Rhythmik und Elementare Musikpädagogik – Ein historischer Abriss und eine kurze Betrachtung der heutigen Situation der beiden Fächer
Manchmal scheint es schwierig zu sein, verschiedene Studiengänge oder Berufstätige mit verschiedenen Qualifikationen für Aufgaben im Bereich Kultureller Bildung einzuschätzen oder zu vergleichen. Deshalb soll im Folgenden für den Teilbereich Rhythmik und Elementare Musikpädagogik (EMP) mit einem historischen Abriss anhand von Fakten und Veröffentlichungen, auch im Zusammenhang mit dem Verband deutscher Musikschulen (VdM), etwas mehr Klarheit geschaffen werden. Daraus lässt sich die derzeitige Situation der beiden Fächer ablesen; es folgt eine Einschätzung der Studiengänge.
Stationen, chronologisch geordnet
Die Wiege der Rhythmik steht für Deutschland von 1910 – 1914 in der Bildungsanstalt der Gartenstadt Hellerau bei Dresden, wohin der Schweizer Emile Jaques-Dalcroze (1865-1950) nach seinen ersten Jahren als Solfège- und Theorie-Professor am Konservatorium Genf mit seiner Methode, die schon international Anerkennung gefunden hat, berufen wurde. Mit ihm und seinen Schulfestspielen wird das Hellerauer Festspielhaus zum Anziehungspunkt und zur Begegnungsstätte unzähliger Künstler, Schauspieler, Mediziner, Pädagogen usw. aus aller Herren Länder (vgl. Lorenz 1994). Nun sind in ganz Deutschland RhythmikerInnen in musikpädagogischen Bereichen und sozialen Einrichtungen tätig. Sie sind es, die sich – neben anderen Schwerpunkten – gezielt mit der Musikerziehung von Kindern befassen. Einige etablieren in privaten Instituten oder an Musikhochschulen Rhythmik-Studiengänge. Die Kestenberg-Erlasse in den 1920er Jahren untermauern die Bedeutung der Rhythmik.
Obwohl Emile Jaques-Dalcroze sich gerne als Meister gebärdete und gelegentlich über die Landesgrenzen hinaus die Entscheidungshoheit über Ausbildung und Praxis halten wollte, ist die Rhythmik keine Meisterlehre. Er selbst forderte seine SchülerInnen auf, seine Ideen weiter zu entwickeln. Gleichwohl muss man sehen, dass das Institut Jaques-Dalcroze in Genf die Methode wie eine Meisterlehre hütet(e), indem es bis heute weltweit über die Ausbildung von Dalcroze-Rhythmiklehrkräften wacht und als einzige Institution ein – musikalisch sehr anspruchsvolles – „Dalcroze-Diplom“ vergibt. Von den Weiterführungen und Präzisierungen zeugen die ersten Veröffentlichungen von Dalcroze-SchülerInnen, beispielsweise von Paul Boepple zur Schulpädagogik (1910), von Nina Gorter über Hellerau, von Elfriede Feudel zur Pädagogik (1926/1949), von Dore Jacobs zur Bewegung (1962/1978) und Charlotte Pfeffer (1958) zur Psychomotorik.
1924 wird in München die Günther-Schule mit Carl Orff eröffnet. Die Tänzerin Dorothee Günther hatte sich hauptsächlich bei Jaques-Dalcroze Unterrichts-Grundlagen geholt. In Zukunft werden noch weitere Frauen an Orffs Seite die pädagogische und therapeutische Differenzierung der Arbeitsweise wesentlich beeinflussen, z.B. Gunild Keetmann und Gertrud Orff. 1961 erfolgt die Gründung des Orff-Instituts am Mozarteum Salzburg, heute „Carl Orff-Institut für elementare Musik- und Tanzpädagogik“ der Universität Mozarteum. Es ist die erste und bis heute einzige Aus- und Weiterbildungsstätte für Orff-Schulwerk-Lehrkräfte (vgl. Haselbach 1971).
1952 schließen sich erstmals deutsche Musikschulen in einem Verband zusammen. 1967 sieht sich dieser VdM auf Grund der Verbreitung von Yamaha-Musikschulen ̶ auch aus Angst, Qualität einzubüßen und die eigenen SchülerInnen zu verlieren ̶ dazu veranlasst, sich stärker mit allgemeinen musikpädagogischen Angeboten für jüngere Kinder zu befassen: Nach den zuerst verabschiedeten Richtlinien wird ein Lehrplan Musikalische Früherziehung (MFE) für 4–6jährige Kinder erstellt, der sechs Sachgebiete enthält: Singen / Elementares Instrumentalspiel / Bewegung und Tanz / Musikhören / Musiklehre / Instrumenteninformation. Die Intention dabei ist, dass sich die Lehrkräfte jeweils entsprechend ihrer beruflichen Ausbildung für eines dieser Gebiete als Schwerpunt entscheiden, um daraus heraus die anderen Sachgebiete zu erarbeiten. Später erfolgt auch die Erstellung eines Lehrplanes Musikalische Grundausbildung (MGA) für 6–8Jährige, die keine Gelegenheit zur Früherziehung hatten. Der VdM schreibt nun vor, dass grundsätzlich vor Aufnahme in den Einzel-Instrumentalunterricht einer der beiden zweijährigen Grundkurse besucht werden muss.
Da nicht genügend ausgebildete MusikpädagogInnen zur Verfügung stehen, die eigenständig auf dem VdM-Lehrplan ihren Unterricht aufbauen können, und weil Übereinstimmung sowie Gewährleistung eines kontinuierlichen Unterrichtsverlaufs über zwei Jahre für alle Musikschulen verbindlich ist, muss eine Unterrichtshilfe erstellt werden, die auch von Nicht-Musikpädagogen umgesetzt werden kann. Eine Experten-Kommission erarbeitet darum ein Curriculum, vorerst für die 4–6Jährigen. Rhythmikerinnen einer Musikhochschule werden dafür zur Mitarbeit eingeladen. „Man“ lehnt ab. Später dazugekommene RhythmikerInnen werden den VdM-Kommissionen die Zusammenarbeit schwer machen, weil mit ihnen inhaltliche Vereinheitlichungen nur mühsam erreicht werden können und ihr Verständnis von Unterricht als offenem Unterricht einer verbalen Eingrenzung und einer curricularen Aufteilung in Teilschritte im Wege zu stehen scheinen. In der Folge nimmt der VdM an, dass die Rhythmiker generell für eine Zusammenarbeit nicht bereit und wahrscheinlich auch wenig geeignet seien. Die RhythmikerInnen an den Musikschulen werden später ihrerseits das Curriculum als Korsett kategorisch ablehnen. 1968 ist das Konzept fertig und ab 1969 ist die „Musikalische Früherziehung“ fester Bestandteil der VdM-Musikschulen. Der kluge Marketing-Schachzug ist heute noch griffig: Die rote Mappe mit einem Glockenspiel, später der Name „Tina und Tobi“. Der Gruppenunterricht MFE/MGA mit jeweils 12 Kindern wird zum finanziellen Fundament der Musikschulen.
Im Gegensatz dazu ist schon in den 1960er Jahren das Fach Rhythmisch-musikalische Erziehung von Außenstehenden kaum noch greifbar, denn auch in den fachlich fundierten Büchern werden inhaltlich keine einheitlichen Begrifflichkeiten verwendet und angreifbare, zum Teil esoterisch anmutende Formulierungen gewählt. Seit Hellerauer Zeiten gibt es allerorten öffentliche Kurse, Einführungen und Fortbildungen zur Rhythmik; erteilt von mehr oder weniger ausgebildeten Lehrkräften oder auch von Laien. BesucherInnen und Teilnehmende schreiben sich die Übungen oder das Gesehene/Gehörte auf und veröffentlichen sie, sehr oft ohne Quellenangaben, pur oder eingebettet in das eigene berufliche Arbeitsfeld (beispielsweise Hünnekens/Kiphard 1966 oder Neikes 1969). Entsprechend hoch ist die Wahrscheinlichkeit von Fehleinschätzungen und Missverständnissen. Gleichzeitig veröffentlichen diplomierte RhythmikerInnen ihre pädagogischen Grundgedanken, Ideen und Unterrichtsanleitungen. Es herrscht weitgehend die Unsicherheit, ob die Rhythmik nun eine Ideologie, eine Idee, Methode, ein Unterrichts-Prinzip oder gar eine Therapie sei.
1971 machen sich die Rhythmikerin Getrud Bünner und der Wissenschaftler Peter Röthig mit mehreren Autoren an eine Bestandsaufnahme und Reflexion der rhythmischen Erziehung, worin sowohl historische Zusammenhänge als auch einzelne Besonderheiten ablesbar werden. Der Band kann heute noch als Schlüsselwerk betrachtet werden, denn er erschließt von den Vorzeichen und den Anfängen alle Richtungen und Anwendungsbereiche der Rhythmik, einschließlich des Orff-Schulwerks, der Eurythmie und Heilpädagogik.
1976 erscheint von Erna Erdmann eine wenig beachtete Arbeit, in der die Praxis der Rhythmik wissenschaftlich legitimiert werden soll. Im gleichen Jahr weist Brigitte Steinmann (Vogel-Steinmann 1979) in den bis 1975 vorliegenden Schriften aus dem deutschen Sprachraum nach, dass im Grunde alle RhythmikerInnen dasselbe wollen und offenbar nach gleichen methodischen Grundsätzen unterrichten. Sie systematisiert die Aussagen, ordnet diese derzeit gültigen erziehungswissenschaftlichen Begriffen zu und leitet daraus eine Definition für die Pädagogik ab.
1978 wird vom VdM ein Lehrplan für „Musik und Bewegung / Rhythmik und Tanz“ erstellt. Bei der Überarbeitung Anfang der 90er Jahre fällt im Titel der Begriff „Rhythmik“ weg. Trotzdem wird darin – entgegen der üblichen Lehrplan-Vorgaben – über Wesen, Herkunft, Ziele und Wirkung der Rhythmisch-musikalischen Erziehung referiert.
Immer mehr werden vielerorts für Laien oder Lehrer kürzere oder längere, fundierte oder weniger professionelle Fortbildungen zu musikpädagogischer Praxis in und außerhalb von Schule angeboten; unter den Dozenten sind viele RhythmikerInnen. 1978 gründet sich z.B. aus dem Hause SONOR die „Internationale Gesellschaft für musikpädagogische Fortbildung“ (IGMF) in Bad Berleburg, die durch weltweite Kurse mit namhaften DozentInnen gleichzeitig ihre Perkussionsinstrumente und das Orff-Instrumentarium vermarktet. Die (Bundes)Akademien für Kulturelle Bildung gewährleisten qualifizierte Fort- und berufsbegleitende Weiterbildungsangebote im Bereich musikalischer Früh- und Grundausbildung; meist in Zusammenarbeit mit dem VdM. In den vielen Kursangeboten und durch die offenherzigen, z.T. fast missionarischen Aktivitäten der dabei mitwirkenden RhythmikerInnen können sich nun alle an Rhythmik Interessierten die Schwerpunkte oder Ideen aus dem großen Angebot herausholen, die in ihre berufliche Konzepte passen. Das Fach Rhythmisch-musikalische Erziehung wird in diverse Lehrpläne von Ausbildungsstätten im sozialpädagogischen Bereich neben Musik und Sport aufgenommen. Neben verkürzten Rhythmik-Studiengängen an Musik- und Fachhochschulen etablieren sich berufsbegleitende Weiterbildungen; darunter fallen ab 1972 die sogenannten BR-Lehrgänge des Bundesverbandes Rhythmische Erziehung in Remscheid mit anfangs jährlich 40–80 AbsolventInnen besonders ins Gewicht. Für letztere wird ein eigenes umfassendes Curriculum erstellt und veröffentlicht (Glathe/Krause-Wichert 1978). Rhythmik ist längst zum Selbstbedienungsladen geworden.
1981 erscheint Isabelle Frohnes Erarbeitung des „Rhythmischen Prinzips“, die das Ziel hat, das Gemeinsame, einen gemeinsamen Nenner für alle musikpädagogischen Verfahren und Musiktherapien zu finden. Ein zukunftsweisender kluger Ansatz, der aber bei vielen LeserInnen eher Verwirrung stiftet als Klärung erbringt. 1984 macht Rudolf Konrad den Versuch, eine Theorie der Rhythmik zu entwerfen, 1987 bereitet Helga Tervooren wissenschaftlich die Entwicklung der Rhythmik bis zum Ausgang der Kestenberg-Reform auf, 1992 folgt Gudrun Schaefers Einordnung der Rhythmik in die Interaktionspädagogik.
In den 1980er Jahren werden an Musikhochschulen Musikstudiengänge im Grundstufenbereich entwickelt, noch unter unterschiedlichen Bezeichnungen wie z.B. Allgemeine Musikerziehung (AME) und unter Leitung/Beteiligung unterschiedlicher MusikpädagogInnen.
1983 kommt aus Salzburg ein neues Unterrichtswerk zur Früherziehung, das fortan in vielen Musikschulen anstelle des VdM-Curriculums verwendet wird oder gar den Lehrkräften vorgeschrieben wird. 1985 legt Karl-Heinz Zarius sein Konzept zur Musikalischen Früherziehung zuzüglich Stundenbildern vor. Im Grundlagenband dazu steht der Aufsatz der Rhythmikerin Holmrike Leiser über „Die Bedeutung der Bewegung für die Entwicklung des Vorschulkindes“ (siehe Zarius 1985).
1984 wird die Musikwissenschaftlerin Juliane Ribke Professorin für Musikpädagogik und Musikalische Früherziehung an der Hochschule für Künste Bremen und 1990 Professorin für Elementare Musikpädagogik, Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Der dort benachbarte Studiengang Rhythmik bietet ihr Gelegenheit zur intensiven Befassung mit der Rhythmik. Themen, Begrifflichkeiten, Gliederungen und Seminarkonzepte von Gudrun Schaefer, ebenda Professorin für Rhythmik, nimmt sie gerne auf und verwendet sie fortan ohne Quellenangaben (auch bei direkten Zitaten) in ihren Schriften (1994). Damit hat sich die Wahrscheinlichkeit von Fehlurteilen, Fehleinschätzungen und einseitigen Interpretationen der Rhythmik in der Allgemeinheit um ein Vielfaches erhöht.
Der Begriff des Elementaren in Orffscher Tradition hält Einzug in Veröffentlichungen zur Musikerziehung von Kindern. Ulrike E. Jungmair erklärt 1992 das Elementare. Dem Begriff hängt jedoch in vielen Kreisen noch das Anfängliche, Kindliche, Unfertige an. 2002 erscheint der Sammelband „Facetten elementarer Musikpädagogik“ (Ribke, Juliane/Dartsch, Michael 2002); darin ein Aufsatz der Rhythmikerin Marianne Steffen-Wittek über „Rhythmik – Der Beitrag der Rhythmik zum Thema Musik und Bewegung in der (Elementaren) Musikpädagogik“, der den Quellen der EMP nachspürt. Von Ribkes Konzept überzeugt übernimmt nun der VdM definitiv den Begriff „Elementare Musikpädagogik“ für die Elementar- und Grundstufe der Musikschulen; in der Umsetzung als Unterricht wird sie heute von den EMP-VertreterInnen zutreffender als Elementare Musikpraxis bezeichnet. Im neuen Strukturplan des VdM wird das Fach Rhythmik unter die Ergänzungsfächer verschoben. Auch in seinem Bildungsplan erscheint die Rhythmik nicht mehr direkt. Als Ausgleich ermöglicht der VdM dem „Arbeitskreis Musik und Bewegung / Rhythmik an Hochschulen“ (AMBR e.V.) die Erstellung/Veröffentlichung einer eigenen Arbeitshilfe, dem „Spektrum Rhythmik“ (vgl. Verband deutscher Musikschulen 2013).
Die Zahl der Publikationen verschiedenster Provenienz über die Praxis von Musikpädagogik, insbesondere in Verbindung mit Bewegung/Tanz, und den dazu formulierten theoretischen Überlegungen ist mittlerweile so umfangreich, dass der Einfluss der Rhythmik auf unzählige pädagogische und therapeutische Verfahren kaum noch nachvollziehbar ist. Das liegt vor allem daran, dass nicht alle AutorInnen ihren Hintergrund, beziehungsweise ihre Quellen benennen oder vielleicht selbst nicht mehr wissen, wo und von wem sie was mitgenommen haben. Sicher ist, dass, verfolgt man akribisch die Entstehungsgeschichten und die Aufenthalte der AutorInnen, alle diese Verfahren und Methoden im Laufe ihrer Entwicklung eine Berührung mit der Rhythmik aufweisen. (Mehr Informationen zu Persönlichkeiten, Ländern, Fachbegriffen etc. aus der Rhythmik in Ring/Steinmann 1997)
Feststellung
Aus der Betrachtung der Entwicklungen lässt sich der heutige Stand erkennen:
- Die Rhythmik ist ein seit Anfang des 20. Jahrhunderts gewachsenes Fach, ein musikalisch-künstlerisches, pädagogisches Verfahren, dessen Basis in der Art der Verbindung und Verknüpfung von Musik und Bewegung sich seit Anfang nicht verändert hat, aber dessen Ausrichtungen entsprechend dem gesellschaftlichen und individuellen Zustand und Wandel bedürfnisgerecht variierbar sind. Sie hat den Nachteil, dass der Laie – und auch viele Fachleute aus den Erziehungswissenschaften – weder mit dem Begriff „Rhythmik“ noch mit dem der „Rhythmisch-musikalischen Erziehung“ eine zutreffende Vorstellung verbindet. Auch die Erweiterung auf den nur schriftlich wirksamen Begriff „Musik und Bewegung / Rhythmik“ ist nicht aussagekräftig genug. Im Gegensatz zu Musikhochschulen im nahen und fernen Ausland gibt es in Deutschland kaum noch ausdrücklich nur auf Rhythmik bezogene Studiengänge.
- Die Elementare Musikpädagogik (EMP) ist eher eine seit Ende des 20. Jahrhunderts beginnende Zusammenführung verschiedener Richtungen, die in wesentlichen Teilen auf der Rhythmik fußen. Durch erfolgreiches Arbeiten einiger Absolventen aus dem Orff-Institut und die in Veröffentlichungen entwickelte Theorie hat sie sich in Deutschland etabliert. Sie hat den Vorteil, dass sich der Laie irgendetwas unter diesem Namen vorstellen kann. An den Musikhochschulen wird sie nicht einheitlich, aber eigenständig gelehrt. Vielerorts sind die betreffenden Professuren und Mittelbaustellen mit RhythmikerInnen besetzt, die durch ihre Qualifizierung für Bewegung und die spezielle künstlerisch-methodische Ausprägung eigene oder zusätzliche Schwerpunkte setzen.
Studiengänge
StudienanfängerInnen an Musikhochschulen haben heute oft Schwierigkeiten, den für sie passenden Studiengang, beziehungsweise Studienort und Schwerpunkt zu finden, weil die Profile der beiden Fächer sich ähnlich lesen. Aber auch junge AbsolventInnen wissen oft nicht genau, auf welchem Feld sie sich eigentlich genau bewegen und haben Mühe sich zu positionieren. Beide Fächer sind eindeutig der Kulturellen Bildung zuzuordnen, beide weisen ästhetische Dimensionen auf. Elemente der Rhythmik sind zudem in vielen anderen Studiengängen und unterschiedlichen Ausbildungen an Fachschulen etc. in Lehrplänen und Modulen verankert und werden von MusiklehrerInnen auch ohne spezifische Qualifikation oder von Fachfremden vertreten.
Die Zusammenhänge in der oben dargelegten Chronik können ein Bewusstsein für die eigenen Wurzeln schaffen. Was aber heute fehlt, ist eine gemeinsame, von allen Seiten akzeptierte und ganz allgemein verständliche Bezeichnung für die beiden Fächer. Dabei sind die bewährten positiven Bestandteile sowohl der Rhythmik als auch der Elementaren Musikpädagogik klar zu umreißen und in eine flexible, umfassende und erfolgreiche, zukunftsweisende Lehre an den Musikhochschulen zu führen. Dass dabei jedes Fach oder jede Hochschule sein eigenes Profil zeigt, sollte im Rahmen der Freiheit in der Lehre selbstverständlich sein.
Für das Fach „Rhythmik“, beziehungsweise für den Schwerpunkt „Musik und Bewegung / Rhythmik“ seien hier abschließend folgende inhaltliche Punkte kurz genannt, die unter anderen in einem Studiengang-Profil von Bedeutung sind:
- Der Zugang zur Musik entwickelt sich aus der Bewegung.
- „Musik und Bewegung“ als Gesamt ist das künstlerische Feld. Das bedeutet, dass RhythmikerInnen nicht nur MusikerInnen sind, sondern dass sie auch ihr zweites Instrument, ihre Körper, beherrschen. Durch eine vertiefte technische und künstlerische Ausbildung können RhythmikerInnen sowohl mit dem eigenen Körper gestaltend spielen als auch die in der Bewegung gespiegelten individuellen Eigenschaften ihrer SchülerInnen erkennen, über die Musik bewusst machen und zur allgemeinen Weiterentwicklung anregen.
- Künstlerischer Ausdruck / Improvisation im Schnittfeld von Musik und Bewegung, auch erweitert auf die Schnittfelder von Musik–Bewegung–Bildender Kunst–Dichtung.
- Spezifische Methodik im Einsatz der Mittel Musik und Bewegung.
- Orientierung an aktuellen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen in Entwicklungspsychologie und Pädagogischer Psychologie als Voraussetzung für die Ermittlung und Verfolgung der musikalischen und bewegungsbezogenen sowie anderen, über die Musikpädagogik hinausgehenden Ziele.
Im Text benannte Veröffentlichungen (nur Erstauflagen):
Boepple, Paul (1910): Präparationen für den Gesangsunterricht in der Volksschule nach den Grundsätzen Jaques-Dalcroze. Neuchâtel/Leipzig.
Bünner, Gertrud/Röthig, Peter (1971): Grundlagen und Methoden rhythmischer Erziehung. Stuttgart: Klett.
Erdmann, Erna (1976): Rhythmik – Genese eines Faches. Bonn-Bad Godesberg: Dürr.
Feudel, Elfriede (1949): Durchbruch zum Rhythmischen in der Erziehung. Stuttgart: Klett.
Feudel, Elfriede (Hrsg.)(1926): Rhythmik. Theorie und Praxis der körperlich-musikalischen Erziehung. München: Delphin.
Frohne, Isabelle (1981): Das Rhythmische Prinzip – Grundlagen, Formen und Realisationsbeispiele in Therapie und Pädagogik. Lilienthal: eres.
Glathe, Brita/Krause-Wichert, Hannelore (Hrsg.)(1978): Rhythmik – Grundlagen und Praxis. Wolfenbüttel: Kallmeyer
Haselbach (1971): Orff-Schulwerk – elementare Musik- und Bewegungserziehung. In: Bünner, Gertrud/Röthig, Peter: Grundlagen und Methoden rhythmischer Erziehung. Stuttgart: Klett.
Haselbach, Barbara/Nykrin, Rudolf/Regner, Hermann (1983): Der Musikkater – Musik und Tanz für Kinder. Mainz: Schott.
Hünnekens, H./Kiphard, E. (1960): Bewegung heilt – Psychomotorische Übungsbehandlung bei entwicklungsrückständigen Kindern. Gütersloh: Flöttmann.
Jacobs, Dore (1978): Bewegungsbildung – Menschenbildung. Kastellaun: A. Henn
Jacobs, Dore (1962): Die menschliche Bewegung. Ratingen: A. Henn.
Konrad, Rudolf (1984): Erziehungsbereich Rhythmik – Entwurf einer Theorie. Regensburg: Bosse.
Lorenz, Karl (1994): Wege nach Hellerau – Auf den Spuren der Rhythmik. Kleine Sächsische Bibliothek 5. Dresden: Hellerau.
Neikes, J.L. (1969): Scheiblauer-Rhythmik. Ratingen: Henn.
Pfeffer, Charlotte (1958): Bewegung – aller Erziehung Anfang. Zürich: Sämann.
Ribke, Juliane/Dartsch, Michael (2002): Facetten Elementarer Musikpädagogik. Regensburg: ConBrio.
Ribke, Juliane (1994): Elementare Musikpädagogik. Persönlichkeitsbildung als musikerzieherisches Konzept. Regensburg: ConBrio.
Ring, Reinhard/Steinmann, Brigitte (1997): Lexikon der Rhythmik. Kassel: Bosse.
Schaefer, Gudrun (1992): Rhythmik als interaktionspädagogisches Konzept. Remscheid: Waldkauz.
Tervooren, Helga (1987): Die rhythmisch-musikalische Erziehung im ersten Drittel unseres Jahrhunderts. (Europäische Hochschulschriften). Frankfurt a. M.: Peter Lang
Verband deutscher Musikschulen (Hrsg.) (2013): Spektrum Rhythmik – Musik und Bewegung/Tanz in der Praxis. Arbeitshilfe. Bonn: Eigenverlag.
Vogel-Steinmann, Brigitte (1979): Was ist Rhythmik? – Analyse und Bestimmung der rhythmisch-musikalischen Erziehung. Regensburg: Bosse.
Zarius, Karl-Heinz (1985): Musikalische Früherziehung – Grundfragen und Grundlagen. Mainz: Schott.