Lebendig und neugierig bleiben - Qualifizierung von Lehrkräften in der Kulturellen Bildung
Fort- und Weiterbildung von Lehrer*innen am Beispiel der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel
Abstract
Welche Bedeutung haben Weiterbildungen für Lehrkräfte im Kontext Kultureller Bildung und welche Herausforderungen stellen sich in Bezug auf Angebote, etwa vor dem Hintergrund knapper gewordener Zeitressourcen und steigender Anforderungen an Lehrer*innen? Der vorliegende Beitrag greift, ausgehend von zwei laufenden Weiterbildungsformaten/-programmen, die seit mehreren Jahren an der Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel (ba•) für Lehrkräfte laufen, sowie unter Bezug auf aktuelle Studienergebnisse, die Bedeutung, Herausforderungen und Kontexte von Qualifizierungsangeboten für Lehrkräfte im Bereich der Kulturellen Bildung auf. In diesem Rahmen werden beispielsweise die Relevanz von Kooperationen zwischen kulturellen Bildungsträgern und Schule thematisiert und Positionen im Hinblick auf Bedarfe und zukünftige Angebotsstrukturen für Qualifizierungen von Lehrkräften formuliert.
Zur Ausgangslage
Eine flächendeckende kulturelle Teilhabe an Schulen und damit einhergehend eine ausreichende Anzahl von ausgebildeten Lehrkräften in den künstlerischen Fächern stellen bundesweit und in Niedersachsen ein Desiderat dar (vgl. bezogen auf Musik- und Kunstunterricht im Sekundarbereich I und II z.B. Klemm 2024; bezogen auf Musikunterricht z.B. Lehmann-Wermser/Weishaupt/Konrad 2020). Das Programm SCHULE:KULTUR! sowie eine berufsbegleitende Weiterbildung für fachfremd unterrichtende Kunstlehrer*innen im Primar- und Sekundarbereich greifen in Niedersachsen diese Leerstelle auf und leisten einen Beitrag für das Feld auf verschiedenen Ebenen. Beide beziehen sich etwa auf den Schulentwicklungsprozess durch Kulturelle Bildung (vgl. z.B. Fuchs 2019), auf die Zusammenarbeit zwischen Lehrer*innen sowie zwischen Schulen und Partner*innen aus der Kulturellen Bildung, auf die Qualität des Schulfaches Kunst, aber auch auf die Attraktivität des gesellschaftlich bedeutsamen Berufes von Lehrkräften.
Auch wenn Qualifizierungen, wie die hier im Folgenden beschriebene, das Problem der zu geringen Anzahl ausgebildeter Kunstlehrer*innen nicht lösen, leisten sie einen entscheidenden Beitrag (vgl. z.B. Penzel 2021; Freytag 2021), denn Fächer wie Kunst, die kreatives Denken und Handeln fördern, sind mit Blick auf die Gestaltung der Zukunft von zentraler Bedeutung. Wurden Weiterbildungen für Lehrkräfte größeren Umfangs lange Zeit vor allem in anderen Bereichen angeboten, entwickelte sich das Unterrichtsfach Kunst in Niedersachsen über viele Jahre zu einem Mangelfach - ein Aspekt, dem die Qualifizierungen entgegenwirken.
Kulturelle Bildung und Schule
Kulturelle Bildung verbindet die Dimensionen einer aisthetischen, ästhetischen und gesellschaftspolitischen Bildung (vgl. Reinwand-Weiss 2013/2012) und findet oftmals außerschulisch, aber auch in Anbindung an schulische Kontexte statt. Neben dem Unterricht in künstlerischen Fächern - wie Bildender Kunst, Musik oder Darstellendes Spiel - kann Kulturelle Bildung in alle Fächer hineinwirken (vgl. z.B. Fuchs/Braun 2018). Des Weiteren kann sie sich in Projekttagen, -wochen, Ganztags- und Pausenformaten (vgl. BKJ 2019), insbesondere gestützt durch Kooperationen mit Kulturpartner*innen verwirklichen und sich bis hin zu kultureller Schulentwicklung ausprägen. Ansätze Kultureller Bildung ermöglichen, eng verbunden mit den Künsten, andere Formen der Auseinandersetzung mit Themen und bedürfen gleichzeitig der Fort- und Weiterbildung für Anleitende, um sich etwa neue künstlerische Ausdrucksformen im Kontext von Digitalität und Künstliche Intelligenz (KI) anzueignen oder gesellschaftspolitische Themen wie Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) oder Demokratiebildung mit ästhetischen Mitteln zu vermitteln.
Zielt Kulturelle Bildung (im Sinne einer „Kultur für alle" (vgl. Hoffmann/Kramer 2013/2012) darauf ab, allen Menschen kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, kommt der Institution Schule eine zentrale Bedeutung zu. Hier können grundsätzlich alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrer sozialen Situation, erreicht werden. Im Sinne von sozialer Gerechtigkeit kann Kulturelle Bildung hier auch Kindern und Jugendlichen Zugänge ermöglichen, die aufgrund von Ausschlussmechanismen wie finanziellen oder distinktiven, habituellen oder weiteren Formen nicht an Angeboten von zum Beispiel Kunst- oder Musikschulen teilnehmen (vgl. hierzu Abou 2024). ). Ein Ort, an dem Fortbildungen für Lehrkräfte in der Kulturellen Bildung und den Künsten seit vielen Jahren fest etabliert sind, ist die Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel e.V.
Die Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel - ein Ort für Weiterbildungen von Lehrkräften
Die Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel bietet in sechs Programmbereichen (Bildende Kunst, Darstellende Künste, Literatur, Kulturmanagement und -politik, Museum und Musik) und im Kontext verschiedener Projekte Fort- und Weiterbildungen für Multiplikator*innen aus dem Kunst- und Kulturbereich sowie für kulturaffine Lehrkräfte.
Das Fortbildungsangebot erstreckt sich von kompakten Online-Formaten über Seminare und Tagungen vor Ort bis zu mehrjährigen Weiterbildungen. Lehrkräfte verschiedener Schulformen werden als Teilnehmende mit spezifischen Formaten adressiert. Zu diesen zählen das Programm SCHULE:KULTUR! sowie die seit 2021 laufenden Weiterbildungen für fachfremd unterrichtende Kunstlehrer*innen im Primar- und Sekundarbereich I. Ebenso wie weitere Angebote wurden diese in Kooperation mit Institutionen wie dem Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) und Fachverbänden wie dem Fachverband für Kunstpädagogik (BDK e.V.) bedarfsspezifisch entwickelt und werden seit Jahren erfolgreich durchgeführt.
Ausgehend von den im Kontext der beiden Programme gesammelten Erfahrungen sowie in Verbindung mit aktuellen Erkenntnissen aber auch Herausforderungen, beleuchtet der vorliegende Beitrag das Thema Weiterbildung von Lehrkräften im Kontext der Kulturellen Bildung und greift dabei konzeptionelle, strukturelle und zukunftsbezogene Aspekte und Forderungen auf.
Das Programm SCHULE:KULTUR! und sein multiprofessionelles Qualifizierungsangebot
2014 initiierte die Stiftung Mercator bundesweit das Programm Kreativpotentiale im Dialog, um in allen Ländern die Gründung kultureller Schulentwicklungsprogramme anzustoßen. Mit dem Programm verfolgte die Stiftung das Ziel, Kulturelle Bildung nachhaltig in schulischen Kontexten zu verankern, damit allen Kindern und Jugendlichen kulturelle Teilhabe ermöglicht wird (Kreativpotentiale im Dialog 2022:5). Mit Blick auf die Säulen kultureller Schulentwicklung (vgl. Rolf 2007:30) lag/liegt in diesem Programm der Fokus auf Organisationsentwicklung (durch strukturelle Anpassungen und Kooperationen) und unterstützender Personalentwicklung (durch Qualifizierungen), implizit auch auf Unterrichtsentwicklung.
In Niedersachsen gelang im Rahmen des Programms Kreativpotentiale die Kooperation zweier Ministerien (Niedersächsisches Kultusministerium und Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur), um das Programm SCHULE:KULTUR! aufzusetzen. Die Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel, die Niedersächsische Landesvereinigung für kulturelle Jugendbildung e.V. (LKJ) und das Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) setzen das bundesweit einzigartige Programm um: In Niedersachsen werden nicht nur konsequent Kooperationen zwischen Schulen und Kulturinstitutionen initiiert, sondern Kolleg*innen dieser Partner*innen werden auch in gemeinsamen Fortbildungen weiterqualifiziert.
So stärkt das Land Niedersachsen nun bereits seit zehn Jahren mit seinem Landesprogramm SCHULE:KULTUR! Kulturelle Bildung an Schulen und unterstützt langfristige Kooperationen zwischen den teilnehmenden Schulen und außerschulischen Kulturpartner*innen aller Kunstsparten. Dabei geht es darum, dass Kultur ein lebendiges Lernprinzip und Gestaltungselement im gesamten Schulalltag wird und somit in den Unterricht aller Fächer hineinwirkt, was einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Schulqualität darstellt (Niedersächsisches Kultusministerium 2025). Bislang konnte SCHULE:KULTUR! in 99 Schulen und 86 Kultureinrichtungen Impulse zur Weiterentwicklung der Institutionen setzen und so eine multiperspektivische und multiprofessionelle kulturelle Schulentwicklung befördern und gleichzeitig vielfältige Weiterentwicklungen der Kulturinstitutionen und ihrer Vermittlungsarbeit anstoßen.
Das begleitende Fortbildungsprogramm, das von der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel entwickelt wurde, adressiert die gesamte Kooperation bestehend aus Lehrkräften, Schulleitungen und Kulturpartner*innen in einem mehrjährigen, kontinuierlichen Weiterbildungsprozess.
Die Teilnehmenden setzen sich in drei zweitägigen Modulen intensiv mit den Prinzipien Kultureller Bildung (vgl. Braun/Schorn 2013/2012), den Dimensionen von kultureller Schulentwicklung und den Gelingensbedingungen für ihre Zusammenarbeit auseinander. Die Module sind innerhalb der Schule-Kultur-Kooperationen sowie kooperationsübergreifend vom vielschichtigen Austausch geprägt. Hierbei profitieren insbesondere neue Kooperationen vom Austausch mit erfahrenen Teams. Diese Impulsgebung durch Praxisbeispiele ist so relevant, da jede Kooperation individuelle Ziele und Schwerpunkte entwickelt. Die Anpassung der Rhythmisierung des Schultages ist dabei ebenso möglich wie die Etablierung eines Artist-in-Residence, die Einrichtung eines offenen Pausen-Kunstlabors oder die Entwicklung neuer Wahlpflichtfächer.
Um dieser individuellen Ausrichtung gerecht zu werden, bietet SCHULE:KULTUR! weiterführende Module zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen. Bedarfsorientiert und selbstgewählt blicken die Kooperationen auf Themen wie Demokratiebildung, BNE, KI oder Diversität in Bezug zu Kultureller Bildung. Unabhängig vom Fortbildungsformat setzt das Programm in allen Veranstaltungen einen Schwerpunkt auf die eigene Erprobung künstlerischer Praxis in Bezug auf die jeweiligen Themenschwerpunkte. Dies stärkt und festigt die Zusammenarbeit im Kooperationsteam und bietet insbesondere den Lehrkräften häufig neue methodische Impulse für eine kreativere, ergebnisoffenere, partizipativere Arbeit mit Schüler*innen. Die Evaluationsergebnisse des begleitenden SCHULE:KULTUR! - Fortbildungsprogramms belegen, dass die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden die Qualität der Fortbildungsangebote sehr schätzt und den Fortbildungen einen sehr hohen Stellenwert einräumt, da sie von den fachlich-methodischen Anstößen und vom intensiven interprofessionellen Austausch mit den anderen Teilnehmenden sehr profitieren (NLQ 2021:5).
Nichtsdestotrotz bemerken auch die Koordinierenden und Durchführenden in den letzten Jahren die zunehmende Tendenz, dass die Lehrkräfte sich aufgrund von strukturellen Hürden von den Fortbildungen abmelden, obwohl ihnen die Bedeutsamkeit und der Mehrwert der Fortbildungen sehr deutlich ist und sich die Schulleitungen bei Programmteilnahme sogar zu der Freistellung der Lehrkräfte verpflichtet haben. Als Absagegründe werden hier u.a. angegeben: personelle Engpässe und hohe Krankheitsstände im Kollegium, Vermeidung von Unterrichtsausfall, die eigene Überlastung oder eine fehlende Genehmigung der Schulleitung.
Das sind wichtige Indikatoren dafür, dass es die Rahmenbedingungen an Schulen gerade erschweren, dass Lehrkräfte die zeitlichen und mentalen Kapazitäten haben, um Fortbildungsangebote wahrnehmen zu können.
Qualifizierungen für fachfremd unterrichtende Kunstlehrer*innen im Primar- und Sekundarbereich I
Seit vielen Jahren fehlen in Niedersachsen und bundesweit ausgebildete Kunstlehrer*innen an Schulen, weswegen das Fach Kunst in Niedersachsen den Status des Mangelfachs innehat. Die Anzahl der ausgebildeten Lehrkräfte im Fach Kunst deckt bei weitem nicht den Bedarf, der nötig wäre, so dass auch aktuell Kunst in der Grundschule (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2024:541) sowie im Sekundarbereich I an Gymnasien (vgl. ebd.) als Bedarfsfach gilt. Um den Auftrag zur Kulturellen Bildung zu erfüllen und allen Schüler*innen ein umfassendes kulturelles Angebot und fachlich fundierten Kunstunterricht nach den Empfehlungen für Kulturelle Bildung der Kultusministerkonferenz (KMK) (2022) zu ermöglichen, ist die Ausstattung der Schulen mit einer angemessenen Zahl an Kunstlehrkräften dringend geboten. Diese Unterversorgung wird sich auch in den nächsten Jahren nicht durch Lehramtsabsolvierende verbessern lassen. Das Niedersächsische Kultusministerium entschied angesichts dessen 2017, „fachfremd unterrichtende Lehrkräfte über berufsbegleitende Weiterbildungen verstärkt nachqualifizieren zu lassen“ (Ludewig 2021).
Vor diesem Hintergrund wurden in Kooperation zwischen dem NLQ (Niedersächsisches Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung), dem Fachverband für Kunstpädagogik (BDK e.V.), dem Institut für Bildende Kunst und Kunstwissenschaft der Universität Hildesheim und der Bundesakademie für Kulturelle Bildung zwei berufsbegleitende Qualifizierungsreihen für fachfremd unterrichtende Kunstlehrer*innen im Primar- und Sekundarbereich I entwickelt, die seit 2021 durchgeführt werden. Die Qualifizierungen richten sich an ausgebildete Lehrkräfte, die eine hohe Affinität zu künstlerischem Gestalten und Kunstvermittlung mitbringen und Kunst bereits fachfremd unterrichten.
Mit acht Präsenz-Modulen von jeweils drei bzw. vier Tagen, ergänzenden und vertiefenden Online-Formaten sowie der praktischen Erprobung des Gelernten in der Schule in der Zeit zwischen den Modulen, zeichnen sie sich neben fachdidaktischer Praxis und Theorie in Kunstgeschichte durch einen hohen Anteil künstlerischer Praxis aus, der durch Dozierende der Bundesakademie gestaltet wird. Die Konzeption und Durchführung in Kooperation zwischen den verschiedenen Partnern, dem Fachverband, der Universität und der Bundesakademie sichert hierbei die Qualität der vermittelten Inhalte durch die jeweilige Expertise der Institutionen und Stand des Wissens. So wurden neben der künstlerischen Praxis etwa eine Einheit zum Thema Bildrecht sowie zu KI im Kontext der Künste eingefügt. Auf kunstwissenschaftlicher und kunstdidaktischer Ebene sind die Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen und Queerness Beispiele für Themen, die aufgegriffen werden: Diese tangieren die Lehrkräfte in ihrem Alltag, jedoch fehlen ihnen oftmals Bezüge und Wissen über Hintergründe, Impulse für eine nähere Auseinandersetzung und Entwicklung von Haltungen sowie Möglichkeiten eines inhaltlichen Aufgreifens im Kontext künstlerischer Beispiele und Beschäftigungen. Vor dem Hintergrund sich abzeichnender Rollbacks in Bezug auf Genderdiversität und -gerechtigkeit, wie sie gesellschaftlich etwa am 2024 erlassenen Verbot von geschlechtersensibler Gendersprache beispielsweise in Bayern in Behörden, Schulen und Unis zu beobachten ist (zur Kritik an diesbezüglichen Verboten siehe z.B. Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2024), kommt Inhalten wie diesen jedoch eine entscheidende Rolle zu.
Seit Beginn der Weiterbildungen wurden bereits mehr als 75 Teilnehmende qualifiziert, bis Ende 2025 werden mehr als 100 Absolvierende den über zwei Jahre laufenden Zertifikationslehrgangs abgeschlossen haben und einen entscheidenden Beitrag zur Qualität von Kunstunterricht in Niedersachsen leisten. Sie werden dringend gebraucht, damit im Sinne von Teilhabemöglichkeiten für alle Kinder qualitativ hochwertige Zugänge zu Kunst im Kontext von Schule ermöglicht werden.
Das Land Niedersachsen hat sich mit den Weiterbildungen dafür entschieden, das Desiderat aufzugreifen –ein Ansatz, der - wie zahlreiche Nachfragen zeigen - auch in anderen Bundesländern auf Interesse trifft.
Dank des hohen Niveaus der Qualifizierung und der guten Kooperation mit der Universität Hildesheim und der Beirätin des Programmbereiches Bildende Kunst, Prof.in Dr.in Bettina Uhlig, können die Absolvent*innen der Qualifizierungen im Anschluss an der Universität Hildesheim weitere Seminare im Umfang von 10 CP (Leistungspunkte) belegen und damit ein universitäres Zertifikat erwerben, das der Anerkennung des Faches Kunst als Drittfach entspricht.
Aufbauend auf die Qualifizierungen wurden für Absolvierende zudem mehrere Vertiefungsangebote durchgeführt, in denen die Teilnehmenden ihre künstlerische Praxis vertiefen sowie einen Rahmen zum Erfahrungsaustausch über gelingende, aber auch herausfordernde Erfahrungen mit dem Gelernten finden und im Sinne einer Peer-to-Peer-Beratung / critical friends reflektieren und weiterführen.
Wie die Erfahrung zeigt, trägt dies nicht nur zum Unterricht der Teilnehmenden selbst, sondern durch das Teilen der erlangten Wissensbestände und Fähigkeiten auch zur Qualität des Fachunterrichts weiterer Kolleg*innen bei. Zudem spiegeln die Erfahrungen seit Beginn der Weiterbildungen, dass die Bedeutung der Qualifizierungen über eine Erweiterung von Wissen und vermittelnden künstlerischen Fähigkeiten hinausreichen. Eine zunächst wenig überraschende, aber elementare Erfahrung ist dabei die eines Perspektivwechsels durch die Rolle als Lernende*r. Das Erleben von Widerständen und die Überwindung dieser, ggf. auch die Erfahrung zu scheitern sowie größere bzw. sich verändernde Präferenzen in Bezug auf bestimmte bildnerische und künstlerische Ausdrucksformen sind eine wichtige Grundlage für die Vermittlung und auf das potenzielle Erleben von Kindern und Jugendlichen übertragbar.
Impulse für die Entwicklung von Haltungen und Positionen zu Entwicklungen und Themen, wie beispielsweise Genderdiversität, die mit künstlerischen Mitteln aufgegriffen werden, sind ein weiteres Beispiel, das entscheidend zur Bedeutung der Weiterbildung beiträgt und eng mit dem großen zeitlichen Umfang verbunden ist, denn Bildungsprozesse brauchen Zeit. Durch den Kontakt im Rahmen anschließender Vertiefungsformate wurden darüber hinaus weitere positive Effekte und Folgen von den Teilnehmenden benannt. So berichten Absolvierende etwa von einem verbesserten Standing innerhalb ihres Kollegiums sowie der bereits angesprochenen Weitergabe des Angeeigneten an Fachkolleg*innen, die zur Stärkung der künstlerischen Fächer beitragen.
Weiterbildungen für Lehrkräfte - zwischen Potenzialen, Idealen und Realitäten
Betrachtet man ausgehend von den positiven Erfahrungen, die die dargestellten laufenden Programme sichtbar werden lassen, die übergeordnete Situation in Bezug auf Weiterbildungen von Lehrkräften im Kontext Kultureller Bildung, treten Diskrepanzen – etwa in Bezug auf das Weiterbildungsverhalten im internationalen Vergleich – hervor, die folgend anhand einiger Aspekte und daraus abgeleiteter Schlussfolgerungen und Plädoyers näher beleuchtet werden:
1. Aspekt: Zu wenig Teilnahme an Fortbildungen
Das Deutsche Schulbarometer 2024 setzt die Ergebnisse ihrer Lehrkräftebefragung ins Verhältnis zur internationalen TALIS-Befragung (Teaching and Learning Internation Survey) und zeigt damit auf, dass die durchschnittliche Fortbildungsquote im Ausland deutlich höher liegt als in Deutschland (Robert Bosch Stiftung 2024: 53). So nahmen im Jahr 2024 in Deutschland in Präsenz nur 57 Prozent der Befragten an einer Fortbildung teil, während es international durchschnittlich 76 Prozent waren. Immerhin bei digitalen Angeboten liegt der Durchschnitt bei den deutschen Befragten mit 56 Prozent höher als mit 36 Prozent im internationalen Vergleich. Einschränkend muss an dieser Stelle allerdings auch erwähnt werden, dass die Ergebnisse der einbezogenen TALIS-Studie aus dem Jahr 2018 stammen und eine direkte Gegenüberstellung daher insgesamt fragwürdig ist. Sicher würden insbesondere die Ergebnisse zu digitalen Fortbildungsangeboten im Jahr 2024 anders ausfallen. Bezüge zu weiteren Forschungsergebnissen könnten diesbezüglich gewinnbringend sein. Dies einbeziehend ist dennoch folgendes Fazit mit Blick auf das Deutsche Schulbarometer zu ziehen:
In Anbetracht der vielfältigen inhaltlichen, strukturellen sowie auch digitalen Herausforderungen, die der Lehrberuf heute stellt, ist es bedenklich, dass knapp die Hälfte der Befragten in den letzten 12 Monaten an keinem Fortbildungsangebot teilgenommen hat - zumal die Lehrkräfte auch im Sinne ihrer Vorbildfunktion den Anspruch verfolgen sollten, zeitgemäß zu bleiben, sich weiterzuentwickeln und verinnerlichtes Wissen und Haltungen zu hinterfragen, um den Bildungsauftrag von Schule zeitgemäß nachzukommen und ihre Schüler*innen selbst zum lebenslangen Lernen zu motivieren. Weiterführend wären Erkenntnisse dazu interessant, an wie vielen und welcher Art und Dauer von Fortbildungsformaten diejenigen teilnahmen, die im letzten Jahr Angebote in Anspruch nahmen.
2. Aspekt: Zu wenig Inanspruchnahme von Fortbildungen, die konkretes Fachwissen vermitteln
Die Vermittlung von konkretem Fachwissen nehmen in Deutschland nur 46 Prozent wahr, international 76 Prozent (Robert Bosch Stiftung 2024: 56).
Diese geringe Teilnahme an fachbezogenen Fortbildungen ist beispielsweise besonders bedenklich angesichts der zunehmenden Bedeutung von Kompetenzen in sich dynamisch entwickelnden Themenfeldern, z.B. im Bereich der KI. Die Diskrepanz zwischen dem aktuellen Fortbildungsengagement und dem Bedarf an spezifischem Fachwissen, insbesondere im Bereich KI, könnte langfristig die Qualität von Bildung in der Schule beeinträchtigen. Es ist daher essenziell, dass Lehrkräfte vermehrt an zielgerichteten Fortbildungen teilnehmen, um sowohl ihre pädagogischen als auch ihre digitalen Kompetenzen zu stärken und somit den Anforderungen einer zunehmend digitalisierten Bildungslandschaft gerecht zu werden. Auch ist dies relevant, damit die Lehrkräfte eine eigene Position zu potenziell kritischen Aspekten entwickeln sowie Kinder und Jugendliche in der Auseinandersetzung begleiten können.
3. Aspekt: Zu wenig Vernetzung, Zusammenarbeit, Peer-to-Peer mit anderen Lehrkräften
Laut Deutschem Schulbarometer tauschen nur 55 Prozent der Lehrkräfte mindestens einmal monatlich Unterrichtsmaterialien, 21 Prozent sind in einem Lehrkräftenetzwerk vertreten, 14 Prozent bereiten gemeinsam Unterricht vor und formulieren Bewertungskriterien und nur 4 Prozent nehmen monatlich an einer gemeinsamen Fortbildung im Kollegium teil (international 23 Prozent) (Robert Bosch Stiftung 2024).
Ausgehend von den im Rahmen der Programme gesammelten Erfahrungen, ist das Selbstverständnis von Lehrkräften in Deutschland auch heutzutage oftmals ein stark solitär geprägtes. Der Mehrwert von kollegialem Austausch, Kooperation, oder gar ko-konstruktiver Zusammenarbeit, also der gemeinsamen Unterrichtsentwicklung, zeigt sich als noch nicht in der Breite erkannt, gezielt gefördert bzw. umgesetzt. Obwohl die gemeinsame Entwicklung von Konzepten, wie die Unterrichtsthemen am besten unterrichtet werden könnten, die Unterrichtsqualität deutlich steigern und Arbeitserleichterung bedeuten würden, sucht man solche Ansätze in den meisten Schulen vergeblich.
Ein großes Potenzial bietet auch die Kooperation zwischen Lehrkräften und außerschulischen Kulturschaffenden, um den Unterricht und Ganztagsangebote durch kreative und interdisziplinäre Ansätze lebendiger zu gestalten (vgl. z.B. BKJ 2018). Die Zusammenarbeit mit Kulturtätigen eröffnet Lehrkräften neue didaktische Impulse und kreative Methoden, die ihren Unterricht bereichern und vielseitiger gestalten. Durch den Austausch mit Expert*innen aus verschiedenen künstlerischen Disziplinen erweitern sie ihre eigenen Fähigkeiten und erhalten Inspirationen für die Vermittlung von Inhalten. Zudem stärkt die Kooperation ihre Rolle als Lernbegleiter*in, da sie gemeinsam mit den Kulturschaffenden innovative Bildungsformate entwickeln und so ihre Schüler*innen noch gezielter fördern können.
Angesichts der hier in aller Kürze skizzierten Bestandssituation, stellt sich die Frage, welches auf verschiedenen Ebenen die Gründe für einen Rückgang von Teilnahmen an Fort- und Weiterbildungen von Lehrkräften sind. Welche Rolle etwa spielen fehlende Zeitkapazitäten, strukturelle Hürden oder nicht genehmigte Weiterbildungsanträge der Schulleitungen, eine abnehmende Bereitschaft bis hin zu der Frage einer Passung zwischen Angebot und Bedarf. Vor diesem Hintergrund sollen abschließend einige Plädoyers als Schlussfolgerungen formuliert werden:
4. Plädoyer für Strukturveränderungen an den Schulen, um Freiräume für Fortbildungen zu ermöglichen
Angesichts von hohen Krankheitsständen im Kollegium (vgl. Forsa 2023), der stetig wachsenden Herausforderungen und der Vielzahl an gleichzeitig zu bewältigenden Aufgaben – vom Ganztagsschulausbau über neue Erlasse bis hin zu komplexen pädagogischen Anforderungen – bleibt Lehrkräften kaum Raum für dringend benötigte Fortbildungen. Der Dienstausfall ist schwer aufzufangen, sodass Weiterbildungen oft hintangestellt werden. Doch genau diese Fortbildungen sind essenziell: Sie ermöglichen persönliche Weiterentwicklung, stärken die Selbstwirksamkeit und erweitern fachliche und pädagogische Kompetenzen. Zudem können Fortbildungen wertvolle Impulse bieten, die dabei helfen, die aktuellen Herausforderungen an Schulen gezielt zu bewältigen.
Nicht erst langfristig, sondern nicht selten unmittelbar profitieren auch die Schüler*innen durch zeitgemäßen, ansprechenden Unterricht und innovative pädagogische Ansätze, die zur Bewältigung bestehender schulischer Herausforderungen beitragen können. Um den Lehrberuf attraktiv und zukunftsfähig zu gestalten, ist es unerlässlich, dass Schulleitungen aktiv Wege schaffen, Fortbildungen zu ermöglichen und ihnen einen deutlich höheren Stellenwert einräumen. Dies erfordert eine gezielte strukturelle Veränderung: Fortbildungsangebote müssen nicht nur proaktiv beworben, sondern auch organisatorisch so verankert werden, dass sie fester Bestandteil des Schulbetriebs sind. Schule kann nur dann nachhaltig weiterentwickelt werden, wenn Lehrkräfte die Zeit und den Raum erhalten, sich selbst weiterzubilden.
Vor dem Hintergrund einer steigenden Zahl von Lehrkräften, die das gesellschaftlich bedeutsame Tätigkeitsfeld verlassen - oder sich ggf. erst gar nicht für dieses entscheiden - stellt sich außerdem die Frage, inwieweit eine feste Verankerung von Weiterbildung die Attraktivität für den Lehrberuf steigern kann, etwa indem Unsicherheiten bezüglich sich verändernder Wissensstände und Themen aufgegriffen werden.
Hiermit verbunden stellt sich auch die Frage, wie Weiterbildungen – basierend auch auf den bisherigen Erfahrungen an der Bundesakademie in Wolfenbüttel – gestaltet sein müssen, damit sie Lehrkräfte für ihre wichtige Tätigkeit stärken und gesellschaftsrelevante Entwicklungen aufgreifen. Wie etwa und von wem werden die Themen definiert und eingegrenzt, auf die die Angebote gerichtet sind? Welche Dozierenden oder Teams braucht es? In welchem Umfang müssen dezidiert Kenntnisse und Bezüge zum Schulalltag einfließen und an welchen Stellen ist es sinnvoll, bewusst über das System Schule hinauszugehen? Inwieweit könnte zum Beispiel das Programm SCHULE:KULTUR! diesbezüglich eine Schlüsselposition einnehmen und in engem Austausch mit den Lehrkräften herausgearbeitet werden, was und in welcher Form aus ihren Erfahrungen heraus relevant ist und mit den Potenzialen Kultureller Bildung aufgegriffen werden kann? Und was können Weiterbildungsinstitutionen tun, um bestmögliche Angebote für die Gruppe zu konzipieren und durchzuführen?
Eine Entwicklung der Inhalte und Formate von Weiterbildungen kann – trotz des damit verbundenen höheren zeitlichen Aufwands – durch ein gemeinsames Konzipieren mit den verschiedenen beteiligten Akteuren und Perspektiven gewinnen: Neben den Lehrkräften betrifft dies etwa Kolleg*innen, die sich im Bereich Forschung und an Hochschulen mit relevanten Themen beschäftigen, aber potenziell auch ein stärkerer Einbezug von Schüler*innen sowie Kindern und Jugendlichen – ein Aspekt von Teilhabe, der im Bereich der Kulturellen Bildung aktuell erprobt wird.
5. Plädoyer für Fortbildungen, um den Lehrberuf zeitgemäß zu halten
Der Lehrberuf ändert sich stetig und muss sich permanent auf neue Gegebenheiten einstellen. In den nächsten Jahren wird er sich wahrscheinlich weiter massiv verändern. Diesbezügliche Stichworte sind beispielsweise die im Beitrag aufgegriffenen Punkte Transformationsprozesse, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Demokratiebildung. Um hier gut aufgestellt zu sein, sind Fortbildungen nicht nur äußerst wichtig, vielmehr wäre für die kontinuierliche Transformation des Lehrberufs eine dauerhafte Begleitung und Weiterbildung ratsam, um Schule weiterhin als den zentralen Bildungsort mit Teilhabe für Alle zeitgemäß zu halten.
6. Plädoyer für Kulturelle Bildung als Dach für zeitgemäße gesellschaftspolitische Themen
Viele Lehrkräfte nehmen den Bereich Kulturelle Bildung zunächst als Add-on wahr oder als eine Herausforderung, insofern sie sich einem weiteren Bildungsbereich nähern und diesen vermitteln sollen. Allerdings kann Kulturelle Bildung als übergreifendes Dach dienen, unter dem zentrale gesellschafts- und bildungspolitische Themen zeitgemäß verhandelt werden. Sie bietet einen Raum, in dem Transformationsprozesse reflektiert, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz kritisch hinterfragt, Nachhaltigkeitsfragen kreativ bearbeitet und Demokratiebildung aktiv gefördert werden kann. Durch ästhetische und partizipative Zugänge ermöglicht sie es, komplexe Themen erfahrbar zu machen und verschiedene Perspektiven einzunehmen. So fördert sie nicht nur kreative Problemlösungskompetenzen, sondern auch ein tiefgehendes Verständnis für die Herausforderungen und Chancen einer sich wandelnden Gesellschaft.
Die Bedeutung von Bildung, die Rolle von Schule sowie die wichtige Arbeit von Lehrer*innen ist - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen - zu bedeutsam, als dass wir sie in Hinblick auf Weiterbildungen vernachlässigen könnten. In diesem Sinne sind alle Beteiligten gefragt in produktivem Austausch zu einer Stärkung beizutragen.