Nur scheinbar Freiraum: Realitäten ländlicher Räume und ein Plädoyer für positive Veränderung mit Kulturarbeit
Abstract
Land ist Produktionsraum, Projektionsfläche für viele Erwartungen, Spielwiese für Investor*innen in Tourismus und Agrarindustrie, eine wesentliche Ressource für die Ernährung der Bevölkerung, Stadtumland, manchmal leer und häufig auch intensiv besucht und genützt … Ländliche Räume sind daher von einer großen Vielfalt an Raum-, Landschafts- und Nutzungstypen geprägt. Die Bevölkerung ist vielfältig – tendenziell wahrscheinlich etwas älter und männlicher. Mit dem Land als imaginärem Gegenentwurf für die Stadt soll man sich beschäftigen: Nicht zuletzt auch wegen den politischen Verwerfungen, die in den letzten Jahren u. a. vom Land ausgegangen sind – beispielsweise seien genannt die österreichischen Präsidentschaftswahlen von 2016 und 2017. Mit den ländlichen Räumen soll sich nicht zuletzt auch deshalb Kulturarbeit und Kulturpolitik als gesellschaftsverändernde Kraft auseinandersetzen.
Weniger dichte Räume
Kaum ein Raumtyp ist stärker von Stereotypen geprägt als das Land. Projektionen umfassen idyllische Dörfer, gesunde Landschaften und ökologische Nahrungsmittelproduktion. Medien, Tourismus, aber auch Schulbücher bedienen diese Stereotypen prächtig und schreiben sie damit fort. Mit der Realität in vielen ländlichen Räumen – die Mehrzahl ist wichtig! - haben diese Postkarten allerdings in der Regel recht wenig zu tun. Vielmehr ist eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten und Raumbildern für die ländlichen Räume zu beobachten – von Agrarindustrie bis zum zerklüfteten Hochgebirge, den Tourismushochburgen und den Speckgürteln der Städte bis zu den Abwanderungsdörfern mit leeren Ortszentren. Einen gemeinsamen Nenner kann man diesbezüglich nur schwer finden. Eine Ausnahme stellt das Kriterium der Dichte dar: Im Vergleich zu den urbanen Räumen kann man in den ländlichen Räumen von einer geringeren Bevölkerungsdichte pro Quadratmeter, einer nicht so ausgeprägten Institutionsdichte und von einer Großteils schwächeren Interaktionsdichte ausgehen. Zielführender wäre demnach die Frage nach Kulturarbeit in weniger dichten Räumen zu stellen. Was sind die diesbezüglichen spezifischen Herausforderungen und wie können Kulturpolitiker*innen passende Rahmenbedingungen schaffen?
Standortnachteil Interaktionsmöglichkeiten
Kulturarbeit und kulturelle Praxis sind Kommunikation, Vernetzung und Interaktion. Künstlerische und kulturelle Produktion sind in der Regel darauf ausgerichtet, dass sie präsentiert, diskutiert werden und damit Austausch stattfindet. Die Kreativwirtschaft prägt das visuelle Umfeld u. a. mit ihren architektonischen bzw. Design-Leistungen und interagiert damit nonverbal mit ihrer Umgebung. Die kulturelle Institution möchte Besucher*innen einbinden. Die Besucher*innen-Zahlen sind nach wie vor ein wichtiges Erfolgskriterium für Theater, Museen und soziokulturelle Zentren. Sie werden immer noch zum Nachweis der gesellschaftlichen Relevanz herangezogen. Die weniger dichten Räume haben dadurch einen natürlichen Standortnachteil, der sich beispielsweise auch in der Verteilung von kreativwirtschaftlichen Betrieben und ihre Konzentration auf die urbanen Zentren widerspiegelt.
Auf der Bildungsspur
A propos Nachteile: Kulturelle Aktivitäten und Interessen sind besonders stark von Bildungskontexten abhängig. Es „(…), erweist sich vor allem die soziale Herkunft (im Sinn des höchsten Bildungsabschlusses der Eltern) als starker Prädiktor für Art und Ausmaß der späteren kulturellen Beteiligung“ (Schönherr 2015:6). In Österreich beispielsweise ist „der Anteil der Personen mit Matura oder einer höheren Ausbildung in urbanen Zentren höher als in ländlichen Regionen. Insgesamt liegt er bei 43 Prozent im Vergleich zu 23 Prozent in ruralen Gemeinden“ (vgl. Standard 2017). Die gleiche Untersuchung der Statistik Austria kommt allerdings auch zum Schluss, dass sich das Bildungsniveau in den ländlichen Regionen nun rascher anhebt – der Akademikeranteil hat sich zwischen 1971 bis 2014 in den ländlichen Räumen Österreichs verzehnfacht – in der urbanen Räumen nur verfünffacht. Aufgrund der bestehenden Muster der kulturellen Beteiligung kann man sich – im statistischen Durchschnitt – eine positive Dynamik erwarten. Das heißt aber noch nicht viel für den konkreten ländlichen Raum, der kulturell und künstlerisch weiterentwickelt werden soll.
Authentizität versus Instrumentalisierung
Stichwort Weiterentwicklung: Schon allein durch die Fragestellung für das 63. Loccumer Kulturpolitische Kolloquium wird implizit erwartet, dass es Handlungsbedarf für den Kulturbereich in den ländlichen Räumen geben könnte. Diesbezüglich gibt es natürlich Erwartungen der Kulturakteure als auch von außerhalb des Kultursektors. Eine nicht veröffentlichte Analyse der Entwicklungsstrategien in ländlichen Räumen in Österreich im Jahr 2015 kommt zum Schluss, dass diese auf hauptsächlich vier Schwerpunktthemen für die Kulturentwicklung in den jeweiligen Regionen fokussieren: Wichtig ist demnach eine authentische Entwicklung lokaler Kultur(en). Dies wird als Gegensatz zu einer oberflächlichen Kulturvermarktung verstanden. Weiters besteht der Wunsch positive Impulse für die (Wieder-)Belebung der Ortskerne in einer breiten Funktionsvielfalt zu schaffen. Der Kulturtourismus soll sich in Richtung Kreativtourismus weiterentwickeln und Leistungen der Kreativwirtschaft wie der Architektur stärker für Tourismusinnovationen eingebunden werden. Partizipative Elemente sollen gestärkt werden und allen Formen von Zuzug und Abwanderung Rechnung getragen werden.
Maßgeschneiderte Antworten
Wie kann eine diesbezügliche Sicht der Kulturseite dargestellt werden? Beispielhaft erwähnt sei das Förderprogramm Leader Transnational Kultur, das inforelais im Auftrag der Kultursektion im österreichischen Bundeskanzleramt konzipiert hat: Zielsetzungen dieses Programms sind u. a. die Hinterfragung von Stereotypen vom Land, die Förderung der sozialen Innovation und kreativen Partizipation, die Schaffung von neuen Beziehungsgeflechten im Kontext der Zuwanderung sowie Fragestellungen rund um die Transformation von Berufsfeldern. Diese Schwerpunktsetzungen reflektieren die Situation in den ländlichen Räumen Österreichs. Grundsätzlich müssen sich Kulturakteure und die Kulturpolitik jeweils mit den spezifischen Bedürfnissen und dem jeweiligen Kontext auseinandersetzen, in dem ihre Maßnahmen wirksam werden sollen. Daneben sind aber globale Entwicklungen für die Kulturarbeit am Land zunehmend relevant. Drei ausgewählte Themenschwerpunkte werden in der Folge ausführlicher dargestellt. Sie umfassen die Globalisierung, die Rolle der weiblichen Bevölkerung sowie die Notwendigkeit der Ökologisierung.
… die Welt kommt herein
Die zumeist schwerere Erreichbarkeit vieler ländlicher Räume hat dazu geführt, dass auch überregionale Interaktionen seltener waren als in der Stadt. Ein abgelegenes Dorf verfügt eben in der Regel nicht über ein globales Kulturangebot wie eine Metropole. Die Nachbarn kamen wahrscheinlich nicht von einem anderen Kontinent und die meisten Tourist*innen und Agrarsaisonarbeiter*innen doch eher aus den europäischen Nachbarländern. Diese Situation hat sich in den letzten Jahren massiv weiterentwickelt. Die ländlichen Räume sind in der globalen und digitalen Welt angekommen. Begegnung mit den Phänomenen wie Migration, digitale Revolution und Landgrabbing benötigen kein pro aktives Wollen mehr der ländlichen Akteure, sie werden vor Ort damit konfrontiert. Die Begegnung mit dieser neuen Welt läuft nicht reibungsfrei ab. Diesbezüglich notwendige Vermittlungs- und Diskussionsformate sowie Bildungsangebote sind zu einem großen Teil in den ländlichen Räumen nicht vorhanden. Sie sind aber notwendig, da beispielsweise die neuen Nachbarn eben nicht nach zwei Wochen Urlaub wieder abreisen und ein vertiefendes interkulturelles Miteinander entwickelt werden muss. Die kulturellen und politischen Auswirkungen der neuen digitalen Welt werden nicht verstanden – und zwar nicht nur in den ländlichen Räumen – und Vorkehrungen für einen fairen globalen Wettbewerb im digitalen Kontext nicht getroffen. Die Wettbewerber für ein digitales kulturelles Angebot sind global, jederzeit erreichbar und beeinflussen Besucherströme – u. a. mittels sog. Influencer*innen wie Youtuber*innen. Die Ressourcen werden global gehandelt – auch Agrarböden in Europa. Die Auswirkungen auf Landnutzung, Anbaumethoden und Verkauf der produzierten Güter sind noch nicht absehbar.
Dialog-Kultur
Und was bedeutet das für die Kulturarbeit in den ländlichen Räumen: Kulturelle Angebote können zum interkulturellen Dialog beitragen, wenn sie Offenheit, Partizipation und einem dynamischen Begriff von Identität verpflichtet sind. Kulturarbeit ist Bildungsarbeit – besonders diskursive Formate können zum globalen Lernen beitragen. Literatur – sowie Sprache – und Film haben das Potenzial andere Zugänge zu weniger bekannten Kulturräumen zu schaffen als sie die Medien wie beispielsweise TV-Nachrichten bieten können. Kulturpolitik sollte demnach in Programme investieren, die diskursiv angelegt sind sowie in kulturelle Interaktionsräume in den ländlichen Gebieten. Wichtig für globales Verständnis ist auch die Förderung von Mobilität – und diese sollte nicht nur die Künstler*innen umfassen, sondern auch beispielsweise Kultur-Dialogreisen. Und bitte nicht nur für die Jugend und nicht nur innerhalb Europas! Last but not least, müsste allfällig auch die Geschichte des lokalen Museums so vermittelt werden, dass globale Zusammenhänge lesbar werden. Es gibt nämlich kaum Historisches, das ohne jede Interaktion mit größeren (Kultur-)Räumen entstanden ist, wie beispielsweise die alten Handelsrouten anschaulich darstellen.
… die Frauen verlassen die ländlichen Räume
Zentral für die Entwicklung der ländlichen Räume ist auch die weibliche Bevölkerung. Diese verlässt allerdings zunehmend diese ruralen Räume für die Städte. Bereits im österreichischen Frauenbericht von 2010 wurde auf diese Problematik hingewiesen: Es sind hauptsächlich Frauen zwischen 18 und 26 Jahren, die abwandern. Grund sind die besseren Bildungseinrichtungen in den urbanen Räumen. Statistisch führt das zu einem deutlich höheren durchschnittlichen Qualifikationsniveau von Frauen in Städten. Als Gründe werden mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten für hoch qualifizierte Frauen in ländlichen Regionen angeführt. Der Frauenbericht schließt daraus: „Die Stadt-Land-Unterschiede in der Bildungs- und Beschäftigungsstruktur finden auch in der Höhe und Verteilung der Einkommen ihren Niederschlag. Das mittlere Bruttojahreseinkommen von unselbständig erwerbstätigen Frauen sinkt mit der steigenden Agrarquote des Wohnorts, und ihr Einkommensnachteil gegenüber den Männern nimmt zu“ (Bundesministerin für Frauen 2010:306). Die negativen Auswirkungen werden im Brain Drain in doch zahlreichen ländlichen Räumen sichtbar. Ein anderes Phänomen ist auch der Brain Gain durch den Zuzug in ländliche Räume. Brain Gain dagegen findet aber zum Großteil in den Stadt-Umlandgebieten statt. Der sogenannte Speckgürtel der Städte ist häufig eine kulturell-künstlerische Einöde – eine Art Nicht-Raum mit fragmentierten Strukturen und einer auch in Bezug auf (Kultur-)Konsum und -Partizipation stark zur Stadt orientierten Bevölkerung.
Faire Verteilung von Macht und Geld im Kulturbetrieb
Für Kulturpolitik und Kulturakteure in ländlichen Räumen müsste es demnach ein zentrales Anliegen sein, die weibliche häufig besser gebildete und daher auch gegenüber dem Kunst- und Kulturkonsum – zumindest im statistischen Durchschnitt – aufgeschlossenere Bevölkerung auf dem Land zu halten. Wie kann das gelingen? Beispielsweise durch eine konsequente Frauenförderpolitik, wenn es um Führungspositionen im Kulturbereich in ländlichen Regionen geht. Bevorzugt eben auch mit Frauen, die selbst aus den ländlichen Räumen stammen. Außerdem muss sichergestellt werden, dass professionelle Kulturarbeit in den ländlichen Räumen nicht geringer geschätzt wird – auch in finanzieller Hinsicht. Gerade öffentliche Träger hätten diesbezüglich Verpflichtung und einen rechtlichen Rahmen der Gleichbehandlung. Empowerment von Mädchen ist ein weiteres Element: Durch lokale Role Models in ländlichen Räumen wie beispielsweise die Museumsdirektorin und die Sommerfestivalintendantin kann Dynamik in festgefahrene Rollenbilder kommen. Traditionelle Sichtweisen und Frauenbilder sind eben gerade noch in ländlichen Räumen häufig prominent vertreten. Damit stellt sich eine weitere Frage nach Werthaltungen, Frauenrechten und weiter auch Grund- und Freiheitsrechten. Die Werte der bürgerlichen Revolutionen werden zunehmend in Frage gestellt. Andere (Bürger-)Bewegungen nehmen für sich in Anspruch, für das Volk wie immer das auch definiert ist) zu sprechen. Wie können Frauenrechte und die damit notwendigen Perspektiven einer offenen und toleranten Gesellschaft gesichert werden? Sind Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit verhandelbar? – Ein breites Feld für Engagement und Diskussion, das seitens der Kulturakteure (in Stadt und Land) bearbeitet werden sollte.
… ist das Land noch Land?
Mit den ländlichen Räumen ist eng der Begriff der Natur verwandt oder stärker noch die unberührte gesunde Natur, ein ökologischer Raum. Die Sommerfrische ist ein diesbezüglich treffender Begriff, der diese Vorstellungswelt abbildet: Im Gegensatz zum ungesunden Stadtleben wird der Sommer an der frischen Luft in einer als schön wahrgenommenen Landschaft verbracht. Diese Bilder wurden übrigens auch von Kunst und Literatur mitgeprägt. Die ländlichen Räume sind aber nicht als Freizeitparks für die urbane Bevölkerung geschaffen. Sie sind seit Jahrtausenden Wirtschaftsräume, die daher auch stark menschlichen Eingriffen ausgesetzt waren und immer noch sind. Man denke nur an den Winter-(insbesondere Ski-)Tourismus, die (prähistorische bis zur industriellen) Landwirtschaft oder die Wirtschaftswege von den Kanalbauten der französischen Könige bis zum Hochgeschwindigkeitszugtrasse. Wenn gesellschaftlicher Konsens besteht, dass die ländlichen Räume besiedelt bleiben sollen, dann müssen wirtschaftliche Nutzungen und Perspektiven ermöglicht werden. Ebenso müssen Mobilitätsfragen geklärt werden – besonders auch wenn sich Frauen stärker auf dem Land engagieren sollen. Legitim und zentral ist aber die Frage nach einem gesunden und lebenswerten Raum und wie dieser auch außerhalb der urbanen Zentren geschaffen werden kann. Diesbezüglich geht es zum einen um ökologische Landwirtschaft und weiters um Frei- und Bewegungsräume, die für (besuchende) Städter*innen als auch für die Landbevölkerung relevant sind. Bedeutsam ist auch das sog. Greening der Städte von Urban Gardening bis zur klimaverträglichen Stadtarchitektur mit ihren vertikalen Landschaften – eine neue Konkurrenz für die Entwickler*innen ländlicher Räume!
Re-Ökologisierung der ländlichen Räume
Kulturarbeit und Kunst sind mächtig, da sie die Menschen emotional ansprechen können. Sie können eben jene Bilder und Wünsche erzeugen, die sich in der Vorstellungswelt verankern. Mächtige Landbilder sind bereits geschaffen wie die Vision des intakten Naturraum. Konsequente Einhaltung dieser Versprechen ist wichtig – auch damit Besucher*innen auf Dauer kommen. Wie können nun Kunst und Kultur dazu beitragen, dass (wieder) ökologische Freiräume in den ländlichen Gebieten entstehen? Platz zwischen den agrarindustriellen Einöden? Künstlerische Interventionen können aufmerksam machen, auf welchem Niveau der industriellen Raumnutzung wir inzwischen angekommen sind – diesbezüglich beispielhaft erwähnt „Die Entdeckung der Korridore“ vom Künstlerkollektiv PINZGAU/podgorschek. Architektur und Baukultur können seitens der Kulturpolitik – gemeinsam mit den anderen Fachressorts – so unterstützt werden, dass sie Vorzeigeprojekte mit geringerer Flächennutzung sowie diesbezügliche Kommunikationsarbeit mit Bauherren/-frauen umsetzen. Kulturarbeit auf dem Land sollte konsequent als sog. Green Events umgesetzt werden. Dafür muss die Kulturpolitik entsprechende Mittel zur Verfügung stellen – allfällig in Kooperation mit den Umweltressorts. Diese ökologischen Veranstaltungen können auch dazu genützt werden, neue Formen ökologischer Mobilität auf dem Land zu erproben. Denkbar wäre eine konsequente Anbindung von Kultureinrichtungen an Radwege und Elektrorad-Ladestationen. Kultur kann und soll Partnerschaften auf Augenhöhe mit dem Tourismus suchen – statt kostspieligen Kultur- und Freizeitparks in authentische Angebote und für sanften Tourismus, der die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung berücksichtigt, investieren. Kultur- und Kreativwirtschaft können diesbezüglich die notwendigen partizipativen Modelle schaffen beispielsweise durch die Anwendung des Design Thinking Ansatzes für die Entwicklung ökologischer, sanfter und künstlerisch hochwertiger Kulturtourismusangebote. Zentral ist deshalb auch die Aufrechterhaltung einer künstlerischen Produktion in den ländlichen Räumen – eine Aufgabe für die Kulturpolitik.
Ein Schlussplädoyer zum Abbau von Barrieren
Kulturarbeit in ländlichen Räumen muss gesellschaftlich relevante Themen ansprechen und unter aktiver Partizipation umgesetzt werden. Zentral sind die Themen Globalisierung, Frauen und Ökologisierung. Zeitgenössisches Landleben sollte durch Kulturarbeit mit Fokus auf Eigenkreativität und Kunst, Ökologie und Green Events sowie die Bedeutung der Reizarmut geprägt sein. Die ländlichen Räume sind zu einem sehr großen Teil nicht mehr isoliert, aber ihre Netzwerke sind schwächer. Begegnungsformate und temporäre Erzeugung von Dichte werden sowohl Kreativwirtschaftler*innen und Künstler*innen anziehen. Aufgabe der Kulturpolitik ist es digitale Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Austausch über künstlerische und kulturelle Inhalte sowie Digitalkunstproduktion ermöglichen – auch in den ländlichen Räumen. Künstlerische und architektonische Landmarks sind für die ländlichen Räume ebenso relevant wie für ein städtisches Umfeld und haben das Potenzial Geschichten von Kulturräumen zu erzählen. Eine neue Literatur vom Land und kreative Begegnung statt Massentourismus können neue Visionen vom Landleben und der Landkultur schaffen – im Sinne einer dynamischen, offenherzigen und persönlichen Weiterentwicklung. Um neue Visionen und vor allem ihre Umsetzung möglich zu machen sind zwei Elemente zentral: Diskurs und Bildung. Gerade auf dem Land müssen Bildungs- und Kulturpolitik dafür sorgen, dass die Kinder Zugänge zu kulturellen und künstlerischen Fragestellungen haben, das Hemmschwellen in Bezug auf den (viel zu stark) kodierten Kulturbereich abgebaut werden und Eigenkreativität als zentrales Element der Persönlichkeitsbildung verstanden wird. Diskussionsformate beispielsweise von soziokulturellen Zentren sind wesentlich für eine breite Meinungsbildung der ländlichen Bevölkerung. Kulturarbeit hat hier eine zentrale Aufgabe gerade in jenen Räumen, wo durch die geringere Institutionendichte, oft Zugang zu weniger verschiedenen Standpunkten und Meinungen besteht und der soziale Druck häufig als stärker empfunden wird.