Pluralität und Praxisvielfalt Kultureller Bildung
Kulturelle Bildung als ein Praxisfeld pädagogischen Handelns zeichnet sich durch Diversität und Differenz ihrer Vermittlungsformen und inhaltlichen Bezüge aus. Man kann dies auch als ihre besondere Qualität und Stärke werten, etwa im Vergleich und Unterschied zu anderen Lern- und Bildungsfeldern wie den Naturwissenschaften, der Mathematik, den Sprachen oder Wissensgebieten wie z.B. Geografie, Geschichte, Politik und Soziales.
Diese Vielfalt ist für Kulturelle Bildung als Sammelbegriff unterschiedlicher ästhetischer Praxisformen, theoretischer Fundierungsmöglichkeiten und vor allem Orte und Formate ihrer Vermittlung konstitutiv. Analog und akzentuiert gilt das auch für allgemeine Feldbezeichnungen wie „musische Erziehung“, „Kinder- und Jugendkulturarbeit“, „Kulturpädagogik“, „künstlerische und ästhetische Bildung“. Vor allem seit den kulturpolitischen Setzungen der „Konzeption Kulturelle Bildung“ des Deutschen Kulturrats (1994/2005), dem Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Kultur in Deutschland“ (2008) und den grundlegenden „Annäherungen an den Begriff“ von Max Fuchs (2008a), hat sich die Bezeichnung „Kulturelle Bildung“ als Feldmarkierung unhintergehbar und allgemein etabliert.
Kulturelle Bildung hat allerdings als allgemeiner Feldbegriff und als anschauliche Praxis ein Profilproblem: Ihre Einzelformate und Erscheinungsformen – von Musikschulen über Malkurse, Zirkusprojekte, Medienwerkstätten bis hin zur Tanzperformance und Theateraufführung – werden nicht per se dem Rahmen „Kulturelle Bildung“ zugeordnet. Zur Profilierung Kultureller Bildung ist es daher notwendig, einen Weg zu finden, um sowohl den allgemeinen Kontingenzbedarf (Was ist Kulturelle Bildung?) als auch die spezifische plurale Diversität (Das alles ist Kulturelle Bildung!) herauszuarbeiten. Es muss gelingen, in Theorie und Praxis einen identifizierenden Zusammenhang zwischen den Einzelphänomenen und „Kultureller Bildung“ herzustellen bzw. ihn gut wahrnehmbar darzustellen. Theoriebildung und Praxisentwicklung sind daher aufgefordert, diese Profilbildung im engen Verbund und „auf Augenhöhe“ gemeinsam voranzubringen, um das Handlungsfeld „Kulturelle Bildung“ identifizierbar werden zu lassen.
Kulturelle Pluralität und Subjektorientierung
Es ist nach wie vor schwierig bzw. weder möglich noch wünschenswert, die Praxisvielfalt Kultureller Bildung einer standardisierten Systematik unterzuordnen bzw. dafür generelle Gültigkeit zu beanspruchen. Kulturelle Bildung ist kein vereinheitlichtes Handlungsfeld mit entsprechenden exklusiven Inhalts- und Vermittlungsstandards. Die divergente Vielfalt der Inhalte, Orte, Formate und Angebote Kultureller Bildung ist sowohl Chance als auch Problem, und dies wiederum ist systematisch begründbar: „‚Kulturelle Bildung’ führt mit seinen Wortbestandteilen ‚Kultur‘ und ‚Bildung‘ zwei der – zumindest in der deutschen Sprache – reichhaltigsten und komplexesten Begrifflichkeiten zusammen“ (Fuchs 2008a:11). Dies hat Ursachen und Folgen:
>> Es gilt als je aktuelle Praxis und inhaltlich-bildender Bezug nicht die Kunst, bzw. die Kultur, sondern immer Künste und Kulturen im Plural zugrunde zu legen, entsprechend je historisch-zeitaktueller Erscheinungen.
>> Geht man zudem von einem angemessen weiten, subjektorientierten Bildungsbegriff aus, so lassen sich Künste und Kulturen bestenfalls in ihren Techniken und Wissenskontexten, aber nicht in ihren gestalterisch-kreativen Substanzen und Möglichkeiten planvoll und systematisch vermitteln. Dies bleibt als spezifisch kulturell-ästhetischer Bildungsgewinn dem Subjekt selbst entsprechend seiner Lebens- und Interessenslagen vorbehalten.
>> Kulturelle Bildung ist nicht eindeutig einem kultur-, sozial- oder bildungspolitischen Feld zuzuordnen, im Gegenteil. Es ist besonderes Kennzeichen Kultureller Bildung, dass sie von Anfang an und lebenslang viele alltägliche und gesellschaftliche Lebens- und Gestaltungsbereiche durchdringt, mit sehr verschiedenen Ausdrucks- und Angebotsformen und unterschiedlichen Professionen.
Kulturelle Bildung im Lebenslauf
Kulturelle Bildung hat, wie jede Form Allgemeiner Bildung, einen starken biografischen Bezug, der in Theorie und Praxis von Bildung und Erziehung, erziehungswissenschaftlich und soziologisch, unumstritten ist (siehe Rainer Treptow „Biografie, Lebenslauf und Lebenslage“). Der Zusammenhang von Kultureller Bildung und Lebenslauf ist unhintergehbar.
„Ein Lebenslauf ist der Lebenslauf jeweils eines Individuums, also ein anderer als der jedes anderen Individuums“ (Luhmann 1997:20). Pluralität und Angebotsvielfalt erhalten so im subjektiven Lebenslauf ihre bedeutungsvolle Kontingenz – soweit Teilhabe und Partizipationschancen gegeben sind: Erreichbarkeit, Angemessenheit, Interessenorientierung, Motivation und Selbstwirksamkeit. Der Soziologe Niklas Luhmann schreibt weiter: „Der aus Wendepunkten bestehende Lebenslauf ist einerseits ein Medium im Sinne eines Kombinationsraums von Möglichkeiten und andererseits eine von Moment zu Moment fortschreitende Festlegung von Formen, die den Lebenslauf vom jeweiligen Stand aus reproduzieren, indem sie ihm weitere Möglichkeiten eröffnen und erschließen“ (a.a.O.:22). Genau das ermöglicht Kulturelle Bildung als Handlungsfeld und die Pluralität ihrer Formate. Es ist die gesellschaftliche und soziale Funktion von Künsten, Kulturen und Medien, eine Bildungslandschaft bereitzustellen, die es erlaubt, in aller Differenz und Diversität, aber mit einer gemeinsamen Perspektive, das ethisch-ästhetische Lernziel Allgemeiner Bildung zu verfolgen: Lebenskunst (siehe Hildegard Bockhorst „,Lernziel Lebenskunst‘ in der Kulturellen Bildung“).
Kulturelle Bildung als lebensweltliche Topografie und Kartografie
In der Konsequenz und auch als Resümee der zunächst additiven Darstellung der Handlungsfelder Kultureller Bildung gilt es zu betonen, dass diese vom experimentellen Spiel über die auch emotional ereignishafte Kunst, die Erfahrung von Schönheit bis zur ästhetischen Eigenproduktivität und dem aktiven wie rezeptiven Mediengebrauch, eigentlich nur als vielgestaltige und idealerweise reichhaltige Landschaft konzeptionell vorstellbar und systematisch beschreibbar ist. Dies schließt auch an neuere Diskurse und vernetzende Kooperationskonzepte erweiterten kultur- und sozialräumlichen Bildungsdenkens an zugunsten von „Räumen flexibler Bildung“ (Bollweg/Otto 2010) und ist eigentlich die ideale auch didaktisch-konzeptionelle Rahmung von Ermöglichungsstrukturen Kultureller Bildung in Lebenswelt und Lebenslauf.
Dem Konzept regionaler, lokaler und kommunaler Bildungslandschaften als erweiteter Blickwinkel der räumlichen Dimension von Bildungsoptionen ordnet sich analog das Konzept von Ganztagsbildung (vgl. Coelen/Otto 2008) über Ganztagsschulen hinaus auch in lebensweltliche Dimensionen der ‚Kulturen des Aufwachsens’ zu. Die zeiträumlichen Koordinaten von Bildung sind ausgesprochen angemessene und hilfreiche Formen, um Pluralität und Differenz kulturpädagogischer Praxis in vorstellbaren Strukturen organisierter Bildungsräume als „Chronotopologie“ (vgl. Liebau/Miller-Kipp/Wulf 1999) zu denken und zu gestalten.
Kulturelle Bildung in der Interpretation als topografische Landschaft eröffnet die Chance, ihre Pluralität in mehrfacher Weise (Künste und Kulturen, Subjektorientierung, politisch-gesellschaftliche Ordnungen) mit eher additiv-differenzierenden Methoden der Kartografie, des ‚mappings’, des explorativen und auch flexiblen Vermessens darzustellen (vgl. Zacharias 2001:139). Dies entlastet auch vom Standardisierungs- und Systematisierungszwang einer Beschreibung der pluralen Handlungsfelder in ihrer Reichhaltigkeit und Verschiedenheit entsprechend Inhalten, Zielen, Adressaten, Orten, Aneignungs- und Ausdrucksformen, politisch-institutionellen Zuständigkeiten sowie Entscheidungs- und Bedingungsdimensionen des variantenreichen kulturpädagogischen Handelns, bzw. bildender Wirkung von Künsten und Kulturen. Eine kulturpädagogische Praxistopografie lässt sich dann auch gliedern nach Sektoren, Sparten, Ebenen, Politikfeldern, Zielgruppen, zeitlich-räumlichen Koordinaten, Bildungsformen, Adressaten und Professionen (vgl. Fuchs 2008a:119).
Die also durchaus nötige und unübersichtliche Pluralität der Erfahrungs- und Gestaltungsinhalte sowie der Praxisformate Kultureller Bildung und des diesbezüglichen unmittelbaren und mittelbaren kulturpädagogischen Handelns wird plausibel und anschaulich begründet, wenn man das Handlungsfeld im Detail und exemplarisch in seinen Spielarten benennt bzw. dann auch systematisch im Prinzip einer Bestandsaufnahme analysieren würde. Das Handlungsfeld Kulturelle Bildung reicht – ohne systematischen Anspruch als illustrative Auswahl addiert – vom schulischen Musik-, Literatur- und Kunstunterricht einschließlich Abiturfach über freiwillige Kurse aller Art (z.B. Musikschule, Jugendkunstschule, Tanz, Theater, Zirkus usw.), Werkstätten und Projekte (Inszenierung, Medienproduktion, Ausstellung, Performance, Stadt- und Geschichtserkundung, Aufführung, Parade) bis zu Festen und Feiern, Events, Jubiläen und Protestveranstaltungen.
Das Handlungsfeld schließt zudem methodisch und je alters- und spartenspezifisch differenziert Wettbewerbe, Ferienangebote, Exkursionen und Reisen ein. Kindermuseen, Spielmobile, Castings und Shows, urban art, hip-hop und Bands, digitale blogs, Netze und communities in Web 2.0 erweitern die zeit-räumlich denkbaren und gestaltbaren kulturellen Lernfelder in allen möglichen vorstellbaren Gruppenkonstellationen, auch intergenerationell, spartenübergreifend und interdisziplinär, cross-over und transkulturell. Dazu kommt noch die gleichberechtigte Vielfalt der Kultur-, Lern-, Natur- und Alltagsorte, z.B. von Schule und Schulhof, Museum und Theater, urbanen (Spiel-)Plätzen und öffentlichen Räumen, Einrichtungen der Jugend- und Sozialarbeit, Volkshochschulen, Kirchen, Sporteinrichtungen, soziokulturellen Zentren, Geschichts- und Medienwerkstätten, Wälder und Wiesen, Seen, Strände und Berge. Nicht zu vergessen auch als informelle Kultur- und Bildungsräume sind Kino und TV sowie natürlich und zunehmend dominant-dynamisch die digitalen Spiel- und Kommunikationswelten, die „games“ und „networks“ des Cyberspace für die net-Kids bzw. die „facebook-Generation“.
Das alles hat individuelle kulturelle Bildungseffekte und wird damit zum Inhalt, Gegenstand und Ansatz des kulturell-ästhetischen Lernens in formalen, nonformalen und informellen Settings und eines derart mittelbar und unmittelbar bezogenen kulturpädagogischen Handelns mit differenzierten Akzentuierungen: Als Orte und Angebote für ästhetische Erfahrung und Gestaltungsprozesse, als Chancen für neue Lernkulturen – von Schule bis Freizeit, von Familie bis Internet und peer groups.
Das Handlungsfeld Kulturelle Bildung in der Vielfalt seiner einzelnen Handlungsfelder, Lernkulturen, Orte, Zeiten und Angebotsformate zeichnet sich durch eine besondere und im Horizont von Allgemeinbildung auffällig-eigensinnige Komplexität aus, wie sich dies auch im Leitbild (mit) „Kultur leben lernen“ (BKJ 2002) illustrativ darstellt.
Kulturelle Bildung – Teil Allgemeiner Bildung
Praxisvielfalt kennzeichnet also das Handlungsfeld Kultureller Bildung und ist aller dringenden und wünschenswerten Struktur- und Theoriequalifizierung vorgängig. Die Frage, die sich daraus ergibt, ist: Was ist das Gemeinsame dieser real existierenden pluralen Unübersichtlichkeit? Was ist das Allgemeine, das z.B. die sich im Horizont von Medialisierung und Digitalisierung permanent wandelnden Phänomene miteinander verbindet?
Die Frage nach dem Umgang mit Pluralität ist für die Bildungstheorie und die Erziehungswissenschaften nicht neu (vgl. Gogolin/Krüger-Potratz/Meyer 1998). Zum erziehungswissenschaftlichen „Pluralitätskonzept“ heißt es bei dem Allgemeinpädagogen Hermann Röhrs 1979, durchaus übertragbar auf den Teilbereich Kultureller Bildung: „Erzieherische Komplexität als Signum der Erziehungswirklichkeit lässt sich weder durch bloße Komplexitätsreduktion noch durch Pluralität der wissenschaftlichen Konzepte allein pädagogisch angemessen beantworten“ (Röhrs 1979:9). Er empfiehlt, die Konkurrenz von Konzepten in Korrespondenz zur Praxis – heute sagen wir dazu Evaluation, bzw. Wirkungsforschung – sowie die Akzeptanz unterschiedlicher Standorte und Sichtweisen positiv zu nutzen. Pluralität und Bildung bedeutet dann auch, das ‚Allgemeine‘ immer wieder neu zu bestimmen als professioneller öffentlicher Auftrag: Bildungsstrukturen müssen permanent den gesellschaftlichen Veränderungen entsprechend überdacht werden. Pluralität bedeutet zudem auch die Akzeptanz der Differenz, des Anderen und Fremden gerade auch in den vielfältigen Vollzügen kulturell-ästhetischen Lernens und kulturpädagogischer Praxis. Von besonderer Aktualität und Brisanz ist dies – und damit insbesondere Herausforderung und Chance Kultureller Bildung –, wenn das Verweisungsverhältnis „Pluralität und Bildung“ auf Lehren und Lernen beispielsweise in interkulturellen und inklusiven Konstellationen, bezogen wird, gerade auch in öffentlich verantworteten Lernkulturen: „Die Vermittlungsaufgabe, vor der Lehrende und Lernende stehen, ist eine Aufgabe, in der ‚Ungleiches‘ miteinander vermittelt wird, auf der einen Seite die Welt, die Wirklichkeit und Objektivationen, auf der anderen Seite die Heranwachsenden in ihrer Subjektivität, ihren Lernbedürfnissen und ihren Lernfähigkeiten, in ihrer Unfertigkeit und ihrer Verschiedenheit von den Lehrenden“ (Gogolin/Krüger-Potratz/Meyer 1998:267).
Bezüge Kultureller Bildung in Richtung „Allgemeine Bildung“ (Tenorth 1986), „Allgemeine Pädagogik“ (Benner 1991) und „Allgemeine Didaktik“ (Reich 1977) signalisieren die möglicherweise unlösbaren Problemkonstellationen als bildungstheoretische Dauerthematik einer systematischen und funktionalen Bestimmung der bildenden und strukturellen Wechselverhältnisse zwischen Theorie und Praxis, Denken und Handeln, Planen und Verwirklichen. Daran schließt sich die Frage nach einem allgemeinen Bildungskanon und Curriculum an:
„‚Alle alles zu lehren‘ – das ist ein altes Thema der Pädagogik, seit Johann Amos Comenius es in seiner ‚Didactica Magna‘ im 17. Jahrhundert erstmals formulierte. ‚Allgemeine Bildung‘ ist aber auch ein noch uneingelöstes Versprechen der bürgerlichen Gesellschaft, seit sie sich an der Wende zum 19. Jahrhundert formierte und ihr Selbstverständnis auch in universalen Bildungsprogrammen festschrieb“ (Tenorth 1997:1).
Es ist die bildende und klassische Basisidee von Wilhelm von Humboldt um 1800, die auch heute Pluralität, Diversität und Komplementarität von Bildung als Verknüpfung unseres Ichs mit der Welt begründet in aller nur denkbaren Mannigfaltigkeit, „mit welcher die äußeren Gegenstände unsere Sinne rühren“ (Humboldt in Thenorth 1986:34). Das zu qualifizierende und bildende Subjekt- und Weltverhältnis, auch als biografisch „höherbildender“ Transformationsprozess benennbar (vgl. Marotzki 1990), ist es, das die Pluralität und Komplexität Kultureller Bildung – so schwierig sie strukturell und systematisch zu fassen, zu begründen, zu organisieren und zu planen ist – besonders angemessen und zeitgemäß erscheinen lässt. Kulturelle Bildung kann auch als provokative Herausforderung für Positionen verstanden werden, die technologisch-funktionales, be- und verwertbares Wissen in den Mittelpunkt pädagogischer Aufmerksamkeit stellen.
Handlungsbedarf und Feldqualifizierung
Die wechselseitige Dialektik von Allgemeinem und Speziellem, Gesellschaft und Individuum, Kultur- und Bildungskanon und Subjektorientierung, gehört zum immanenten und auch expliziten Wissen Kultureller Bildung. Der Deutsche Kulturrat hat dies beispielsweise 1994 in einer Stellungnahme, die der „Konzeption Kulturelle Bildung“ vorangestellt war, so formuliert:
„Kunst und Kultur sind unverzichtbare Elemente einer zeitgemäßen Allgemeinbildung. Jedes innovative und zukunftsorientierte Bildungssystem muss das berücksichtigen. Kulturelle Bildung ist weit mehr als Wissensvermittlung. Kulturelle Bildung hat das Ziel, allen Menschen den Zugang zu Kunst und Kultur und über diesen Weg die Entwicklung eigener schöpferischer Kräfte zu ermöglichen“ (Deutscher Kulturrat 1994:15). Dem folgte der Appell zu Kooperation und Vernetzung, wie es die aktuelle Entwicklung seitdem theoretisch, praktisch und politisch allenthalben fordert und zeigt: „Eine planvolle Entwicklung der kulturellen Bildungslandschaft erfordert Kontakt, Austausch und Abstimmung aller Träger und Beteiligten. Der Verwaltung kommt dabei eine Moderatenrolle zu“ (a.a.O.:16).
Kulturelle Bildung in der „Lebensperspektive“, wie dies auch die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestags (2008) in einem angemessen weiten Verständnis nennt, stellt für Deutschland fest, dass es kaum möglich ist, von „Kultureller Bildung im Allgemeinen“ zu sprechen, aufgrund der Vielfalt an Akteuren und Angeboten, an Organisationsformen, Adressaten, Einrichtungen, Zuständigkeiten, orts- bzw. spartenspezifischen Formaten, Zugängen und Nutzungen. Betont wird der Bedarf an angemessener Infrastruktur, die allerdings Pluralität und Differenz befördern sollte, statt sie zu vereinheitlichen.
„Der öffentliche Auftrag zu Aufbau und Erhalt einer Infrastruktur der Kulturellen Bildung bedarf aktiven staatlichen und kommunalen Handelns. Förderleistungen in diesem Bereich liegen im öffentlichen Interesse‘“ (Deutscher Bundestag 2008: 571).
Gerade die unübersichtlich-reichhaltige Pluralität und Komplexität des Handlungsfeldes Kultureller Bildung erfordert konsequenterweise neue Formen eher horizontaler basisnaher Unterstützung. Als Handlungsbedarf und Feldqualifizierung lässt sich stichwortartig folgern:
>> Durchführung periodischer empirischer Bestandsaufnahmen der existierenden Praxisformen und eine explizierende Verallgemeinerung des hier vorhandenen immanenten professionellen Handlungswissen, einschließlich der inzwischen unüberschaubaren Flut zeitbegrenzter „Modelle“ .
>> Neugestaltung von Förderung und Zuständigkeiten je nach Sparte/Adressat/Format entsprechend der verschiedenen politischen Ebenen und fachlichen Zusammenhängen.
>> Entwicklung wissenschaftlicher Verfahren und Standards der Evaluation und Wirkungsforschung, die den Praxisformen und der Handlungsvielfalt Kultureller Bildung gerecht werden.
>> Qualifizierung künstlerisch-ästhetisch akzentuierter auch medial-digitaler Gestaltungskompetenzen aller pädagogischen, insbesondere natürlich auch kulturpädagogischen und kulturvermittelnden Akteure und Professionen. Dies betrifft sowohl die Ausbildung wie auch die Fort- und Weiterbildung.
>> Ausbau systematischer lokaler, regional vernetzender und qualifizierender Infrastrukturen als Kultur- und Bildungslandschaften bzw. erreichbare Spiel- und Lernräume.
>> Aufwertung von Sozial-, Kooperations- und Vernetzungskompetenzen als professionelle Schlüsselkompetenzen Kultureller Bildung.
Dies alles führt idealerweise zur Entfaltung von didaktischen Strukturen, die vom formalen bis zum informellen Lernen reichen, die entsprechend den kulturpädagogischen Handlungsformen differenzieren und die die Kennzeichen von Pluralität, Differenz und Diversität haben.