Hand in Hand. Soziale Arbeit und Kulturelle Bildung
Unterstützung in Lebensphasen und Lebenslagen
Da gibt es eine Gruppe von Kindern einer Tageseinrichtung, die sich sehr fürs Malen interessiert. Dann auch für Malerei. Eine Sozialpädagogin zeigt ihnen Bilder von Miro. Van Gogh. Paul Klee. Im Museum schauen sie genauer hin und befragen die Expertin für Kunstgeschichte, natürlich nicht nur nach den Farben, auch nach den Malern selber und ihrem Leben (vgl. Pinakothek 2015). Anderswo spielen andere Kinder mit Metallplatten, Rasseln, Schlagzeug. Sie hören erst genauer hin. Dann fügen sie verschiedene Klänge zusammen, bauen vielleicht ein eigenes Instrument. Wie ein Ding klingt, im Wechsel mit anderen, welche Klänge man überhaupt hören kann, das kriegen sie hier gezeigt (vgl. Grassi Museum Leipzig 2015). Woanders kriegen sie so etwas so nie gezeigt.
Da gibt es ein Museum, das an Demenz erkrankten Menschen Bild- und Tasterlebnisse aus dem Spektrum alltäglicher Erfahrungsräume anbietet (vgl. Naturmuseum Winterthur 2015). Die Dinge sind vom Bauernhof, auch typisch für ein Dorf. Begleitet vom Hören entsprechender Geräusche, dienen sie dazu, Erinnerungsspuren aus dem eigenen Leben wieder aufzunehmen. Über diese symbolische Brücke wird das eigene Schweigen nach langer Zeit vom eigenen Erzählen abgelöst. In einer anderen Ausstellung wird Erblindeten über den audio-guide im Ohr erklärt, welchen Gebirgsraum das Relief unter ihren tastenden Fingern abbildet. Das zusätzliche Wissen unterstützt sie darin, die Raumvorstellungen zu erweitern und schließlich ihre Bergwanderung vorzubereiten.
Wir finden Rhythmik-Projekte mit auffällig gewordenen Jugendlichen, die aus verschiedenen Ländern stammen, teils aus Regionen, in denen körperliche Gewalt als legitimes Mittel zur Selbstbehauptung und zur Durchsetzung von Interessen gilt (vgl. Zaiser 2011; Beatstomper 2015). In gemeinsamen Trommelkaskaden kulminieren Wut und Angst und Stolz. Im Zusammenspiel haben sie, besonders bei Synkopen, tonale Verständigung und damit Rücksicht aufeinander zu üben, was zwingend für jede performance ist. Rücksichtnehmen ist nichts Unbekanntes, wurde aber verlernt, hier beleben und erleben sie seine Vorteile. Das verbindet sie mit den Straßen-ArtistInnen aus der break-dance-, mehr noch mit TänzerInnen aus der Capoeira-Szene, die vielleicht auch dabei sein könnten. Aus dem Ganzen könnte man eine DVD machen, da reicht es nicht, bloß das Handy draufzuhalten, da wären gute Kameraeinstellungen gefragt, ein erstklassiger Sound, wo könnte man das lernen?
Es gibt Theater, die die Lebensläufe von Arbeitslosen oder von Flüchtlingen zur Aufführung bringen (vgl. Interact 2015); eine Bühne, die mit ehemaligen Drogenabhängigen geführt wird, auf der sie ihre biografischen Erfahrungen inszenieren, ihre Stücke vor Schulklassen aufführen (vgl. Wilde Bühne 2015). Da macht ein vitales Festival von sich reden, das Menschen mit und ohne Downsyndrom die Scheu vor eigenen Aufführungen genommen hat. In Zusammenarbeit mit professionellen MusikerInnen einer Philharmonie, werden burleske Aufführungen eingeübt und vor kritischem Publikum präsentiert (vgl. Kultur vom Rande 2014). Erzählt wird von ihren und unseren Wünschen, Hoffnungen, Resignationen, den Erfolgen, Konflikten, Krisen und der Erfahrung glücklichen Gelingens.
Das alles sind Beispiele aus einem weiten Spektrum der Verbindung zwischen ästhetischem und sozialem Engagement (vgl. zur Spannbreite: kubi-online 2015; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012). Ihnen gemeinsam ist die Absicht, Erfahrungs-, Wissens- und Handlungsmöglichkeiten von Menschen zu erkennen und zu erweitern. Genauer gesagt sind es Beispiele für Praxisformen Kulturell-Ästhetischer Bildung. Sie sind es deshalb, weil die Wahrnehmung (aisthesis) und die Gestaltung (praxis/poeisis) von symbolischen Formen einen der inhaltlichen Kerne des Geschehens bildet. In besonderen Arrangements von Räumen, Zeitabläufen, Dingen, Symbolen, Bewegungen entstehen – mitunter absichtslos – soziale Kooperations- und individuelle Sinneserfahrungen: des Tastens, des Formens, des Hörens, des Sprechens, des Musizierens, der rhythmischen, tänzerischen, choreografischen Gestaltung. Es sind Sinneserfahrungen, die in der Auseinandersetzung mit Kontrasten aus der eigenen Lebenswelt und den künstlerischen Ausdrucksformen darstellender und bildender Künste entstehen. Ob im Rückzug aufs eigene Tätigsein oder in Aktion mit anderen: gearbeitet wird „an Formen“. Diese stehen in direktem Bezug zu Wahrnehmungsgewohnheiten, zur Gewissheit der Identitäten und Ähnlichkeiten, aber auch zu Differenzerfahrungen. Erfasst werden Unterschiede zwischen Vertrautem und Fremdem, manchmal auf unmerkliche, manchmal in kraftvoll zumutender, ja provokanter Weise. Es sind Angebote, die die eigenen „Weltanschauungen“ leichtsinnig irritieren und, in der Reaktion auf Irritation, das Vertraute der eigenen Lebensstile teils bekräftigen, teils erweitern, teils produktiv verunsichern (Treptow 1993; 2010).
Experimentierwelten, Anerkennungswelten
In allen Beispielen stehen die Chancen gut, dass sich besondere Erlebnisdynamiken ausprägen. Sie verdanken sich dem Eigensinn des jeweiligen erzeugten visuellen, akustischen und haptischen Anregungsmilieus, Dynamiken, die über die Grenzen verbaler Verständigung hinausreichen, stellen sie doch das gesprochene Wort mitunter ganz hinten an – um es dann doch wieder heraus zu fordern, z.B. wenn die Ausdrucksform Sprache im poetry-slam (Dichterwettstreit) entwickelt und gesteigert wird (vgl. Myslam 2015), wenn Musik kritisiert wird, wenn Bildwahrnehmungen mitgeteilt werden. Erfahrungen einer anderen Anerkennungswelt werden möglich, die abweicht von den üblichen Kompetenzbemessungen in Schule oder Beruf, wenn sie denn nicht schon eingetragen sind in formalisierte Kompetenznachweise, die als „Bildungspass für Jugendliche“ informell erworbene Fähigkeiten in einem Kinder- und Jugendzirkus oder einer freien Theaterinitiative eher negative schulische Leistungsbilanzen etwas ausbalancieren könnten (vgl. Kompetenznachweis Kultur 2015).
Soziale Kulturarbeit: Kulturelle Bildung will Allgemeines für Individuen zugänglich machen
Es scheint, dass jedes der Beispiele das Engagement für eine Verständigung mit besonderen Gruppen voraussetzt – doch kulturell-ästhetische Bildung ist prinzipiell für alle zugänglich. Insofern ist sie demokratisch angelegt (Hoffmann 1981; Schneider 2013). Obwohl es in der Regel von den Bildungsvoraussetzungen der AdressatInnen abhängig ist, welcher Zugang zu ästhetischen Praktiken angenommen oder verworfen wird, richtet sich ein öffentliches kulturelles Angebot, formal gesehen, an alle. Für die Dinge im Museum beispielsweise sind alle Besuchenden gleich, nicht aber die Dinge für die Besuchenden (Treptow 2011). Diese Brücke zwischen dem Allgemeinen mit dem Besonderen, die, wie in Konzert, Kino oder Theater Teilnahme am kulturellen Leben eben nicht an besondere Persönlichkeitsbedingungen und auch nicht an ökonomisches Kapital knüpfen sollte, wurde einst die Bezeichnung Soziale Kulturarbeit gefunden. Dem wurde der Begriff der Kulturellen Sozialarbeit gegenüber gestellt, weil er die explizite Verwendung von ästhetischer Praxis als Mittel zum Zwecke der Unterstützung und der Hilfe betont (vgl. Treptow 1988/2001; kritisch dazu: Hill 2015). Warum ist diese Unterscheidung wichtig?
Nicht ständig aufs Helfen angelegt: Zur Ambivalenz der Künste
Nun, es ist wichtig zu sehen, dass ästhetische Praxis, namentlich die Künste keineswegs immer mit einer auf Unterstützung, Hilfe oder gar Emanzipation angelegten Intention ausgestattet sind, Mitunter verweigern sie sich einem solchen Ansinnen entschieden. In der Gemengelage historisch-gesellschaftlicher Interessen übernehmen nicht selten Aufgaben, die die Ab- und Ausgrenzung (Distinktion, vgl. Bourdieu 2005) von Bevölkerungsgruppen betreiben. Teilweise sind sie mit Machtinteressen und Verdeckungen verquickt (affirmativ), deren Kritik und Veränderung demgegenüber zur Schwungfeder für andere ästhetische Praktiken, etwa des Widerstandes werden (vgl. Marcuse 1937/1965; Weiss 1975/2005). Im weiten Spektrum künstlerischer Ausdruckformen und ästhetischer Absichten brauchen diese Beispiele also zunächst nicht in erster Linie der Sozialen Arbeit im überlieferten Sinn zugerechnet werden; indem es fachlich durchdachte Ansätze aus dem Bereich der Kulturellen Bildung sind, sind sie Ausdruck ihrer Besinnung darauf, ihre allgemeinen Aufgaben besonders solchen Menschen zugänglich zu machen, die bei der Teilnahme am kulturellen Leben, aber auch aus anderen Gründen Unterstützung brauchen. Darin wiederum nähert sie sich den Aufgaben Sozialer Arbeit an, ohne aber von dieser selbst organisiert zu sein – eben dann, wenn sich Kulturelle Bildung im Rahmen ihrer Potentiale um Menschen in benachteiligten Lebenslagen kümmert, um solche, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind, die mit Ausgrenzungserfahrungen leben, die Bildungs- und andere Benachteiligung erleben. Mögen die Veranstalter Kultureller Bildung auch entfernt davon sein, von einem Träger der Sozialen Arbeit finanziert zu werden (das Geld stammt vom Kultursektor), so zeigt sich doch hier einmal ihre ausdrückliche Nähe zu unterstützenden, ja helfenden Absichten.
In diesem Kontext allerdings hat Soziale Arbeit inzwischen ein – wenn auch noch immer fragiles – Traditionsverständnis entwickelt (vgl. Hill 2015), indem sie sich ausdrücklich für die ästhetischen Wahrnehmungs- und Ausdrucksinteressen von Benachteiligten und Marginalisierten einsetzt, also Eigensinn respektiert und Zugangsbarrieren verringert sehen möchte. Darin thematisiert sie soziale Ungleichheit als Ungleichheit von Zugangs- und Teilhabechancen am kulturellen Leben und fordert entsprechende Konsequenzen. Freilich: befasst mit drängenden Aufgaben der sozialen Unterstützung in den alltäglichen Belastungen z.B. von Familien in Armutsverhältnissen, mag die symbolische Dramatik einer Fotoausstellung, die Portraits in einem Stadtteil präsentiert, eine recht randständige Bedeutung haben. Es bleibt aber auch der Eindruck, dass die Visualisierung des Sozialen im Sinne einer respektvollen Sozialfotografie ein Beitrag zur Rückgewinnung von Selbstbewusstsein sein kann (vgl. Wenders 2014).
Indessen bestehen durchaus belastbare Kooperationen zwischen Kultureller und Sozialer Arbeit. Aus unterschiedlichen, darin aber zusammenlaufenden Perspektiven ihres kommunal-, landes- und bundespolitischen Auftrags zwischen „Staat, Markt und Zivilgesellschaft“ (vgl. Sievers 2014) bieten sie Zugänge zum Erleben und Gestalten ästhetisch-künstlerischen Ausdruckstätigkeit an und begleiten sie fachlich in diesem Prozess. Sie schaffen Verbindungen zwischen den Welten der Biografie angesprochenen Menschen und der Formensprache der Kunst und der „Ästhetisierung der Lebenswelt“ (Bubner 1989). Und kommt es gar zur klinisch-therapeutischen Unterstützung, wie sie etwa in kunsttherapeutischen settings im Umgang mit Essstörungen, Angst oder Sucht bereitgestellt wird, so ist hier eine entsprechende Situation gemeinsamer Betroffenheit im Sinne einer klinischen Indikation wichtig (vgl. Kunsttherapie 2015). Sie schließt keineswegs die Kommunikation mit Nicht-Betroffenen aus dem Bereich bildender und darstellender Kunst aus, macht aber eine entsprechend behutsame, den Diagnosen angepasste und auf die jeweiligen Schwierigkeiten abgestimmte, salutogenetische Vorgehensweise erforderlich. Dass darüber hinaus zwischen klinischen und kulturellen Einrichtungen Verbindungen bestehen, zeigen Initiativen die die künstlerischen Leistungen von PatientInnen aus psychiatrischen und nicht-psychiatrischen Zusammenhängen darstellen, auch solche, die die Grenzen für gewisse Zeiten durchlässiger machen (vgl. Sammlung Prinzhorn 2015).
Damit erstreckt sich die Spannweite der Beziehungen zwischen Kultureller Bildung und Sozialer Arbeit weit. Sie reicht von der Bedingungslosigkeit des Zugangs und der Teilnahme aller an ästhetischer Praxis und den auf eingegrenzte Bedarfslagen abgestimmten settings, in denen der Umgang mit ästhetisch-künstlerischen Inhalten in unterstützender, helfender Absicht betrieben wird. Deutlich wird auch, dass die traditionelle Zuordnung, die verwaltungsmäßig zwischen Bildungssektor und Sozialsektor trennt, nicht hinreicht, um derartige Kooperationen zu erfassen. Es kommt dann zu einem cross-over, Bildung und Soziales arbeiten Hand in Hand.
Unterschiedliche Aufgaben – gemeinsame Möglichkeiten
Soziale Arbeit betreibt die Unterstützung von Menschen bei der Gestaltung ihrer Lebenswelten, dazu gehört der Umgang mit sich selbst, mit den Menschen ihrer Umgebung und mit den Anforderungen gesellschaftlicher Teilsysteme. Kulturelle Bildung betreibt die Unterstützung von Menschen bei der Auseinandersetzung mit ästhetisch-künstlerischen Formen und symbolischen Praktiken. Beide sind daran interessiert, deren Teilhabechancen an sozialen und kulturellen Lebensbereichen wahrzunehmen, zu sichern und zu erweitern, indem sie ihre individuellen Ressourcen und Fähigkeiten auf gegebene Strukturen beziehen, ggf. verändern oder neue entwickeln. In der Sozialen Arbeit spielt Kulturelle Bildung häufig eine nur implizite Rolle, etwa in der Jugendarbeit, der Familienbildung oder der Seniorenarbeit, dabei ist das Recht auf Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben ausdrücklich ein Kernmerkmal sozialer Hilfen und Dienstleistungen. Kulturelle Bildung wird aber oft erst dann explizit zu einer Handlungsaufgabe, wenn es ausdrücklich um die Unterstützung bei der Schaffung von Zugängen zu bestehenden Einrichtungen der Kunst und Kultur und von Gelegenheiten zu eigenen Ausdruckstätigkeit und zur Gestaltung noch nicht etablierter Formen geht, also um die Stärkung der Autonomieanteile ihrer Lebenspraxis.
Unterstützung und Struktur: Kulturelle Bildung zwischen Subjekt und Organisation
Mit dem Begriff der Unterstützung ist die Vielfalt an Vermittlungen von Informationen, Wissen, Erläuterungen und Anregungen innerhalb dieser Auseinandersetzung zu verstehen.
In der Verbindung von Sozialer Arbeit und Kultureller Bildung sind beide auf den sozialen und kulturellen Rahmen verwiesen, in dem diese Unterstützungsweisen stattfinden – also auf geschichtlich, räumlich und zeitlich zu bestimmende Belastungszusammenhänge. Beide beziehen sich darin auf unterschiedliche AdressatInnen, biografische Voraussetzungen und thematische Interessen. Da Kulturelle Bildung als Selbstbildung des Individuums verstanden wird – die auch ohne absichtliche Unterstützung durch Andere geschieht – gilt es, die Wechselbeziehung zwischen kulturellen Anregungsmilieus und individueller Aneignung und Gestaltung im Blick zu behalten. Dazu im Folgenden Genaueres.
Der Begriff Kulturelle Bildung verbindet einen Veränderungsverlauf der Person mit besonderen strukturellen Rahmungen, in denen er stattfindet. Er umfasst also zweierlei, einen subjekttheoretischen und einen organisationstheoretischen Aspekt (vgl. Treptow 2005).
Subjekttheoretisch bezeichnet Kulturelle Bildung Gestaltungs- und Aneignungsverläufe von Menschen im Umgang mit Gegenständen, mit Körperlichkeit und mit symbolischem Ausdruck. Typisch ist dabei die Verbindung von Selbsttätigkeit und Verständigung mit Anderen: Selbsttätigkeit im aktiven Mitvollziehen und Gestalten, Verständigung in Koordinierung und Vergleich von Ähnlichkeit und Differenz. Durch die Erfahrung der Veränderung von Dingen, Bewegungs- und Ausdrucksformen sowie durch das Verstehen von Unterschieden werden subjektive Wahrnehmungs-, Deutungs- und Wissensbestände entwickelt und differenziert. Ästhetische Urteilsfähigkeit, kritischer Vergleich und Erweiterung eigener Gestaltungsfähigkeiten tragen so zur Grundlegung menschlicher Bildung bei. Sie wird verstanden als Vermögen, das Selbst im Horizont kultureller Praxis urteils- und handlungsfähig werden zu lassen. Es kann dadurch am gesellschaftlichen Leben teilhaben und eben jene kulturellen Rahmungen beeinflussen, in denen es sich befindet („Bildung als Lebenskompetenz“, vgl. Bundesjugendkuratorium 2002).
Organisationstheoretisch bezeichnet Kulturelle Bildung die Gesamtheit der Orte, Gelegenheiten und Formen, in denen die Auseinandersetzung mit Gegenständen, Körperlichkeit und symbolischem Ausdruck geschieht. Das Spektrum reicht von den klassischen Institutionen ästhetisch-medialer Praxis (Opern, Theater, Museen u.a.) bis hin zu den vergleichsweise flüchtigen Gelegenheitsstrukturen einzelner Events, Initiativen und Projekte. Kinder, Jugendliche oder Erwachsene können beteiligt sein, indem sie selbst gestaltend tätig und/oder RezipientInnen sind. Der Anteil der mit Begleitungs- und Lehraufgaben betrauten professionell ausgebildeten Fachkräfte unterscheidet sich ebenso wie der Grad der Formalisierung, die das Geschehen strukturell rahmen. Hier reicht das Spektrum von hochgradig formalisierten bis zu non-formalen settings der Selbstorganisation. Kurz: es spannt sich von akademisch erworbener Professionalität der Ausbildung in klassischen Sparten bis zu autodidaktisch erworbener Kompetenz, wobei Hierarchien zwar unterschiedlich durchlässig sind, aber im Kontext gesellschaftlicher Statusdifferenzen prägend sind.
Qualifizierung, Kompetenz, Fort- und Weiterbildung
Im Zuge des Bedeutungszuwachses Kultureller Bildung gerät die Frage nach den Vermittlungs- und Kooperationsformen zwischen Akteuren des ästhetisch-künstlerischen Sektors und unterschiedlichen Gruppen von AdressatInnen – Kinder, Jugendliche, Erwachsene – verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2013; Braun/Fuchs/Zacharias 2015). Längst ist die Vielfalt der Vermittlungsformen ästhetisch-kultureller Sparten mit der Diversität von Adressatengruppen, von Anlässen, Initiativen und Innovationsideen verquickt, so dass sich ein breites, nicht leicht überschaubares Spektrum von Vermittlungskontexten herausgebildet hat. Zugleich lassen sich unterschiedliche Auffassungen darüber beobachten, wie ästhetisch-kulturelle Praktiken hinsichtlich ihrer Legitimation und Zwecksetzung begründet werden. Hier reicht das Spektrum der Kernaufgaben zwischen den an Einübung in traditionelle Gestaltungsformen der Künste orientierten Auffassungen (Ästhetische Praxis als Zweck) und Auffassungen, die in ästhetisch-kultureller Gestaltung eher ein Mittel zur Entwicklung sozialer und instrumenteller Kompetenzen sieht (Ästhetische Praxis als Mittel) (vgl. Treptow 2010). Mischformen sind zu erkennen, die kulturelle Teilhabe als eine Wechselbeziehung von Gestaltungsprozess und Produkt verstehen und jeweilig unterschiedliche Zugangsbedingungen ausformen. Dies geschieht teils in niedrigschwelliger, teils in der hochselektiven Absicht, etwa der Talentförderung. Die dabei erkennbaren Zielsetzungen sind im Spektrum von Fort- und Weiterbildung als Kompetenzerwerb für ästhetische performance und als Medium zur Generierung eher psychosozialer Kompetenzen angeordnet, in denen die Prozessqualität sozialer Interaktion und der Gewinnung von Selbstkompetenz einen hohen Stellenwert hat und Kriterien der Produktqualität relativiert werden (vgl. Treptow 2008a; 2010; 2012). Die Qualifizierung von Fachkräften hat also auf kulturelle Diversität, Generationenspezifik und Kooperationsfähigkeit zwischen Sozial- und Kultursektor hinzuwirken. In ihr laufen mindestens zwei Prozesslinien zusammen: das vielfältige „Arrangieren“ (Lindner 2014) ästhetischer Formgebung und das der sozialen Verständigung, die Orientierung am Produkt und am Prozess. Gerät die Produktorientierung in den Vordergrund, kann dies Motivation, aber auch Resignation befördern; ist es die Prozessorientierung, wird dem Gelingen keineswegs immer die höchste Wertschätzung zuteil; vielmehr ist es die Zuwendung zur Praxis des Versuchen, zur Produktivität des Scheiterns und vor allem zur Anerkennung der Person – über alles scheinbare Misslingen hinweg.