oder gegen bestimmte Intentionen, nehmen eine Rolle ein, formulieren Erwartungen, repräsentieren, priorisieren, letztlich: positionieren sich.“ (NFBK 2021:1).
Dem Aspekt der Rolleneinnahme kommt im folgenden Beitrag besondere Aufmerksamkeit zu. „Wer macht was?“ stellt die Frage nach Rollenprozessen, Rollenverteilungen und Handlungsverantwortung innerhalb des Leitungsteams bei Kooperationsprojekten Kultureller Bildung zwischen Schulen und außerschulischen Akteur*innen. In diesem Zusammenhang wird der Ansatz transprofessioneller Zusammenarbeit als Möglichkeit professioneller Selbstbildung bei gleichzeitig geteilter Verantwortungsübernahme in multiprofessionellen Teams vorgestellt. Die Umsetzung dessen wird anhand empirischer Daten aus dem Forschungsprojekt Kulturkomplizen (KULKOM) untersucht. KULKOM betrachtet Rollenstrukturen und -prozesse in einem Musikvermittlungsprojekt für Grundschulen, bei dem eine allgemeinbildende Lehrperson und Musik(vermittl)er*innen Schüler*innen neue Zugänge zu Musikalisch-Kultureller Bildung anbieten. Die Ergebnisse einer inhaltsanalytischen Auswertung von Reflexionstagebüchern, Fragebögen und Workshopprotokollen der Kooperationspraxis von KULKOM führen zu Schlussfolgerungen für weitere Untersuchungen und Impulsen für die praktische Umsetzung multiprofessioneller Kooperationen.
Problemaufriss und Fragestellung
Verschiedene Projekte, wie etwa Jedem Kind ein Instrument, Kultur macht stark und das Kulturagentenprogramm, haben Kooperationen in multiprofessionellen Teams (beispielsweise von Lehrpersonen und Künstler*innen) bereits initiiert und beforscht. Im Kontext dessen stellte sich bislang wiederholt die Frage der Rollenverteilung (z.B. Kulin 2016:60). „Rolle“, so Isolde Malmberg (2006), könne dabei als Übernahme bestimmter Aufgabenbereiche und Verantwortlichkeiten verstanden werden. Während die Untersuchung von Formen der Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams zeigt, dass Verantwortungs- und Rollenübernahme Schlüsselaspekte für das Gelingen von Kooperationsvorhaben darstellen (vgl. Kulin 2016:198), wird die Frage nach deren Ausgestaltung häufig zögerlich behandelt. So scheint die Aussage, dass das „Gelingen einer Begegnung von Kultur- und Bildungseinrichtung auf Augenhöhe […] von den jeweiligen Menschen ab[hängt]“ (Voit 2018:10), zwar auf Konsens zu treffen; was das Rollenverständnis allerdings abseits des Individuellen ausmacht, bleibt zunächst offen.
Um aus einer Gruppe von Einzelpersonen ein handlungsfähiges Team (im Sinne des Vermögens, gemeinsam zu handeln und zu gestalten) zu formen, ist eine klare Aufgaben- und Rollenverteilung nach Brigitte Frommherz und Therese Halfhilde in Rekurs auf Gabriele Stöger (1996) ein wichtiges Gelingenskriterium:
„Jedes Teammitglied hat eine bestimmte Funktion und Rolle. Eine diffuse und unklare Rollenverteilung und das Fehlen einer eindeutigen Aufgabenverteilung hindern die schulische Arbeitsgruppe daran, ihre volle Potenz zu entfalten.“ (Frommherz/Halfhide 2003:7, zit. nach Stöger 1996)
In anderen Quellen hingegen wird nicht von klarer Rollenaufteilung ausgegangen, sondern gerade der Aushandlungsprozess als wesentlicher Bestandteil der Team-Arbeit verstanden und dabei auf Rollenflexibilität für eine fruchtbare Zusammenarbeit gesetzt. Dies geschieht im Kontext transprofessionell angelegter Kooperation (vgl. Oberhaus/Eller 2018; Oberhaus/Kivi 2018). Sie unterscheidet sich von interprofessionell angelegter Kooperation, indem sie nicht nur inter, also zwischen verschiedenen Professionen im Austausch stattfindet, sondern trans, also über die Grenzen der Professionen hinaus, erweiternd und überschreitend ausgerichtet ist.
Aus diesen unterschiedlichen Perspektiven ergibt sich ein Kontinuum zwischen inter- und transprofessioneller Ausgestaltung, was zu folgenden Fragen führt:
- Was macht ein multiprofessionell aufgestelltes Team handlungsfähig?
- Welche Rahmenbedingungen können das Gelingen einer Vernetzung und Zusammenarbeit unterschiedlich kontextualisierter Akteur*innen begünstigen?
- Welche Bedeutung kommt der Rollenaushandlung der Kooperierenden dabei zu?
Transprofessionelle Zusammenarbeit: Einführung und theoretische Verortung
Bei der Erforschung kooperativer Gestaltungsformen von Lehrangeboten frühkindlicher musikalischer Bildung führen Lars Oberhaus und Ragnhild Eller (2018) sowie Lars Oberhaus und Alexis Kivi (2018) den Ansatz transprofessioneller Zusammenarbeit anhand des Projekts MuBiKi (Musikalisch-kulturelle Bildung in der Kita) in die deutschsprachige musikpädagogische Forschung ein. „Transprofessionalität“, ein Begriff, der sonst in angloamerikanischen Forschungen zum Gesundheitswesen auftritt, beschreibt eine Zusammenarbeit, die nicht nur interprofessionell ist (also beispielsweise zwischen „einer Regellehrkraft und einer musikalischen Fachkraft“ [Oberhaus/Kivi 2018:208] stattfindet), sondern eine Rollenerweiterung der jeweiligen Professionen der zusammenarbeitenden Personen anstrebt. Der Unterschied zwischen interprofessionellem „Team-Teaching“ (vgl. ebd.) und transprofessioneller Zusammenarbeit ist folglich, dass „transprofessionell“ eine Steigerung des jeweiligen professionellen (Handlungs-)Wissens meint und daher auf die Erweiterung und Überschreitung von Kompetenzen im bisherigen Berufsfeld gerichtet ist:
„Ziel ist der Erwerb neuer Handlungsroutinen durch Teilhabe am Wissen anderer. […] Die Teilnehmenden sollen wechselseitig voneinander lernen und flexibel Tätigkeiten aus dem anderen Beruf adaptieren“ (ebd.:209).
Anstelle einer Arbeitsteilung werden also von den Beteiligten bestimmte Kompetenzen beziehungsweise Erfahrungsfelder der Zusammenarbeitenden formuliert und flexibel umgesetzt, etwa, wenn Musiker*innen in einem Kooperationsprojekt mit einer Schule Verantwortung für pädagogische Aufgaben übernehmen und die kooperierende Lehrkraft für die musikalische Ausgestaltung, und dies flexibel variiert wird. Dementsprechend ist transprofessionelle Zusammenarbeit als Möglichkeit professioneller Selbstbildung zu verstehen (vgl. Fuchs 2017:31f.), die einer von Anfang an festgelegten Rollenaufteilung gegenübersteht.
Oberhaus und Kivi stellen fest, dass in der Praxis Tätigkeitsfelder im Team-Teaching tendenziell eher aufgeteilt als miteinander geteilt werden. Statt fruchtbaren Verbindungen resultiert hieraus häufig mehr Distanz zwischen den Beteiligten (vgl. Oberhaus/Kivi 2018:209). Demgegenüber bietet der Ansatz transprofessioneller Zusammenarbeit eine konzeptuelle Rahmung für die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams an, welche nicht nur Begegnungen zwischen den Berufsfeldern, sondern auch die Überschreitung von professionsspezifischen Kompetenzen durch flexible Übernahme von Aufgaben ermöglicht. Dies zielt auch auf eine Überschreitung rollenspezifischer Zuschreibungen und Stereotypen, niedriger Selbsteinschätzungen und (gegenseitigen) Unzulänglichkeitszuschreibungen ab.
In Abbildung 1 sind verschiedene Ausprägungen multiprofessioneller Zusammenarbeit zwischen inter- und transprofessioneller Ausrichtung in Anlehnung an Oberhaus (2020) zu sehen. Inter- und transprofessionelle Zusammenarbeit stellen dabei ein Kontinuum dar, welches den Akteur*innen einen flexiblen Einbezug ihres professionsbezogenen Wissens und gleichzeitig die Überschreitung traditioneller Berufspraxen erlaubt. Die Übergänge von interprofessionell zu transprofessionell ausgerichteter Zusammenarbeit beschreibt Karl-Oswald Bauer (2000:63) insofern als Entwicklungsprozesse eines spezifischen Handlungsrepertoires.
Anforderungen transprofessioneller Zusammenarbeit
Transprofessionell ausgerichtete Zusammenarbeit ist voraussetzungsreich. Das zeigen die Evaluationsergebnisse der Weiterbildungsförderung „MuBiKi“ (Oberhaus/ Eller 2018:7):
„Sofern Künstler in Schulen bzw. in pädagogischen Praxen eingebunden werden und Projekte gestalten, sind sie nicht Gäste, die eine andere Institution besuchen, sondern Partner, die ihre Kompetenzen in ein neues Feld einbringen und dieses modifizieren. Damit ergeben sich große Herausforderungen, denn der Austausch ist immer mit einer Reflexion und Veränderung der Rolle gebunden.“
Hier werden drei Aspekte hervorgehoben. Erstens erfordert Transprofessionalität die Bereitschaft und Fähigkeit, eine gleichwertige Projekt-Partnerschaft einzugehen, und damit alle Verantwortlichkeiten zu teilen. Zweitens geht es um das Bemühen und die Bereitschaft, das eigene Wirken zur kritisch-reflektierenden Disposition zu stellen. Denn eine belastbare transprofessionelle Zusammenarbeit erfordert, „seinen eigenen professionellen Zugang, sein professionelles Selbstverständnis zu überprüfen und zu reflektieren“ (Fuchs 2017:32). Darauf aufbauend besteht drittens die Zielsetzung, individuelle Kompetenzen und Fähigkeiten zu erweitern. Hierfür ist die Bereitschaft gefordert, das eigene Rollenverständnis für Veränderungen zu öffnen und sich auf mitunter anstrengende und unbequeme Lernprozesse einzulassen. Ein Beispiel dafür ist das „Verlernen“ berufsbezogener Privilegien, was María Do Mar Castro Varela (2017:1) in Rekurs auf Gayatri Chakravorty Spivak als „anstrengende Lern-Praxis-Erfahrung“ beschreibt. Ein solches „Verlernen“ beziehungsweise „Neu-Lernen“ erfordert „eine selbstkritische Auseinandersetzung mit den eigenen Privilegien“ (ebd.). Um gerade die Verbindung von Akteur*innen aus vorwiegend pädagogisch oder künstlerisch orientierten Kontexten zu stärken und damit zusammenhängend „stereotype Haltungen gegenüber Berufspraxen zu überwinden“ (Oberhaus/Kivi 2018:218), sind die drei aufgeführten Aspekte Partnerschaftlichkeit, Selbstreflexion und Rollenerweiterung Voraussetzungen transprofessioneller Zusammenarbeit.
Transprofessionalität in der Praxis: Einblicke in das Forschungsprojekt KULKOM
Das Forschungsprojekt KULKOM Kulturkomplizen (2020–2022) untersucht die Zusammenarbeit von einer Grundschullehrperson und vier Musiker*innen (drei davon mit zusätzlicher Musikvermittlungs-Ausbildung) im allgemeinbildenden Musikunterricht in Anlehnung an den Ansatz transprofessioneller Zusammenarbeit. KULKOM orientiert sich an der Forschungsstrategie der Design-Based Research (McKenney/Reeves 2013). Forschungs- und Praxisperspektiven werden im Projektverlauf gleichwertig verschränkt und im Zuge einer Parallelführung von Theoriegenerierung und Praxisimplementierung beforscht. Dabei werden drei Phasen durchlaufen, in welchen die Akteur*innen der Leitungsebene (Musiklehrperson und Musik(vermittl)er*innen) von Beginn an gestaltend tätig sind.
In einer dreimonatigen Workshopphase entwickelten sie, aufbauend auf Ergebnisse einer vorausgehenden theorie- und empiriegestützten Bedürfnisanalyse, fünf Module für den Musikunterricht dreier vierter Klassen einer deutschsprachigen öffentlichen Volksschule in einem städtischen Umfeld in Südtirol (Phase 1). Über den Zeitraum von jeweils sieben Wochen wurden die Module in Klasse a pilotiert, überarbeitet und zyklisch in den Klassen b und c re-implementiert (Phase 2) sowie abschließend reflektiert und aufbereitet (Phase 3).
Mit der gemeinsamen Unterrichtsentwicklung und -gestaltung im multiprofessionellen Leitungsteam wird eine doppelte Zielsetzung verfolgt. Auf Schüler*innenebene geht es um eine Erweiterung des Musikunterrichts um vielfältige musikalische Praxen und Prägungen der Akteur*innen als ergänzende Lern- und Erfahrungsmöglichkeit. Auf der Leitungsebene geht es um eine berufswelterweiternde Zusammenarbeit. KULKOM ist also von der Idee getragen, sowohl die Lehrperson instrumentalpädagogisch als auch die Musik(vermittl)er*innen (schul)pädagogisch zu fördern. Auch wenn die Akteur*innen hierfür professionsspezifisch ausgewählt wurden, strebt KULKOM eine Überschreitung und Reflexion klassischer Berufsbilder an.
KULKOM ist an die Freie Universität Bozen angegliedert und rekurriert mit dem Titel Kulturkomplizen auf den Begriff der „Komplizenschaft“ nach Gesa Ziemer, verstanden als gemeinsame Arbeitspraktik in „innovativen Kontexten […] bei gleichzeitiger Gesamtverantwortung der beteiligten Akteure“ (Ziemer 2019:304). Damit wird eine Grundidee transprofessioneller Zusammenarbeit transportiert, welche im Forschungsprojekt von Beginn an eine zentrale Rolle einnimmt. Die geteilte Verantwortung der Akteur*innen bildet die Basis für einen konstruktiven Einbezug ihrer Perspektiven und Kompetenzen in allen drei Phasen von KULKOM bis hin zur Aufbereitung der Forschungsergebnisse für die pädagogische und wissenschaftliche Praxis.
Wichtig für die folgende Teilauswertung der empirischen Daten sind drei Ebenen, die das KULKOM-Projekt kennzeichnen: erstens die Ebene der Akteur*innen und deren biografische Hintergründe, zweitens die Ebene der Schule und der vorhandenen zeitlichen und räumlichen Ressourcen sowie drittens die Ebene des Forschungsprojekts.
Datenerhebung und Auswertungsmethoden
Entlang der forschungsleitenden Fragestellungen dieses Beitrags wurden die Akteur*innen der Leitungsebene (ALE[a-e]) als Bezugspunkt der Datenauswertung gewählt. Die Prozesse multiprofessioneller Kooperation, die in diesem Beitrag betrachtet werden, reflektierten diese Akteur*innen in individuellen Reflexionstagebüchern (R) (entlang des „4x4 Reflexionsmodells“ nach Martin Widmaier (2020)) und Fragebögen (F). Dies geschah prozessbegleitend und im Anschluss an den ersten Zyklus. Dabei wurden die Fragebögen im Zeitraum von zwei bis fünf Wochen nach dessen Abschluss ausgefüllt. Die Auswertung ermöglicht so nicht nur Einblicke in die Handlungsspielräume des Projekts, sondern auch in dessen Reflexionsprozess. Zusätzlich sind die ersten beiden Protokolle (P) der sechs Vorbereitungs-Workshops Teil des Datensatzes. In diesen Workshops erarbeiteten die Akteur*innen unter Moderation der Forschungsprojektverantwortlichen sogenannte Standards of Presence (Bedürfnisse, Grundlagen und Zieldimensionen der Zusammenarbeit in Anlehnung an Amy Edmondson (1999)).
Der Datensatz (R, F, P) wurde im Forscher*innenteam mittels der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring (2010; 2015) und Udo Kuckartz (2018) sowie mithilfe der Software MAXQDA ausgewertet. Angefangen mit der initiierenden Textarbeit wurden thematische Hauptkategorien entwickelt (deduktiv) und das gesamte Datenmaterial codiert. Das Bestimmen induktiver Subkategorien und erneute Codierdurchläufe mit Überarbeitungen führten zu einem ausdifferenzierten Kategoriensystem.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der Datenauswertung sind in drei Hauptkategorien ausdifferenziert. Die erste Kategorie umfasst Aspekte der Handlungsfähigkeit, die zweite Kategorie Rahmenbedingungen und die dritte Kategorie bezieht sich auf Aspekte der Rollenaushandlung (s. Abbildung 2). Während die Handlungsfähigkeit die akteur*innenbezogenen Gelingensbedingungen umfasst, die eine transprofessionelle Zusammenarbeit möglich machen, sind die Rahmenbedingungen als Teil dieser Gelingensbedingungen zu verstehen, die bei der Projektkonzeption vorbereitet werden können. Die Rollenaushandlung wiederum wird durch die Gesamtheit der Gelingensbedingungen (inkl. der Rahmenbedingungen) ermöglicht, verhält sich aber zugleich mit diesen in Wechselwirkung. Dementsprechend stehen die drei unten dargestellten Ebenen nicht in einem äquivalenten Verhältnis zueinander, vielmehr sind sie durch diese Wechselwirkungen miteinander verflochten.
Die Handlungsfähigkeit, also inwiefern sich das Team als aktiv gestaltend und handelnd empfindet, gliedert sich in die Subkategorien Projektbezug, Gruppendynamik, Persönlichkeitsmerkmale und Kompetenzen. Mit dem Projektbezug wird die Relevanz des positiven Bezugs der Akteur*innen zum Projekt hervorgehoben. Er spiegelt sich in der Motivation zur Mitarbeit wider und bildet die Grundlage für eine starke Involviertheit bis hin zur Identifikation mit dem Projekt:
„Der Titel hat mich sofort angesprochen und ich habe meine Bereitschaft erklärt. Danach nahmen [Projektleitende] und ich Kontakt auf, und ich war freudig überrascht, dass ich an dem Projekt teilnehmen konnte, das auch in der Grundschule stattfand, die ich selbst 20 Jahre zuvor besucht hatte." (ALEc R:1)
Im Zusammenhang damit stehen auch die Außenwirkung des Projektes (etwa durch eine Aufführung), die dadurch gestärkte Identifikation und die geteilte Zielperspektive sowie das Vertrauen in das Projekt, das sich insbesondere durch die unmittelbare Interaktion der Akteur*innen in der Vorbereitungsphase entwickelte: „[...] der persönliche Austausch hat das Vertrauen in unsere Fähigkeiten und in das enorme Potenzial des Projekts gestärkt.“ (ALEa R:2). Bezogen auf die Zielperspektiven der Akteur*innen ergibt die Auswertung, dass diese keineswegs identisch sein müssen. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass unterschiedliche Zielperspektiven (im Fall von KULKOM etwa „Institutionen besser kennen lernen, Schüler*innenbezogenheit, Weitergabe von Wissen, Teamarbeit (insbesondere nach den Covid-19-Erfahrungen), gemeinsames Musizieren, Austausch von Ideen“ (ALEa-d F:27,A1-4)) gemeinschaftlich im Team getragen werden. Die zweite Subkategorie, die Gruppendynamik, umfasst zum einen eine offene, transparente Kommunikation im Sinne von Reflexion und Rückmeldung:
„Eine offene Haltung, Vertrauen in der Gruppe, gutes und aufmerksames Zuhören, Hilfe bei Unklarheiten, Mithilfe bei Entscheidungen, keine Scheu davor haben die eigene Meinung mit einzubringen, wenn ich eine Frage hatte dass ich eine ehrliche Antwort bekomme” (ALEb F:27,A3).
Zum anderen zählen dazu die Herausbildung von Teamgeist im Sinne einer wertschätzenden Haltung und dem Selbstbewusstsein als Team. In Bezug auf den vierten Workshop, bei dem gemeinsam musikalisch geprobt und ausprobiert wurde, äußerte ALEd (R:2): „Wow… ich glaube nach diesem Treffen kann man uns wirklich als starkes Team bezeichnen. Ich hatte heute soooo viel Spaß wie lange nicht mehr." In dieser Äußerung zeigt sich auch, dass diese Subkategorie insbesondere durch (informellere) Situationen des gemeinsamen Musizierens in der Workshopphase und in den Unterrichtsstunden gefördert wurde, worauf sich auch ALEc bezieht (R:3):
„Das Treffen, an das ich mich am liebsten erinnere, war sicherlich die ,Probe‘, die in [privater Umgebung] stattfand, um das Klassen- und Abschlusskonzert vorzubereiten. Wir tauschten viele pädagogische Vorschläge in Verbindung mit Musik aus, was in Verbindung mit einer herzlichen und entspannten Umgebung eine sehr produktive Gruppenarbeit ermöglichte. Das Treffen ermöglichte auch den Aufbau eines guten Verhältnisses zwischen den Teilnehmern, was für mich persönlich der eigentliche Wendepunkt des Projekts war.“
Ein weiterer Gelingensfaktor wurde auf individueller Ebene, nämlich in Bezug auf Persönlichkeitsmerkmale sichtbar. Die Datenauswertung zeigt, dass Flexibilität und Offenheit, emotionale Intelligenz, Vertrauen und ein professionelles Selbstverständnis es dem Team ermöglichten, in einen „anregend[en] und konstruktiv[en]“ (ALEc F:28,A1) Austausch miteinander zu treten. Diesen Anspruch stellten die Akteur*innen an sich selbst und gegenseitig. So wurden auf die Frage nach förderlichen Eigenschaften der Akteur*innen „Loyalität [und] wertschätzende Haltung gegenüber der Arbeit der Projektkolleg*innen“ (ALEa-e P:1) angeführt. Außerdem nehmen die Kompetenzen zur Organisation, (musik-)pädagogische Kompetenz, Kreativität und Reflexionskompetenz Schlüsselrollen für die gemeinsame Handlungsfähigkeit ein:
„Unser Kulturkomplizen-Team besteht aus sechs unterschiedlichen, individuellen und kreativen Köpfen, welche aufeinander [zu]treten. Deshalb empfand ich unsere Gruppe als äußerst vielfältig. Jeder hat seine eigenen Ideen in die Gruppe mit eingebracht und jede wurde versucht umzusetzen.” (ALEb R:1)
Zu den Rahmenbedingungen als Aspekt der Handlungsfähigkeit gehören die Umgebung des Projekts, die Anzahl der kooperierenden Akteur*innen der Leitungsebene und die Vorbereitung. Dass hierin eine wichtige Komponente für die Handlungsfähigkeit des Projektteams liegt, äußert ALEe (F33:A2): „Die Vorbereitung bei diesem Projekt war so hervorragend organisiert, dass wir uns auf einer sicheren und stabilen Basis wundervoll entfalten konnten.“ Ebenso haben die Veranlagung und Vorbereitung der Zielgruppe einen zentralen Stellenwert:
„[Das Projekt] wäre nicht möglich gewesen ohne die hervorragende Arbeit von [der] Lehrperson, die den Kindern eine große Liebe zur Musik einflößte. Die Veranlagung der Kinder hat uns die Arbeit sehr erleichtert und sie haben die Möglichkeit, die Instrumente aus der Nähe kennenzulernen und vor allem gemeinsam zu musizieren, sicher noch mehr zu schätzen gewusst.“ (ALEa R:5)
Darüber hinaus werden eine (sprach-)barrierefreie Kommunikation sowie ein Klima der Offenheit für das Einbringen von Ideen und Bedürfnissen der Akteur*innen in den Reflexionstagebüchern hervorgehoben:
„Das Positivste war, dass wir einige musikalische Entscheidungen gemeinsam treffen konnten: welche Lieder wir zusammen spielen und wie wir unsere unterschiedlichen Fähigkeiten für die Schüler kombinieren können. Es hat mir sehr geholfen, dass ich mich von den verschiedenen Ideen der anderen Projektteilnehmer inspirieren lassen konnte." (ALEc R:2)
Gleichzeitig sind in der Kategorie der Rahmenbedingungen auch eine klare und transparente Struktur und professionelle und gemeinschaftliche Organisation sowie gemeinsame Rituale von Bedeutung. Ein Beispiel hierfür sind sogenannte Check-ins und Check-outs zu Beginn bzw. zum Abschluss der Treffen: „Diese haben das Treffen sehr gelockert und sie waren für mich eine besondere Hilfe in Hinblick auf meine Reflexion. Sie ermöglichten zudem ein Kennenlernen auf einer anderen Ebene.“ (ALEd R:1). Auch der Zeitfaktor spielt hier eine Rolle. Genügend Spielraum für Gruppenprozesse, Flexibilität für Gestaltungsspielräume und ausreichend Zeit für die Durchführung und Nachbereitung des Projekts selbst sind notwendig. Dass sich dies wiederum positiv auf die flexible Unterrichtsgestaltung auswirkt, zeigen die KULKOM-Daten beispielsweise anhand von ALEas Reflexion der zweiten Hälfte der Workshopphase (R:3):
„Auf der zweiten Achse [des Reflexionsquadrats] finden wir die Änderung der Einstellung. Wir sind viel spontaner und ,rastloser‘ im guten Sinne des Wortes, also proaktiver und begierig, Neues umzusetzen.”
Eine Bewertungsskala der Vorbereitungsworkshops und Unterrichtsstunden von KULKOM zeigt, dass die Zufriedenheit bezüglich der Zusammenarbeit und emotionalen Involviertheit der Akteur*innen im zeitlichen Verlauf ansteigen. Das könnte darauf hinweisen, dass die Kontinuität der Zusammenarbeit zur Zufriedenheit über diese beitragen. Insofern zeigt sich die Entwicklung eines Teamgefühls als zeitintensiver Prozess.
Auf Grundlage der Handlungsfähigkeit und der Rahmenbedingungen wird nun der zentrale Untersuchungsaspekt der Rollenaushandlung in den Blick genommen. Hierbei stehen das Bedürfnis nach Sicherheit und Klarheit der Rolle und auch danach, genug in Bezug auf Aufgaben- und Verantwortungsübernahme beitragen zu können, insbesondere zu Beginn der Zusammenarbeit im Vordergrund:
„Ich muss sagen, dass ich nur zu Beginn, also bei der Definition meiner Rolle im Projekt, Schwierigkeiten hatte. Jedoch hat auch das Team mir immer eine Sicherheit gegeben und ich wusste, wenn ich Schwierigkeiten gehabt hätte, hätte ich gemeinsam mit dem Team eine Lösung gefunden." (ALEb F32:A3)
Des Weiteren werden Reflexionen der Rolle im Verhältnis zu den anderen Akteur*innen und eine kompetenz- und expertisenbasierte Aufgaben- und Verantwortungsübernahme sowie die „Möglichkeit des Lernens und Wachsens“ (ALEa-e P:1) in den Daten sichtbar. ALEb beschreibt die eigenen Lernprozesse und den Wissenstransfer im Zuge der Zusammenarbeit folgendermaßen:
„Als Jüngste und noch wahrscheinlich Unerfahrenste konnte ich sehr viel von den anderen Teammitgliedern lernen. Besonders auch im Hinblick auf den Beruf der Lehrperson. Insbesondere auf die Organisation und Planung. Ich habe von jedem Mitglied der Gruppe etwas lernen können und am meisten auch von den Kindern.“ (ALEb F29:A3)
Dabei handelt es sich nicht nur um einen Wissenstransfer auf fachdidaktischer Ebene, auch individuelle „Soft Skills“ werden erweitert: „Es hat mich nicht nur in der didaktischen Umsetzung bereichert, sondern auch in meiner eigenen individuellen Persönlichkeit” (ALEb R:2).
Durch alle drei Kategorien hinweg zeigen sich informelle, nicht-vorstrukturierte Situationen und das gemeinsame Musizieren und Improvisieren (bzw. eine Kombination dieser Faktoren) als verbindend und förderlich. Besonders deutlich wird der Stellenwert dessen von ALEa (R:2) hervorgehoben:
„Das dritte Treffen war meiner Meinung nach der Wendepunkt, an dem wir endlich die Balance als Gruppe fanden und die Schüchternheit, die die ersten Sitzungen kennzeichnete, hinter uns ließen. Der Auslöser war natürlich die musikalische Aktivität: wir spielten zusammen mit dem Ziel, das Repertoire zu bestimmen, um in der ersten Sitzung mit den Kindern eine kurze Präsentation unserer Instrumente zu machen. All dies führte zu einigen Änderungen. Ich denke, das ist die endgültige Situation, dieser Gleichgewichtspunkt als Arbeitsteam, nach dem wir von Anfang an gesucht haben."
Diskussion und Ausblick
„Transprofessionalität lässt sich nicht als Fertigpaket anbieten, sondern ist nur durch das eigene, mühevolle Zusammenführen durch die Teilnehmenden selbst und durch die Fülle unterschiedlicher Angebote möglich.“ (Oberhaus 2020:238)
Welche Faktoren für dieses Zusammenführen von Bedeutung sind, zeigt der Blick auf die Ergebnisse der Datenanalyse von KULKOM. Das Projekt war von Anfang an so gestaltet, dass alle Akteur*innen der Leitungsebene gemeinschaftlich die Verantwortung trugen. Die Projektstunden wurden gemeinschaftlich geplant und durchgeführt. Dabei wurde auf eine traditionelle Aufgabenverteilung verzichtet (z.B. Musiker*innen geben fachlichen Input, Lehrpersonen übernehmen pädagogische Aufgaben). Vielmehr hat das Team die fachlichen und pädagogischen Bereiche gemeinsam er- und bearbeitet. Die Voraussetzungen für ein transprofessionelles Projekt, in dem Professionsgrenzen überschritten werden konnten und sich nicht nur den Schüler*innen, sondern auch den Akteur*innen der Leitungsebene neue Impulse und Entwicklungspotenziale eröffneten, waren durch die Anlage des Projekts also gegeben.
Dennoch, oder gerade deshalb, zeigten sich im Datenmaterial zwei Bedürfnisse, die vorerst den Anschein einer Antinomie erwecken: Sicherheit und Offenheit. Das Bedürfnis nach Sicherheit wurde zunächst im Wunsch nach klaren Rollenverhältnissen und Klarheit über die eigenen Aufgabenbereiche sichtbar. Zugleich bestand jedoch der Wunsch nach Offenheit für das Einbringen von Ideen und das „Lernen und Wachsen“ (vgl. ALEa-d P:1) im Sinne einer Weiterentwicklung und Rollenüberschreitung.
Diese beiden Aspekte entpuppten sich letztlich, entgegen der anfänglichen Annahme, nicht als Antinomie. Dem Bedürfnis nach Sicherheit konnte in diesem Projekt nämlich nicht durch festgelegte Verantwortungsbereiche und Rollenübernahmen nachgekommen werden, sondern durch echte Partnerschaftlichkeit zwischen den Akteur*innen der Leitungsebene, durch offene Kommunikation, Vertrauen und eine klare Struktur. Diese Faktoren und die zeitintensive Workshopphase ermöglichten wiederum Offenheit, Neugier und Flexibilität, sodass Rollenerweiterungen und wechselseitiges Lernen stattfanden.
Eine Besonderheit dieses Projekts sowie transprofessioneller Projekte im musikalischen Bereich im Allgemeinen ist die Hybridität von Musiker*innen- und (Musik-)Lehrer*innenbiografien. Das Berufsprofil von Musiker*innen ist seit Längerem zumeist als Portfolio-Biografie angelegt (vgl. Smilde 2013). Kaum ein*e Musiker*in bestreitet den beruflichen Werdegang, ohne jemals mit dem pädagogischen Bereich in Kontakt zu kommen (zumeist im Rahmen von Instrumentalunterricht). Andererseits sind studierte Musiklehrer*innen (bzw. im Fall von KULKOM allgemein ausgebildete Grundschullehrpersonen) auch zu einem gewissen Anteil Musiker*innen. Dies liegt schon allein daran, dass das Schulmusikstudium (bzw. im Fall von KULKOM das Bildungswissenschaftsstudium für den Primarbereich) sowohl pädagogisch als auch künstlerisch und wissenschaftlich ausgerichtet ist (vgl. Buchborn et al. 2019). Diese Hybridität wurde in den KULKOM-Daten sichtbar. Bei Angaben zur Profession etwa kreuzte eine Person im Fragebogen sowohl Musiker*in als auch Lehrperson an (vgl. ALEc F1). Sie identifiziert sich demnach mit beiden Positionen.
Außerdem evoziert der Projektkontext Schule automatisch eine Positionierung, da die Lehrperson dort angestellt ist und es sich somit um ihr gewohntes Arbeitsumfeld handelt. Die anderen Akteur*innen hingegen begegnen einem neuen (Arbeits-)Umfeld. Dadurch kann es trotz hybrider biografischer Voraussetzung im Projektkontext zur Übernahme bestimmter Rollen kommen. Aus diesem Grund bleibt eine transprofessionelle Herangehensweise trotz hybrider biografischer Voraussetzungen auch in der Musikalisch-Kulturellen Bildung eine Herausforderung.
Auch wenn (Kooperations-)Projekte eine beliebte und erwünschte Ergänzung zum Schulalltag darstellen, werden sie dennoch der Kritik unterzogen, oft nicht nachhaltig zu sein. In der kritischen Auseinandersetzung mit diesem Thema wird teilweise der Begriff „Projektitis“ verwendet (z.B. Könnecke 2012:178). Dahinter steht der Ansatz, dass die Fördermittel, welche für Projekte in der Kulturellen Bildung fließen, nachhaltiger in kontinuierlichen Maßnahmen angelegt werden sollten, um leuchtturmartige Bildungsangebote durch breit gestreute, andauernde zu ersetzen. Die Diskussion um Fördermittel in der Kulturellen Bildung wird hier nicht vertieft, jedoch ist anzuführen, dass das Bildungspotenzial bei transprofessionellen Projekten durch die Entwicklungsmöglichkeiten im Rahmen eines gemeinsam getragenen Projekts auch auf Leitungsebene eingelöst werden kann. Damit verbundene professionsüberschreitende Bildungserlebnisse können wiederum positive Konsequenzen für das kontinuierliche kulturelle Bildungsangebot haben (im Fall der Musiklehrperson z.B. für den Musikunterricht). So kann hier eine neue Ebene der Nachhaltigkeit erschlossen werden.
Fazit
Im vorliegenden Beitrag wurde herausgearbeitet, welcher Bedingungen eine gelingende transprofessionelle Ausrichtung multiprofessioneller Zusammenarbeit bedarf. Nun stellt sich die Frage, wie die gewonnenen Erkenntnisse auf weitere Projekte übertragen werden könnten, wenn bei diesen möglicherweise nicht die gleichen Ressourcen wie bei KULKOM zur Verfügung stehen. Diesbezüglich sind die geteilte Verantwortungsübernahme und dementsprechend das gemeinsame Entscheiden als Kernpunkte transprofessioneller Zusammenarbeit hervorzuheben. Diese sowie eine Sensibilität für die Bedingungen (z.B. für die Wichtigkeit des informellen Austauschs, des gemeinsamen Musizierens oder gemeinsamer Rituale) bei der Konzeption von Projekten können auf andere Kontexte übertragen werden, auch wenn nicht alle Einzelheiten in jedem Kontext umsetzbar sind. Gleichzeitig zeigt sich die Selbstreflexion auf individueller Ebene im Projektverlauf als wichtiges Mittel der Weiterentwicklung. Entwickeln die Kooperierenden bereits vor Beginn des Projekts ein Bewusstsein bzgl. der eigenen Ressourcen, Zielsetzungen und Risikobereitschaft, können sie abwägen, für welche Ausrichtung und Intensität von Kooperation sie bereit sind. Wenn die Umgangsweise zudem auf einer offenen Kommunikation aufbaut, kann durch gemeinsame Verantwortungsübernahme schneller auf ressourcenbedingte Schwierigkeiten reagiert werden.
Obwohl also eine kompetenzbasierte Rollenaufteilung häufig als produktiver Weg multiprofessioneller Zusammenarbeit beschrieben (Niessen 2013:41) und ein Abweichen davon als riskant für den Projektverlauf eingeschätzt wurde, kann die Flexibilität, die mit der Verantwortungsteilung einhergeht, genau auf dieser Ebene positive Effekte haben. Nicht zuletzt schützt eine flexible Aufgabenübernahme auch vor personenbedingten Zwischenfällen (z.B. Krankheitsfälle). Dies ereignete sich beispielsweise im zweiten Zyklus von KULKOM, bei dem ein*e Akteur*in zwischenzeitig verhindert war, was von den weiteren Akteur*innen aufgefangen werden konnte, ohne dass inhaltliche Änderungen vorgenommen werden mussten. Transprofessionell ausgerichtete Zusammenarbeit kann, so zeigte sich, ihren Akteur*innen berufswelterweiterndes Wachstum durch Partnerschaftlichkeit und Selbstreflexion ermöglichen. Im ersten Projektzyklus von KULKOM, der in diesem Beitrag betrachtet wurde, zeigen sich diesbezüglich klare Andeutungen, wenngleich eindeutige Nachweise für eine Veränderung der Handlungspraxis angesichts der zeitlichen Begrenztheit in den darauffolgenden Zyklen zu validieren sind. Während KULKOM bislang einen eher idealtypischen Verlauf nahm, was sicherlich mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen und einer akribischen Vorbereitung einherging, die in der Alltagspraxis Kultureller Bildung nicht immer gegeben sind, konnten dennoch Erkenntnisse für die Kulturelle Bildungspraxis abgeleitet und eine mögliche Passung des vorgestellten Ansatzes für ebendiese aufgezeigt werden.