Orientierung im Förderdschungel
Rahmenbedingungen und Strukturen Kultureller Bildung in Deutschland: Bund, Länder und Kommunen
Abstract
Kulturelle Bildung hat in den letzten Jahrzehnten einen kontinuierlichen Bedeutungszuwachs erlebt. Das zeigt sich nicht nur am Stellenwert des Themas in bildungs-, kultur- oder jugendpolitischen Diskursen und an der Zunahme einschlägiger Forschungsaktivitäten, sondern auch an der kontinuierlich gewachsenen Zahl der Förderprogramme und Förderprojekte auf allen föderalen Ebenen. Der Beitrag zeigt Rahmenbedingungen und Strukturen der Förderung in Bund, Ländern und Kommunen auf und geht dabei auch den Förderlogiken der unterschiedlichen Ressorts nach. Ein besonderes Augenmerk gilt der Frage, welche Strukturen, Programme und Projekte Anknüpfungsmöglichkeiten für Kunst- und Kulturschaffende bieten. Der Beitrag schließt mit einer kritischen Einschätzung der öffentlichen Förderlandschaft, ihrer Vorzüge und Entwicklungsbedarfe ab.
Kulturelle Bildung hat in den beiden letzten Jahrzehnten einen kontinuierlichen Bedeutungszuwachs erfahren. Dies lässt sich an der Entwicklung des Handlungsfeldes in der Praxis, an seinem sichtbar gestiegenen Stellenwert in bildungs- und kulturpolitischen Diskursen, ebenso aber auch an der deutlichen Zunahme von einschlägigen Forschungsaktivitäten und wissenschaftlichen Veröffentlichungen ablesen (vgl. dazu ausführlicher Rat für Kulturelle Bildung 2013; Becker 2013; Fuchs 2013). Das gestiegene Interesse an der Kulturellen Bildung ist – wenigstens zu Teilen – auch als Gegenbewegung auf eine starke Engführung des Bildungsdiskurses nach den für Deutschland so ernüchternden Ergebnissen der ersten PISA-Studie zu verstehen (Barz 2012). Zugleich haben internationale Debatten – insbesondere die beiden UNESCO-Weltkonferenzen zur kulturellen Bildung in Lissabon 2006 und Seoul 2010 und die in der Folge entwickelten Roadmaps – wichtige Impulse für die Verankerung und Weiterentwicklung des Feldes auch hierzulande gegeben (Merkel 2013/2012; Liebau/Wagner 2011).
Im Bereich der Praxis Kultureller Bildung gibt es mittlerweile eine große und kaum noch überschaubare Vielfalt von einschlägigen Einrichtungen, Organisationen, Netzwerken, Programmen, Projekten, Förderlinien, Wettbewerben und sonstigen Einzelvorhaben. In diesem Beitrag kann und soll es nicht um einen umfassenden Überblick über Rahmenbedingungen und Strukturen Kultureller Bildung in Deutschland gehen – dies wäre eine Forschungsaufgabe und ist seit langem ein Desiderat (vgl. dazu Keuchel/ZfK 2013:4-12; Bockhorst 2013; Wolf 2017). Hier sollen vielmehr – eher schlaglichtartig – die in den letzten zwei Jahrzehnten von staatlicher und kommunaler Seite geschaffenen Bedingungen im Handlungsfeld thematisiert werden. Denn auch wenn Kulturelle Bildung nicht denkbar wäre ohne das vielfältige Engagement und die innovative Kraft der Zivilgesellschaft – von Verbänden, Vereinen, Initiativen, Stiftungen oder Ehrenamtlichen – ist und bleibt die Gestaltung entsprechender Rahmenbedingungen doch vorrangig eine öffentliche Aufgabe. So hat es auch die Enquetekommission des Deutschen Bundestages Kultur in Deutschland 2007 in ihrem Schlussbericht formuliert: „Der öffentliche Auftrag zum Aufbau und Erhalt einer Infrastruktur der kulturellen Bildung bedarf aktiven staatlichen und kommunalen Handelns. Förderleistungen in diesem Bereich liegen im öffentlichen Interesse.“ (Schlussbericht Enquete Kultur in Deutschland 2007:381). Noch weiter geht der Rat für Kulturelle Bildung, der in seinem Abschluss-Statement Ende 2021 explizit „institutionelle Sicherheit [für die Kulturelle Bildung, US] als Pflichtaufgabe des Staates auf allen Ebenen: Bund, Länder, Kommunen“ einfordert (Rat für Kulturelle Bildung 2021, Abschluss-Statement).
Ein besonderes Augenmerk soll bei der folgenden Darstellung der Frage gelten, welche Strukturen, Förderprogramme oder Projekte Anknüpfungspunkte für Kunst- und Kulturschaffende bieten.
Ebene des Bundes
Verfassungsrechtlich liegt die Zuständigkeit für Bildung und Kultur (gem. Art 30 GG) bei den Ländern. Alleinige Zuständigkeit besitzt der Bund lediglich im Bereich der Auswärtigen Kulturpolitik und der Hauptstadtkulturförderung. In allen anderen Feldern von Kultur und Bildung ist eine nationale Förderkompetenz für Vorhaben im Bereich Kunst, Kultur und Bildung lediglich dann gegeben, wenn diese Vorhaben von gesamtstaatlicher Bedeutung sind und darüber hinaus ein erhebliches Bundesinteresse besteht (Bockhorst 2013/2012).
Förderung Kultureller Bildung im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (BMFSFJ)
Im Bereich der Jugendhilfe ist die „Anregungsfunktion“ des Bundes durch Fördermaßnahmen unstrittig. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG/SGB VIII) ist bundesgesetzliche Grundlage für die Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland und schafft den Rechtsrahmen für die Bereiche der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes, der Familienberatung, der Erziehungshilfen und des Kinderschutzes. Kulturelle Kinder- und Jugendarbeit ist gemäß § 11 des KJHG eines der Handlungsfelder der außerschulischen Jugendbildung. Ziel der Förderung im Kontext des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ist es, jungen Menschen Zugang und Teilhabe zu Kunst und Kultur zu ermöglichen und sie dadurch zu einer selbstbestimmten und gesellschaftlich verantwortlichen Lebensführung anzuregen und zu befähigen (Schäfer 2013/2012). Auf der Grundlage des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ist der - in der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) liegende - Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) das zentrale Förderinstrument, das eine auf Dauer angelegte infrastrukturelle Förderung von Träger*innen Kultureller Kinder- und Jugendbildung mit bundesweiter Relevanz ermöglicht – wie etwa der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) oder ihrer Mitgliedsverbände (Bockhorst 2013/2012).
Aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans (Bund und Land Nordrhein-Westfalen) wird auch die bereits seit 1958 bestehende Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW in Remscheid gefördert, die sich als zentrale Impulsgeberin und Beraterin, als Experimentierfläche, Ort des Fachdiskurses und der Fortbildung für Kulturelle Kinder- und Jugendbildung versteht und profiliert hat (Wolf 2017).
Förderung von Chancengerechtigkeit durch Kulturelle Bildung (BMBF)
Das nicht nur deutschland-, sondern europaweit größte Programm zur Kulturellen Bildung (mit einem finanziellen Volumen von 430 Mio. Euro) ist im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) verankert: Kultur macht stark (seit 2013, inzwischen in der dritten Förderphase) will durch außerschulische Bildungsangebote ausdrücklich Kinder und Jugendliche ansprechen, die sonst keinen Zugang zu entsprechenden Angeboten hätten, und dadurch Chancengerechtigkeit, Teilhabe und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten fördern. 2021 und 2022 wurden die Mittel für das Programm aus dem Corona-Aufholpaket verstärkt und die Antragstellung erleichtert. Bei 27 Programmpartner*innen – bundesweit aktiven Einrichtungen und Organisationen aus dem Bereich Kultur/Kulturelle Bildung – können sog. Bündnisse für Bildung (bestehend aus drei unterschiedlichen lokalen Partner*innen) Mittel für die Umsetzung von außerschulischen Projekten zur Kulturellen Bildung beantragen. Im Kontext dieser Bündnisse ist auch der Einbezug von Kunstschaffenden möglich. Auch Schulen und Kindertagesstätten können sich unter bestimmten Voraussetzungen an solchen Bündnissen beteiligen. Langfristig soll das Programm die Entwicklung nachhaltiger Netzwerke zur Unterstützung bildungsbenachteiligter Kinder und Jugendlicher auf lokaler Ebene begünstigen. Servicestellen in den Ländern beraten in Bezug auf das Programm und die Bedingungen und Möglichkeiten der Antragstellung. Evaluiert wird das Programm durch die Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen und die Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel.
Aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Landes Niedersachsen wird die Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel gefördert, die sich als „Ort für Kunst, Kultur und ihre Vermittler*innen“ versteht, entsprechende Projekte – vor allem für die relevanten Bundesministerien – durchführt und eine große Bandbreite von Fortbildungen für Multiplikator*innen aus dem Feld anbietet (vgl. Wolf 2017).
Förderung Kultureller Bildung im Rahmen der Kulturförderung des Bundes (BKM)
Eines der erklärten kulturpolitischen Anliegen der Bundesregierung ist es, allen Menschen – unabhängig von Alter, Beeinträchtigungen, Herkunft oder sozialer Lage – kulturelle Teilhabe und Bildung zu ermöglichen. Im Rahmen der Kompetenzen des Bundes fördert die Beauftragte für Kultur und Medien des Bundes (BKM) daher auch innovative Vermittlungsangebote von Kultureinrichtungen oder -organisationen, die Vorbildcharakter besitzen und weitere Kultureinrichtungen oder -organisationen bundesweit zu einer Öffnung und Modernisierung ihrer Vermittlungsangebote anregen. Ausdrücklich sollen dabei auch Menschen angesprochen und zu einer aktiven Mitwirkung motiviert werden, die nicht zur traditionellen Klientel von Kultureinrichtungen gehören.
Wichtige Impulse dafür will die 2002 gegründete Kulturstiftung des Bundes geben. Projekte im Bereich ‚Erbe und Vermittlung‘ (in der Vergangenheit etwa Kulturagenten für kreative Schulen oder Lab.bode, aktuelle Vorhaben unter https://www.kulturstiftung-des-bundes.de/de/projekte/erbe_und_vermittlung.html) sollen die Erprobung innovativer, insbesondere auch digitaler Vermittlungsformen ermöglichen und das gesellschaftliche Verantwortungsbewusstsein für kulturelle Teilhabe stärken. Kulturschaffende können darüber hinaus zweimal im Jahr eine Förderung beantragen. Dabei gibt es keine Festlegung der Sparten, allerdings sollten es größere, innovative Projekte sein – möglichst mit einem internationalen Kontext – die eingereicht werden.
Ebene der Länder
Im Rahmen der föderalen Arbeitsteilung liegt die primäre Zuständigkeit für den Bereich der Kultur (Sprache, Schul- und Hochschulwesen, Bildung, Rundfunk, Fernsehen und Kunst) und damit auch für die Kulturelle Bildung bei den Ländern (Art. 30 und 70 GG). Die sog. Kulturhoheit gilt als Kern der Eigenständigkeit der 16 Länder.
Ähnlich wie auf der Bundes- und auch auf der kommunalen Ebene sind es auch in den Ländern vor allem drei Ressorts bzw. Politikbereiche, die Verantwortung für Rahmenbedingungen und Strukturen im Handlungsfeld Kulturelle Bildung tragen: Kultur, Bildung und Jugend. Gern wird daher auch von einem „magischen Dreieck“ der Verantwortung für Kulturelle Bildung gesprochen (vgl. auch die Handreichungen des Rats für Kulturelle Bildung für die drei Bereiche, 2020-21). Oft sind jedoch auch in den Ressorts Soziales, Wissenschaft oder Integration Kompetenzen zur Ausgestaltung oder Förderung Kultureller Bildung angesiedelt.
Angesichts der zunehmenden Ausdifferenzierung des Handlungsfeldes wächst der Bedarf an ressortübergreifenden Konzepten für das Handlungsfeld. Vorreiter bei der Entwicklung solcher Rahmenkonzepte waren die beiden Stadtstaaten Hamburg (Rahmenkonzept Kinder- und Jugendkultur, 2004) und Berlin (Rahmenkonzept Kulturelle Bildung, 2008), das jüngste Konzept wurde in Sachsen entwickelt (Landesweites Konzept Kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche, 2018).
Verantwortungsgemeinschaft zur Stärkung der Kulturellen Kinder- und Jugendbildung: Die Empfehlung der Kultusministerkonferenz
Bereits 2007 formulierten die Kultusminister*innen der Länder in ihrer „Empfehlung zur Kulturellen Kinder- und Jugendbildung“ gemeinsame Überlegungen zu deren Weiterentwicklung und machten sich (auch in der überarbeiteten und ergänzten Fassung der Empfehlung von 2013) explizit für eine Wahrnehmung von Kultureller Bildung als – föderale Ebenen und Ressorts übergreifende – Querschnittsaufgabe wie auch für eine Schaffung verlässlicher Strukturen stark (KMK 2013:2). Konkret werden in der Empfehlung fünf Umsetzungsbereiche definiert (Freude an Kreativität im vorschulischen Bereich wecken, Kulturelle Bildung in der Schule verankern, Kulturelle Bildung in Kinder-, Jugend- und Kultureinrichtungen stärken, Fachkräfte qualifizieren). Ausdrücklich plädieren die Kultusminister*innen für eine Einbeziehung der Angebote von Kulturschaffenden in die schulische Arbeit mit dem Hinweis, dass darauf geachtet werden solle, „dass Künstlerinnen und Künstler ihre spezifisch künstlerische Arbeits- und Wirkungsweise in die Schule einbringen und in ihrer Differenz zum Schulunterricht als Bereicherung wirken können“ (KMK 2013:5). 2022 wurde auf Anregung und unter der Präsidentschaft der schleswig-holsteinischen Bildungs- und Kulturministerin Karin Prien die Empfehlung überarbeitet und liegt seit Ende 2022 in neuer Fassung vor (KMK 2022).
Förderung von Kultureller Bildung im Rahmen von Jugendhilfegesetzen und Förderplänen
Was die außerschulische Kulturelle Kinder- und Jugendbildung betrifft, so ist diese in den Jugendfördergesetzen und Förderplänen der Länder fest verankert. Im Laufe der Jahre hat sie sich zudem gegenüber der lange Zeit dominanten politischen Bildung gut behaupten können: In vielen Einrichtungen der offenen und verbandlichen Jugendarbeit spielt Kulturelle Bildung längst eine unverzichtbare Rolle. Im Kinder- und Jugendhilfegesetz des Bundes ist Kulturelle Bildung explizit als ein Schwerpunkt der Jugendarbeit ausgewiesen (§ 11 Abs. 3 SGB VIII/ KJHG), die Länder sind aufgefordert, im Rahmen ihrer Förderkompetenzen auf einen gleichmäßigen Ausbau entsprechender Einrichtungen und Angebote hinzuwirken. Eine Kooperation mit Kultureinrichtungen und Künstler*innen ist dabei ausdrücklich erwünscht (Schäfer 2013/2012).
Kooperation von Jugendhilfe und Schule: Bedeutungsgewinn Kultureller Bildung durch den Ausbau des Ganztags
Eine deutliche Veränderung und Weiterentwicklung der Landschaft der Kulturellen Bildung hat sich in den Ländern seit der Jahrtausendwende als eine Reaktion auf den „Pisa-Schock“ mit dem Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen vollzogen. Dieser ging zum einem mit einem Aufwuchs von Angeboten der Kulturellen Bildung an Schulen einher, die für viele Kinder und Jugendliche neue bzw. breitere Zugangsmöglichkeiten zu diesem Erfahrungs- und Lernbereich geschaffen haben (Schäfer 2013/2012). Zum anderen hat der breite Ausbau von Ganztagsschulen dazu geführt, dass sich neue Formen der Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule etabliert haben. Träger Kultureller (Jugend-)Bildung kooperieren mittlerweile in ebenso vielfältiger wie selbstverständlicher Weise mit Bildungsverwaltungen und Schulen (Züchner 2018). Insbesondere die Bundesvereinigung für Kulturelle Jugendbildung (BKJ) und die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) haben sich hier in Bezug auf die Qualitätsentwicklung und Sicherung der Strukturen für solche Kooperationen verdient gemacht. Gleichwohl sind nach wie vor viele Kooperationen durch einschränkende Bedingungen (zeitliche Begrenzung, unzureichende Räumlichkeiten, mangelnde finanzielle Ausstattung) gekennzeichnet und können wenig Nachhaltigkeit in Bezug auf ihre Bildungswirkungen entfalten. Qualität entwickelt sich nach bisherigen Erfahrungen vor allem dort, wo aus punktuellen Kooperationen kontinuierlich zusammenarbeitende Netzwerke entstehen – in die nicht nur Träger Kultureller Jugendbildung oder Kultureinrichtungen, sondern auch Kunstschaffende eingebunden sein sollten und die zudem möglichst sicher auch in den Strukturen lokaler oder regionaler Bildungslandschaften verankert sein sollten (Kelb 2013/2012; vgl. auch den Abschnitt zu Rahmenbedingungen und Strukturen auf kommunaler Ebene). Ab dem Jahr 2026 muss der Rechtsanspruch auf eine ganztägige Förderung von Kindern in Grundschulen flächendeckend umgesetzt werden. Dies ist Herausforderung und Chance zugleich – denn nur wenn es gelingt, ein qualitativ hochwertiges Angebot zu schaffen, kann sich die Ganztagsschule nicht bloß als Betreuungslösung etablieren, sondern tatsächlich Kindern unabhängig von ihrer Herkunft Möglichkeiten einer verbesserten (kulturellen) Teilhabe eröffnen. Welche Möglichkeiten sich im Rahmen dieser Entwicklung für Einzelkünstler*innen eröffnen, ist von Land zu Land unterschiedlich, hier empfiehlt es sich, die jeweilige Servicestelle für den Ganztag zu kontaktieren.
Kulturelle Bildung als fester Bestandteil des Lehrens und Lernens in Schulen
Kulturelle Bildung auch jenseits des Ganztags zu einem festen Bestandteil des Lehrens und Lernens an Schulen machen: Dies hat sich eine zunehmende Zahl von Ländern, unterstützt durch das Programm Kreativpotentiale der Stiftung Mercator, in den letzten zehn Jahren zum Ziel gesetzt. Dabei beschreiten die Länder unterschiedliche Wege. Eine systematische Förderung von Prozessen der Kulturellen Schulentwicklung und die Etablierung von sog. Kulturschulen, d.h. von Schulen mit einem kulturellen Profil, ist einer dieser Wege und wird in der Mehrzahl der Länder umgesetzt. Schulen mit einem kulturellen Profil zeichnen sich dadurch aus, dass kulturell-ästhetische Lernwege Bestandteil auch der nicht-künstlerischen Schulfächer sind, alle Schüler*innen regelmäßig Möglichkeit zur Entwicklung eigener künstlerisch-ästhetischer Praxis mit einer qualifizierten Begleitung haben, außerschulische Partner*innen wie Kunstschaffende sowohl in das Unterrichtsgeschehen eingebunden sind, aber auch künstlerische Arbeitsgemeinschaften begleiten (Fuchs 2017; Braun 2013/2012). Hessen war mit seinem Landesprogramm KulturSchule ein wichtiger Vorreiter und ist bis heute Vorbild für die Entwicklung in anderen Ländern (vgl. Ackermann u.w. 2015). Aber auch andere Wege werden beschritten: Dazu gehören der Einsatz von schulischen Kulturbeauftragten, Kulturvermittler*innen und/oder regionalen Fachberater*innen, die Schulen mit außerschulischen Partner*innen verknüpfen und/oder sie mit Blick auf eine kulturelle Schulentwicklung unterstützen (etwa Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein), die Förderung systematischer Kooperationen von Bildungs- und Kultureinrichtungen im Rahmen von lokalen oder regionalen Bildungslandschaften oder kommunalen Gesamtkonzepten für Kulturelle Bildung (Nordrhein-Westfalen), eine Stärkung der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen (Bremen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt), aufsuchende Arbeit in ländlichen Räumen (Brandenburg, Thüringen) oder eine enge Verzahnung von Kultureller Bildung mit Demokratiebildung und/oder Bildung für nachhaltige Entwicklung (Bremen, Saarland, Schleswig-Holstein). Im Rahmen eines Netzwerks – „Kreativpotentiale im Dialog“ – wird der länderübergreifende Wissensaustausch zwischen Akteur*innen aus Bildungs- und Kulturverwaltung und Projektkoordinator*innen gefördert und unterstützt. Ende 2022 endete die Förderung durch die Stiftung Mercator, die Länder scheinen jedoch entschieden, auch ohne die zusätzlichen Mittel der Stiftung die Verankerung von Kultureller Bildung in schulischen Kontexten weiter voranzutreiben und den länderübergreifenden Wissenstransfer aufrechtzuerhalten.
Eine Vernetzung von (weiterführenden) Schulen mit Partner*innen aus Kunst und Kultur, die Einbindung der Schulen in vorhandene Bildungslandschaften oder -netzwerke sowie die Entwicklung und Verankerung möglichst breiter und nachhaltiger Angebote der Kulturellen Bildung an den 250 beteiligten Schulen ist Ziel des seit 2011 in fünf Bundesländern (Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen) laufenden Programms Kulturagenten für kreative Schulen. Kulturagent*innen verfügen idealerweise über eine pädagogische wie auch kulturelle und/oder künstlerische Expertise und fungieren als Begleiter*innen auf dem Weg zu einem kulturellen Schulprofil. Initiiert wurde das Programm durch die Kulturstiftung des Bundes und die Stiftung Mercator und als Modellprogramm bis 2019 gefördert. Zum Schuljahr 2019/2020 ist die Verstetigung gelungen, alle fünf beteiligten Länder führen seither das Programm als Landesprogramm fort, haben dabei auf entwickelten Strukturen aufgebaut und diese ihren jeweiligen Bedarfen und Voraussetzungen angepasst (Hackstein/Scharf 2020). Viele Kulturagent*innen kooperieren kontinuierlich mit freischaffenden Künstler*innen.
Neben diesen Programmen/Projekten gibt es weitere, landesspezifische Förderprogramme, Projekte und/oder Akteur*innen, die sich um eine Verankerung von Kultureller Bildung in der Schule bemühen. Beispielhaft seien hier nur genannt: Kultur und Schule, ein Programm bereits seit dem Schuljahr 2006/2007 bestehendes Programm des Landes Nordrhein-Westfalen, das explizit auch die Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden fördert und in diesem Kontext einen Künstler*innenpool aufgebaut hatOder das Hamburger Programm TUSCH – Theater und Schule, bei dem Schulen gemeinsam mit Theatermacher*innen Stücke entwickeln und spielen. Oder die vom Land geförderten Angebote des Berliner Vereins TanzZeit, der Kindern und Jugendlichen Tanz als Kunstform näherbringt und in diesem Kontext auch mit Schulen kooperiert. Weitere Hinweise finden sich über die Webseiten der Bildungsministerien.
Kulturelle Bildung in der Kulturförderung der Länder
Kulturelle Bildung ist nicht nur integraler, sondern auch zunehmend wichtiger Bestandteil auch der Kulturförderung der Länder. Einzelne Länder – wie etwa Nordrhein-Westfalen – stellen sie sogar ins Zentrum ihrer Kulturpolitik (MKW NRW 2022).
Gefördert wird von Landesseite zum einen die kulturelle Infrastruktur, d.h. die vorrangig kommunal oder frei getragenen Kultureinrichtungen. Einige (wie etwa Bibliotheken oder Musikschulen) sind per se Einrichtungen der Kulturellen Bildung, in anderen (wie etwa Konzerthäusern oder Kunstsammlungen) zählt Kulturelle Bildung zu den Vermittlungsaufgaben. Die öffentliche Förderung von Kultureinrichtungen auch an eine Stärkung der Vermittlungstätigkeit zu knüpfen und damit eine stärkere Öffnung und eine breitere kulturelle Teilhabe zu erreichen, wird viel diskutiert (Mandel 2014), ist aber auch auf der Ebene der Länder bislang erst in Ansätzen Realität.
Zum anderen ist die Förderung für Kulturelle Bildung aus den Kulturressorts der Länder ebenfalls in erheblichem Maße Projektförderung. Dabei ist die Spannbreite groß. Dazu zählen großvolumige – und keineswegs unumstrittene – Landesprogramme wie Jekits – Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen, ein Programm, das alle Grund- und Förderschulen in Nordrhein-Westfalen adressiert und sich als Impulsgeber für ästhetische Erfahrungen und kulturelle Teilhabe von Grundschüler*innen wie auch als Beitrag zur Förderung kommunaler Bildungslandschaften versteht. Dazu zählt aber beispielsweise auch ein seit vielen Jahren erprobtes und bewährtes Förderprogramm wie Kulturkoffer des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur, das den Ausbau der Kulturellen Bildung für Kinder und Jugendliche durch eine Förderung von Angeboten vor allem in ländlichen Räumen oder in herausgeforderten Stadtteilen durch Akteur*innen vor Ort vorantreibt. Ebenso zählt dazu eine pragmatische Förderung von Microprojekten durch entsprechende Fonds (wie etwa in Mecklenburg-Vorpommern). Weitere Infos finden sich über die Webseiten der Kulturministerien der Länder.
Knotenpunkte im landesweiten Netz: Servicestellen für Kulturelle Bildung/kulturelle Teilhabe
Wichtige Knotenpunkte in den vielfältigen Netzwerken auf Landesebene sind die Servicestellen für Kulturelle Bildung, die es mittlerweile in einer Reihe von Ländern gibt und die verschiedene Aufgaben wahrnehmen: Sie koordinieren und begleiten Förderprogramme der Landesressorts zur Kulturellen Bildung, aber auch Bundesprogramme wie „Kultur macht stark“, bieten – oft in Zusammenarbeit mit Fachverbänden oder anderen Partner*innen – Fortbildungen an, beraten und unterstützen Kommunen, Bildungs- und Kultureinrichtungen und/oder Einrichtungen der Jugendarbeit bei der bei der Verankerung von Kultureller Bildung, bei der Entwicklung von Kulturprofilen oder auch bei Diversifizierung und Öffnung. Ausdrücklich verstehen sich die meisten der Servicestellen auch als Ansprechpartner*innen für Kunstschaffende; einzelne Servicestellen beraten und qualifizieren Kunstschaffende und/oder arbeiten wie etwa in Rheinland-Pfalz bei ihren Fortbildungsangeboten mit einer Auswahl an „Referenzkünstler*innen“ zusammen (vgl. Servicestelle Kulturelle Bildung Rheinland-Pfalz).
Ein „kuratiertes Schaufenster“: Online-Portal der Kulturstiftung der Länder zur Kulturellen Bildung
Akteurs- und ressortübergreifend mehr Transparenz in Bezug auf Angebote der Kulturellen Bildung zu schaffen, Projekte, aktuelle Diskurse und Erkenntnisse, bundesweite, regionale und lokale Anlaufstellen sichtbar machen: Dies ist der Anspruch eines Portals zur Kulturellen Bildung, das die von allen 16 Ländern getragene und 1987 gegründete Kulturstiftung der Länder derzeit mit Förderung der Stiftung Mercator entwickelt und das im Laufe des Jahres 2023 online gehen soll. Das neue Portal ist damit eine Ergänzung zur Plattform „kubi-online: Wissenstransfer für Kulturelle Bildung“, die in Form qualifizierter Beiträge Einblick in wissenschaftliche Diskurse zur Kulturellen Bildung wie auch in Praxisprojekte und -erfahrungen gibt. Kubi-online wird getragen von den beiden Akademien für Kulturelle Bildung (siehe oben), der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung und der Stiftung Universität Hildesheim und gefördert vom BMBF.
Kommunale Ebene
Auch wenn das Engagement von Bund und Ländern für Kulturelle Bildung öffentlich deutlich größere Aufmerksamkeit auf sich zieht, spielt die kommunale Ebene eine wesentliche Rolle für die Daseinsvorsorge in diesem Bereich. Kulturelle Teilhabe wie auch Bildungsprozesse spielen sich vorrangig vor Ort ab: Ein sehr großer Teil der Einrichtungen, in denen Kulturelle Bildung stattfindet – wie etwa Musikschulen, Jugendkunstschulen, Medienwerkstätten, Museen, Bibliotheken oder Volkshochschulen – sind kommunal getragen (zur Verteilung der finanziellen Aufwendungen für Kultur zwischen den unterschiedlichen föderalen Ebenen siehe: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2022). Auf der kommunalen Ebene werden nicht nur Bundes- und Länderprogramme zur Kulturellen Bildung umgesetzt, vielmehr wird in Städten, Kreisen und Gemeinden auch eine Vielfalt an eigenständigen Initiativen und Aktivitäten in diesem Handlungsfeld entwickelt und realisiert.
Kulturelle Bildung als Teil kommunaler Bildungslandschaften
Mit der Aachener Erklärung brachten die im Deutschen Städtetag organisierten Kommunen 2007 ihren Anspruch zum Ausdruck, Bildung stärker als bisher als zentrales Feld kommunaler Daseinsvorsorge wahrzunehmen und mehr Verantwortung für die aktive Gestaltung von Bildungsprozessen zu übernehmen. Leitbild dieses Engagements sind die kommunalen oder regionalen Bildungslandschaften, die eine lebensbegleitende Entfaltung individueller Potentiale ins Zentrum stellen und die örtlich tätigen Bildungsakteur*innen auf der Basis gemeinsam formulierter Zielsetzungen planvoll miteinander vernetzen. Ausdrücklich wird in der Aachener Erklärung für eine Einbeziehung Kultureller Bildung als Teil ganzheitlicher Bildungsprozesse geworben. Seither sind – gefördert durch ein Modellvorhaben des Bundes (Lernen vor Ort, 2009-2014), durch die anschließende Transferinitiative für kommunales Bildungsmanagement des BMBF (seit 2014), aber auch durch Initiativen einzelner Länder (Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg) – in vielen Städten und Kreisen bundesweit vielfältige Bildungslandschaften bzw. Bildungsnetzwerke entstanden (Sommer 2022:106-108).
Stärkung Kultureller Bildung vor Ort durch kommunale Gesamtkonzepte
Parallel zur Diskussion über die sog. Bildungslandschaften begann nach der Jahrtausendwende ein Diskurs über die Entwicklung von lokalen und regionalen Gesamtkonzepten für das Handlungsfeld Kulturelle Bildung mit dem Ziel, kommunale Bildungs-, Jugendhilfe- und Kulturentwicklungsplanungen stärker aufeinander abzustimmen, eine systematische Vernetzung der im Feld tätigen Akteur*innen wie auch eine strukturierte und planvolle Entwicklung der Angebote zur Kulturellen Bildung voranzutreiben (Arbeitsstelle Kulturelle Bildung NRW 2020; BKJ 2019; Schorn 2013/2012).
Die beiden Stadtstaaten Berlin und Hamburg, aber auch größere Städte wie München, Dresden oder Düsseldorf gehörten zu den Vorreitern bei der Entwicklung solcher Gesamt- oder Rahmenkonzepte für Kulturelle Bildung, die es mittlerweile in einer größeren Zahl von Städten und Kreisen bundesweit gibt. In Nordrhein-Westfalen trägt die Landesregierung seit 2007 durch einen Förderwettbewerb dazu bei, dass sich zunehmend mehr Städte und Kreise – unterstützt und begleitet durch die Arbeitsstelle für Kulturelle Bildung – auf den Weg der Entwicklung bzw. Weiterentwicklung kommunaler Gesamtkonzepte begeben (Schorn 2013/2012). Einzelne Städte haben zudem eigene Konzepte und Modelle für die Rekrutierung und Qualifizierung von Kunstschaffenden entwickelt, die im Ganztag oder in anderen Bildungskontexten tätig werden wollen (wie etwa das bereits seit 2005 bestehende „Düsseldorfer Modell“, vgl. die Evaluation von Jebe, o. J.).
Kultur gehört zu den vergleichsweise wenigen Politikfeldern, in denen Kommunen über echte Gestaltungsspielräume verfügen. Allerdings zählen nahezu alle Angebote, die die Städte und Kreise im Bereich Kultur – und auch im Handlungsfeld Kulturelle Bildung – entwickeln und bereithalten, nicht zu ihren gesetzlich verankerten Pflichtaufgaben. Dies schränkt gerade bei schwierigen Haushaltslagen die Handlungsmöglichkeiten in diesem Bereich erheblich ein. Insofern entscheiden nicht nur das Engagement, sondern auch die Größe und die finanzielle Lage von Kommunen maßgeblich über die Angebote, die sie im Bereich der Kulturellen Bildung entwickeln und bereithalten können.
Zumindest in den Kommunen, die über ein kommunales Gesamtkonzept für Kulturelle Bildung verfügen, gibt es in der Regel auch eine – im Kultur- oder Bildungsbereich verankerte – Koordinierungsstelle für Kulturelle Bildung, die wichtige Ansprechpartnerin für Kunstschaffende ist.
Fazit
Die Förderung Kultureller Bildung in den Strukturen von Bund, Ländern und Kommunen hat sich in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten auf beeindruckende Weise weiterentwickelt. Nicht wenige der hier nur beispielhaft aufgezeigten Vereinbarungen, Programme oder Projekte wurden von den beteiligten Akteur*innen mühsam und mit viel Engagement errungen. Dennoch ist – auch und gerade aus dem Blickwinkel von Kunstschaffenden, die in der Kulturellen Bildung tätig sind bzw. tätig werden wollen – längst noch nicht „alles gut“.
- Nach wie vor trägt ein Großteil der Angebote modell- oder projekthaften Charakter. Auch wenn die Programme von Bund und Ländern oft lange Laufzeiten haben bzw. mehrfach wiederaufgelegt werden, bleiben sie in der Regel einer überschaubaren Zielgruppe vorbehalten. Die Antragstellung erfordert nicht nur Wissen um die jeweilige Förderlogik, sondern auch Erfahrung im Umgang mit aufwändigen Anforderungen und Verfahrenswegen (dazu sehr plastisch: Meyer 2013). Sicher steht außer Frage, dass es eines verantwortlichen Umgangs mit Steuergeldern bedarf. Man darf sich allerdings fragen, ob dies bedeutet, dass Kunstschaffende wie auch andere Akteur*innen der Kulturellen Bildung zu Antragsprofis werden müssen – oder ob es nicht auch darum gehen muss, vereinfachte Verfahren im Bereich der Antragstellung und der Verwendungsnachweise umzusetzen.
- Bei der Beschreibung etlicher Förderprogramme fällt auf, dass sie oftmals weniger die Künste, denn Transfereffekte Kultureller Bildung – eigenverantwortliche Lebensführung, Integration, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Resilienz etc. – in den Vordergrund stellen. Dies ist in der Regel den zugrundliegenden Förderlogiken und Agenden des jeweiligen Politikfeldes, oft aber auch aktuellen politischen Herausforderungen geschuldet. Zugleich muss es aber auch darum gehen, ganz explizit Kunstschaffende darin zu bestärken, Kulturelle Bildung konsequent von den Künsten her zu denken und zugleich die Vermittlung von Kunst als genuinen Bestandteil künstlerischen Schaffens zu verstehen (Mandel 2022; vgl. auch Heisig/Scharf/Schönfeld 2020). Kulturelle Bildung kann und darf sich jedoch nicht von gesellschaftspolitischen Entwicklungen abkoppeln, sondern sollte sich vielmehr als Raum kritischer Reflexion sowie als Experimentierfläche für neue Lösungswege und neue kulturelle Narrative verstehen (Rat für Kulturelle Bildung 2021a:14). Dies bildet sich noch vergleichsweise wenig in den Förderprogrammen ab.
- Die Kulturstiftung des Bundes ist für ihre Innovationsfreude in Bezug auf Vermittlungsformate bekannt – aber nicht alles lässt sich in den Alltag jenseits von Modellvorhaben transferieren. Gleichwohl würde man sich umgekehrt von vielen der Förderprogramme auf der Ebene von Bund, Ländern und Kommunen ein wenig mehr Mut hinsichtlich neuer, auch digitaler Formate wünschen. Dies würde jedoch Beratung und auch eine andere Art der Kooperation mit Bildungs- und Kultureinrichtungen wie auch mit Künstler*innen erfordern.
- Die Enquetekommission des Deutschen Bundestages zum Thema „Kultur in Deutschland“ entwirft in ihrem Schlussbericht von 2007 eine Vision von Kultureller Bildung als lebensbegleitendem Angebot (Deutscher Bundestag 2007:377). De facto konzentrieren sich die Anstrengungen der beiden letzten Jahrzehnte jedoch vorrangig auf die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen sowie in starkem Maße auf schulische Kontexte. Diese Strategie folgt dem Argument, dass die allgemeinbildende Schule der einzige Ort ist, an dem jedes Kind, jeder Jugendliche mit Angeboten der Kulturellen Bildung erreicht werden und kulturelle Teilhabe erfahren kann. Für Kulturpädagog*innen oder Kunstschaffende ist es jedoch wenig befriedigend, wenn es ihnen zwar gelingt, bei Kindern und Jugendlichen Neugier auf Kunst und Kultur und insbesondere auf künstlerische Prozesse zu wecken – dies jedoch absehbar eine Episode im Leben vieler der jungen Menschen bleiben wird.
- Es wird mittlerweile viel kooperiert in der Kulturellen Bildung: zwischen Schule und Jugendhilfe, Lehrkräften, Kulturpädagog*innen und Kunstschaffenden, zwischen Bildungs- und Kultureinrichtungen, zwischen den Ressorts bei Bund, Ländern und Kommunen, über föderale Ebenen hinweg, zwischen Bildungsverwaltungen und Stiftungen – das ist ein erheblicher Fortschritt. Allerdings sind es nicht immer symmetrische Beziehungen, in denen diese Kooperationen stattfinden. Und oft sind es gerade die Kunstschaffenden, für die die Bedingungen in den Förderprogrammen besonders schwierig sind und von denen maximale Flexibilität bei vergleichsweise bescheidenen Entgelten erwartet wird.