Park macht stark! Pädagogik, Partizipation und Landschaftsarchitektur in einer diverser werdenden Welt
Abstract
Der Mitmach-Park in Weinstadt verwebt Landschaftsarchitektur, Partizipation und baukulturelle Bildung und begeht neue Wege der Freiraumgestaltung. Das Konzept des Parks ist so heterogen wie die Gesellschaft selbst: Als Hybrid aus urbaner Agrikultur und klassischem Park verbindet der Mitmach-Park Freizeit, Lebensmittelproduktion und Nachbarschaft. Im Rahmen eines klaren baulich-gestalterischen Grundgerüsts bekommen die Akteur*innen Raum Eigenes zu entwickeln. Eine mehrjährige, vielschichtige Partizipationsstrategie soll einem möglichst breiten Ausschnitt der Gesellschaft Teilhabe ermöglichen und das Zusammenkommen unterschiedlichster Zielgruppen in neuen, zeitgenössischen Gemeinschaftsformen unterstützen. Ziel ist es, hierdurch die gesellschaftliche Vielfalt räumlich abzubilden und zu fördern. Damit eine Teilhabe gelingen kann, legt das Projekt großen Wert darauf, Beteiligte für baukulturelle und kooperative Prozesse künftiger Planung und Nutzung zu sensibilisieren. Das Projekt versteht sich entsprechend als Beitrag zur Neuentdeckung pädagogischer Modelle in der Stadtentwicklung, die Kenntnisse und Fähigkeiten über Gestaltungsprozesse öffentlicher Räume vermitteln. Die damit einhergehenden Impulse für die Kulturelle Bildung mit dem Fokus Baukultur werden diskutiert.
Baukultur muss die Diversität der Gesellschaft abbilden
Alle machen Stadt. Tempelhofer Feld, Dragoner Areal, Stuttgart 21. Wir erleben eine mit Partizipation verbundene enorme Dynamik in der Stadtentwicklung. Parks, Plätze und Stadtteile werden nicht mehr top-down oder bottom-up, sondern kooperativ gestaltet. Gleichzeitig werden Städte heute bunter. In der komplexer werdenden Welt wird es immer wichtiger, die gesellschaftliche Diversität in der Baukultur abzubilden, damit sich alle Bürger*innen wiedererkennen und einander mit ihren unterschiedlichen Lebensstilen anerkennen (vgl. Grau et al. 2018). Um der steigenden Vielfalt der Bedürfnisse und Wünsche zur Gestaltung des gebauten Raumes gerecht zu werden, gewinnt Partizipation gesellschaftspolitisch an Bedeutung. Die Bevölkerung an der Entwicklung und Umsetzung der Baukultur zu beteiligen, befördert Gestaltungsreichtum und Nutzungsvielfalt (vgl. Bundesstiftung Baukultur 2015). Während die Gesellschaft angesichts von Migration und Individualisierung immer vielfältiger und differenzierter wird, muss ein nachhaltiger, sinnvoller Umgang mit Vielfalt diese also als Ressource nutzen und sie auf sowohl institutioneller als auch baukultureller Ebene abbilden. Kurz: Eine offene Gesellschaft ermöglicht die Teilhabe vieler unterschiedlicher Menschen an der Produktion der Stadt.
Die zivilgesellschaftliche Teilhabe an der Zukunftsgestaltung der Stadt setzt eine Bildung in Baukulturprozessen voraus. So verflechten sich die Themen Partizipation, Inklusion und baukulturelle Bildung: Damit eine Teilhabe gelingen kann, müssen Bürger*innen befähigt werden, ihre Umgebung zu verstehen sowie Kompetenzen entwickeln, diese zu gestalten. Dabei geht es sowohl um die Vermittlung von Wissen über Baukultur, wie sie entsteht, was sie ausmacht und wer sie macht, als auch um die Befähigung an der Produktion des gebauten Raumes teilzunehmen (vgl. Wüstenrot Stiftung et al. 2017). Das Mitwirken von Bürger*innen bei der Gestaltung ihrer Umwelt setzt ein Verständnis für Planungs- und Bauprozesse voraus, dass eine Sensibilisierung sowohl für gestalterische Aspekte als auch für rahmensetzende Einflussfaktoren umfasst. Architekt*innen spielen hierbei eine entscheidende Rolle und müssen über pädagogische Konzepte verfügen.
Demokratie und Design
Partizipation bleibt jedoch häufig eine Behauptung: Viele Freiraumprojekte werden als partizipativ dargestellt, sind es aber nicht. Partizipationskritiker*innen bemängeln, dass Partizipationsprojekte der Legitimierung längst getroffener Entscheidungen dienen, keine wirklich neuen Ideen in die Welt setzen und auf einer ästhetischen Ebene keine Innovation bringen (vgl. Bishop 2006, Miessen 2012). Zudem gibt es das weitverbreitete Vorurteil, dass Partizipation zu weniger guter Gestaltung führt: Mit der steigenden Teilhabe der Öffentlichkeit an der Stadtentwicklung ist eine neue Vorstellung von Schönheit als rohe, recycelte DIY-Ästhetik entstanden, meint Architektin Annalisa Metta. Selbstgebaute Paletten-Bänke im Straßenraum sind cool. Nichtsdestotrotz sollten Landschaftsarchitekt*innen ihren Auftrag, kollektive Erwartungen in Schönheit und Nützlichkeit zu verwandeln, nicht vergessen. „To associate democracy with a lack of design is ruinous and to interpret DIY interventions as a waiver of planning responsibility is misleading” (Metta 2015:119). Deshalb sollten wir professionelle Typologien neu erfinden, weniger ikonisch, mehr inklusiv, mit Landschaftsarchitekt*innen eher in der Rolle als Kurator*innen denn als traditionelle Autor*innen (Metta 2015).
So stellt Partizipation Architekt*innen vor ein Dilemma: Sie möchten einerseits gerne, dass die Bürger*innen beteiligt sind. Andererseits war es ohnehin schon immer schwierig, gute Gestaltung durchzusetzen. Und wenn nun alle mitreden, wird das noch komplizierter. Partizipation berührt also Nichtschönheit, Nichtform. Daher müssen wir uns fragen: Wie Demokratie und Design in der Zukunft zueinanderstehen können? Wie kann Gestaltung Teilhabe fördern – und vice versa? Welche Typologien benötigen wir, um einen Dialog zwischen Gemeinschaft und Individualität gemäß unserer Gesellschaft der Ausdifferenzierung zu etablieren (Brandlhuber et al. 2015)? Diese Fragen zu beantworten fordert eine Neudefinition des Beitrags von Landschaftsarchitekt*innen an die Gesellschaft und deren Haltung zur Partizipation. Die Bedeutung und der Bedarf an Fachkompetenz im Design sind entscheidend für die Demokratie (Metta 2015). Gerade indem Bürger*innen nicht nur zum Wunschkonzert oder Selberbauen eingeladen werden, sondern Zugang zum beruflichen Wissen und fachlichen Werkzeugkasten der Architekt*innen vermittelt bekommen, wird ihnen reale Mitbestimmung in der gesellschaftlichen und politischen Gestaltung der gebauten Welt ermöglicht.
Landschaftsarchitekt*innen sind Mittler*innen, die räumlich Elemente gewichten, sortieren, verbinden und somit viele Einzelteile zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügen. Damit Partizipation plastisch wird, soll nicht alles durchgestaltet, sondern Flexibilität und Offenheit gelassen werden – auch nach der Fertigstellung eines Freiraums. Wie gelingt eine gute baukulturelle Umsetzung von Partizipation? Welche Lernprozesse finden dabei statt? Die Herausforderung ist es hier, Gestaltung als fließenden Prozess zuzulassen und gleichzeitig zu organisieren. Andersherum war die Aufgabe der Landschaftsarchitekt*innen immer genau diese: Dynamische, sich verändernde Orte zu entwerfen, in denen singuläre Interessen und komplexe Strukturen integriert werden können. Diese Eigenschaften der Orte, Instabilität zu erlauben und auszuhandeln sind heute noch stärker gefragt.
Eine grüne Mitte für Weinstadt
Mit dem Projekt Mitmach-Park Weinstadt sucht das Landschaftsarchitekturbüro A24 Landschaft neue Wege der Bürgerbeteiligung hin zu Teilhabe und verstetigter Partizipation. Im Mitmach-Park erfolgt die Entwicklung, Planung und Bespielung der vielfältigen Flächen gemeinsam mit den Menschen vor Ort. Das Projekt verwebt Landschaftsarchitektur, Partizipation und baukulturelle Bildung und begeht neue Wege der Freiraumplanung. Das Konzept des Patchwork-Parks ist so heterogen wie die Gesellschaft selbst: Als Hybrid aus urbaner Agrikultur und klassischem Park verbindet der Mitmach-Park Freizeit, Lebensmittelproduktion und Nachbarschaft und spricht so verschiedenste Zielgruppen an. Vielfältige Gartentypologien mit zeitgenössischen Gärtnerangeboten vermischen sich mit Spielplätzen, Landwirtschaft, Aufenthalts- und Erholungsinfrastruktur. Personen jeden Alters sind eingeladen, selbstbestimmte Themen zu setzen.
So sind beispielsweise bereits vorhandene kleine, private Nutzgärten im Mitmach-Park eingegliedert und werden vor allem als Selbstversorgungsflächen von einkommensschwachen Gruppen genutzt. Auf öffentlichen Streuobstwiesen darf geerntet werden, während auf artenreichen, extensiven Wiesen gepicknickt und gegrillt werden kann. Geplant ist, dass die Wiesen durch Vereine bzw. die ansässigen Landwirte und die Bäume durch Baumpatenschaften und den Obst-und Gartenbaumverein gepflegt werden. Der Naschgarten ist eine städtische Freifläche, wo alle naschen dürfen, und die durch Kooperationen mit lokalen Institutionen, Einzelpersonen und Landwirten zu einem Bildungsraum wird. „Von der Saat bis zur Ernte“ können Kinder die Entwicklungsphasen über ein Jahr mitverfolgen und die notwendigen Arbeitsschritte kennenlernen. Über Kooperationen mit Kitas und Schulen können Kinder und Jugendliche im gesamten Park mit Themen der Umweltbildung vertraut werden. Beispielsweise gibt es im Gemeinschaftsgarten Beete, die gemeinsam vom Kinderhaus Benzach und Gemeinschaftsgärtner*innen als Gartenpaten genutzt und gepflegt werden. Ein Beet von der angrenzenden Clemensschule wird ebenfalls über eine gemeinsame Kooperation betreut. So wird über das gemeinsame Gärtnern – Säen, Bewirtschaften, Ernten, Kochen, Feiern – der aktive Austausch gefördert. Quer durch den Park verteilen sich weiterhin Flächen für urbane Landwirtschaft, die Kooperationen zwischen Landwirt und Zivilgesellschaft anbieten. Außerdem können kleine Selbst-Ernte-Felder, die in Kooperation mit der GbR „meine ernte“ betreut sind, gemietet werden.
Zum Kontext: Die Stadt Weinstadt liegt in der Metropolregion Stuttgart und ist durch die S-Bahn sowie die B29 sehr gut an Stuttgart und das Umland angebunden. Aufgrund des bestehenden Wachstumsdrucks muss die Stadtentwicklung von Weinstadt auf wichtige Fragen des Wohnungsbaus aber auch der Freiraumentwicklung Antworten finden. Weinstadt wurde 1977 aus fünf traditionsreichen Weinbauorten zusammengeschlossen. In der räumlichen Mitte prägt ein großflächiges Gewerbegebiet und eine Bundesstraße das Gesicht der Gesamtstadt, eine identitätsstiftende Mitte gab es bislang nicht. Schon in den 1980er Jahren entstand die Idee eines Bürgerparks als gemeinsame, neue grüne Mitte der Stadt, die 2013 im Integrierten Stadtentwicklungskonzept „Weinstadt 2030“ formuliert wurde und Grundlage für die 2014 ausgelobte Planungskonkurrenz war. Der siegreiche Wettbewerbsbeitrag von A24 Landschaft sah vor, einen Park neuen Typs zu gestalten, der gemeinschaftlich geplant und bewirtschaftet wird. Der Ansatz fußt auf der Strategie, gewachsene Strukturen aufzugreifen, dem Bebauungsdruck entgegenzuwirken und die Freifläche zu sichern. Die Bürger*innen wählten den Projektvorschlag Mitmach-Park Weinstadt aus mehreren Projekten mit den meisten Stimmen. Als wichtiger Meilenstein soll der Mitmach-Park dementsprechend ein zentraler Freiraum werden, in dem die Bewohner*innen Weinstadts aktiv sein und in Austausch miteinander treten können. Für dieses ambitionierte Ziel bedarf es einer intensiven Berücksichtigung und Einbindung der lokalen Akteur*innen in den Gesamtprozess. Ein langfristiges und dauerhaftes Engagement im Mitmach-Park ist nur zu ermöglichen, wenn Partizipation in allen Phasen, also vor und während der Planung, im Zuge der Umsetzung und innerhalb des Betriebs stattfindet.
Stabil-dynamisches Grundgerüst
In Planungswerkstätten wurden Bedürfnisse erörtert, Umsetzungsoptionen entwickelt und die Nutzungen des neuen Parks konkretisiert. Als operative Einheit agierte eine Steuerungsgruppe aus Bürgermeister, Stadtplanungsamt und Planungsbüro in Abstimmung mit dem Gemeinderat. Dass Planung und Beteiligungsprozess in einer Hand bei den Landschaftsarchitekt*innen lag, ermöglichte verstärkt Synergien dazwischen. Während ein Kuratorium aus 24 Schlüsselakteuren der Zivilgesellschaft eine Park-Charta mit Leitlinien entwickelte und das Projekt in die breite Stadtgesellschaft kommunizierte, sicherte ein Beirat aus Fachleuten die Qualität. Die drei Stränge des Beteiligungskonzepts, das sich durch eine akteurszentrierte Beteiligung bis in den Parkbetrieb hinein erstreckt, beinhalten:
- Niederschwellige, breite, erlebnisorientierte Angebote wie Feste und Ideenwerkstätten.
- Vertiefende, gestaltungsorientierte Workshops, bspw. Planungs- und Kooperationsworkshops zur Parkour- und Street-Work-out-Anlage.
- Auf ein langfristig verbindliches Engagement zielende Einbindung bzw. Trägerschaft/Organisationsmodell.
Landschaftsarchitektonische Gestaltung und Gestaltung durch die Bürger*innen werden im Mitmach-Park durch gestalterische Grundvorgaben balanciert. Architektur definiert demzufolge nicht alles. Vielmehr zeigt sie sich als stabil-dynamisches Gerüst, das Unvorhergesehenes erlaubt und trotzdem Einheit in der Vielheit erleben lässt. Wege und Ausstattungselemente erschließen flexible Nutzungsfelder in einer kohärenten Erzählung. Im Rahmen des klaren baulich-gestalterischen Grundgerüsts bekommen die Akteursgruppen Raum Eigenes zu entwickeln. Das Gerüst umrahmt eine Vielzahl unterschiedlicher Nutzungen, die von den Bürger*innen identifiziert und weiter entwickelt werden können. Hierfür läuft der langjährige Begleitprozess, der über 60 Veranstaltungen verschiedenster Formate umfasst, kürzere und längere, unverbindliche und verpflichtende, niederschwellige und anspruchsvolle. Zu nennen sind beispielsweise die Workshops für das Parkforum und das bislang größte bundesweit durchgeführte Jugendhearing. Vom Jugendgemeinderat wurde das Jugendhearing angeregt, bei dem alle Schüler*innen der Jahrgangsstufen 7-12 teilnahmen. Gemeinsam wurde das Programm für den zukünftigen Jugendfreizeitbereich festgelegt und anschließend dem Gemeinderat vorgestellt, der den Vorschlägen und Wünschen der Jugend folgte. Im Parkforum, das Herzstück des Parks, wird eine vielseitig nutzbare Infrastruktur vorgehalten, die durch verschiedene Nutzer*innen für eigene Ideen, Aktionen und Vorhaben genutzt werden kann. Zur Konzeption des Parkforums wurden u.a. alle 184 Vereine Weinstadts zu mehreren Workshops eingeladen. Als Ergebnis wurden Angebote – von Kinoabenden über Feste bis zu Weinverkostungen – entwickelt und die Ausstattung und Infrastruktur entsprechend geplant.
Gemeinwohl verstehen lernen
Ein weiterer grundsätzlicher Konflikt zwischen Landschaftsarchitekt*innen und Bürger*innen neben dem Gestaltungsdilemma besteht darin, dass Bürger*innen in der Regel eigene Interessen vertreten, wohingegen Landschaftsarchitekt*innen dem Gemeinwohl verpflichtet sind und sich um möglichst gute Lösungen für möglichst Viele bemühen. Die Erfahrung aus dem Projekt Mitmach-Park Weinstadt ist, dass die Akteur*innen befähigt werden müssen, gute Entscheidungen zu treffen, um eine gemeinschaftliche Praxis des städtischen Lebens, die Vielstimmigkeit und Unterschiede zulässt, zu finden (Moore 2018). Dementsprechend brauchen sie Entscheidungskriterien, um auszumachen, was bessere und was schlechtere Lösungen sind. Diese Kriterien müssen gemeinsam entwickelt und von allen am Prozess Beteiligten anerkannt und mitgetragen werden. Das setzt eine Sprachfähigkeit voraus, die oftmals anfangs nicht da ist. Dabei können Fragen wie „Warum ist das eine besser als das andere? Warum soll das sein, dies aber nicht? Und: Wie wird aus den einzelnen Teilen ein großes Ganzes?“ selbständige Überlegungen und Positionierungen stimulieren. So können Reflexionsprozesse angestoßen werden, in dem die Beteiligten ihre eigene Haltung zur gebauten Umgebung bewusstwerden, zur Sprache bringen und somit zu vertreten und zu verhandeln lernen.
Die Mitwirkung von Bürger*innen bei der Planung ihrer Umwelt setzt also ein Verständnis für Planungs- und Bauprozesse voraus, dass eine Sensibilisierung sowohl für gestalterische Aspekte als auch für rahmensetzende Einflussfaktoren umfasst. Sie ist wesentliche Grundlage für eine aktive Teilnahme an der Gestaltung unserer gebauten Umwelt (Bundesstiftung Baukultur 2015). Eine klare Kommunikation der Möglichkeiten aber auch der damit verbundenen Pflichten hilft den Akteur*innen des Mitmach-Parks die Rahmenbedingungen zu verstehen und die Form der Teilhabe einordnen zu können. Entscheidend ist dabei, die Spielregeln der Partizipation und die Möglichkeiten der Einflussnahme deutlich zu definieren.
Im Vorfeld zur Planungskonkurrenz wurde bereits der in Weinstadt lange etablierte Jugendgemeinderat als Vertreter der Jugend eingeladen Ideen mit zu entwickeln. Diese wurden in der Planungskonkurrenz aufgegriffen und verräumlicht. Anschließend wurde der Entwurf mit dem Jugendgemeinderat diskutiert und der Entschluss gefasst, das oben genannte stadtweite Jugendhearing durchzuführen. Denn insbesondere bei der Beteiligung von Jugendlichen ist die Erreichbarkeit oft schwer und damit das Ergebnis in der Regel nicht repräsentativ. Daher wurde mit dem Jugendreferat und schließlich mit allen Schulleitern der Stadt vereinbart, dass während der Schulzeit alle Schüler*innen der Jahrgangsstufen 7-12 aller Weinstädter Schulen sich treffen, damit ein quantifizierbares Ergebnis errungen werden kann. So wurden 100% der Schüler*innen erreicht. Der Gemeinderat stimmte dem Ergebnis zu, unter dem Vorbehalt es als Vorschlag wohlwollend prüfen zu wollen. Die letztliche Entscheidung lag damit weiterhin beim politisch gewählten Gemeinderat und nicht bei den Schülern. Gleichzeitig wäre es erstaunlich gewesen, wenn dieser sich über die Meinung aller seiner Jugendlichen hinweggesetzt hätte, zumal das Ergebnis des Hearings sehr deutlich war: eine überwältigende Mehrheit der jungen Menschen wollte eine Parkour- und eine Street-Work-out-Anlage im Jugendspielbereich. Diese wurde im weiteren Verlauf zusammen mit den Jugendlichen und weiteren Akteur*innen geplant und umgesetzt. Durch die intensive Beteiligung und Mitsprache waren die Jugendlichen im Umkehrschluss bereit Verantwortung zu übernehmen. So werden voraussichtlich nach Fertigstellung der Anlage dort ehrenamtlich Parkour- und Street-Work-out-Kurse angeboten.
Gemeinschaftsgarten
Passgenaue Lösungen können nur entwickelt werden, wenn die Rahmenbedingungen bekannt und verinnerlicht worden sind und zu einer spezifischen Herangehensweise innerhalb des Planungsprozesses führen. Akteur*innen müssen daher immer mit den notwendigen Informationen versorgt werden: Es sollte explizit sein, worum es gerade geht sowie was dabei erreicht werden kann, um eine größtmögliche Transparenz herzustellen. Die Kommunikation muss demgemäß verständlich sein und alle Entscheidungen einschließen. Darüber hinaus sollte ein konkretes Ergebnis entstehen, meist hat dieses einen empfehlenden Charakter. Dementsprechend entstand während einer Veranstaltung die Idee des Gemeinschaftsgartens, der als integraler Bestandteil und Keimzelle des Parks eine wichtige gemeinschaftsbildende Funktion hat. Die Stadt griff hier den Vorschlag auf und bot bei weiteren öffentlichen Veranstaltungen, in der lokalen Presse und über die Webseite die Teilnahme an der Entwicklung und Nutzung eines solchen Gartens an. Über den Verlauf eines Jahres kam eine heterogene Gruppe zusammen von älteren Menschen über eine Familie mit Kleinkind bis hin zu Menschen mit Migrationshintergrund der ersten Generation. Die Aufgabe der Beteiligungskonzeption war es nun, aus diesem losen Verbund eine Gruppe zu bilden, die sich dem gemeinsamen Ziel verpflichtet fühlt, einen Garten zu schaffen, der sich nicht hinter einem Zaun abschließt, sondern als offener Teil des Parks etabliert. Erst nach der Verständigung auf gemeinsame Ziele, die mit den Parkzielen der Parkcharta in Einklang standen, ging es in die inhaltliche und gestalterische Vertiefung: Definiert wurde, wie genau der Garten aussehen sollte, welche Angebote für die Allgemeinheit erstellt werden könnten, welche Kooperationen möglich wären etc. Der intensive Prozess dauerte über ein Jahr und kann als erfolgreich beschrieben werden: Die Heterogenität der Gruppe ist geblieben, es wurde die Vereinsform gewählt und eine Satzung geschrieben, die einen offenen, der Nachhaltigkeit und Vielfalt verpflichteten Vereinszweck vorsieht und mit den Zielen der Park-Charta einher geht. Es sind u.a. Kooperationen mit einer Kita und einer Schule, Schnittkurse, einen Tag der offenen Tür und eine Pflanzentauschbörse entstanden, und der Garten ist ein offener und öffentlicher Ort geworden.
Dabei unterlagen die Aufgaben von Landschaftsarchitekt*innen in den letzten Jahren einem starken Wandel. Neben der Gestaltung von Freiräumen werden Fragen der Prozessgestaltung, Vermittlung, Moderation und Mediation immer wichtiger. Im Mitmach-Park wird dies besonders deutlich: A24 Landschaft nimmt in diesem offenen Prozess unterschiedliche Rollen ein, ist Gestaltungs- und Planungsspezialist, Moderator und Vermittler in Einem. Als Beispiel hierfür kann der Umgang mit den Grundstücken im Park genannt werden. Eine Vielzahl der Grundstücke im Projektgebiet war zu Beginn verpachtet und damit nicht unmittelbar nutzbar. Statt wie üblich Pachtverträge zu kündigen und Kaufvorschläge per Post zu versenden, wurde auf ein kommunikativeres und sozialverträglicheres Modell gesetzt. Durch die Planerin und Prozessbetreuerin in enger Zusammenarbeit mit dem Liegenschaftsamt wurden immer wieder neue Verhandlungsoptionen und Umsiedlungsmöglichkeiten erörtert, viel vor Ort und in der Umgebung besichtigt, viel zuhause besucht, und schlussendlich konnte ein für (fast) alle optimaler Kompromiss gefunden werden.
Die Rolle der Architekt*innen ist es also, aus den komplexen und vielfältigen Planungs- und Bauprozessen sinnvolle Teile herauszulösen, die im Rahmen der Partizipation verhandelt werden können. Dabei können inhaltliche Eigenschaften wie, welche Schwierigkeitsgrade eine Parkouranlage integrieren soll, um das Interesse unterschiedlicher Altersgruppen zu wecken, mit Bürger*innen zusammen festgelegt werden, während typische städtebauliche oder entwurfsbezogene Entscheidungen wie Platzierung oder Farbwahl dagegen unter den Landschaftsarchitekt*innen bleiben.
Freiraumplanung öffentlich machen
Freiräume wie Parkanlagen oder Gemeinschaftsgärten bieten vielfältige Möglichkeiten für unterschiedlichste Nutzungen, Aneignungsformen und Teilhabe außerhalb von umbauten Räumen (Becker et al. 2017). Ihre Fähigkeit zur Integration macht Grün in der Stadt zum Medium zur Teilhabe in der Stadt (Kaltenbrunner 2015). Landschaftsarchitekt*innen versuchen grundlegend, in Freiräume mit dieser Offenheit umzugehen. Offene Strukturen, einfache Zugänge und neue soziale Gruppen lassen sich schneller im Freiraum als im gebauten Raum etablieren. Die räumliche Interpretierbarkeit und Umnutzungsmöglichkeiten, die einer beschleunigt pluralisierte Gesellschaft entsprechen, sind insofern Eigenschaften, die ein Kernanliegen der Landschaftsarchitektur sind. Der Freiraum kann mit relativ wenigen Mitteln neu interpretiert und improvisiert werden. Seine flexible Nutzung stellt eine niederschwellige, offene, soziale Funktion dar, die so nicht in Gebäuden möglich wäre. Diese Qualität, dass Freiräume nicht so prädisponiert wie Gebäude und schließlich mischungs- und aneignungsempfänglicher sind, macht sie zum hervorragenden Beispiel dafür, wie einzelne Stimmen Gehör finden, Orte der Gemeinschaft entstehen können und was in der Stadt kollektiv möglich ist.
Gute Partizipation ist gelebte Baukultur und vermittelt baukulturelle Bildung. Nicht nur die Rezeption, sondern auch die Konzeption von der Baukultur sollte öffentlich sein. Das Projekt für den Mitmach-Park Weinstadt versteht sich als Beitrag zur Neuentdeckung pädagogischer Modelle in der Stadtentwicklung, die Kenntnisse und Fähigkeiten über Gestaltungsprozesse öffentlicher Räume transportieren. Die kooperativen Prozesse künftiger Planung und Nutzung schaffen Teilhabe. So kann ein durch Gemeinschaft getragener, die Vielfalt der Gesellschaft abbildender Park neuen Typs mit vielfältigen Angeboten entstehen. In diesem Prozess entfaltet sich das integrative Potenzial öffentlicher Räume. Durch solche Projekte, die Nicht-Expert*innen komplexe baukulturelle Themen zugänglich und damit öffentlich machen, können Designer*innen die gesellschaftliche Diversität einbeziehen, ohne Kreativität und Experiment dabei zu opfern – im Gegenteil!