In den vergangenen Jahren hat sich die kulturelle Bildungslandschaft im Zuge des kontinuierlichen Ausbaus des Ganztags verändert. So werden verstärkt Anstrengungen unternommen, schulische und außerschulische kulturelle Akteure auf regionaler Ebene zu vernetzen. Die Kommunen sehen sich hier in einer wichtigen Schlüsselfunktion bei der Ausgestaltung kultureller Bildungslandschaften und verstehen die Vernetzung der Bereiche Erziehung, Bildung und Betreuung als eine zentrale kommunale Aufgabe (vgl. Deutscher Städtetag 2007: 1f.). Dabei entwickeln sich in den Kommunen vielfältige Strategien bei der Umsetzung dieser Vernetzungsaktivitäten in Abhängigkeit von unterschiedlichen Voraussetzungen und kultureller Infrastruktur (vgl. Faber 2011: 11). Einige Kommunen haben sich in einer Vorreiterfunktion aufgemacht, diese Vernetzungsaktivitäten und die Intensivierung kultureller Bildungsarbeit systematisch zu betreiben, zu dokumentieren und gezielt festzuschreiben: im Rahmen von kommunalen Gesamtkonzepten. Das Zentrum für Kulturforschung (ZfKf) hat im Auftrag der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) einige dieser kommunalen Gesamtkonzepte kleinerer, mittlerer und größerer Kommunen empirisch untersucht, unter der Fragestellung: Gibt es bestimmte Erfolgsindikatoren und Strategien, die unbedingt berücksichtigt werden müssen bei der Ausgestaltung kommunaler kultureller Bildungslandschaften? Und unterscheiden sich einzelne Handlungsmaßnahmen in Abhängigkeit von der Größe der Kommunen und deren kultureller Infrastruktur? Analysiert wurden die kommunalen Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung der drei Metropolen Berlin, Hamburg und München, der drei Großstädte Dortmund, Dresden und Düsseldorf, der drei mittelgroßen Städte Freiburg im Breisgau, Münster und Oldenburg und der drei kleinen Gemeinden bzw. der Region Coburg, Hiddenhausen und des Kulturraums Leipziger Raum. Ohne die Hilfestellung dieser Kommunen, die ihre Konzepte und umfangreichen Hintergrundinformationen zur Verfügung stellten, wäre die nachfolgend in Auszügen dargestellte Untersuchung nicht möglich gewesen.
Allgemeine Struktur der Konzepte
Kommunale Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung konzentrieren sich in der Regel auf drei zentrale Aufgabenfelder: 1.) Sichtbarmachen, 2.) Bündeln und 3.) Vernetzen. Dazu gehört in einem ersten Schritt das Sichtbarmachen der schon vorhandenen Strukturen innerhalb der kommunalen kulturellen Bildungslandschaft.
Eine solche Bestandsanalyse hat grundsätzlich das Ziel, das schon vorhandene Angebot der einzelnen Akteure und die Organisationsstrukturen innerhalb der Institutionen zu erfassen. Damit wird deutlich, wie gut die Kooperationspartner schon untereinander vernetzt sind und wie das aktuelle Angebot aufgestellt ist. Eine solche Analyse zeigt dabei auch Angebotsdefizite und fehlende Vernetzungsstrukturen auf, sodass sich daraus Ziele zur Optimierung ableiten lassen. In einem zweiten Schritt werden dann Strategien entwickelt, wie die bestehenden Angebote und Akteure stärker gebündelt und vernetzt werden können. Die Erreichung der vorab in der Bestandsaufnahme definierten Ziele kann nun durch die Festlegung und Umsetzung konkreter Handlungsmaßnahmen erfolgen. In den meisten Konzepten werden neben dieser strukturierten Erarbeitung von Maßnahmen auch die geplanten Organisationsstrukturen zwischen Umsetzung der avisierten Ziele und Handlungsmaßnahmen beschrieben. In erster Linie handelt es sich hierbei um die Verteilung der Verantwortlichkeiten und die Gestaltung von Kooperationen auf unterschiedlichen politischen Ebenen.
Konkrete Handlungsmaßnahmen in den Konzepten
Die Kommunen setzten bei den in den kommunalen Gesamtkonzepten festgelegten Handlungsmaßnahmen unterschiedliche inhaltliche und organisatorische Schwerpunkte, die eine vergleichende Gesamtbetrachtung erschweren. Im Rahmen der wissenschaftlichen Analyse wurden daher für alle Städte einheitliche Bewertungskriterien entwickelt und angewendet, auch wenn die Städte selbst ihre konkreten Handlungsschritte in den Konzepten teils anders thematisieren und strukturieren. Als Maßnahmen werden hier Aktivitäten definiert, die sich inhaltlich unter keinem übergreifenden Titel weiter zusammenfassen lassen und eine konkrete Vermittlungsaktivität implizieren. Maßnahmen können dabei eine Vielzahl von Einzelprojekten beinhalten, so beispielsweise die Teilnahme am NRW-Landesprogramm mit mehreren Künstlerprojekten in verschiedenen Städten. In den Konzepten taucht punktuell der Begriff „Maßnahme“ auch im Kontext der Einrichtung einer Koordinierungsstelle oder der Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit auf. Solche Organisationsstrukturen, die nicht konkret Vermittlungsarbeit thematisieren, werden in der folgenden Analyse an anderer Stelle vergleichend betrachtet. Die Zahl der Handlungsmaßnahmen in den jeweiligen Konzepten steht in einer deutlichen Beziehung zur Stadtgröße: Während Mittel- und Kleinstädte durchschnittlich vier Maßnahmen in ihren Konzepten festlegen, wurden für Metropolen durchschnittlich neun Maßnahmen herausgearbeitet, für Großstädte sogar elf. Bei der Analyse der Maßnahmen wird deutlich, dass die Handlungsmaßnahmen durchaus Entwicklungsprozessen unterliegen, die nicht statisch festgelegt sind, sondern im Rahmen von Fortschreibungen auch weiterentwickelt und ausgebaut werden können. Bei der Hälfte der Städte ist so im zeitlichen Verlauf ein Zuwachs an Maßnahmen festzustellen, bei zwei Dritteln der Großstädte sogar ein deutlicher Zuwachs, hier auch in Abhängigkeit zur Dauer der bestehenden kommunalen Gesamtkonzepte.
Ein Schwerpunkt der Maßnahmen liegt, im Sinne des vorausgehend skizzierten Systemwechsels, in allen Konzepten auf der Initiierung und Implementierung von Kooperationen zwischen Schulen und außerschulischen kulturellen Partnern wie Museen, Musikschulen, KünstlerInnen, so zum Beispiel die Beteiligung bzw. der Aufbau von Programmen wie „Theater und Schule“ („TuSch“) oder „Jedem Kind ein Instrument“ („Jeki“). Handelt es sich um außercurriculare Maßnahmen, werden diese häufig innerhalb des (offenen) Ganztags eingebunden. Einen wichtigen Stellenwert nehmen auch der Ausbau der Bildungsangebote in Kultureinrichtungen und Kooperationen mit Kindertagesstätten innerhalb der Maßnahmen ein, sind jedoch im Vergleich zu den Kooperationsprojekten mit Schulen nicht Bestandteil aller hier untersuchten Konzepte. In Metropolen erfolgen besonders häufig interkulturelle Maßnahmen oder spezielle Angebote bzw. Vergünstigungen, die sich an Familien richten. Der Bereich der Medienbildung wird in den meisten Großstädten initiiert, während Festivals am ehesten zu den Maßnahmen in mittelgroßen Städten gehören. Dabei ist das Gros der Maßnahmen in den kommunalen Gesamtkonzepten spartenübergreifend konzipiert. Nur einige Maßnahmen konzentrieren sich hier auf ausgewählte oder auch nur eine Sparte, wie eben genannte Programme „Jeki“ oder „TuSch“. Die punktuell in der Analyse beobachtete leichte Verdichtung in den Sparten Musik und Theater kann möglicherweise auf die stärkere Präsenz der Musikschulen und Theater in den Kommunen zurückgeführt werden. Neben dem spartenspezifischen Fokus einzelner Maßnahmen verfolgen alle Kommunen auch thematische Schwerpunkte mit ihrem Gesamtkonzept. An erster Stelle tauchen bei den untersuchten kommunalen Gesamtkonzepten interkulturelle Themen und partizipative Ansätze auf. Es sind vor allem Metropolen, Großstädte und Mittelstädte, die Projekte unterstützen, in denen junge Teilnehmende aktiv den Projektverlauf mitgestalten und beeinflussen können. In Metropolen und Großstädten sind außerdem auch stadtteilbezogene Ansätze von Bedeutung. Den jeweiligen Stadtteilen oder Bezirken werden hier einzelne Bereiche zur Selbstverwaltung überlassen. In großen Städten gibt es außerdem immer wieder vereinzelt Stadtteile, die als sogenannte „soziale Brennpunkte“ bezeichnet werden, und denen im Rahmen der Gesamtkonzepte ein größerer Bedarf an kultureller Bildungsarbeit zugesprochen wird. Hier geht es oftmals auch um andere konzeptionelle Strategien, da solche Stadtteile häufig über eine kaum ausgebaute kulturelle Infrastruktur verfügen. Der hohe Stellenwert interkultureller Themen bei den Kommunen (67 %), die sehr unterschiedlich interpretiert werden können, legt eine differenzierte Betrachtung dieser Aktivitäten nahe. Eine Mehrheit der Städte (42 %) versteht hierunter das Erreichen (junger) Menschen mit Migrationshintergrund, 33 Prozent das Aufgreifen von Kunst aus unterschiedlichen (Migrantenherkunfts-)Ländern – in der Regel mit der gleichen Absicht einer besseren Zielgruppenansprache von Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund. 25 Prozent der Konzepte stellen weniger kulturelle länderspezifische Unterschiede in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten als vielmehr den Aspekt der Migration als eigenes Phänomen. Neben dem thematischen Fokus charakterisieren sich Handlungsmaßnahmen auch über die Art, wie Teilnehmende an Kunst und Kultur herangeführt werden. Es ist positiv festzuhalten, dass bei allen Konzepten rezeptive und künstlerisch-kreative Aspekte in den Vermittlungsansätzen der Handlungsmaßnahmen eine Rolle spielen. Ein leichter Fokus kann dabei auf künstlerisch-kreative Vermittlungsansätze beobachtet werden.
Zielgruppenausrichtung der Konzepte
Entsprechend der Vielzahl an Maßnahmen, richten sich die kommunalen Gesamtkonzepte an ein sehr breites Zielgruppenspektrum und weisen dabei im Sinne lebenslanger Lernprozesse in einer Kommunikations- und Wissensgesellschaft ein breites Altersspektrum auf. Die wichtige Bedeutung auch der kulturellen Erwachsenenbildung unterstreichen ExpertInnen, wie zum Beispiel die der Enquete-Kommission (vgl. Deutscher Bundestag 2007: 400). Ein zentraler Fokus der Zielgruppenausrichtung liegt jedoch in allen Konzepten auf dem Erreichen von Kleinkindern und schulpflichtigen Kindern. Bei der Ansprache von Vorschulkindern kann in den kommunalen Gesamtkonzepten eine deutliche Fokussierung auf Kindertagesstätten beobachtet werden. In allen hier untersuchten Städten finden sich Handlungsmaßnahmen, die diese Einrichtungen einbeziehen. Seltener ist dagegen eine Zielgruppenansprache von Vorschulkindern innerhalb der Familie (42 %), die eher in Metropolen oder aber in kleineren Kommunen thematisiert wird. Eine Lücke zeigt sich in den Konzepten bei der Zielgruppenansprache junger Erwachsener. So gibt es nur wenige Maßnahmen, die sich beispielsweise an Studierende oder Auszubildende richten. Dies konnte jüngst auch in der Studie „mapping// kulturelle-bildung“ (Keuchel 2011) beobachtet werden, in der über 1000 kulturelle Bildungsmaßnahmen analysiert wurden. Einen Mangel an Angeboten, bzw. hier einen Mangel des Rückgriffs auf solche Angebote, speziell im Hochschulbereich, bestätigt auch der „Bildungsbericht 2012“ im Rahmen der HISBUS-Studierendenbefragung „Kulturelles Leben“ aus dem Jahr 2011 (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012: 169). Auch Erwachsene über 65 Jahre werden nur vereinzelt mit den Konzepten angesprochen, obwohl SeniorInnen im Zuge des demografischen Wandels eine zunehmend wichtige Rolle als Zielpublikum einnehmen. Unter den erwachsenen Zielgruppen der untersuchten Konzepte werden Familien (58 %) am häufigsten thematisiert. Eine gängige Handlungsmaßnahme für Familien stellt hier die Einführung eines sogenannten „Familienpasses“ in Kommunen dar, der Familien ermäßigten oder kostenlosen Zugang zu Kultureinrichtungen ermöglicht. In den kommunalen Gesamtkonzepten finden sich auch altersunabhängige Zielgruppenausrichtungen. Beispielsweise beziehen Handlungsmaßnahmen auch PädagogInnen (42 %) ein, um das Interesse für Kulturelle Bildung, hier auch speziell deren Bereitschaft zur Kooperation mit außerschulischen Partnern, zu stärken. Bei Angeboten für die Zielgruppe der LehrerInnen engagieren sich vor allem die Groß- und Mittelstädte. Jeweils fünf der zwölf untersuchten Städte richten zudem konkrete Handlungsmaßnahmen auch speziell an migrantische und auch bildungsferne Bevölkerungsgruppen aus. Dies gilt vor allem für die Metropolen (67 %), die in der Regel einen hohen Anteil dieser beiden Gruppen aufweisen. Die Befähigung zur aktiven Teilhabe an Kultur und der Möglichkeit zu eigenem kulturellen Engagement wird dabei häufig in den kommunalen Gesamtkonzepten als Zielsetzung bei Projekten für Menschen mit Migrationshintergrund genannt. Ob in diesem Kontext eine zielgruppenspezifische Ansprache sinnvoll ist, wird allgemein in der Fachwelt kontrovers diskutiert, da die Ausschließlichkeit auch zu einer Stereotypisierung und dadurch Ausgrenzung führen kann (vgl. Yildiz 2009: 73ff.). Andererseits kann die Identifizierung mit Personen mit ähnlicher Biografie einen wichtigen Faktor darstellen, sich an kulturellen Bildungsaktivitäten zu beteiligen (vgl. Settelmeyer / Dorau / Hörsch 2006: 7f.). Vergleichsweise selten werden künstlerisch hochbegabte Zielgruppen (8 %) und Personen mit Behinderung (17 %) angesprochen. Eine mögliche Konzeptmaßnahme besteht beispielsweise in einer Bestandsaufnahme zur Barrierefreiheit in den kulturellen Einrichtungen und im Rahmen der angebotenen kulturellen Bildungsmaßnahmen. Auch können in der Praxis punktuell weitere andere altersunabhängige Zielgruppenausrichtungen beobachtet werden. Eine Maßnahme speziell für einkommensschwache Familien ist etwa die Weiterentwicklung von Ermäßigungssystemen für Musikschulen oder andere Kultureinrichtungen.
Zuständigkeiten und Organisationsstrukturen für die Konzepte
Die Zuständigkeit in der Stadt für die Umsetzung der kommunalen Gesamtkonzepte liegt in der Regel bei Ämtern bzw. Behörden für Kultur und Bildung. Dabei kann es sich um einzelne Ämter handeln oder um Ressorts, die in einem Amt zusammenarbeiten. Die beiden Ressorts Kultur und Bildung sind jedoch bei allen vorliegenden kommunalen Gesamtkonzepten zur Kulturellen Bildung beteiligt. Zusätzlich werden in der Praxis oftmals weitere Ämter oder Ressorts bei der Umsetzung einbezogen, wie Soziales, Jugend, Familie oder Integration. Die federführende Koordination der Konzepte wird in der Regel von einem eigenen Koordinator betreut. Alle zwölf beteiligten Städte geben an, diesen für die Umsetzung des kommunalen Gesamtkonzepts bereitzustellen. Diese Aufgabe erfolgt meistens im Rahmen anderer kommunaler Tätigkeiten und die Koordination wird in der Regel nahezu immer im Ressort Kultur ausgeübt, wie dies die Abb. 4 (s. o.) Übersicht veranschaulicht. So binden zehn Städte als federführend das Ressort Kultur und eine Stadt das Bildungsressort ein. Eine Stadt gibt an, dass bei der Koordination des Konzepts eine geteilte Federführung der Ressorts Kultur, Bildung und Soziales vorliegt. Aufgrund der zahlreichen unterschiedlichen Vermittlungsorte und Akteure einer Kommune nimmt das Einrichten von Koordinierungsstellen einen wichtigen Stellenwert bei dem Aufbau eines gesamtstädtischen Netzwerks zur Kulturellen Bildung ein. Elf der zwölf untersuchten Kommunen arbeiten entsprechend mit einer speziell für das kommunale Gesamtkonzept eingerichteten Koordinierungsstelle, die bei der Hälfte der befragten Städte von dem federführenden Ressort, den Kulturämtern (50 %) gesteuert wird. Alternativ werden eigenständige Projektbüros, Steuerungsgruppen oder selbstständig agierende Kultur- und Schulservices ins Leben gerufen.