Kulturschule leben: Entwicklungen in der Stadt und auf dem Land

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von Britta Klopsch

Erscheinungsjahr: 2022

Abstract

Lernen in der heutigen Wissensgesellschaft bedarf einer Lernumgebung, die den traditionellen schulischen Rahmen erweitert, non-formale und informelle Lerngelegenheiten aktiv einbezieht und die Lernenden engagiert und selbstwirksam tätig werden lässt. Die vorliegende Studie schaut auf Schwerpunkte von Kulturschulen in städtischen wie ländlichen Räumen. Forschungssample sind sechs Schulen, jeweils zwei gleicher Schulart, von denen eine in ländlichem und eine in städtischem Umfeld ist. Die methodische Herangehensweise basiert auf Mixed Methods. Die triangulierten Forschungsergebnisse zeigen, dass sich städtische und ländliche Schulen in unterschiedlicher Intensität mit ästhetisch- kultureller Bildung auseinandersetzen. In der Stadt erweitern Schulen ihr Angebot meist additiv auf Organisationsebene, während die ländlichen Schulen ihren Unterricht durch die Bildungspartner*innen zu verändern suchen. Eine Zusammenarbeit zwischen ländlichen und städtischen Schulen könnte dazu beitragen, gegenseitig voneinander zu lernen und eine Veränderung auf allen Ebenen zu erreichen.

Einleitung

Keine Schule kann sich heute losgelöst von ihrer Umwelt begreifen, wenn sie ihre Schüler*innen ganzheitlich ansprechen und tiefgreifende Lehr-Lernprozesse anstoßen möchte. Kinder und Jugendliche lernen in formalen, informalen und non-formalen Lernsettings, die im Optimalfall nicht losgelöst nebeneinanderstehen, sondern zu einem umfassenden Lernprozess eines Individuums miteinander verwoben sind. Um diesem vielschichtigen Lernen gerecht zu werden, sind Schulen darauf angewiesen, außerschulische Bildungspartner*innen in ihr Angebot zu integrieren.

Oftmals treten dabei zwei unterschiedliche Handlungsmuster auf: Einerseits reichern Schulen ihren Alltag durch mit Lerngelegenheiten an, die sie ohne die Bildungspartner*innen nicht anbieten könnten. Schulen nehmen sich dabei als Zentrum des Lernprozesses wahr. Sie öffnen sich, um zusätzliche, den Unterricht erweiternde Angebote aufzunehmen (Klopsch 2016; Sliwka/Klopsch 2019). Diese Art der Zusammenarbeit wird häufig als „low-cost“ Kooperation (Dizinger et al. 2011:116) bezeichnet. Im anderen Handlungsmuster gehen die Schulen davon aus, nur einen Teil des Lernprozesses von Kindern und Jugendlichen zu sein. Sie streben danach, Lernen gemeinsam mit Bildungspartner*innen zu verantworten und anzuregen. Die Angebote finden meist im regulären Unterricht statt. Sie dienen dazu, ein einziges, möglichst umfassendes Setting zu schaffen, innerhalb dessen gemeinsam gelernt werden kann (Klopsch 2016:51). Diese Art der Zusammenarbeit wird „high cost“ Kooperation (Dizinger et al. 2011:116) genannt. Die Lernenden nehmen die Schule als einen Ort wahr, in dem Lern- und Lebensräume tiefgreifend verknüpft sind und sich gegenseitig beeinflussen. Die Lernumgebung umfasst dabei gleichermaßen die Schule wie außerschulische Lernorte (Klopsch 2016). Auf diese Weise entstehen hybride Lernumgebungen, die das Lernen reichhaltiger machen.

Neben dem Profit der Lernenden ermöglicht eine Verbindung der Schule mit ihrer Umwelt auch für die Lehrenden, Zugang zu neuer Expertise zu erhalten, die eigenen Ressourcen zu erweitern und darauf aufbauend Synergien zu entwickeln, die beiden Seiten nutzen (OECD 2017:69).

Eine besondere Art schulischer Veränderung besteht im Einbeziehen kultureller Partner*innen, die eine Wahrnehmung des Lebens und Zugänge zum Lernen ermöglichen, die traditionell nicht in schulischen Lernprozessen verankert sind.

In diesem Zusammenhang wird der Forschungsfrage nachgegangen, ob Kulturschulen, d.h. Schulen mit ausgewiesenem kulturell-ästhetischen Profil, im städtischen Umfeld eine intensivere Ausprägung entwickeln, als Kulturschulen auf dem Land.

Theoretischer Hintergrund

Um Lernende auf ihr Erwachsenenleben und die damit verbundenen komplexen Lern- und Arbeitsprozesse vorzubereiten, sollten Schulen nicht mehr isoliert handeln, sondern sich vielmehr als Knotenpunkt eines Netzwerks wahrnehmen, das ein „ecosystem of learning and innovation“ (OECD 2017:9) bildet.

Der Begriff des „Ökosystems des Lernens und der Innovation“ geht auf die Annahme zurück, dass Innovationen in der Regel auf einer regionalen und lokalen Ebene – innerhalb eines Ökosystems – geschehen. Die Nähe der Partner*innen, die Überlappung und Ergänzung ihrer Netzwerke und die daraus entstehenden „kurzen Wege“ machen Innovationen möglich, indem Ideen und Handlungsmuster leicht weitergetragen werden können. Alle Beteiligten lernen voneinander und miteinander. Schulen können dabei als Schnittstelle dienen (OECD 2017:12). Sie sind sozialer Integrationsort im Mittelpunkt der Gesellschaft, entlassen Auszubildende und Studienanfänger*innen, bieten die Möglichkeit, dass Eltern immer wieder aufeinandertreffen und sich austauschen und gemeinsam mit der Schule Innovationen anstoßen (Klopsch 2019:243). Zusätzlich unterstützen unterschiedliche Institutionen und Einrichtungen die schulischen Lernprozesse, was dazu führt, dass Bildung nicht mehr ausschließlich „die Aufgabe von Schulen [ist], sondern von vielen Schultern in der Region getragen“ (AIR e.V. 2014:79) wird. Die dabei entstehenden „high-cost“ Kooperationen können das Schulleben nachhaltig verändern und mit Hilfe von zusätzlichen „low-cost“ Kooperationen auf einer oberflächlichen Ebene erweitern.

Im Folgenden soll aufgezeigt werden, welche Ausgangsbedingungen im städtischen und ländlichen Umfeld wahrgenommen werden, um solche Ökosysteme entstehen zu lassen, die im Besonderen die kulturellen und sozialen Partner*innen in das Schulleben einbeziehen. In einem zweiten Schritt werden Kulturschulen dargestellt, die ihre schulische Entwicklung darauf ausgerichtet haben, ein eigenes Ökosystem aufzubauen, innerhalb dessen kulturell-ästhetisches Lernen für alle Schüler*innen erlebbar wird. 

Bildung in der Stadt und auf dem Land

Die Unterscheidung zwischen Stadt und Land hinsichtlich gesellschaftlicher Transformationsprozesse und der sich daraus ergebenden lebensraumtypischen Sozialgeschichten ist seit längerem Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung (Ilien/Jeggle 1978). Ließen sich vor einigen Jahrzehnten noch eindeutige Tendenzen zwischen Menschen und ihren Lebensformen in der Stadt und auf dem Land herauskristallisieren, liegt heute eine zunehmende Diversifizierung der ländlichen Räume vor (Penke 2012).  

Besondere Herausforderung in den ländlichen Räumen sind die sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und ökologischen Rahmenbedingungen, zu denen auch das Angebot von Schulen zählt (siehe: Kristin Naujokat „Schulen als ländliche Kulturzentren“). Insbesondere hinsichtlich der Chancengleichheit werden Phänomene sozialer Ungleichheit thematisiert, die sich aus den unterschiedlichen Umgebungen der Schulen ergeben (Aktionsrat Bildung 2019).

Dabei zeigt sich, dass – nach Haushaltskontext und Lebensstiltypus – die soziale Schicht erst an dritter Stelle als Erklärungskraft dient, ob jemand auf dem Land oder in der Innenstadt wohnt. Eine Analyse des Lebensstils zeigt, dass hochkulturell interessierte und junge Menschen, die sich gerne außerhalb ihres Hauses aufhalten, vermehrt in der Stadt wohnen. Traditionell orientierte Menschen leben bevorzugt in ländlichem Milieu (Aktionsrat Bildung 2019:30). Eine Unterscheidung in Bezug auf den sozioökonomischen Hintergrund lässt sich bei Schüler*innen in ländlichen und städtischen Grundschulen nicht feststellen.

Der Blick auf Kinder und Jugendliche lässt zudem keine Unterscheidung im Freizeitverhalten zu (Spaeth et al. 2015). In städtischen wie ländlichen Regionen finden viele Freizeitaktivitäten im Haus statt, was auf die veränderten Umweltbedingungen und die Vielfalt der medialen Möglichkeiten zurückzuführen ist (Fuhrer 2010).

Die Zusammenarbeit von Schulen mit außerschulischen lokalen Akteuren ist insgesamt noch eher zurückhaltend und wird nicht umfassend, aktiv und systematisch für eine Ergänzung des schulischen Angebots genutzt (Aktionsrat Bildung 2019:118). Dabei zeigen sich regionale Unterschiede (Bender et al. 2019): So erfuhr die Kulturelle Bildung in strukturstarken Regionen und Städten in den letzten Jahren verstärkt Aufmerksamkeit, während sie in ländlichen Regionen eher vernachlässigt zu werden schien (ebd.). Dies führt oftmals zur Einschätzung, dass eine ungleiche Verteilung von Bildungschancen insbesondere im Bereich der informellen und non-formellen Bildung vorliegt, die auch von den Schulen nur schwerlich ausgeglichen zu werden vermag.

Explizite kulturelle Bildungsprojekte könnten hingegen die notwendigen Transformationseffekte ermöglichen (siehe: Siglinde Lang „Raum im Raum schaffen. Kunst, Ortsspezifität und Teilhabe als Ingredienzen kultureller Entwicklungsprozesse“), um diese (Bildungs-)Ungleichheiten zu vermindern (Bender et al. 2019). Hierfür stehen auch Kulturschulen.

Kulturschulen 

Das Grundkonzept einer Kulturschule besteht darin, das hoch selektive deutsche Schulsystem abzumildern und vielfältige Lerngelegenheiten zu bieten, Lernumgebungen zu öffnen, kulturelle Bildungspartner*innen einzubeziehen und damit das Lernen von Kindern und Jugendlichen reichhaltig zu gestalten – egal in welcher sozialen Schicht oder in welchem Umfeld sie leben. Der Schwerpunkt Kulturschule zielt dabei darauf ab, Schüler*innen in einem tiefergreifenden Maße in ihr Lernen einzubinden, als dies durch traditionelle fachspezifische Unterrichtsmethoden erfolgt (Uptitis et al. 2001:1). Eine Kulturschule grenzt sich somit bewusst von einem „einseitigen Verständnis von Schule“ (Fuchs 2015:16) ab, das die kognitive Dimension des Lernprozesses und die Orientierung an wirtschaftlichen Bedürfnissen der Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt. Ihr Schwerpunkt ist eine umfassende „Persönlichkeitsentwicklung […] als Basis für die Teilhabe an der Gesellschaft“ (Fuchs 2013:258).

Dabei greift sie zwei Strömungen auf. Zunächst integriert sie ein bestehendes lokales Kulturangebot, um die regionalen Gegebenheiten den Schüler*innen näher zu bringen. Dies ist im Besonderen für Kinder und Jugendliche bildungsferner Schichten eine Erweiterung ihrer bisherigen Erfahrungen, da „Kultureinrichtungen oft als Orte der Hochkultur (miss-verstanden [werden], sodass bildungsferne Schichten die kulturellen Angebote zu selten wahrnehmen.“ (Deutsche Unesco Kommission 2008). Darüber hinaus kann die kulturell-ästhetische Arbeit ermöglichen, dass die Lernenden mit dem Lernstoff mehr in Resonanz treten, als dies im traditionellen Unterricht der Fall ist. Das kreative Lernen führt dabei zu einem Schulklima, das die Schüler*innen „dazu beflügelt, auf eine bestimmte Weise mit der Welt in Beziehung zu treten“ (Rosa/Endres 2016:16) und sich selbst dabei zu verändern.

Auf der Organisationsebene der Schulen bedeutet die Stärkung kultureller Ansätze nicht nur die Möglichkeit, neue Angebote zu schaffen und Lernen interessenorientierter und damit motivierender für die Lernenden zu gestalten. Das Einbeziehen kultureller Ansätze in den Schulalltag führt zu einer steigenden die Komplexität des Systems Schule, das als lose geknüpftes System auf nicht linearen Steuerungsmechanismen basiert (Sliwka/Klopsch 2011:295). Die Hinwendung einer Schule zur Kulturschule bedarf deshalb eines besonderen Augenmerks auf inhärente Prozesse und Wirkmechanismen, um eine erfolgreiche Transformation zu durchlaufen (Klopsch et al. 2018). Die Implementation des Profils kann deshalb nicht nur durch Bekenntnisse und Wahrnehmungen von Lehrkräften und Schulleitungen sowie der Eingliederung von Bildungspartner*innen auf Organisationsebene erfolgen. Sie muss gleichermaßen die Erfahrungen und Wahrnehmungen der Lernenden ernst nehmen, die als Fokuspunkt der Schule deren erfolgreiche Wirkung erlebbar machen.

Methodische Herangehensweise

Forschungssample der vorliegenden Studie sind sechs Kulturschulen des Landes Baden-Württemberg. Die beforschten Schulen waren von 2015 bis 2020 im Modellprojekt Kulturschule 2020 BW. Das Forschungssample setzt sich aus jeweils zwei Grundschulen, weiterführenden Schulen und Gymnasien zusammen, von denen sich jeweils eine Schule in ländlichem Gebiet und eine Schule in städtischem Umfeld befindet. Um die Anonymität der Schulen zu gewährleisten, wird im Folgenden von städtischen Schulen und ländlichen Schulen gesprochen, eine Unterscheidung der Schulart wird vermieden. Diese kann zudem vernachlässigt werden, wie die folgende Darstellung im Bereich der Ergebnisse zeigen wird.

Innerhalb der Schulen wurden jeweils vier Lehrkräfte und fünf Lernende in Gruppen interviewt. Zudem wurden 280 Lehrkräfte und 720 Schülerinnen und Schüler schriftlich befragt.

Die zugrundeliegende Forschungsfrage nimmt die unterschiedlichen kulturellen Angebote in ländlichen wie städtischen Gebieten zum Ausgangspunkt. Sie lautet: Ist das Profil Kulturschule in städtischen Schulen intensiver ausgeprägt als in Schulen auf dem Land?

Zur Annäherung an die Fragestellung wurden Aspekte der Organisationsebene der Schulen bspw. durch die Entwicklung eines Kulturfahrplans der Schulen, durch die Zusammenarbeit mit außerschulischen Bildungspartnern oder räumliche Gegebenheiten genauso untersucht wie Fragestellungen, die den Unterricht direkt betreffen. 

Das entwickelte Forschungsdesign kann den Mixed Methods zugerechnet werden. Dies bedeutet, dass qualitative wie quantitative Daten erhoben und in der jeweiligen Forschungstradition ausgewertet werden. Ziel dieses Vorgehens ist, den „Forschungsgegenstand in möglichst komplexer Weise, […] aus unterschiedlichen Perspektiven heraus empirisch zu erfassen“ (Burzan 2016:9). Die dabei eingesetzten qualitativen und quantitativen Forschungsstränge unterliegen einer parallelen Triangulationsstrategie, die sich durch einen gleichwertigen Status der unterschiedlichen Ansätze auszeichnet.

Die quantitative schriftliche Befragung enthielt likert-skalierte Aussagen (trifft voll zu – trifft überhaupt nicht zu). Die Schüler*innen erhielten einen Fragebogen, der hauptsächlich Aussagen zum Lernen beinhaltete, während sich der Fragebogen der Lehrkräfte hauptsächlich mit den schulischen Rahmenbedingungen zur Umsetzung des kulturell-ästhetischen Schwerpunktes befasste.

Die Auswertung erfolge über die Analyse der Zustimmungshäufigkeiten.

Die qualitative Herangehensweise basierte einerseits auf Gruppeninterviews mit jeweils vier Lehrkräften und fünf Lernenden. Beiden Adressatengruppen wurden die gleichen Fragen gestellt (Was zeichnet eine Kulturschule aus? Woran merkt man das im Unterricht?).

Andererseits wurde eine Dokumentenanalyse durchgeführt, die die Einbettung der Schulen in ihr Umfeld erheben sollte, indem die Anzahl und Art der Bildungspartner*innen festgehalten wurden. Zusätzlich wurde die Art der digitalen Einbettung von Bildungspartner*innen während der Zeit des Covid-19 bedingten Lockdowns analysiert.

Die qualitativen Daten wurden mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Phillip Mayring ausgewertet. Die ermittelten Kategorien der Themenbereiche weisen das Reliabilitätsmaß Cohens Kappa von durchschnittlich 0.91 aus, was einer fast perfekten Einschätzung entspricht.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie werden im Folgenden hinsichtlich der

  • Veränderung auf Schulebene
  • Veränderung des Unterrichts

aufgegliedert. Jeder Bereich umfasst zunächst die quantitativen Ergebnisse und dann die qualitativen Ergebnisse.

Veränderungen auf Schulebene

Die Veränderungen der Organisationsebene wird in der schriftlichen Lehrer*innenbefragung zunächst im Zusammenhang mit Kulturfahrplan und Kulturportfolio thematisiert. Ein Kulturfahrplan hält bspw. die Meilensteine der Entwicklung, feste Termine im Schulalltag und Schuljahresablauf fest. Das Kulturportfolio dient als Organisationsgedächtnis, das Kooperationspartner*innen, Vorgehensweisen und weiter hilfreiche Dokumente umfasst.

Zudem wurde erfragt, ob die Räume sich für die kulturell-ästhetische Arbeit eignen und ob die gemeinsamen Angebote bei Partner*innen stattfinden.

In vier Schulen berichten etwa der Hälfte der Lehrkräfte, dass kein Kulturportfolio vorliegt. In den zwei anderen ist sich dessen ca. ein Drittel sicher. Eine Unterscheidung zwischen Stadt und Land ist nicht möglich.

Das Vorhandensein eines Kulturfahrplans bestätigen 85% der Lehrkräfte an ländlichen und 55% der Lehrkräfte an städtischen Schulen. Etwa die Hälfte der Lehrkräfte an den ländlichen Schulen arbeiten oft oder gelegentlich mit dem Kulturfahrplan (kumulierte Werte zwischen 50% und 55%). An den städtischen Schulen arbeitet etwa ein Drittel der Lehrkräfte oft oder gelegentlich mit dem Kulturfahrplan (kumulierte Werte zwischen 30% und 33%).

61% aller städtischen Befragten nehmen die schulischen Räume als angemessen wahr. (60% Zustimmung an 2 Schulen und 63% an einer). Die ländlichen Schulen schätzen die Passung ihrer Räume für kulturell-ästhetisches Arbeiten höher ein. Hier liegt der Mittelwert bei 90% (Höchstwert 100%, niedrigster Wert: 80%).

Die Angebote werden in städtischen wie ländlichen Schulen ähnlich oft bei den Partner*innen angeboten. Die Werte sind innerhalb der Schularten sehr ähnlich (28% und 27%, 10% und 10%, 24% und 30%) und lassen auch im Stadt-Land Vergleich keine Präferenz erkennen.

Bei der Schüler*innenbefragung wurden die Räumlichkeiten der Schulen ebenfalls eingeschätzt. Auch hier wird im direkten Vergleich der einzelnen Schularten die ländliche Schule immer positiver eingeschätzt als die städtische. Die Zustimmung insgesamt liegt bei den ländlichen Schulen bei 78%. Die stärkste, mittlere und schwächste Zustimmung an den Schulen ist identisch zur Lehrkräftebefragung. In den städtischen Schulen empfinden 67% aller Schüler*innen die Räume als angemessen. Insgesamt werten die Grundschüler*innen die Lernumgebung positiver als die Schüler*innen der weiterführenden Schulen.

Die qualitativen Daten ergänzen die Erkenntnisse der quantitativen Daten. Auf der Organisationsebene stellen die Befragten dar, wie die kulturell-ästhetische Arbeit in der Schule angesiedelt ist. Dabei unterscheiden sie vier Aspekte, die sich zwei Perspektiven zuordnen lassen. Die erste Perspektive bezieht sich auf die Erweiterung des formalen schulischen Angebots durch

  • zusätzliche Fächer im regulären Schulalltag und
  • zusätzliche Fächer bzw. Arbeitsgemeinschaften im Nachmittagsangebot.

Die zweite Perspektive bezieht sich auf die inhaltlich-methodische Veränderung der Schulen durch

  • das Einbeziehen unterschiedlicher Kulturen sowie
  • Aspekte des Lernens.

Die zusätzlichen Fächer werden in einer ländlichen und in einer städtischen Schule angeboten. Beispielhaft ist die folgende Darstellung:

 „Bei uns ist es aber so, dass wir in Klasse 6 und 7 keinen Regelunterricht anbieten in Musik, Kunst und Sport, sondern so genannte Talentfächer. […] [D]as ist so bisschen wie eine AG, wir arbeiten mit ganz vielen externen Künstlern zusammen“ [Stadt2-L1/Z46-49).

Die Veränderung des schulischen Angebots am Nachmittag wird in zwei der drei städtischen Schulen von Lehrkräften wie Lernenden geschildert:

 „Wir haben viele besondere Dinge. […] AGs nachmittags, Lego-AG, Chor-AG, donnerstags Musical-AG und so weiter.“ (Stadt1-S1/Z230-232)

„Kunst, Fotografie oder auch Film – man hat einfach durch die Kulturschule die Chance, dort auch sein Hobby zu verwirklichen.“ (Stadt3-S1/Z23-26)

Auf der inhaltlichen Ebene schildern Lehrkräfte wie Schüler*innen zweier städtischer Schulen das Einbeziehen bzw. die Berücksichtigung unterschiedlicher Kulturen als Wesensmerkmal von Kulturschulen „Kulturschule, das bezieht sich auf unterschiedliche Kulturen.“ (Stadt1-L2/Z15)

„Diesen Aspekt ‚Kultur‘ den Schülern näherzubringen: In welchen Bereichen gibt es Kultur? Wie kann ich das in mein Alltag integrieren, so ein bisschen aufwecken und ein bisschen Interesse wecken bei den Schülern für andere Kultur.“ (Stadt3-L3/Z243-246)

„Also es gibt verschiedene Typen und verschiedene Nationalitäten und man versucht, gut miteinander klar zu kommen.“ (Stadt2-S4/Z10-11).

Die vierte Perspektive, die auf Schulebene genannt wird betrifft das Lernen der Schüler*innen. Dieses thematisieren Lehrkräfte der Landschulen. Sie beziehen sich einerseits auf eine ganzheitliche Herangehensweise an Lernprozesse, betonen aber auch die Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit, die notwendig sind, um einen schulischen Schwerpunkt zu etablieren.

 „Das ist einfach diese Regelmäßigkeit und diese Zuverlässigkeit und wir versuchen das so in unserem Unterricht so gut es geht das Kulturelle mit einzubinden oder auch diese Elemente, die wir in diesen Kulturschulen Angeboten erfahren, anzunehmen und einzubringen.“ (Land3-L3/Z7-10).

„Was ist Kulturschule? Also für mich hat das ganz viel mit ganzheitlichem Lernen zu tun.“ (Land2-L1/Z1083).

Die Dokumentenanalyse warf einen Blick auf die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Bildungspartner*innen. Dabei zeigte sich, dass die städtischen Schulen deutlich mehr Bildungspartner*innen aufführen als die ländlichen Schulen. So finden sich bei den Schulen in ländlicher Umgebung zwischen 55% und 70% der Anzahl der Partner*innen ihrer städtischen Pendants. Auch die Art der Partner*innen unterscheidet sich in der Stadt und auf dem Land. Städtische Schulen gehen hauptsächlich Kooperationen mit kulturellen Einrichtungen und Institutionen, wie der Kunsthalle, dem Theater oder dem Ballett ein. Ländliche Schulen setzen demgegenüber meist auf Kooperationen mit Einzelpersonen wie Theaterpädagog*innen, Tänzer* innen oder Künstler* innen. Die Anzahl der Kooperationspartner*innen unterscheidet sich bei Schulen unterschiedlicher Größe nur marginal.

Veränderungen im Bereich des Unterrichts

Auch die Veränderung des Unterrichts thematisieren die unterschiedlichen Teilbefragungen sowie die Dokumentenanalyse.

Der quantitative Lehrkräfte-Fragebogen fokussierte, ob sich der Unterricht der Lehrpersonen veränderte, ob die Lehrkräfte mit außerschulischen Bildungspartner*innen arbeiten und ob die Angebote, die sie im Bereich des kulturell-ästhetischen Arbeitens machen, zusätzliche Projekt im (regulären) Unterricht sind. 

Die Zusammenarbeit mit außerschulischen Bildungspartner*innen wird von 70% der Lehrkräfte auf dem Land geschildert. Die Varianz der Zustimmung liegt hier zwischen 47% und 85% der Lehrkräfte der Einzelschulen. In der Stadt bestätigen 74% der Lehrkräfte eine Zusammenarbeit.

Angebote mit Bildungspartner*innen werden von 27% der Lehrkräfte an den ländlichen Schulen als zusätzliches Projekt im Unterricht geschildert. Diese Einschätzung teilen 38% der städtischen Lehrkräfte.

Eine Veränderung des traditionellen Unterrichts wurde von zwei Drittel (67%) der ländlichen Lehrkräfte bestätigt, wobei der stärkste Wert drei Viertel aller Lehrkräfte umfasste und der schwächste Wert sich auf 61% belief. In den städtischen Schulen berichten im Durchschnitt knapp die Hälfte aller Lehrkräfte von einer Veränderung (47%), bei einer Varianz von 40% bis 53%.

Eine ähnlich hohe Bestätigung erfährt die Aussage „Ich setze kulturell-ästhetische Ansätze ein“. Er wird von 92% der Lehrkräfte an ländliche Schulen bejaht. Die Zustimmung an städtischen Schulen liegt bei 76%.

Die Schüler*innenbefragung thematisierte Unterricht wie schulischen Alltag. Im Bereich des Unterrichts standen die folgenden Einschätzungen im Vordergrund:

  • Ich bin motivierter, wenn ich kreativ sein darf. (Sekundarschule (SEK))
  • Beim Lernen dürfen wir kreativ sein. (Grundschule (GS))
  • Durch künstlerische Ansätze habe ich neue Lernzugänge erhalten. (SEK)
  • Ich kann im Unterricht meine Phantasie zeigen. (GS)
  • Kunst und Kultur machen das Lernen abwechslungsreicher. (GS & SEK)

Im Bereich des schulischen Alltags wird in allen Befragungen formuliert:

  • Kunst ist an unserer Schule wichtig.
  • Ich kann in der Schule kreativ sein.

Der Unterricht wird von den Schüler*innen insgesamt sehr positiv eingeschätzt. Bis auf die Aussage „Kunst und Kultur machen das Lernen abwechslungsreicher" stimmen ausnahmslos mindestens die Hälfte der Befragten den Items zu.

Die Einschätzung motivierter zu sein, wenn man kreativ sein darf (SEK) bzw. kreativ sein zu dürfen (GS) bejahen die Lernenden der Schulen auf dem Land mit jeweils 50% der Einschätzungen vollumfänglich (‚stimme voll zu‘). Die Einschätzungen der städtischen Lernenden liegen hier bei 40% der vollen Zustimmung.

Die Phantasie zeigen zu können (GS) wird im städtischen Umfeld weniger häufig wahrgenommen (66%) als auf dem Land (80%). Neue Lernzugänge durch künstlerische Ansätze (SEK) bestätigen im Mittelwert 69% der Lernenden auf dem Land und 54% der Lernenden in der Stadt.

Im Bereich des schulischen Alltags wird die Aussage, dass Kunst an der Schule wichtig sei, von 84% der Schüler*innen ländlicher und von 74% der Lernenden an städtischen Schulen bejaht.

Die Einschätzung, in der Schule kreativ sein zu können, teilen 74% der Schüler*innen an ländlichen sowie 60% der Schüler*innen an städtischen Schulen.

Die qualitativen Daten ergänzen die quantitativen Daten. Im Bereich des Unterrichts wird von den Befragten dargestellt, wie dieser durch die kulturell-ästhetische Arbeit beeinflusst wird. Dabei werden vier Perspektiven unterschieden:

  • keine Veränderung des Unterrichts,
  • Projekte, die in der Unterrichtszeit anstelle des regulären Unterrichts stattfinden,
  • eine veränderte methodische Herangehensweise im Unterricht sowie
  • das Einbeziehen neuer Lernorte.

Die Veränderung des Unterrichts ist an allen drei Schulen, die sich im städtischen Umfeld befinden, noch schwierig umzusetzen:

„Das haben wir alles ausprobiert und finden wir eigentlich auch toll, aber im Unterrichtsalltag geht’s dann auch schnell wieder unter. Also das sind tolle Ideen, die man dann bekommen hat, und man hat das dann im Hinterkopf, aber manchmal schafft man es doch auch irgendwie und oft vergisst man es einfach.“ (Stadt1-L2/Z82-86)

 „Der Standard-Unterricht wird sich jetzt nicht wesentlich von einem anderen Unterricht von einer anderen Schule [Nicht-Kulturschulen; Anm. der Autorin] unterschieden.“ (Stadt3-L1/Z895)

Lehrpersonen der Stadtschulen schildern Projekte in der Unterrichtszeit statt des regulären Unterrichts:

„Dieses Tanz- und Theaterprojekt, das war über ein ganzes Schuljahr lang immer zwei Stunden pro Woche. Also das war wirklich statt Sportunterricht dann und da war es in den Unterricht eingebunden und wenn dann so ein Kunstprojekt war, ging das auch die ganze Woche und die Kinder waren dann auch während dem Unterricht dabei. Also dann statt Unterricht oder Unterricht im Freien dann mit dem Projekt, aber das war dann natürlich nur eine Woche geballt.“ (Stadt1-L2/Z150-160)

„Dadurch, dass für mich einen guten Unterricht auch immer solche Projektphasen gehören, finde ich ist da die Kulturschule gut verankert.“ (Stadt3-L1/Z866)

Eine veränderte methodische Herangehensweise wird von den Lehrkräften an den ländlichen Schulen geschildert:

 „Also mein Unterricht hat sich definitiv verändert. Durch Kulturschule. Also ich überlege mir bei der Vorbereitung: Wie mache ich es anders, damit es eher […] auch hängen- und sitzenbleibt.“ (Land1-L1/Z1040-42)

„Man muss nicht mehr lang überlegen, wie man das so macht. Die Methoden sind sehr erweitert durch das kulturelle Bewusstsein.“ (Land3-L1/Z212-213)

Diese veränderte Herangehensweise wird von einer Schülerin bestätigt:

„Das ist sehr hilfreich, weil ich meine, es ist eine andere Art von Arbeit, das muss man auch sehen. Es ist, man hat auch Stoff, […] aber es ist halt mal was anderes und das finde ich gut. Und außerdem profitiere ich von dem ganzen Kulturellen, weil dadurch, dass es modern ist, geht es viel schneller und man kann es besser erklären, man kann mehr, man kann auch mehr Versuche machen und dadurch ist es anschaulicher.“ (Land2-S2/Z167-176)

Das Einbeziehen neuer Lernorte wird von Lehrkräften einer städtischen wie einer ländlichen Schule geschildert:

 „Man muss dann immer gucken, was vor Ort passiert […] Also man macht einfach auf, macht neue Lernorte auch auf, wenn man so denkt, wenn man weiß, dass ist ein Teil der Kulturschule.“ (Land1-L2/Z1094-1098)

„Es gibt dann auch Projekte im Rahmen vom Unterricht, die halt einfach bezuschusst werden können. Ich erinnere mich, da wurde mit dem Museum eine Zusammenarbeit gemacht, das ging auch vom Deutschunterricht aus. Genauso ist es auch vom Geographieunterricht aus. Da ist Kultur letztendlich auch ein zentrales Thema. Sei es bei der Globalisierung, die globale Kultur, oder die Kultur anderer Völker [...] wo zum Beispiel die Bezuschussung mit dem -Museum, wir waren im Völkerkunde Museum, dazu zählt.“ (Stadt3-L2/Z350-364)

Auch durch die Dokumentenanalyse wurde die Veränderungen auf Unterrichtsebene untersucht. Diese zeigte Anpassungen des Unterrichts im Bereich des kulturell-ästhetischen Lernens während des Lockdowns aufgrund der Covid-19-Pandemie im Frühling und Sommer 2020. Hauptsächlich die städtischen Schulen griffen auf digitalisierte Angebote ihrer Bildungspartner*innen zurück:

 „In Kooperation mit der Jugendförderung der Stadt XY können Angebote im Homeschooling-Format weitergeführt werden. […] Die Angebote verbreiten wir unter unserer Schülerschaft über die Schul-Cloud und über Bekanntmachung im Präsenzunterricht.“ (Stadt2-C/Z25-30)

Die ländlichen Schulen bezogen mehrheitlich kulturell-ästhetische Aspekte in ihren digitalen Unterricht mit ein.

„Im Französischunterricht wurden eigene Kalligramme erstellt oder virtuell das Musée d’Orsay besucht. Im Italienischunterricht wurde eine virtuelle Italientour angeregt, für die ein kleiner Reiseführer erstellt werden sollte.“ (Land3-C/Z176-180)

Diskussion der Ergebnisse

In der Zusammenschau der Ergebnisse fällt auf, dass die Schulen auf dem Land und in der Stadt unterschiedliche Ausprägungen des Profils Kulturschule zu haben scheinen.

Die Anzahl der Kooperationspartner*innen ist bei den Schulen auf dem Land deutlich geringer als bei städtischen Schulen. Darüber hinaus sind in der Stadt eher Institutionen als Partnerinnen genannt, während die ländlichen Schulen oftmals mit Einzelpersonen zusammenarbeiten. Hintergrund dieser Ausprägung könnte sein, dass die Schulen sich gemäß den Möglichkeiten ihres jeweiligen Umfeldes aufstellen. Schulen im städtischen Raum können auf ein reichhaltigeres kulturelles Angebot zugreifen und nutzen dies auch. Auffällig dabei ist, dass die Schulen in der Stadt ihre Lernumgebung häufig durch die Bildungspartner*innen anreichern und diese bspw. für zusätzliche Angebote im Nachmittagsangebot oder außerschulisches Lernangebot während des Unterrichts nutzen. Diese Schulen scheinen die kulturellen Bildungspartner*innen im Sinne einer low-cost Kooperation (Dizinger et al. 2011:116) einzubeziehen, d.h. sie in den Schulalltag zu integrieren, ohne dass die Organisation der Schule und des Unterrichts dafür verändert werden müsste.

Dieser Eindruck wird durch die Angaben in den Interviews gestützt, innerhalb derer bei allen drei städtischen Schulen geschildert wurde, dass sich der Unterricht nicht verändert hätte.  

Die Schulen auf dem Land arbeiten mit weniger Bildungspartner*innen zusammen als ihre städtischen Pendants. Sie scheinen strategischer zu planen, um die vorhandenen Ressourcen optimal zu nutzen bzw. nutzbar zu machen und verändern dabei intensiver ihren Unterricht. Die Zusammenarbeit mit Kooperationspartner*innen scheint vornehmlich im Sinne der high-cost Kooperation (Dizinger et al 2011:116) gestaltet zu werden. Die Organisations- und Unterrichtsebene wird dabei verändert und die Bildungspartner*innen werden als aktive Akteure des Lernprozesses bzw. als Impulsgeber mit einbezogen. Diese strategische Planung könnte auch mit einer deutlicheren Nutzung des Kulturfahrplans durch die ländlichen Schulen zusammenhängen.

Diese Unterscheidung zwischen einer high-cost und einer low-cost Kooperation bedeutet dabei nicht zwangsläufig eine bessere oder schlechtere Form der Zusammenarbeit, sondern beschreibt unterschiedliche Herangehensweisen an das jeweilige zugrundeliegende Konstrukt einer Kulturschule. Dies könnte auch der Hintergrund sein, warum Kultur und Kunst an allen Schulen von den Lernenden als abwechslungsreich für das Lernen wahrgenommen werden. Die Anbindung an den Unterricht und bzw. oder die Nachmittagsangebote scheinen hier keinen Unterschied zu machen. Ob dies zutrifft und eine Veränderung des Unterrichts durch kulturell-ästhetische Ansätze für Schüler*innen einen Unterschied in ihrer Motivation und Lernfreude machen, wäre ein Ausgangspunkt für eine Folgestudie.

Interessant im Themenfeld Unterricht ist, dass ein Großteil der Lehrkräfte schildert, den Unterricht verändert zu haben, seit die Schule eine Kulturschule ist (Land: 67%, Stadt 47%). Ein noch größerer Prozentsatz bestätigt, kulturell-ästhetische Methoden zu nutzen (Land: 92%, Stadt: 76%). Dieses Ergebnis könnte durch zwei unterschiedliche Perspektiven zustande kommen. Zunächst könnte es sein, dass die Befragten sozial erwünschte Antworten angekreuzt haben, um ihre Schule nicht vermeidlich schlecht darzustellen. Zum anderen wäre es möglich, dass die Lehrkräfte sich kulturell-ästhetischer Methoden bewusst sind und diese auch punktuell in ihrem Unterricht einsetzen, dieses jedoch nicht so intensiv tun, dass sie von einer grundsätzlichen Veränderung des gesamten Unterrichts an der Schule ausgehen.  

Lehrkräfte ländlicher Schulen, die im vorliegenden Sample verstärkt kulturell-ästhetische Methoden nutzen und ihren Unterricht auch veränderten, schildern eine höhere Passung der Räumlichkeiten, als diejenigen, die von einem vermehrt additiven Angebot durch Bildungspartner*innen ihre Kulturschule gestalten. Ob die positiv wahrgenommenen Räume zu einem besseren Einsatz der Methoden führen oder ob die Lehrkräfte die Methoden einsetzen und den Raum dabei so nutzen, wie er zur Verfügung steht, ohne vorab besondere Anforderungen an ihn zu stellen, bleibt hier offen.

Die Darstellungen der Angebote während des Lockdowns bestätigen die allgemeinen Aussagen der Lehrkräfte und Lernenden zu ihrem Unterricht und der Anbindung der externen Künstler*innen sowie den Kulturschaffenden. Wer bislang vermehrt additive Angebote wahrgenommen hat, greift auch im Lockdown auf Angebote der Partner*inneninstitutionen zurück. Wer bislang den Unterricht durch kulturell-ästhetische Methoden angereichert hat, bietet auch unter den Pandemiebedingungen Möglichkeiten, kulturell-ästhetische Aspekte in die Arbeit zu Hause einzubeziehen.

Die zugrundeliegende Forschungsfrage dieses Artikels, ob das Profil der Kulturschule an städtischen Schulen intensiver ausgeprägt ist als an ländlichen Schulen lässt sich nicht pauschal beantworten. Der Blick auf die Organisationsebene zeigt, dass städtische Schulen ein deutlich breiteres zusätzliches Angebot vorweisen als Schulen auf dem Land. Die ländlichen Schulen weisen eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Unterricht aus. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die ländlichen Schulen ein Ökosystem des Lernens und der Innovation gestalten, das den Kern der Schulen, das Lernen der Schüler*innen, aktiv unterstützt. Städtische Schulen können demgegenüber als innovative Ökosysteme wahrgenommen werden, da sie sich mit lokalen und regionalen Akteuren verknüpfen und diese in ihrem Schulalltag als additiven Zugewinn wahrnehmen.

Fazit

Kulturschulen, die sich ein ästhetisch-kulturelles Profil geben und verstärkt auf ein ganzheitliches Lernen ihrer Schüler*innen setzen, scheinen aus theoretischer Perspektive stark von ihren ländlichen oder städtischen Umfeldern geprägt zu werden. Im vorliegenden Sample zeigte sich, dass die unterschiedlichen Lernumgebungen dazu führen, dass sich Schulen unterschiedlich entwickeln. Schulen, die auf dem Land einen vergleichsweisen beschränkteren Zugang zu kulturellen Angeboten haben, scheinen sich mehr auf die sie prägenden innerschulischen Bildungsprozesse zu fokussieren. Stätische Schulen schaffen ein reichhaltiges zusätzliches Bildungsangebot, ohne dieses eng an den Unterricht anzubinden.

Um Schulen auf dem Land und in der Stadt insgesamt so auszurichten, dass ein ganzheitliches Bildungsangebot möglich wird, das auf unterschiedlichen Ebenen tiefgreifender Kontakt zu kulturellen Angeboten schafft und diese den Lernprozess unterstützen, könnte es hilfreich sein, die Schulen gegenseitig stärker vernetzen. Sie könnten voneinander lernen, um ihre eigenen Stärken weiterzugeben und von denen der anderen zu profitieren. Wenn es gelingt, Ökosysteme zu schaffen, die nicht nur Schulen mit außerschulischen Angeboten vereinen, sondern auch Schulen mit Schulen zu einem festen Netz verweben, können alle Kinder – egal aus welcher Region – optimal unterstützt werden.

Verwendete Literatur

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Anmerkungen

Zum Thema Kulturschulen Baden-Württemberg sind zwei weitere Fachartikel von Britta Klopsch auf kubi-online erschienen: 

Zitieren

Gerne dürfen Sie aus diesem Artikel zitieren. Folgende Angaben sind zusammenhängend mit dem Zitat zu nennen:

Britta Klopsch (2022): Kulturschule leben: Entwicklungen in der Stadt und auf dem Land. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://kubi-online.de/artikel/kulturschule-leben-entwicklungen-stadt-dem-land (letzter Zugriff am 16.07.2024).

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Dieser Artikel wurde dauerhaft referenzier- und zitierbar gesichert unter https://doi.org/10.25529/w32c-rz53.

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