Schulen heute bauen: Schulhausarchitektur und (kunst-)pädagogischer Gegenwartsdiskurs

Artikel-Metadaten

von Joachim Kettel

Erscheinungsjahr: 2020

Abstract

Schule hat die Funktion, die Entwicklung des heranwachsenden Menschen zu fördern und zu sichern. Die gesellschaftlichen und pädagogischen Aufgaben der Schule wirken sich auch auf die architektonische Form und Gestaltung von Schulbau und Schulgelände aus, wie umgekehrt die architektonischen Gegebenheiten auf die in ihr Tätigen einwirken. Insofern kommt dem Schulbau in seiner Geschichte und Gegenwart als Spiegel der jeweiligen politischen, sozialen, ökonomischen, kulturellen und architektonischen Selbstverständnisse in Bezug auf Menschenbild, Bildung und Erziehung eine paradigmatische Rolle zu. Die Geschichte des Schulbaus ist von Konjunkturen des an- und abschwellenden Interesses geprägt, die die jeweiligen sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Erfordernisse an Bildung und Erziehung artikulieren, so dass sich zwar unterschiedliche architektonische Selbstverständnisse und Typisierungen bilden, es jedoch keine in der Breite wirksamen Baukonzepte von übergeordneter, allgemeiner Gültigkeit gibt. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Diskussionen um veränderte Lehr-Lern-Kulturen stellt sich die Frage nach einer angemessenen Schulhausarchitektur wieder neu. 

Bildung und Architektur

Bildung stellt eine wesentliche Ressource hochentwickelter, komplexer spätmoderner Gesellschaften da, sie ist entscheidend für die Zukunftsfähigkeit derselben. Diese steht in einem sehr engen Zusammenhang mit den Orten, an denen Bildung geschieht. Sie wird durch die räumlichen Gegebenheiten und die damit verbundenen Funktionen und Atmosphären entscheidend geprägt. Aus diesem Grund ist eine Sensibilität der Architekt*innen gegenüber dem Bildungsdiskurs wünschenswert, die zu einer gelingenden Kooperation der am Schulhausbau Beteiligten führen sollte. 

Die sich aktuell vollziehenden konzeptionellen Veränderungen in der Pädagogik haben bedeutende Einflüsse auf die räumlichen Strukturen, Qualitäten, Flächen und Planungsprozesse im Schulbau. Die pädagogischen Konzepte sollten im Zusammenhang mit den kulturellen, sozialen, politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklungen gesehen werden und den damit verbundenen sich wandelnden Ansprüchen an die Gebäude. Der Raum als ‚dritter Pädagoge‘ (Loris Malaguzzi) hat entscheidenden Einfluss auf das Lehr- und Lernverhalten an den Schulen. 

Die Schulhausarchitektur spiegelt die jeweils geltenden pädagogischen, kulturellen, sozialen, ökonomischen und technischen Gegebenheiten wider. So waren Schulgebäude zu Zeiten der Industrialisierung auf Disziplinierung, Vereinheitlichung, Operationalisierung und Ordnungsprinzipen wie Fordismus und Postfordismus ausgerichtet und werden zum Teil bis heute noch so genutzt – von der Kaserne über die Flurschule bis hin zum nahezu fensterlosen Großcontainer, obwohl sich die pädagogischen Prämissen in den letzten Jahren grundlegend gewandelt haben: Das Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung (IZBB) von 2003 bis 2009 und die kommunalen Investitionen im Rahmen des Konjunkturpakets II von 2009 haben die Schulbautätigkeit in Deutschland spürbar angeregt. (Lederer 2011:6) 2011 wurden die Schulbaurichtlinien ausgewählter Bundesländer sowie der Regionen Zürich und Bozen anhand einer Studie verglichen, die u.a. von Arno Lederer und Barbara Pampe initiiert und durchgeführt wurde. Hierbei schneidet insbesondere Baden-Württemberg schlecht ab, „was die Flächenzuteilung für einen Grundschüler anbelangt“ (siehe: Renate Allgöwer „Der Trend zum flexiblen Klassenraum").

Die Schulbauförderrichtlinien, die noch aus den 1960er Jahren stammten, wurden ab 2012 neu aufgearbeitet, und es erschienen im Jahre 2013 „Empfehlungen für einen zeitgemäßen Schulhausbau“ in Baden-Württemberg (vgl. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg 2013). Wichtige Teilaspekte sind hierbei u.a. Flächenbedarfe, Raumqualitäten und der Prozess der Schulbauplanung. 

In den letzten Jahren findet ein intensiver Diskurs zu der Frage statt, wie die gestiegenen Schulbauaktivitäten mit einer weit reichenden Verbesserung der Lernbedingungen verknüpft werden können und wie beispielsweise Planungsprozesse, Nachhaltigkeit, Sanierungsbedarf und bauphysikalische Fragestellungen weiterentwickelt werden können. So weisen Frank Behrens und Anne Havliza in ihrem Artikel „Den Schulraum neu denken“ auf die Konsequenzen der gestiegenen Aufmerksamkeit beim Thema Schulbau in der Gegenwartsgesellschaft hin: „Welche Bedeutung das Thema inzwischen hat, zeigen u.a. die vielen Kongresse, Veranstaltungen, Veröffentlichungen, Schulbaumessen – zeigt aber zum Glück auch, dass Städte wie Hamburg bis 2019 zwei Milliarden in ihren Schulbau investieren, München jetzt mit 1,8 Milliarden bis 2030 nachgezogen hat.“ (Behrens/Havliza 2015:10) „Allein in Berlin werden bis zum Schuljahr 2024/25 neue Räume für rund 70.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler benötigt. Dafür werden von 2017 bis 2026 rund 5,5 Milliarden Euro für die Sanierung und/oder Erweiterung des Bestandes sowie für ca. 40 Schulneubauten zur Verfügung gestellt.“ (aedes Berlin 2019) „München plant in den kommenden zwölf Jahren 65 neue Schulen. Auch in Hamburg hält der Schüler-Boom weiter an. Sieben neue Schulen sind in den kommenden vier Jahren in der Hansestadt geplant.“ (siehe: Das Deutsche Schulportal Für mehr gute Schulen 2019").

Zeitgemäße Bildungsansprüche

Blicken wir zurück in die Geschichte des Schulbaus, so waren die frühen 1960er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland gekennzeichnet durch eine architektonische und bildungspolitische Restaurationsphase. Die Schulen verkörperten eine Verwaltungsmaschine, deren Organisationsstruktur den Bauwerken von Gemeindeverwaltungen und Behörden nicht unähnlich war. In der kurzen Zeit der 68er-Architektur entstanden wenig fortschrittliche Beispiele. Ausnahmen bildeten u. a. die Entwürfe und Realisierungen durch das Büro Behnisch. In den 1970er Jahren gab es im deutschsprachigen Raum vereinzelte Arbeiten zum Schulbau. (vgl. Perlick 1969; Schneider 1969). Der Schulbau war kein nennenswertes Anliegen der Erziehungswissenschaft. Erst Ende der 1980er und in den 1990er Jahren sind zahlreiche fortschrittliche Gebäude/Bauten zu finden, und auch der Zusammenhang von pädagogischer Programmatik und architektonischer Gestaltungsform wurde vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderungen diskutiert (vgl. in der Schweiz: Roth 1957/1958; Schneider 1969; in der BRD: von Hentig 1975, 1997; Göhlich 1993, 1997a, 1997b, 2009; Knutti-Baumann 1997; Baader 1999; Dreier/Kucharz/Ramseger/Sörensen 1999; Forster 1999). Mittlerweile gibt es auch in pädagogischen Handbüchern, Zeitschriften und Lexika Artikel zum Thema (Walden 2009; Hammerer/Rosenberger 2012, 2019; Steiner/Daschner 2010; Lüke/Michels/Steinert 2015; Seydel 2018). Ebenso bei Ganztagesschulkongressen sind grundsätzlich Angebote zur Schulraumgestaltung im Programm. (Ganztags(t)räume. Wenn Raum und Pädagogik zusammen wirken ... Berlin 15.-17.11.2017; Landeskongress 2019 „Ganztagsschule – Raum für mehr!“ Frankfurt 12.09.2019; 6. Kongress ZUKUNFTSRAUM SCHULE Stuttgart 13.-14. 11. 2019).

In Bezug auf Fragen der Qualitätsverbesserung sind unterschiedliche Teildisziplinen beteiligt wie die Baubiologie, Psychologie (Schulbauwirkungsforschung), Semiologie (zeichentheoretische Analysen), Kulturwissenschaften und die Architektur (kultur- und auch architekturtheoretische Analysen) (vgl. Rittelmeyer 2013). 

„Über die historische Signatur von Schulbauten begründet zu diskutieren, heißt daher immer, sie in einen allgemeineren historisch-kulturellen Kontext zu stellen und multidisziplinär zu betrachten; ebenso gilt es aber auch zu prüfen, welche erkannten und unerkannten pädagogischen Projekte sich in typischen Baustilen artikulieren und ob diese wirklich zeitgemäßen Bildungsansprüchen gerecht werden.“ 
(Rittelmeyer 2013:113)

Zeitgemäße Bildungsansprüche artikulieren sich im Rahmen der Ganztagsschulentwicklung vermehrt in aktuelleren Publikationen zu Schulhausarchitektur und pädagogischen Konzepten: Von der belehrenden zur lernenden Schule (Otto Seydel 2012) als Kraftort (Peter Hübner 2009) und umweltgerechten Lebensraum, in dem statt Einschüchterung und Gleichschritt individualisiertes Lernen stattfinden kann.

Auch in diesen Fragen haben engagierte Architekturbüros und Beratungsinstitutionen wie PPAG architects Wien; Baupiloten Berlin; Behnisch Architekten Stuttgart/Boston; Peter Hübner und Büro schneidermeyer Stuttgart einerseits anspruchsvolle Publikationen zur Thematik „Lehren, Lernen, Forschen. Education and research“ (Behnisch Architekten 2017) aufgelegt, andererseits innovative Ausstellungen und Kataloge. Stiftungen wie die Wüstenrot Stiftung und Montag-Stiftungen oder das Institut für Schulentwicklung tragen seit geraumer Zeit zur Intensivierung eines konstruktiven Diskurses und zu hieran orientierten Sanierungs-, Um- und Neubaumaßnahmen bei.

Montag Stiftungen

Insbesondere die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft hat mit ihren vielfältigen Initiativen und Förderprogrammen in den letzten zehn Jahren die Entwicklung einer zeitgemäßen pädagogischen Architektur in Deutschland vorangetrieben: Den Blog „Schulen planen und bauen“, den Planungsbaukasten „Schulbau Open Source“ sowie Veröffentlichungen mit Planungshilfen oder Downloads dienen als „Grundlagen“ ebenso wie die Darstellung von Pilotprojekten von „der Phase Null zur gebauten Schule“. Die Publikation Schulen planen und bauen 2.0 – Grundlagen, Prozesse, Projekte bietet als gründlich überarbeitetes Standardwerk der Montag Stiftungen eine Handreichung für alle Beteiligten am Schulbau. Ergänzt wird diese mit den „Leitlinien für leistungsfähige Schulbauten in Deutschland“ und einer Studie zu „Raum und Inklusion – Neue Konzepte im Schulbau“. Die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft hat auch einen Schulbaupakt (2018) mit dem Bund Deutscher Architekten (BDA) und dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) geschlossen: Gemeinsam wurden Qualitätskriterien für einen innovativen und qualitativ hochwertigen Schulbau herausgegeben. Die Beteiligten fordern einheitliche Förderkriterien für die Steuerung und Vergabe finanzieller Mittel für den Schulbau. Nicht nur das Finanzierungsvolumen sei entscheidend, sondern auch eine zeitgemäße Planung und Umsetzung der Bauprojekte, die zur Sicherstellung von ganztägigem, modernen Lernen und Chancengleichheit beiträgt (vgl. VBE 2018).

Kunstpädagogischer Diskurs

Wo sind die Akteur*innen? Das Wissen um die Bedeutung des pädagogischen Raumes sollte grundsätzlich Teil professionellen Wissens von Pädagog*innen sein. Folglich wäre die Gestaltung von Bildungsbauten und (Lern-)Räumen ein „elementarer Bestandteil professionellen pädagogischen Handelns. Doch wird dies nur selten so wahrgenommen. Eigentlich sollten die Lehrenden Anforderungen an Raumsettings formulieren, in denen sie ihre didaktischen Konzepte realisieren können“ (Stang 2019:36f). Durchgängig vorstrukturierte Lernraumsettings, die kaum flexibel zu gestalten sind, so der Pädagoge und Medienwissenschaftler Richard Stang, werden meistens von den Lehrenden „so hingenommen“. „Dadurch entsteht ein Problemfeld, das sich am besten in der Frage zusammenfassen lässt: Bestimmt die Didaktik die Gestaltung des Raums oder bestimmt die Gestaltung des Raums die Didaktik?“ (Stang 2019:36 f).

Ehe an dieser Stelle der Frage nach einem etwaigen kunstpädagogischen Diskurs zur pädagogischen Architektur nachgegangen werden soll, muss zunächst ein Blick auf die Auseinandersetzung mit dem Thema Schulbau in der Allgemeinen Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft und der Schulpädagogik als Basisdisziplinen pädagogischen Denkens und Handelns erfolgen. Hier ist seit geraumer Zeit eine Diskussion über veränderte Lehr- und Lernformen in schulischen und außerschulischen Bildungsorten festzustellen. Dies betrifft insbesondere die Überlegungen zu schulischen Lernorten, die sich nicht mehr als Belehrungsstätten mit reiner Frontalunterrichtspraxis darstellen lassen (vgl. Seydel 2009). 

Dazu zählt vor allem die rhythmisierte Ganztagsschule mit einer neuen Zeit- und Unterrichtsstruktur und einem veränderten Selbstverständnis als Haus des Lebens und Lernens, in dem sehr unterschiedliche Praxen des Lehrens und Lernens zur Austragung kommen. Die aus dem Entwicklungskontext von Ganztagsschulen gewonnenen pädagogischen Prämissen fordern ein verändertes Raumverständnis der pädagogischen Architektur ein (Schneider/Adelt/Beck/Decka 2012). Dies betrifft zunächst die Frage nach den erforderlichen Handlungspraxen und Abläufen der hier anzutreffenden Akteur*innen, die wiederum – im zweiten Schritt dann – Fragen zur Flächennutzung nach sich ziehen, ehe sich hieraus die weiteren raumbildenden Funktionseinheiten von Schule ergeben. Nur so wird es möglich, sich von den gewohnten additiven Strukturen im Schulbau zu lösen, Synergien zu nutzen und gemeinsam individuelle Raumprogramme zu entwickeln (Konferenz „Bau und Betrieb von Bildungseinrichtungen.“ Starnberg 05./06.12.2019; Landeskongress Hessen 2019 „Ganztagsschule – Raum für mehr!“ Frankfurt 12.09.2019).

Des Weiteren tragen zum Diskurs bei:  

  • erziehungswissenschaftliche Tagungen,
  • erziehungswissenschaftlich grundierte Projekte (Batelka 2018) und
  • Publikationen (Röbe 1992; Becker 1997; Becker/Bilstein/Liebau 1997; Jelich/Kemnitz 2003; Brockmeyer 2007; Kühebacher 2007). 

Kritisch muss mit Heidemarie Kemnitz allerdings festgestellt werden, dass – zumindest bis zum Jahr 2001 – eine erziehungswissenschaftliche Aufarbeitung zum Stichwort pädagogischer Raum „kaum ein Thema“ war (Kemnitz 2001; Böhme 2009). Selbst bis ins Jahr 2016 müssen Zusammenhänge zwischen Schulgebäuden, Klassenzimmern, Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften in der Erziehungswissenschaft „noch immer als unzureichend erforscht“ angesehen werden. (Stadler-Altmann 2016)

Kunstpädagogik und Architekturvermittlung 

Seit den frühen 2000er Jahren ist ein wachsendes Interesse am Thema Architekturvermittlung zu beobachten. Die Professionalisierung der Architekturvermittlung zeigt sich in einer wachsenden Zahl an Kongressen, Initiativen etc. Ausgelöst wurde die Bewegung u.a. auch durch die Internationale Vereinigung der Architekten (UIA), die im Jahre 1999 die Arbeitsgruppe „Architecture and Children“ aus der Taufe gehoben hatte und internationale Richtlinien für Architekturvermittlung formulierte (UIA 2016). Mit ARKKI konnte in Finnland beispielsweise schon im Jahr 1994 Europas erste freie Architekturschule für Kinder und Jugendliche eröffnet werden. In Finnland wurde „Built Environment Education“ im Jahr 2003 in die Kernlehrpläne aufgenommen.

Und in Deutschland: Die jeweiligen bundeslandspezifischen Curricula fordern die Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart der Architektur. Noch zu selten aber ist die Vermittlung von Architektur in den unterschiedlichen Schulformen der Fall. Kunstpädagog*innen betreiben bestenfalls sehr punktuell architektonische Bildung, häufig dann kunstwissenschaftlich als Stilkunde. Wir wissen wenig über die Professionalisierung der Kunstlehrer*innen in Bezug auf diesen Bereich an Universitäten, Kunst- und Pädagogischen Hochschulen. Die Fachzeitschriften Kunst+Unterricht und die Mitteilungen des BDK Fachverband für Kunstpädagogik thematisieren nur gelegentlich Fragen der Architekturvermittlung: Bei K+U sind in loser Folge seit 1984 lediglich 10 (!) einschlägige Themenhefte erschienen: Die Themen sind ausgehend von Wahrnehmungsprozessen im städtischen Kontext über die Erfahrung von Raum bzw. Räumen, den Bau von Häusern, das Wohnen, bis hin zum Bauhaus und seiner Kunstpädagogik und zum Spannungsverhältnis von Modell und Realität (letztes Heft: Architektur – Vom Modell zur Realität. K+U Nr. 384/385 2014).

Im Rahmen von Lehrer*innen-Fort- und Weiterbildung im BDK wird Architekturvermittlung gelegentlich in seinen Landesverbänden bearbeitet. So beim BDK Hessen, wo in Kooperation mit dem Deutschen Architekturmuseum (DAM) Frankfurt pädagogische Architektur auf Kunstpädagogik trifft (BDK Hessen, Frankfurt 29.10.2018). Oder wenn beim BDK Baden-Württemberg zur Fortbildung über den Architekten Peter Zumthor eingeladen wird (BDK Baden-Württemberg, Stuttgart 15.06.2015) und anschließend für Mitglieder ein Materialheft zu Peter Zumthor erscheint (BDK Baden-Württemberg 2015). Oder wenn der BDK Hamburg zur Weiterbildung mit der Frage „Wie entsteht ein Gebäude von Architekten? Welche Inspirationsquellen lagen den Architekten dabei zugrunde? Welche Entwurfsstrategien wurden angewandt?“ einlädt (BDK Hamburg, 8. Oktober 2016). 

Architektenkammern als Bildungsanbieter

Vereinzelt geben Projektveröffentlichungen Auskunft über Intentionen, Inhalte und Prozesse mehr oder weniger gelungener kunstpädagogischer Vermittlungsarbeit. Aber nicht selten sind es die einzelnen Architektenkammern der Bundesländer, die Kooperationsprojekte mit Schulen anregen und auch hierfür Informationsmaterial zur Verfügung stellen (Architektenkammer Thüringen 2015; Architektenkammer Baden-Württemberg 2016). 

Seit geraumer Zeit gibt es eine sich stetig erweiternde Liste an Publikationen zu Architektur und Bildung, die beispielsweise von der Architektenkammer Baden-Württemberg zusammengestellt wurde und die Verweise auf die Schulcurricula des Landes herstellt. (Architektenkammer Baden-Württemberg 2018). (Online-)Fachzeitschriften wie die „Baunetzwoche“ kümmern sich mitunter um die Publizierung der Thematik mit einer Spezialausgabe „Architektur in die Schule!“ (Baunetzwoche 2013). Hin und wieder thematisieren auch Stiftungen, wie die Siemens Kulturstiftung in einem ambitionierten Projekt, die Schnittstelle von Architektur und Kunstpädagogik. (Siemens Kulturstiftung 2009).

2019 widmete sich das Aedes Architecture Forum Berlin mit Ausstellung und Konferenz der „Zukunft Schulbau“: Die Ausstellung „Zukunft Schulbau: Europäische Beispiele zeitgemäßer Schularchitektur“ zeigte zwölf Beispiele zeitgenössischer Schulbauten aus elf europäischen Ländern und präsentierte darüber hinaus eine historische Bibliothek über Schulbauten der vergangenen 100 Jahre. 

Ebenfalls fokussieren IBA-Projekte (IBA: Internationale Bauausstellung) gelegentlich auf Fragen, Themen und Projekte der Architekturvermittlung in der Schule. Wie in Thüringen, wo aktuell im Rahmen von „StadtLand Schule. Schule neu denken und planen“ in Weimar unter dem Stichwort „Neuer Lernort“ mittels partizipatorischer Einbeziehung Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen ihre Schule umprogrammieren und -bauen (IBA Thüringen 2019). Oder wie im Rahmen der IBA Heidelberg, die von 2019 bis 2022 läuft und schulische wie auch außerschulische Bildungsorte im Kontext städtebaulicher Entwicklungen zu ihrem Gegenstand macht. Das erste IBA-Magazin nimmt unter der Überschrift „Heidelberg lernt“ die Bauprojekte der IBA Heidelberg zum Thema „Lernräume“ und die Menschen dahinter in den Fokus: „Was treibt sie an und wie gestalten sie die Stadt?“ (IBA Heidelberg 2019).

Pädagogische Architektur im kunstpädagogischen Gegenwartsdiskurs

Im kunstpädagogischen Gegenwartsdiskurs spielt die Auseinandersetzung mit pädagogischer Architektur bislang noch eine sehr untergeordnete Rolle. Diesen Sachverhalt werden wohl auch nicht die vielfältigen Themen und Inhalte des jüngsten BDK Bundeskongresses in Weimar im Jahr 2019 zum „Denkraum.Bauhaus“ so schnell aus der Welt schaffen. In seinem Rahmen fand vom 27. bis 29. September 2019 das 6. Internationale Symposium zur Architekturvermittlung, in Zusammenarbeit mit dem Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, an der Bauhaus-Universität Weimar statt. Bestenfalls werden die hier angesprochenen interessierten Kunstpädagog*innen für eine tiefergehende Auseinandersetzung sensibilisiert werden können.

Soll eine aus meiner Sicht notwendige Integration der Kunstpädagog*innen als gleichberechtigte Mitwirkende in die Planungs- und Bauprozesse (Um- und Neubau) von Schulen stattfinden, so zeigen die hier von mir zusammengetragenen Aspekte zum state of the art der schulischen Architekturvermittlung – trotz aller punktuellen Bemühungen – ein weiterhin recht defizitäres Bild. Das sieht auch Riklef Rambow so, der Architekturvermittlung an der Architekturfakultät des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) lehrt, wenn er darauf verweist, dass die kunstpädagogische „Grundausbildung in historischer Stilkunde bei weitem nicht ausreicht“ (Rambow 2013:4 ff.). Ein tiefergehendes Verständnis für die Problematik lässt sich seiner Ansicht nur in interdisziplinären Vermittlungsprojekten über differenzierte Wahrnehmung, praktisches Handeln, das Entwerfen und Bauen von Modellen herstellen. Hierzu zählt aus seiner Sicht auch die Kenntnis und persönliche Erfahrung von Entwicklungs- und Planungsprozessen einzelner Gebäude und ganzer Stadtviertel in Bezug auf Fragen der Stadtentwicklung. Architekturvermittlung stehe in diesem Sinne noch ganz am Anfang. Jenseits privater Initiativen engagierter Architekt*innen, auch seitens der föderal organisierten Architektenkammern, so fordert Rambow, muss aber Architekturvermittlung bzw. baukulturelle Bildung in den Schulen stattfinden. Notwendig wird die Integration dieser Aufgaben hinein in den Regelunterricht der Schule. 

Grundsätzlich könnten aus meiner Sicht gerade Kunstlehrer*innen als Generalist*innen, dank ihrer fachlichen Studieninhalte (Kunst, Architektur, Design, Pädagogik), über die geeigneten Mittel und Wege verfügen, eine spannende zielgruppenadäquate Architekturvermittlung auf der Höhe der Zeit, also unter Einbezug geeigneter didaktisch-methodischer Konzepte, in schulischen und außerschulischen Kontexten auf den Weg zu bringen. Diese liegen nicht weit entfernt von jenen Aspekten, die aus Sicht aufgeklärter Architekturvermittlung im Sinne Rambows heute als notwendig und zielführend erachtet werden: Schulung und Differenzierung der Wahrnehmungsfähigkeit in räumlichen Zusammenhängen, Subjekt- und Lebensweltorientierung, persönliches Involviertsein in eine selbst gestellte Aufgabe als Problemauslöser, weitgehende Selbststeuerung von Planungs- und Entwicklungsprozessen flächen- und raumbildender Strukturen, Sensitivität für Materialien, Sinn für Proportionen und Formfindungsprozesse, Orientierung an funktionalen und ästhetischen Dimensionen des Raumes, Interesse und Freude am Experiment, an der Offenheit und am Möglichen utopischer Entwürfe, Inter- und Transdisziplinarität, soziale Interaktion in der gemeinsamen gestalterischen Projektarbeit am solitären Objekt und in der Gestaltung des öffentlichen Raums.

Wo also sind die Akteur*innen? Qualifizierten sie sich derartig für ein erfahrungsgebundenes Wissen um architektonische Problemstellungen, so sollten Wissen und Erfahrung um die Bedeutung des pädagogischen Raumes grundsätzlich Teil professionellen Handlungswissens von Kunst-Pädagog*innen sein! Dieses professionelle Wissen würde sie letztlich auch befähigen, sich aktiv an demokratischen Willens- und Formbildungsprozessen zur Realisierung „leistungsfähiger zeitgemäßer Lernräume“ (vgl. Spelleken 2016), bestenfalls sogar an der eigenen Schule, zu beteiligen! 

Die pädagogische Wende 

Schule wird als pädagogischer Ort zunehmend zum Lebensraum, zu einem multifunktionalen Kulturraum für Erziehung, Bildung, Erlebnis, Austausch und Gestaltung. Schulhäuser prägen Menschen in ihren Entwicklungsprozessen durch Räume, Atmosphären, Licht, Farbe, Materialien, Inneneinrichtung, Möblierung, technische Ausstattung, eine gute Planung der Freiflächen um das Bauprojekt herum sowie durch ihre Ortslage. Sie können zu neuen kulturellen Knotenpunkten und Identifikationsorten im kommunalen Kontext werden wie z.B. Kulturhaus, Café, Bibliothek, Kino, Theater, Zentrum für formale, non-formale und informelle Aktivitäten, Feste, Aufführungen, Musik, Spiel, Tanz, gemeinsames Kochen, Essen, Gärtnern, Sport, Kunst und Künste.

Die pädagogische Wende lässt sich in Begriffen fassen wie Ganztagsschule, Heterogenität und Individualisierung, Bewegte Schule/Performativität des Lernens, Inklusion/inklusive Bildung, jahrgangsübergreifender Unterricht, formale, non-formale und informelle Settings und kommunale Bildungslandschaften.

Hieraus ergeben sich pädagogisch und architektonisch relevante Fragen, die sich auf die adäquaten Sozialformen, auf ein angemessenes Unterrichtsverständnis und auf die künftige Zusammenarbeit der Lehrer*innen erstrecken. Darüber hinaus stellt sich die architektonische Aufgabe, wie die Schule als Einheit zu fassen ist und auf welche Weise die Beziehung zwischen Schule und ihrem kommunalen Umfeld gestaltet werden muss.

Soll die neue Schule (vgl. PPAG architects 2018) ein Ort werden, in dem Kinder, Jugendliche und Erwachsene gern lernen, von dem sie lernen und in dem sie gern leben, so müssen die neuen pädagogischen Ansprüche – neben der Möglichkeit zum lebenslangen Lernen (für Erwachsene mit Fort- und Weiterbildung) – und dem hier zu regelnden ‚Workflow‘ (Informieren, Konzentrieren, Experimentieren, Kommunizieren, Identifizieren) zu angemessenen Raumplanungen und zu neuen Überlegungen und Überarbeitungen der staatlichen Schulbaurichtlinien führen.

Beispiel: Die gebundene Ganztagsschule

Die pädagogischen Intentionen der gebundenen Ganztagsschule zeigen sich im selbstbestimmten, subjektorientierten Unterricht statt Frontalunterricht, in explorativ-handlungsorientierten, forschenden Settings, im fächerübergreifenden, epochal ausgerichteten Projektunterricht mit differenzierten Sozialformen, als individualisierter Unterricht, Lebensweltorientierung, Öffnung zur gesellschaftlichen Wirklichkeit, selbstgesteuerte, weitgehend eigenverantwortliche Lernprozesse, Integration alter und neuer Medien, Team- und Individualarbeit, soziale Verantwortung, Herausführung aus allein kognitiven Aufgabenstellungen, Ganzheitlichkeit von Kopf, Herz und Hand, Stabilisierung der Identität/Differenz, Angebot an Sinnorientierungen, neuen ästhetisch-künstlerische Lehr- und Lernkulturen mit pädagogischen, beratenden und motivierenden Lehrkompetenzen (vgl. Knauf 2010).

Wie kein anderer Schultypus erfüllt die gebundene Ganztagsschule die Anforderungen und Herausforderungen der heutigen Gesellschaft an Bildung und Erziehung am besten. 

„Offene Ganztagsbetriebe sind nur verlässliche Halbtagsgrundschulen plus Hort. Offene Ganztagsbetriebe müssen in absehbarer Zeit zu gebundenen Ganztagsschulen werden, damit alle Kinder mehr Zeit in der Schule haben. Der ganze Tag in der Schule muss ein pädagogisch gestalteter Tag sein. Dies kann nur gelingen, wenn alle Kinder einer Grundschule ihre Tage in der Schule verbringen dürfen und wollen. Mehr Zeit für alle Kinder heißt auch: Allen Kindern muss die Teilnahme möglich sein; der Bedarfsnachweis muss deshalb schnellstens entfallen. Das Nebeneinander kostenpflichtiger offener Ganztagsgrundschulen und weitgehend kostenfreier gebundener Ganztagsgrundschulen ist hoch problematisch.“ 
(Heyer/Hirschmann 2006:307 f)

Im Hinblick auf die gesellschaftlichen und demografischen Entwicklungen ermöglichen Ganztagsschulen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In ihr sind Unterrichts- und Nachmittagszeit eng miteinander verknüpft und bilden eine Einheit. Dieser Schultypus berücksichtigt die Berufstätigkeit der Eltern, indem ein verlässlicher und betreuter Aufenthalt über den Mittag bis in den Nachmittag hinein garantiert wird, darüber hinaus ein Mittagessen und eine rhythmisierte Unterrichtsstruktur geboten werden. Viele Eltern favorisieren deshalb das gebundene Konzept, das ihrer Ansicht nach optimaler Betreuung und Förderung impliziert, dennoch wird auch Kritik an der verpflichtenden Teilnahme am Nachmittagsunterricht und an der Verschulung von Kindheit geübt.

Im 14. Kinder- und Jugendbericht des Deutschen Bundestages verweist die verantwortliche Kommission auf die notwendige Öffnung der Ganztagsschule zur gesellschaftlichen Wirklichkeit, zum Sozialraum hin. Sie konstatiert, dass das „‚Reformprojekt Ganztagsschule‘ erheblich zur (Neu-)Gestaltung heutiger Kindheiten beigetragen hat und sich Zeiten und Räume von Kindern und Jugendlichen ändern“ (14. Kinder- und Jugendbericht 2013:12). Da sich die Ganztagsschule auf dem Weg zum Regelangebot befinde, sei die „Qualität von Betreuung, Erziehung und Bildung für die Gestaltung des Aufwachsens aller Kinder“ (ebd.) eine besondere Frage. Hierbei heben die Autor*innen des Berichts als zentrale Aufgabe eine „bessere Verbindung von schulischen und außerschulischen Bildungsorten“ (ebd.) hervor, darüber hinaus eine verstärkte Elternbeteiligung und auch die Partizipation der Kinder und Jugendlichen selbst. 

Aus diesem Grund braucht es Schulgebäude, die diese Öffnung durch ihre bauliche Struktur ermöglichen. Im Sinne von Integration und Kooperation muss die Ganztagsschule auch Bildungs- und Raumangebote für außerschulische Bildungsanbieter und Bewohner*innen des Stadtteils vorhalten. So macht die Einrichtung von Ganztagsschulen Bildungseinrichtungen zu einem selbstverständlichen Teil des Lebensalltags. Diese Entwicklung erfordert eine Vernetzung mit anderen Lernorten, da nicht nur im Klassenzimmer gelernt wird. Formelle und informelle Lernanlässe müssen im Sinne einer Vernetzung der Tätigkeitsfelder von Schule und Freizeit durch ihr Raumangebot ermöglicht und unterstützt werden (vgl. Bildungslandschaft Altstadt Nord in Köln).

„Der strukturierte und rhythmisierte Schulalltag bedeutet für die Schüler: Lernen und Entspannung im Wechsel. Es bieten sich vielfältige Möglichkeiten zur intensiven individuellen Förderung und zur Entfaltung der individuellen Fähigkeiten und Interessen der Schüler.“ 
(siehe: Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg „Die Ganztagsschule in Baden-Württemberg")

Jenseits der gebundenen Ganztagsschule betreffen pädagogische Anforderungen nicht nur die elementaren baulichen Aspekte wie Wärme, Akustik, Licht und Luft. Bedacht werden müssen im Sinne einer integrierten Schulbauplanung die Bereitstellung von Flächen, die baulichen Qualitäten und eine nachhaltige Prozessorientierung. Dies gilt z.B. für Lern- und Unterrichtsbereiche (Klassenraum Plus, Cluster, offene Lernlandschaften, Flächen), Fachunterrichtsräume (Funktion, Struktur, Qualitäten, Sport und Bewegung, Flächen), Gemeinschaftsräume (Funktion, Struktur, Flächen) als ‚Herz‘ der Schule, für die Arbeitsplätze (Lehrer*innen, pädagogische Fachkräfte, Verwaltung), für Haustechnik und Erschließung (Funktionsbereiche, Flächen) ebenso für die notwendigen Freiräume (Funktion, Struktur, Flächen) und schließlich auch für die Schule und ihr Umfeld.

Bei den neuen Schularchitekturen zeigt sich eine deutliche Abkehr von der bis heute gängigen Raumstruktur des 19. und 20. Jahrhunderts (Kasernen- oder Flurschule) hin zu Lern- und Teamhäusern (Landeshauptstadt München 2016; Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, Bund Deutscher Architekten BDA, Verband Bildung und Erziehung 2017; Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft 2017; Anders 2018). Zum Einsatz kommen Raum-Module, in denen Lern-, Aufenthalts- oder Lehrerbereiche offen und flexibel gestaltet sind und teilweise fließend ineinander übergehen. Neue Raumprogramme zeigen Hallen, offene Räume, gemeinsame ‚Marktplätze‘ für gemeinschaftliche Interaktion und Begegnung jenseits der Klassenzimmer. Die stärkere Clusterung von Räumen zu funktionalen Einheiten kann hierbei die Umsetzung zeitgemäßer pädagogischer Anforderungen fördern.

In der Lehre: Stärkung der visionären und gestalterischen Fähigkeiten

In einer Zeit, die von dringend notwendigen Schulsanierungen, -erweiterungen und -neubauten aufgrund erhöhter Schüler*innen-Zahlen und maroder Schulen geprägt ist und in der Kommunen derzeit viel Geld in die Hand nehmen müssen, um diese Bauten zu realisieren, benötigen wir neben der architektonischen ebenfalls die pädagogische Expertise, wenn diese Bauprojekte zu einem erfolgreichen Ende, das heißt, zu einer lebbaren pädagogischen Architektur führen sollen, in denen der jeweilige Raum und dessen Ausstattung zum ‚dritten Pädagogen‘ (Loris Malaguzzi) und das Gebäude mit seinem Gelände zu einem soziokulturellen Hotspot im Stadtteil werden kann. 

Die sich aktuell vollziehenden konzeptionellen Veränderungen in der Pädagogik haben bedeutende Einflüsse auf die räumlichen Strukturen, Qualitäten, Flächen und Planungsprozesse im Schulbau. Die pädagogischen Konzepte sollten im Zusammenhang mit den kulturellen, sozialen, politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklungen gesehen werden und den damit verbundenen sich wandelnden Ansprüchen an die Gebäude. Der Raum als ‚dritter Pädagoge‘ hat entscheidenden Einfluss auf das Lehr- und Lernverhalten an den Schulen. 

Es ist daher vonnöten, dass Kunstpädagog*innen das hierfür nötige Wissen und Können erlangen, um in Entwicklungs-, Planungs- und Bauprozessen von Schulen kompetent mitreden zu können, zumal sie sowieso in den Bereichen von Architektur und Städtebau, des Visuellen und seiner inkorporierenden Transformationspraxen geschult sein sollten und das kunstpädagogische Know-how mitbringen, welches für die pädagogische Planung einer Schule für heute und morgen notwendig ist. Entgegen der landläufigen Meinung, dass Architekturvermittlung innerhalb eines Studiums der Kunstpädagogik sich womöglich lediglich auf die theoretische Rezeption und anschließende kritische Analyse von Schulbauten beziehen sollte, wurde daher der Fokus in dem hier zugrunde gelegten exemplarischen Beispiel, dem fachwissenschaftlichen Seminar am Institut für Kunst der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe auf das Thema "Schulen heute bauen – Schulhausarchitektur und (kunst-)pädagogischer Gegenwartsdiskurs" gelegt mit der Absicht, dass sich die Studierenden selbst in Rolle und Aufgaben von Architekt*innen versetzen. Sie sollten die professionsspezifischen Aufgaben von Recherche, Planung und Gestaltung in weitgehend selbstgesteuerten Projektentwicklungsprozessen an einem eigenen Schulkonzept übernehmen. Dass dies (kunst-)pädagogisches Professionswissen über den pädagogischen Gegenwartsdiskurs einschließt, versteht sich, und stärkt die weiter zu entwickelnde visionäre und gestalterische Kompetenz an der Schnittstelle von Architektur und Pädagogik, die ansonsten in unserer Gesellschaft eher in distinktiven Aufgabenteilungen diverser Professionen bearbeitet wird. Hier positioniert sich das Konzept der Künstlerischen Bildung mit der künstlerischen Projektarbeit:

  • strukturelle Elemente: Recherche, Konstruktion, Transformation
  • operationale Elemente: Induktion, Experiment, Kontextualität 
  • prozessuale Elemente: Chaos, Bewegung, Form (Kettel 2017). 

Nicht selten führt dies zu grundsätzlichen Missverständnissen und Schwierigkeiten, die sich in schlechten Schulbauten widerspiegeln. 

Abb. 1: Visuell: Der Gesamtprozess
Abb. 1: Darstellung des Gesamtprozesses © Joachim Kettel

Die Grafik (Abb.: 1) zeigt den Gesamtprozess mit: 

  • Ausgangspunkt Thema/These: Architektur als Schnittstelle von Pädagogik und Gebäude/Raum 
  • Ortswahl: Analyse Städtebau, städtischer Kontext 
  • Bauaufgabe mit den pädagogischen Rahmenbedingungen: Wahl der Schulform, eigene pädagogisch-didaktische Profilbildung, z.B. gebundene Ganztagsschule mit Montessori-Pädagogik 
  • Realisierungsprozess: Recherche, Konstruktion, Transformation 
  • Planung/Gestaltung: Gebäude, Umgebung, Grünräume 
  • Erstellung von Plänen, Texten und Modellen und der Schlussreflexion: kritische Überprüfung von These/Hypothese in Bezug auf Gebäude/Räume und pädagogisches Profil. 

Das Portfolio sollte die Sondierungen und Gestaltungsideen der Tandems dokumentieren. 

Seminar: Konzept und Vorgehen im Detail 

Mit Beginn des Wintersemesters 2015/16 ging es in den ersten drei Seminarsitzungen zunächst um die Sondierung pädagogischer Grundlagen für eine Schul- und Unterrichtspädagogik, aber auch für außerschulisches Lernen auf der Höhe der Zeit. Darüber hinaus wurden bedeutende Schulbauten in Bezug auf Funktionalität, pädagogische Intentionen, Raumprogramm und ihre architektonischen und ästhetischen Dimensionen vorgestellt und diskutiert anhand von Beispielen der Architekten Scharoun, Hertzberger, Behnisch, Hübner etc. Hinsichtlich der heute notwendigen pädagogischen Konzepte wurden wesentliche Teilmomente des pädagogischen Diskurses identifiziert und mit der Frage nach ihren räumlichen Qualitäten in Verbindung gebracht: 

  • Heterogenität/Individualisierung
  • Inklusion 
  • Bewegte Schule 
  • formelles und informelles Lernen 
  • kommunale Bildungslandschaften 
  • Jahrgangsmischung
  • Ganztagsschule und 
  • Montessori-Pädagogik – als ein pädagogischer Schwerpunkt 

verlangen nach einem je dezidierten Raumprogramm.

Abb 1: Bewegtes Lernen
Abb. 2: Bewegtes Lernen © Joachim Kettel

Hierbei wurde insbesondere auf den „Referenzrahmen für einen leistungsfähigen Schulbau in Deutschland – Kurzexpertise zum Themenfeld Typologien und räumliche Organisationsmodelle“ (Meyer/Schneider 2012:4-16) eingegangen und die hierin geforderten Bereiche thematisiert:

  • Lernorte: Klassenzimmer plus, Lerncluster und offene Lernlandschaften
  • Lehrerräume: zentrale und dezentrale Lehrerräume
  • Gemeinschaftsbereiche: Kombi, Multi. 
Abb.: Schule planen und bauen
Abb. 3: Schule planen und bauen © Joachim Kettel

Die Forschungen des Aachener Architekten Frank Hausmann in Hinsicht auf das „offene Klassenzimmer“ (Hausmann 2005:3) und die Erfassung der einzelnen Aktivitäten von Schüler*innen sowie Lehrenden im schulischen ‘Workflow‚ (12) innerhalb eines Spannungsgefüges von formellen und informellen Tätigkeiten wurden ebenso einbezogen.

Schulprofil

Die Studierenden hatten sich angesichts des von ihnen zu entwickelnden Schulbaus nebst Schulgelände um die Frage einer in ihrer Schule angemessenen pädagogischen Profilierung zu kümmern, also um das pädagogische Schulprofil. 

Flankierend hierzu sollten Standorte für den Schulneubau erkundet und erste Überlegungen zur Architektur der Schule unternommen werden. In der vierten Sitzung wurden die Ortswahl mittels Kartenwerke und Google Earth präsentiert. Hierzu griffen die Studierenden auf Baugelände in ihren Heimatgemeinden und in der Stadt Karlsruhe zurück. Mitunter war die Intention, an bereits existierenden Schulstandorten neue Gebäudekomplexe zu errichten und auch das jeweilige Schulgelände im Sinne des Schulprofils neu zu gestalten und neuen Funktionen zuzuführen. 

Von Sitzung 5 bis Sitzung 13 stand der Planungs-, Entwicklungs- und Gestaltungsprozess der Zweiergruppen im Zentrum. Im Sinne des in der Künstlerischen Bildung vorgeschlagenen methodischen Vorgehens mit Recherche, Konstruktion und Transformation und im Hinblick auf Induktion, Experiment und Kontextualität als Strukturelemente der als Arbeitsform favorisierten künstlerischen Projekte wurde ein Übertrag dieser Teilmomente künstlerischer Projektarbeit in architektonische Aufgabenbereiche erprobt. 

Bauaufgabe

Die Bauaufgabe des zu erstellenden Schulgebäudes sah zunächst die Ortswahl des Baugeländes (Google Earth) und Fragen von Zugängen, städteräumlicher Erschließung und verkehrstechnischer Anbindung vor. Es folgte die Festlegung des pädagogischen Profils der Schule. Hieran anschließend war ein Raumprogramm zu entwickeln, das sich an Aspekten von Bewegung und Ruhe orientierte, an der Frage der Verortung der Klassen- und Fachräume und ihrer weiteren Gliederung nach Funktionen und die Festlegung der Raumgrößen.

Abb: Entwurf Schule
Abb. 4: Entwurf Schule © Joachim Kettel

Eine für den Planungsprozess eingerichtete Fachbibliothek bot den Studierenden Hilfestellung. Ab Sitzung 14 erfolgte zunächst die Ergebnissicherung und in der letzten Sitzung die Präsentation der bislang in den einzelnen Tandems unternommenen gemeinsamen Anstrengungen in Form von Planzeichnungen, schriftlichen Erläuterungen zum pädagogischen Schulprofil und Architekturmodellen. Zu einzelnen Sitzungen wurde eine Architektin des Karlsruher Instituts für Technologie hinzugezogen, die den Studierenden Inputs in Bezug auf Fragen der Planerstellung, der Ansichtigkeit der Gebäude, der Handhabung des Maßsystems und Vorgaben der Bauordnung gab. In diesem Zusammenhang konnten sich die Studierenden auch im Umgang mit Computerprogrammen zur digitalen Modellentwicklung und zum maßstabsgerechten analogen Modellbau schulen. 

Architektur und Künstlerische Bildung

Insgesamt lernten die Studierenden hierbei im Kontext der künstlerischen Projektarbeit im Konzept der Künstlerischen Bildung und im selbstgesteuerten, eigenverantwortlichen Arbeiten an der jeweiligen sich selbst gestellten Architekturaufgabe neben der Verantwortung für den eigenen architektonischen Planungs- und Entwicklungsprozess eine Reihe neuer, ihnen bisher unbekannter historischer und aktueller Kontexte kennen, anwenden und transformieren. Hierbei konnten sie ihr architekturgebundenes Theorie- und Handlungswissen mit der (kunst-)pädagogischen Diskurslage verbinden und in ein tragfähiges räumlich-städtebauliches Gebäudekonzept überführen, das auch den ästhetischen und funktionalen Anforderungen gerecht werden musste. Sensibilisiert werden konnten sie für die Komplexität der Bauaufgabe, ihrer ortsbezogenen, stadträumlichen oder gemeindlichen kulturellen und sozialen Einbettung ebenso für die aus dem jeweiligen pädagogischen Profil von innen heraus zu entwickelnde Schulhausarchitektur und ihr landschaftliches Umfeld. Des Weiteren waren ihre räumliche Funktionalität, ihre Materialgerechtigkeit und Ästhetik sowie für ihre Dienlichkeit für pädagogische Prozesse und die hierfür benötigten räumlichen Organisationsmodelle und schließlich für einen Unterricht auf der Höhe der pädagogischen Einsichten und Notwendigkeiten Themen der Erörterungen.

Geschult werden konnte darüber hinaus die eigene einfühlsame räumliche Vorstellungsbildung, die Planungskompetenz und das Zeitmanagement, ein vielfältiger handwerklicher Umgang mit analoger und digitaler Modellbildung und Modellbau, architektonische, gestalterische Fähigkeiten, aus einer Summe von Räumen und Raumfunktionen einen funktionalen und ästhetisch ansprechenden Gesamtentwurf zu formen. Nicht zuletzt lernten die Studierenden in der Schulung des Durchhaltevermögens mit eigenen Frustrationen und Schwierigkeiten produktiv und konstruktiv umzugehen. Zwischenreflexionen dienten der Präsentation und Diskussion der jeweiligen Planungs- und Entwicklungsstände. Da trotz der für alle Beteiligten spannenden, aber auch ebenso anstrengenden und die eigenen Grenzen immer wieder herausfordernden Arbeit im Wintersemester nicht alle Gruppen zu jeweils abschließenden Ergebnissen kamen, wurde die Abgabe in den vorlesungsfreien Zeitraum verlängert und hierfür architektonische Beratung angeboten. Als Abgabeleistung gefordert waren letztlich: Grundrisse, mindestens zwei aussagefähige Ansichten, Gebäudeschnitt samt Erläuterungstext mit pädagogischem Profil und Raumplanung, Funktionsdiagramm, Lageplan im Maßstab 1:500 und Modelle aus Finnpappe. Jedes Tandem konnte damit, auf der Basis des Schulprofils und der hierfür benötigten Flächen und Raumprogramme, seine Sondierungen im Verlaufe des Projektes, seine Gestaltungsideen und die eigene Vision zukunftsfähiger Schulhausarchitektur dokumentieren. Wie die in den Projektportfolios artikulierten Erfahrungen der Studierenden deutlich machen: eine komplexe Imaginations-, Planungs- und Entwurfsaufgabe mit einer höchst realistischen Ausrichtung und eine sinnhafte Vorgehensweise, zukünftige Kunstpädagog*innen zu qualifizieren.

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Joachim Kettel (2020): Schulen heute bauen: Schulhausarchitektur und (kunst-)pädagogischer Gegenwartsdiskurs . In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://kubi-online.de/artikel/schulen-heute-bauen-schulhausarchitektur-kunst-paedagogischer-gegenwartsdiskurs (letzter Zugriff am 16.07.2024).

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