„Je professioneller das Produkt aussieht, desto weniger haben die Kinder selbst gemacht“ — Plädoyer für einen pragmatistischen Umgang mit kulturpädagogischen Dilemmata

Artikel-Metadaten

von Iwan Pasuchin

Erscheinungsjahr: 2022

Peer Reviewed

Abstract

Die Tatsache, dass professionell wirkende Produkte kulturpädagogischer (Medien-)Projekte oft zu einem beträchtlichen Teil von ihren Leiter*innen her- und fertiggestellt wurden, findet im akademischen Diskurs zur Kulturellen Bildung nur selten Beachtung und wenn, dann wird das als ein großes Dilemma betrachtet. Der vorliegende Beitrag geht von der These aus, dass die Art und Intensität der Unterstützung der Beteiligten bei der Gestaltung der Projektergebnisse an sich keine Qualitätskriterien der Arbeit in diesem Feld bilden, sondern sich nach den konkreten innerhalb der jeweiligen Vorhaben verfolgten Intentionen richten (sollten). Wie unterschiedlich sowohl solche Ziele als auch die Wege zu ihrer Erreichung sein können, wird anhand der Gegenüberstellung dreier Projektreihen veranschaulicht, die aus insgesamt zehn wissenschaftlich begleiteten kulturpädagogischen Interventionen bestanden, welche überwiegend von (Medien-)Künstler*innen an einer Haupt- bzw. Mittelschule durchgeführt wurden. Das epistemologische Fundament sowie den methodologischen Rahmen der Untersuchung bildet die – zu Beginn des Artikels kurz umrissene – Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie des Pragmatismus, deren Potenziale hinsichtlich der Weiterentwicklung der (Praxis-)Forschung zur Kulturellen Bildung herausgearbeitet werden.

Problemstellung und Forschungsfrage

In Überblickspublikationen zu qualitativen Forschungsmethoden wird zwar die zentrale Stellung der Praxis hervorgehoben (siehe z.B. Mayring 2002:34f), jedoch erfüllen explizit als Praxisforschung bezeichnete Zugänge in der Realität akademischer Untersuchungen lediglich eine „Nischenfunktion“ (Moser 2018:451). Zumeist wird der entsprechende Terminus synonym mit jenem der Aktionsforschung gebraucht (vgl. Altrichter et al. 2018:10f) – einem Ansatz, der „in den etablierten Wissenschaften (...) keine ungeteilte Akzeptanz“ genießt (Hill 2014).

Gänzlich anders verhält es sich im Hinblick auf die Forschung zur Kulturellen Bildung, da der Begriff der Praxis in diesem Feld eine Art Leitmotiv darstellt. So werden hier nicht nur Vorhaben, die an der Tradition der Aktionsforschung anknüpfen (Chrusciel 2015), als Praxisforschung bzw. als practice-led research bezeichnet, sondern auch solche, die mit stark davon abweichenden Verfahren operieren – von standardisierten qualitativen (Sequenz-)Analysen (Fink 2014) bis hin zu freien Methoden der Künstlerischen Forschung, deren Vertreter*innen sich massiv von der herkömmlichen Sozialforschung abgrenzen (Seitz 2015). Dass das nicht unbedingt zur Schärfung des Profils der Praxisforschung innerhalb der Kulturpädagogik beiträgt, liegt auf der Hand. Erschwerend kommt das sehr spezifische Verhältnis zwischen Praxis und Wissenschaft in diesem Bereich hinzu. Denn alle darin in der Praxis tätigen Personen sind ständig dem Druck ausgesetzt, zwecks der Legitimierung der Finanzierung ihrer Projekte deren „Wirksamkeit“ unter Beweis zu stellen, „und von der Wissenschaft wird verlangt, dass sie genau diese Wirkungsnachweise erbringt“ (Fink et al. 2012:12). Daraus resultiert, dass im Rahmen von Forschungsvorhaben zur Kulturellen Bildung „oft die falschen Fragen gestellt und unangemessene wissenschaftliche Methoden angewendet werden“ (Hill 2014). Das heißt auch, dass manche für die Praxis hochrelevante Fragen überhaupt nicht aufgeworfen werden – einerseits aus Sorge davor, im Zuge ihrer Behandlung den Fokus auf besonders ‚wunde Punkte’ zu lenken und andererseits, weil es an passenden Forschungsverfahren für eine darauf ausgerichtete Auseinandersetzung mangelt.

Als Beispiel wurde für den vorliegenden Artikel ein Aspekt ausgewählt, der im Hinblick auf die Durchführung kulturpädagogischer Interventionen offensichtlich als ein großes Dilemma bzw. als ein prinzipieller „projektimmanente[r] Widerspruch“ (Mörsch 2005:68) empfunden wird. Carmen Mörsch bringt diese Diskrepanz in ihrem Buch Kinder machen Kunst mit Medien folgenderweise auf den Punkt: „Je professioneller das Produkt aussieht, desto weniger haben die Kinder selbst gemacht. Aber je professioneller das Produkt aussieht, desto stolzer sind die Kinder“ (ebd.:18). Das führt immer wieder dazu, dass Leiter*innen von Vorhaben der Kulturellen Bildung – in erster Linie solcher, bei denen audiovisuelle Medien zum Einsatz kommen – die wichtigsten Schritte bei der Gestaltung der präsentierten Ergebnisse unter lediglich geringer Mitwirkung der Adressat*innen der Maßnahmen übernehmen (vgl. ebd.:68; ähnliche Beobachtungen aus dem medienpädagogischen Bereich siehe Welling 2008:292). Die darauf bezogene Forschungsfrage lautet: Welche Art und Intensität der Unterstützung der Projektbeteiligten bei der Her- und Fertigstellung von (Medien-)Produkten ist für das Erreichen welcher kulturpädagogischen Zielsetzungen erforderlich?

Pragmatistische Praxisforschung

Dass diese Frage in so einer Weise gestellt wird, resultiert aus der hier eingenommenen pragmatistischen Perspektive. Der Pragmatismus ist eine Erkenntnistheorie, die im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts den philosophischen und (geistes-)wissenschaftlichen Diskurs in den USA prägte. Als Fundament des Symbolischen Interaktionismus und der (Ersten sowie Zweiten) Chicagoer Schule beeinflusst er bis heute die qualitative Sozialforschung nachhaltig (vgl. Wagner 1999; Strübing 2007). Im vorliegenden Kontext sind zwei Aspekte zentral, die im Pragmatismus zur Abgrenzung von anderen Konzeptionen dienen: Erstens die Ablehung des Idealismus (Festl 2018a:VII; Volbers 2018:74) im Sinne des Strebens nach dem Erreichen abstrakter – z.B. gott- oder naturgegebener – Ziele, die in konkreten Lebenssituationen nicht realisierbar sind. Der Anspruch, dass Menschen (erst recht Kinder) mit geringen gestalterischen und technischen Vorkenntnissen im Verlauf kulturpädagogischer (Medien-)Projekte vollkommen selbstständig professionelle Produkte erarbeiten, kann als so ein unerfüllbares und folglich irrelevantes Ideal betrachtet werden. Der zweite Aspekt basiert auf der „antidualistische[n] Auffassung der Wirklichkeit“ innerhalb des Pragmatismus (Langner-Pitschmann 2018:18), auf deren Folie in diesem Beitrag auf das gegenseitige Ausspielen der Produkt- gegen die Prozessorientierung verzichtet wird – eine Oppositionssetzung, die in Publikationen zur Kulturellen Bildung im Rahmen der Beschäftigung mit hier behandelten Themenfeldern häufig stattfindet (siehe z.B. Rat für Kulturelle Bildung 2013:50).

Im akademischen kulturpädagogischen Diskurs wurde der verstärkte Rückgriff auf den Pragmatismus bereits mehrmals angeregt (u.a. in Hill 2014 sowie bei Preuß/Hofmann 2019). Wie bedeutsam die Berücksichtigung dieser Philosophie und v.a. ihrer wissenschaftstheoretischen Ausprägungen für die Weiterentwicklung der (Praxis-)Forschung zur Kulturellen Bildung zu sein vermag, ist alleine schon an den zwei Säulen zu erkennen, auf denen sie beruht. Die erste davon ist in der essentiellen Rolle der Praxis und des Handelns im Pragmatismus verankert. Das Gesamtkonstrukt basiert auf der Grundannahme von Charles Sanders Peirce, wonach es „keinen Bedeutungsunterschied [gibt], der so fein ist, daß er in etwas anderem als einem möglichen Unterschied in der Praxis bestünde“ (Peirce 2015 nach Festl 2018a:VII). Davon ausgehend forderte Peirce von der Wissenschaft, Verfahren zur Überwindung konkreter, aus der Lebenswelt der Menschen entspringender Handlungsprobleme zu entwickeln sowie einzusetzen (vgl. Reichertz 2013:42:140). Die zweite entsprechende Säule wird als „Gebot der Offenheit“ bezeichnet (Langner-Pitschmann 2018:23) bzw. mit dem Begriff der Kontingenz gefasst (Festl 2018b:65). Dahinter steht das Postulat, dass „die Welt, wie wir sie beobachten können, durch und durch von Wandel durchdrungen” ist (Peirce nach ebd.), wovon Peirce ableitet, dass nicht der Zufall einer Rechtfertigung bedarf, sondern gerade das Gleichförmige (vgl. ebd.). Hinsichtlich der Forschung resultiert daraus eine Konzentration auf „Abweichungen von etablierten Regelmäßigkeiten, die für gewöhnlich als Messfehler abgetan werden“ (ebd.). Damit hängt die zentrale Stellung der Kreativität im Pragmatismus untrennbar zusammen, die jedoch nicht lediglich als Mittel zum Hervorbringen von Neuem, sondern „als Leistung innerhalb von Situationen, die eine Lösung fordern“ betrachtet wird (Joas 1996:190). Um schöpferische Prozesse in diesem Sinne fruchtbar zu machen, erfolgt einerseits eine Schwerpunktsetzung auf „Erfahrungen der ‚Kollision‘, in denen Erwartungen durchkreuzt (…) oder Überraschungen erlebt werden“ (Volbers 2018:74). Andererseits wird davon ausgegangen, dass kreative Ergebnisse nur im Zuge einer kritischen Auseinandersetzung mit der behandelten Materie und hier v.a. ausgehend von einer selbstkritischen Haltung zu erzielen sind (vgl. Dewey nach Joas 1996:418; ausführlich zu den beiden angesprochenen Säulen siehe Pasuchin 2021:24ff:318ff).

Als die zentrale wissenschaftstheoretische Publikation des Pragmatismus gilt John Deweys Spätwerk ‚Logic‘, in dem er sein – von ihm im Rahmen mehrerer Veröffentlichungen über einen Zeitraum von ca. 30 Jahren entwickeltes – fünfstufiges Inquiry-Modell präzisierte (Dewey 1938:101ff). Dessen erstes Stadium besteht in ei­ner gefühlten Schwierigkeit bzw. der vagen Empfindung von etwas Unerwarte­tem, Seltsamem und Befremdlichem, die zumeist aus Er­fahrungen der Kollision zwischen den Vorannahmen der Forschenden und den von ihnen beobachteten Praxisphänomenen resultiert. Solche Reaktionen betrachtet Dewey als präkognitiv und weist darauf hin, dass ihnen nichts Intellektuelles anhaftet. Die nächsten Schritte sind darauf ausgerichtet, Annahmen für die Ur­sachen des Problems und Vorschläge für dessen Behebung zu entwickeln, die in mehreren Durchläufen sowohl einer kritischen Reflexion und bei Bedarf Revision zu unterziehen als auch in weiteren theoretischen und/oder praktischen kreativen Experimenten zu erproben sind. Der Prozess kommt dann zum Abschluss, wenn eine Hypothese gefunden wurde, die für die Lösung der bearbeiteten Schwierigkeit rele­vant ist (zusammengefasst nach Pasuchin 2021:327ff). Dieses Modell kann folgenderweise vereinfacht dargestellt werden:

 

Komprimiertes Inquiry-Modell von Dewey nach ebd.:371.

Anlage der Untersuchung

Das empirische Material, auf dem der vorliegende Beitrag basiert, entstammt aus zehn (in drei Teilstudien strukturiert dargestellten) Projekten. Die meisten davon wurden von Medienkünstler*innen im Rahmen des vom Autor angebotenen wöchentlich doppelstündig abgehaltenen Wahlpflichtfachs ‚Kreative Mediengestaltung‘ an einer städtischen Haupt- bzw. Mittelschule durchgeführt (7. und 8. Schulstufe, Altersgruppe 12-15, Gruppengröße 10-15). Die einzigen Vorgaben bestanden darin, dass sich die Interventionen über mehrere Wochen bzw. Doppelstunden zu erstrecken hatten und in ihrem Zuge technische Werkzeuge zum Einsatz kommen mussten. Die Art und Intensität dieses Einsatzes genauso wie die ästhetische Orientierung der Workshops und ihre unterrichtsmethodische Gestaltung wurden den Künstler*innen völlig freigestellt. Die Offenheit der Gesamtanlage zielte – in Korrespondenz mit der pragmatistischen Ausrichtung – darauf ab, Überraschendes zu entdecken und entsprechende Aspekte als Ausgangspunkte für vertiefende Analysen zu nutzen. Zusätzlich kam die Rahmenmethodologie Design-Based Research (BDR) zum Einsatz, die Anfang des Jahrtausends entstand und auf deren große Nähe zum Pragmatismus immer wieder hingewiesen wird (siehe z.B. Anderson/Shattuck 2012:20; Ørngreen 2015:24). Ihre zentralen Charakteristika bestehen in der Arbeit in möglichst authentischen Settings, der Bemühung um die Entwicklung neuer Praxiszugänge für das jeweilige Vorhaben sowie um ihre Weiterentwicklung im Zuge von – auf Zwischenreflexionen basierenden – Iterationen (zur Bedeutung dieser Faktoren für DBR siehe DBR-Collective 2003; Reinmann 2005; Euler/Sloane 2014).

Die ersten fünf hier dargestellten Interventionen wurden im Rahmen eines explorativen Forschungsprojektes durchgeführt, in das insgesamt sieben Künstler*innen involviert waren. Aus der Kombination der pragmatistischen Perspektive mit dem DBR-Ansatz resultierte, dass jene Workshops, bei denen besonders erstaunliche Aspekte zutage traten, wiederholt wurden. Das in Folge unter dem Begriff der Erfahrungsorientierung subsummierte Projekt fand drei Mal statt und jenes, das als (Kunst-)Werkorientierung bezeichnet wird, zwei Mal. Danach wurde der letztere Ansatz weiterentwickelt und noch zwei Mal erprobt, wobei die Umsetzungen in ein (weiteres) Forschungsvorhaben eingebunden waren, für das bedeutend mehr Ressourcen zur Verfügung standen, weswegen sie viel länger dauerten sowie aufwändiger gestaltet waren als jene davor. Bei den restlichen drei Projekten, für die hier der Ausdruck Vermittlungsorientierung gebraucht wird, handelt es sich um Adaptierungen und Realisierungen eines Konzepts des Verfassers. Zuerst wurden entsprechende Unterrichtsmaterialien für einen Lehrpraxis-Kurs an einer Kunstuniversität ausgearbeitet und in dessen Verlauf erprobt sowie von den Erfahrungen ausgehend angepasst, danach erfolgte eine Umsetzung im selben Rahmen, in dem die Workshops der Künstler*innen stattfanden, und schließlich nutzte ein weiterer Lehrender an einer anderen Schule (ländliches Gymnasium) die Materialien für die Durchführung eines Projektes.

Erhebungs-, Aufbereitungs- und Auswertungsmethoden

Aus der Praxisorientierung und Offenheit pragmatistischer Erkundungszugänge resultiert der Anspruch, (anstatt einer Fokussierung auf spezifische Untersuchungsmethoden) Forschungsinstrumente abhängig von den jeweiligen konkreten Gegebenheiten einzusetzen und sie bei Bedarf anzupassen. Unter anderem mit dem flexiblen und kreativen Umgang mit Forschungsverfahren wird innerhalb des DBR-Diskurses die besondere Nähe dieser Rahmenmethodologie zum Pragmatismus begründet (vgl. Anderson/Shattuck 2012:17).

Bei den ersten fünf in Folge dargestellten Workshops bestand das zentrale Erhebungsinstrument in Videografien (möglichst) aller Prozesse, die zu verzeichnen waren. Zusätzlich wurden schriftliche Befragungen, Gruppendiskussionen sowie Leitfadeninterviews durchgeführt. Beim sechsten Projekt kamen nichtteilnehmende Beobachtungen durch den Autor zum Einsatz, die von zwei (extern angeleiteten) Gruppendiskussionen ergänzt wurden. Ab dem siebten von den Künstler*innen abgehaltenen Workshop verlagerte sich der Fokus in Richtung der teilnehmenden (Selbst-)Beobachtung seitens des Verfassers, der eine Schüler*innen-Untergruppen bei der Entwicklung und eine andere bei der Fertigstellung ihrer Teilprojekte betreute. Diese an der Autoethnografie angelehnte Erhebungsmethode war bei den letzten drei Projekten unumgänglich, da sie in die Zeit der Corona-Beschränkungen fiel, in der keine ‚externen‘ Personen an die Schule kommen konnten. Sowohl der Autor als auch der weitere involvierte Lehrende dokumentierten ihre Beobachtungen in der Art von Forschungstagebüchern, in die ebenso Zusammenfassungen der Reflexionsgespräche mit den Mitwirkenden integriert waren sowie Analysen ihrer (Zwischen-)Produkte einflossen.

Die Aufbereitung der Daten zu den ersten fünf Projekten basierte auf ‚dichten Beschreibungen‘, in die nicht nur die Darstellung aller verzeichneten Vorgänge (u.a. Transkripte der Videografien), sondern ebenso der Hintergründe sowie Rahmenbedingungen der Arbeit integriert waren. Die ersten (sehr umfangreichen) Verschriftlichungen wurden im Zuge der Verfassung einer Habilitationsschrift unter Berücksichtigung vielfältiger Blickwinkel kodiert und ausgehend davon in mehreren Durchläufen komprimiert (siehe Pasuchin 2021:351ff). Der Aufwand für die Aufbereitung der im Verlauf der weiteren Projekte erhobenen Materialien war bedeutend geringer. Denn erstens lagen alle davon bereits schriftlich vor und zweitens war die Perspektive von Anfang an viel stärker eingegrenzt – im Rahmen der Arbeit an einem Fachartikel (Pasuchin 2022) ging es darum, konkrete Zugänge zum Projektunterricht und damit potenziell erreichbare Zielsetzungen zu extrahieren. Deswegen wurden in den zur Verfügung stehenden Unterlagen lediglich jene Aussagen mit unterschiedlichen Farben hervorgehoben, die auf diesbezüglich interessante Aspekte hindeuteten. Die Zusammenfassung entsprechender bei allen zehn behandelten Projekten zum Vorschein tretender Facetten bildete die Grundlage der hier – in der Art einer Sekundäranalyse – präsentierten Untersuchungen.

Als generelle Auswertungsmethode diente das Inquiry-Modell von Dewey. Ausgehend von ‚Kollisionen‘, die sowohl im Zuge der Felduntersuchungen als auch bei der Bearbeitung der erhobenen Daten zu erleben waren, erfolgte der Entwurf erster Annahmen für dahinterstehende Gründe, die in mehreren Durchläufen kritisch reflektiert und bei Bedarf revidiert wurden, woraus abschließend die Ableitung von Hypothesen hinsichtlich daraus resultierender praktischer Konsequenzen stattfand. Als konkrete Verfahren, die diesen Prozess unterstützten, wurde auf folgende zwei ‚basale‘ Strategien zurückgegriffen, die in ihren Grundformen bereits im Rahmen von Studien der (Ersten) Chicagoer Schule zum Einsatz kamen: Komparative Analysen von Einzelfällen, die darauf abzielen, „hinter der Gleichartigkeit oder Andersartigkeit der untersuchten Vorkommnisse (…) ein Konzept zu fassen, das das Wesentliche des untersuch­ten Phänomens (...) herausstellt“ (Strübing 2008:283) und die Triangu­lation unterschiedlicher Perspektiven, die „besonders aufschlussreich [ist], wenn sie zu divergenten Er­gebnissen (…) führt, die nach neuen Erklärungen (für die Divergenz) verlangen“ (Flick 2010:162). Die Nutzung der beiden Instrumente wurde erstens durch die – von DBR abgeleitete – iterative Anlage der Studie erleichtert, da mehrmalige Realisierungen einzelner Ansätze unter ähnlichen Rahmenbedingungen untersucht werden konnten. Zweitens kam dem ebenso die Möglichkeit zugute, voneinander stark abweichende Konzepte kontrastierend gegenüberzustellen.

In den folgenden drei Abschnitten findet eine (nach den einzelnen Teilstudien strukturierte) Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Untersuchungen statt. Nach einer Kurzbeschreibung des jeweiligen Projektzugangs werden dabei zunächst spezifische unterrichtsmethodische Ansätze der involvierten Künstler*innen und Lehrenden skizziert. Anschließend erfolgt eine Schwerpunktsetzung auf die Darstellung dessen, in welcher Art und wie intensiv die Beteiligten von den Projektleiter*innen bei der Her- und Fertigstellung der Produkte unterstützt wurden, wobei auch die Reaktionen der mitwirkenden Jugendlichen zur Sprache kommen.

Teilstudie 1 – Erfahrungsorientierung

Der Leiter der drei ersten hier behandelten Projekte, Stefan Luft, hob bereits beim Interview im Vorfeld seines ersten Workshops den „Fokus auf Erfahrungen“ der Beteiligten als seine „Unterrichtsphilosophie“ hervor und gab an, sich am Prinzip des ‚learning by doing‘ zu orientieren. Seine Workshopreihe betitelte er mit „Unsere Welt der Geräusche“. Bei den Projekten ging es um die Durchführung von Klangexperimenten mit diversen (Alltags-)Materialien, die mit unterschiedlichen Mikrophonen verstärkt wurden und mit denen die Jugendlichen in der Art eines ‚Geräuschorchesters‘ miteinander musizierten. Daraufhin ließ der Künstler die Schüler*innen Mithilfe der Kombination der Aufzeichnungen solcher Prozesse ‚Minutenstücke‘ am Computer gestalten. Als Vor- und Zusatzübungen forderte er die Mitwirkenden unter anderem auf, im Unterrichtsraum still dasitzend auf die Klangumgebung zu lauschen und das Gehörte grafisch zu notieren, sich gegenseitig nur unter Einsatz ihrer Hände Klangverläufe an der Grenze des Hörbaren vorzuführen, oder Umweltsounds im Umfeld der Schule aufzunehmen, auf deren Basis sie ‚Geräusche-Landkarten‘ von ihrem Viertel zeichnen sollten.

Im Hinblick auf unterrichtsmethodische Zugänge waren an der Arbeit des Künstlers zwei Aspekte besonders auffällig: Erstens der häufige Wechsel zwischen Präsentationen, Fragerunden, daraus resultierenden theoretischen Erklärungen, praktischen Übungen und Darbietungen derer Ergebnisse, die in Debatten mündeten, die wiederum zu Erläuterungen der Hintergründe führten, auf denen weitere Übungen basierten etc. Zweitens der (bewusste) Mangel an Vorgaben hinsichtlich der Kriterien, nach denen sich die Schüler*innen bei der Bewältigung der Aufgaben orientieren sollten bzw. an entsprechenden Anleitungen im Zuge ihrer Arbeit. Sowohl in den Phasen des ‚Geräuschorchesters‘ als auch bei den Notationsübungen wies der Künstler die Jugendlichen an, völlig frei zu experimentieren. Lediglich im Vorfeld der Audiobearbeitung am Computer erklärte er kurz die Programmfunktionen, ließ aber ästhetisch-formale Aspekte absolut offen. Auf die häufig seitens der Mitwirkenden gestellte Frage, was konkret zu tun sei, antwortete der Künstler, dass es bei so einer Tätigkeit „kein Richtig und kein Falsch“ gebe. Zu den (Zwischen-)Ergebnissen der Beteiligten äußerte er sich ihnen gegenüber immer sehr lobend.

Beim ersten und zweiten Workshop von Luft gab es nichts, was (im herkömmlichen Sinn) als Produkt zu bezeichnen wäre. Am ehesten können noch die ‚Minutenstücke‘ entsprechend eingeordnet werden, die die Jugendlichen am Computer gestalteten und innerhalb der Gruppe präsentierten. Damit, dass sie (zunächst) nach zeitgenössischer elektroakustischer Musik klangen, begründete der Künstler in Interviews, warum er sie als qualitativ besonders hochwertig empfand. Vor allem beim zweiten Projekt schienen auch die Mitwirkenden davon begeistert zu sein – die meisten waren auf ihre eigenen Ergebnisse offensichtlich sehr stolz und kommentierten die Produktionen der Kolleg*innen überschwänglich. Zusätzlich griff Luft im Verlauf des zweiten Workshops die Idee einer Schülerin auf, einen Rhythmus zu integrieren, der zu dieser Zeit unter Jugendlichen besonders beliebt war (Cup-Song). In der Abschlussstunde führte er den Schüler*innen ein Stück vor, in dem ihre am Computer aus Geräuschen zusammengesetzten entsprechend gestalteten kurzen Sequenzen aneinandergereiht waren, wozu die – an einem Synthesizer in Schleife eingespielte – Melodie des dazu gehörenden Liedes erklang. Die Teilnehmenden wirkten davon nicht besonders angetan und auch der Künstler äußerte sich im Reflexionsgespräch eher abfällig dazu. Beim dritten Projekt ließ Luft die Schüler*innen bereits im Zuge der Arbeit an den ‚Minutenstücken‘ einen – von ihm selbst zusammengestellten – basslastigen Beat einsetzen, zu dem sie einzelne im Verlauf des ‚Geräuschorchesters‘ aufgenommene Klänge anlegen sollten. Da alle das gleiche Hintergrundpattern nutzten und dieses sich ständig wiederholte, waren die Ergebnisse auch sehr ähnlich und eher monoton. Begeisterung unter den Schüler*innen lösten lediglich jene Produktionen aus, in denen Sounds vorkamen, die sie als lustig empfanden (z.B. Rülpsen und Kraftausdrücke).

Beim dritten Workshop gab der Künstler der Bitte des Autors nach, zu versuchen, am Schluss ein öffentlich vorführbares Produkt zu erarbeiten. Da die Schüler*innen Lufts Idee einer Live-Präsentation des ‚Geräuschorchesters‘ ablehnten, schlug er vor, etwas Ähnliches auf Video aufzunehmen. Dafür würde er mit DJ-ähnlichem Equipment in der Art eines Playbacks ein ca. 3 Minuten langes Stück einspielen, zu dem die Jugendlichen in abwechselnden Kleingruppen passende Geräusche ausführen sollten. Bereits die Proben waren von disziplinären Problemen überschattet, was unter anderem damit erklärt werden könnte, dass der Künstler diesmal (offensichtlich aus dem Wunsch heraus, ein präsentierbares Ergebnis zu erzielen) die Beiträge der Teilnehmenden viel kritischer kommentierte als zuvor. Der Dreh, der in der letzten Doppelstunde stattfand, scheiterte am (wie es Luft ausdrückte) „Lustigsein“ der Mitwirkenden. Nur wenige von ihnen agierten engagiert, wobei sie sich für ihre Kurzperformances jene Teile des Stücks (Intro und Finale) auswählten, in denen atmosphärische Sounds vorkamen. Die Schüler*innen, die in den (die meiste Zeit einnehmenden) beatbasierten Passagen musizieren sollten, machten das entweder demonstrativ demotiviert oder ‚blödelten‘ herum. Gegen eine Internetveröffentlichung des (vom Autor aus dem aufgenommenen Material zusammengeschnittenen) Videos verwehrte sich der Großteil der Jugendlichen vehement, weswegen es lediglich bei einer internen Aufführung an der Schule präsentiert wurde. Bei den Mitschüler*innen stieß es auf sehr geringes Interesse. Ein Kollege aus dem Lehrkörper merkte dazu an, dass es so wirken würde, als wenn die Jugendlichen lediglich Statist*innen in einer sich um den Künstler drehenden Produktion seien.

Teilstudie 2 – (Kunst-)Werkorientierung

Maria Rešić und Fritz Stöllinger, die die zweite untersuchte Projektreihe leiteten, gaben bei mehreren Gesprächen an, ihren Schwerpunkt darauf zu setzen, gemeinsam mit den Jugendlichen ein „interessantes Kunstwerk“ zu gestalten. Ihre Workshops zielten auf die Entwicklung von Mixed Reality-Games ab, in denen die Spielenden in einem ‚realen‘ Setting (z.B. im Schulgebäude oder in seiner Umgebung) immer wieder an Punkte kommen sollten, an denen sie in einem (bei den ersten drei Produktionen am Handy-Display und bei der letzten auf einer Leinwand eingespielten) Video die Erklärung der jeweiligen Situation sowie weitere Anweisungen erhielten. Die von den Schüler*innen vorgeschlagenen Themen reichten vom Aufdecken geheimer Atomexperimente im Stadtviertel über die Abwehr eines Zombie-Angriffs auf die Schule bis hin zur Bemühung, als Influencerin bzw. Influencer besonders erfolgreich zu sein. Abgesehen von der Weiterentwicklung und Konkretisierung dieser Ideen (eine Arbeit, bei der die Teilnehmenden von den Kunstschaffenden intensiv unterstützt wurden) bestanden die Aufgaben der Jugendlichen hauptsächlich darin, die audiovisuellen Einspielungen zu gestalten. Dazu machten sie Bild- und Tonaufnahmen (bzw. luden sich entsprechende Materialien im Internet herunter) und editierten sie am Computer.

Das Spezifische am unterrichtsmethodischen Ansatz der beiden Künstler*innen war, dass sie (nach einer größtenteils auf Vortragsformaten basierenden Einleitungsphase) die Schüler*innen zunehmend in immer kleineren Gruppen arbeiten ließen – bis dahin, dass die Jugendlichen beim zweiten und erst recht beim dritten Projekt dieser Reihe zum Schluss vorrangig Einzelaufträge zu bewältigen hatten. Die daraus resultierende enorme Individualisierung erleichterte den Kunstschaffenden einerseits, auf die persönlichen Interessen und die (stark divergierenden) Arbeitstempi der Teilnehmenden einzugehen. Andererseits erschwerte das nach Beobachtung des Autors ihnen jedoch, jeder und jedem zu erklären, was, wozu und v.a. wie es zu tun war. Deswegen schlug er vor, beim vierten Durchgang von Anfang an drei Untergruppen bilden zu lassen, die ausgehend von einem gemeinsamen Rahmenkonzept an unterschiedlichen Spielen arbeiten würden, wobei sie abwechselnd von Rešić, Stöllinger und dem Verfasser betreut werden sollten.

Das zentrale Motiv hinter dieser Strategieänderung bestand im Wunsch, ein (damals als solches empfundenes) Problem zu lösen, das vom Durchlauf zu Durchlauf verstärkt zutage trat: Nur wenige besonders engagierte Schüler*innen erstellten Beiträge, die tatsächlich (in der von ihnen erarbeiteten Form) in das Endprodukt einflossen. Die meisten weiteren Elemente wurden von Rešić und Stöllinger selbst sowie (v.a. bei ihrem dritten Projekt) von ihren Mitarbeiter*innen her- bzw. fertiggestellt. Die Hoffnung, alle Jugendlichen intensiv an der Detailgestaltung der aufgeführten Werke zu beteiligen, stellte sich jedoch auch beim vierten Projekt dieser Serie, bei dem der Autor autoethnographische Erhebungsmethoden nutzte, als illusorisch heraus. Denn (erst) im Zuge der Selbstbeobachtungen beim Versuch, das Konzept der Künstler*innen umzusetzen, wurde dem Verfasser bewusst, dass es auf der Bemühung basiert, gleichzeitig zwei Ansprüchen gerecht zu werden, die nur schwer zu vereinen sind: Einerseits eine weitestgehend ‚originalgetreue‘ Realisierung der Ideen der Schüler*innen und andererseits eine möglichst öffentlichkeitswirksame Präsentation der Ergebnisse. Der Versuch beide Ziele zu erreichen, führte (auch) im Zuge seiner eigenen Beteiligung als Projektleiter dazu, dass er selbst den überwiegenden Teil der Arbeit an der Fertigstellung der Produkte der von ihm am Schluss betreuten Untergruppe übernahm.

Der stetig steigende Unterstützungsbedarf hing auch damit zusammen, dass die Projekte von Durchlauf zu Durchlauf immer komplexer wurden und für ein zunehmend größeres sowie anspruchsvolleres Publikum gedacht waren. Beim ersten Workshop entstand eine lineare ‚Schnitzeljagd‘, in der Videoeinspielungen vorkamen, die nach spontanem ‚do it yourself‘ aussahen und die nur jene Gruppe austestete, die sie selbst erarbeitete. Das zweite mündete in ein Spiel mit mehreren Verzweigungen, in dem zahlreiche (oft aus dem Internet heruntergeladene) professionell wirkende Materialien vorkamen und das einige Klassen an der Schule erprobten. Die letzten zwei Projekte wiesen noch mehr unterschiedliche Spieloptionen auf, zielten zusätzlich auf eine rege Beteiligung der Rezepient*innen ab und bestanden aus Elementen, die (auch aufgrund der Mitarbeit externer Fachleute) wie ‚Hochglanzproduktionen‘ anmuteten. Die Aufführungen wurden an einer renommierten Stätte für Kulturveranstaltungen vorgenommen, wobei die Schüler*innen (u.a. als Spielleiter*innen) intensiv in die Präsentationen eingebunden waren. Im Verlauf der Vorstellungen war ihnen höchste Konzentration anzumerken und auch großer Stolz auf das Produkt, der durch die Wertschätzung eines externen Publikums sowie das Interesse der lokalen Presse sichtlich gefördert wurde. Dieser ‚Werkstolz‘ steigerte sich im Nachhinein noch mehr, als die Jugendlichen erfuhren, dass die Ergebnisse ihrer Projekte (Haupt-)Preise bei mehreren Wettbewerben erhalten hatten.

Teilstudie 3 – Vermittlungsorientierung

Im Verlauf der Selbstbeobachtungen bei der Durchführung der Projekte der dritten Teilstudie kristallisierte sich für den Autor (in Gegenüberstellung mit den Herangehensweisen von Luft sowie Rešić und Stöllinger) heraus, wie sehr er selbst Wert auf Aspekte legt, die mit dem Begriff der Vermittlung zusammengefasst werden können. Denn sein zentrales Anliegen besteht darin, dass die Mitwirkenden an den von ihn geleiteten Projekten jeden Arbeitsvorgang sowie dessen Sinn im Gesamtkontext genau nachvollziehen und davon ausgehend eigenständige Beiträge zum Endprodukt leisten. Von den zahlreichen vom Verfasser entwickelten entsprechenden Konzepten wurde für die hier behandelte Untersuchung ein Zugang ausgewählt, der auf Videoaufnahmen basiert, auf denen einzelne Personen zu sehen sind, die Klänge oder Geräusche ausführen. Diese Aufnahmen werden in einem Bearbeitungsprogramm auf immer kürzere Sequenzen zugeschnitten, aus deren Kombination die Gestaltung von Rhythmen erfolgt, während auf der visuellen Ebene (aufgrund der Bewegungen, die die Ausführenden machen) eine Art Tanzvideo entsteht.

An den im Internet veröffentlichten Unterrichtsunterlagen – Lernvideos, Handouts, Musterbeispiele und Übungsdateien (siehe Pasuchin 2020) – sind zwei spezifische Facetten des didaktischen Ansatzes des Autors zu erkennen: Erstens der ‚kleinschrittige‘ sowie kontinuierliche Aufbau, bei dem jede Aufgabe im Vorfeld detailliert erklärt wird und alle neuen Übungen auf die Erweiterung von Kenntnissen abzielen, die bei der Ausführung vorangehender Arbeitsschritte erworben wurden. Zweitens erschließt sich daraus, dass der Zugang grundsätzlich auf Wechseln zwischen dem Imitieren von etwas Vorgegebenem und dem eigenen kreativen Handeln beruht. Im konkreten Fall war der – sich mehrmals wiederholende –  kurze Refrain (von den Ideen der Teilnehmenden abgeleitet) vom Autor vorgefertigt. Die den Mitwirkenden gestellte Hauptaufgabe bestand darin, jeweils eine Strophe unter vorrangigem Einsatz jener Aufnahmen zu gestalten, auf denen sie selbst zu sehen waren. Die Studierenden, die am universitären (Vor-)Projekt teilnahmen, erhielten dafür eher ‚lockere‘ Regeln, die darauf ausgerichtet waren, eine kurze rhythmische Grundidee zu entwickeln, sie mehrmals in variierter Form zu wiederholen und dabei innerhalb einer fixierten Zeitstrecke eine allmähliche Verdichtung und folglich Steigerung zu erzielen. Obwohl es sich um Musiker*innen handelte, waren einige von ihnen mit dieser Aufgabe zunächst überfordert, woraufhin mehrere ‚Feedbackschleifen‘ und bei manchen auch exakte Detailvorschläge notwendig waren, bis sie sie erfolgreich bewerkstelligten.

Daraus in Kombination damit, dass für das nächste Vorhaben aufgrund des Corona-bedingten ‚Wechselunterrichts‘ bedeutend weniger Zeit zur Verfügung stand, als notwendig gewesen wäre (pro Untergruppe drei bzw. vier statt mindestens sechs Doppelstunden), resultierte der Bedarf einer Strategieänderung für die Durchführung des Folgeprojekts an jener Schule, an der auch die anderen Teilstudien stattfanden. Die wichtigste Modifikation bestand in einer präziseren Formulierung der Gestaltungsregeln, mit der eine Vereinfachung der Kriterien einherging. Das schien den Jugendlichen die Arbeit zu erleichtern, da (bis auf eine Ausnahme) alle es bewerkstelligten, sowohl die ästhetisch-formalen als auch die technischen Anforderungen zu erfüllen. Dabei ist anzumerken, dass die Lernvideos dafür sehr hilfereich waren, da sie den Hauptteil der ‚Vermittlungstätigkeit‘ übernahmen, während sich der Verfasser auf Einzelberatungen konzentrieren konnte. Jedoch schränkten die eindeutigen Vorgaben die Kreativität der Schüler*innen offensichtlich beträchtlich ein, was daran zu erkennen war, dass ihre Arbeitsergebnisse (im Gegensatz zu jenen des Vorprojektes mit den Studierenden) große Ähnlichkeiten aufwiesen. Bei den einzelnen Strophen standen zwar jeweils andere Videoausschnitte und folglich unterschiedliche Personen, Sounds und Bewegungen im Vordergrund, jedoch liefen alle davon nach demselben Schema ab, was zu einem eher wenig spannenden Gesamteindruck führte. Damit und mit der Tatsache, dass einigen der Mitwirkenden die Ästhetik des Videos sehr fremd war (manche bezeichneten es als „krank“), könnte begründet werden, warum die meisten von ihnen eine Veröffentlichung des Produktes ablehnten.

Hingegen können die Ergebnisse sowohl des ersten als auch des dritten Vorhabens aus dieser Reihe auf der Webseite betrachtet werden, auf der die Unterrichtsmaterialien publiziert sind (Pasuchin 2020), weswegen es nicht notwendig ist, detailliert auf sie einzugehen. Bezüglich des letzten – an einem Gymnasium von einem anderen Lehrenden durchgeführten – Projektes ist lediglich darauf hinzuweisen, dass die Gestaltungsregeln für die Strophen aufgrund der (gerade erwähnten) kreativitätshemmenden Wirkung ihrer präzise ausformulierten Version wieder etwas offener gefasst wurden. Ob das der zentrale Auslöser dafür war, dass es bei diesem Projekt zahlreiche Probleme gab, ist schwer einzuschätzen. Denn es fand wegen des Lockdowns im Distanzunterricht statt und wurde auch mehrmals durch Erkrankungen des Lehrenden unterbrochen. Außerdem hatte der Kollege nur geringe Vorkenntnisse im Hinblick auf Videoschnitt, weshalb er die (ausschließlich männlichen) Schüler bei Schwierigkeiten oft nicht unterstützen konnte. Mit Hilfe der Unterrichtsunterlagen bewältigten sie die Herausforderungen jedoch mit der Zeit größtenteils selbstständig, waren mit dem Ergebnis sehr zufrieden und erhielten dafür viel Zuspruch von ihren Mitschüler*innen sowie anderen Lehrenden. Als ‚Wettbewerbsreif‘ kann ihr Produkt mit Sicherheit nicht bezeichnet werden, was jedoch nicht bedeutet, dass Projekte in dieser Art grundsätzlich bei Wettbewerben nicht bestehen können. Schließlich erhielten die Ergebnisse ähnlicher Vorhaben – nicht zuletzt solche, die vom Autor an Haupt- bzw. Mittelschulen durchgeführt wurden – bereits mehrere kultur- und medienpädagogische Preise. Dabei wurden die involvierten Jugendlichen jedoch viel intensiver bei der Fertigstellung unterstützt als jene, die an den beiden Schulprojekten der dritten Teilstudie mitwirkten.

Schlussfolgerungen

Auf der Folie der Erfahrungen aus allen hier beschriebenen Vorhaben ist der – für den vorliegenden Artikel titelgebenden – Aussage von Mörsch zuzustimmen, dass die Produkte kulturpädagogischer (Medien-)Projekte als umso professioneller empfunden werden, je weniger die Adressat*innen der Maßnahmen selbst zu ihrer Entstehung beigetragen haben. Weniger zugespitzt formuliert, erhöht die intensive Mitwirkung der Leiter*innen der Maßnahmen an der Her- und v.a. Fertigstellung der Projektergebnisse die Chance auf eine positive Resonanz außenstehender Personen auf ihre (oft erst aufgrund dieser Unterstützung mögliche) Aufführung. Das kam an jener Projektreihe besonders klar zum Vorschein, die unter dem Begriff (Kunst-)Werkorientierung subsumiert wurde. Denn innerhalb des Vorhabens gehörten gerade die öffentlichkeitswirksame Abschlusspräsentation der (von Ideen der Schüler*innen ausgehend entwickelten) Produkte und der daraus resultierende ‚Werkstolz‘ der Beteiligten zu den zentralen Zielsetzungen. Das hatte zur Folge, dass die Projektleiter*innen selbst massiv in die Gestaltung der Ergebnisse eingriffen und bei den letzten zwei Vorhaben dafür sogar zusätzlich externe Fachleute engagierten. Noch offensichtlicher wird der angesprochene Zusammenhang bei einer Gegenüberstellung dieses Zugangs mit jenem, der als Erfahrungsorientierung benannt wurde. Denn dabei stand die Selbsttätigkeit der Schüler*innen und das Ansinnen im Vordergrund, sie mit für sie fremden Ausdrucksformen zu konfrontieren, um ihnen sowohl unbekannte Erlebnisdimensionen als auch neue Erkenntnishorizonte zu eröffnen. Dass der Versuch, im Verlauf solcher Workshops etwas ‚Präsentables‘ und erst recht ‚Professionelles‘ zu erarbeiten, einem derartigen Ansatz zuwiderläuft und folglich kontraproduktiv ist, trat gegen Ende des dritten Durchgangs der entsprechenden Projektserie überdeutlich zutage. Bezeichnend ist, dass gerade diese Bestrebung in einem Ergebnis mündete, bei dem die Beiträge der beteiligten Jugendlichen eine untergeordnete Rolle spielten. Das als Vermittlungsorientierung benannte Konzept kann als eine Bemühung interpretiert werden, einen ‚goldenen Mittelweg‘ zwischen den beiden beschriebenen Herangehensweisen zu finden. Denn die Mitwirkenden an solchen Projekten sollen einerseits möglichst selbstständig etwas gestalten, das andererseits auch öffentlich präsentiert werden kann. Die Unterstützung ist dabei (im Vergleich zum werkorientierten Ansatz) eher indirekt, da sie in Form detaillierter Erklärungen dafür benötigter Arbeitsschritte und von (im Gegensatz zum erfahrungsorientierten Zugang kritischen) Feedbacks hinsichtlich der Zwischenergebnisse stattfindet. Das wichtigste Ziel dahinter besteht darin, den Projektbeteiligten das Erschließen praktischer sowohl formal-ästhetischer als auch technischer Fertigkeiten und Fähigkeiten zu ermöglichen.

An den Darstellungen der Prozesse im Verlauf der Realisierung der letzteren Projektart und ebenso an den aufgezeigten Schwierigkeiten, die bei der Umsetzung des erfahrungsorientierten Zugangs auftauchten, als der Künstler (v.a. in Form von Playbacks) verstärkt Orientierungshilfen zu geben versuchte, ist eines klar zu erkennen: Das für die jeweilige Situation passende Maß an Unterstützung der Beteiligten seitens der Projektleitung zu finden, bildet im Zuge der Arbeit im kulturpädagogischen Feld eine große Herausforderung bzw. einen immerwährenden Spagat. Davon auf einen ‚projektimmanenten Widerspruch‘ im Sinne eines generellen und erst recht unlösbaren Problems dieses Bereiches zu schließen, ist aus der pragmatistischen (Forschungs-)Perspektive jedoch nicht zulässig. Denn wie viel die Beteiligten ‚selbst gemacht‘ haben, stellt von so einer Warte aus betrachtet an sich kein ausschlaggebendes Qualitätskriterium der Tätigkeit auf diesem Gebiet dar, sondern kann sogar als die ‚falsche Frage‘ bezeichnet werden. Schließlich hängt die Antwort darauf, wie zielführend intensive Hilfestellungen bei der Gestaltung der Produkte sind, davon ab, welche Ziele mit den jeweiligen Projekten verfolgt werden. Das Beachten dieser – von Dewey (auch in edukativen Kontexten) immer wieder betonten – enormen Interdependenz von Mitteln bzw. (Unterrichts-)Methoden auf der einen und Zwecken bzw. (Lern-)Zielen auf der anderen Seite (siehe z. B. Dewey 1930:193ff) könnte dazu beitragen, sowohl mit dem hier behandelten als auch mit einigen weiteren (vermeintlichen) kulturpädagogischen Dilemmata produktiver umzugehen.

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Iwan Pasuchin (2022): „Je professioneller das Produkt aussieht, desto weniger haben die Kinder selbst gemacht“ — Plädoyer für einen pragmatistischen Umgang mit kulturpädagogischen Dilemmata. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://kubi-online.de/artikel/je-professioneller-produkt-aussieht-desto-weniger-haben-kinder-selbst-gemacht-plaedoyer (letzter Zugriff am 27.01.2024).

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