Dom kultury – Maison de la Culture – Kulturhaus und Soziokultur
Potenziale eines traditionsreichen Kulturorts für die ländliche Gesellschaft im deutsch-französisch-polnischen Vergleich
Abstract
Kulturhäuser haben in Europa eine lange Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht und sich aus der Arbeiter*innen- und Volksbildungsbewegung speist. Meist ist mit ihrer Idee ein niedrigschwelliges, teilhabeorientiertes Kulturverständnis oft auch ein utopisches Moment verbunden.
In Deutschland assoziieren wir mit diesem Einrichtungstyp zuallererst die Kulturhäuser der DDR und verbinden diese mit den Möglichkeiten eines breiten, nahräumlichen Kulturangebots, vor allem auch in infrastrukturschwachen ländlichen Regionen, gleichzeitig mit den Repressalien einer sozialistischen Diktatur. Ende der 1980er Jahre existierten 1.838 Kulturhäuser und Klubs in der DDR, nach der Wende wurden sie größtenteils abgewickelt. Einige sind soziokulturelle Zentren geworden, diese gab es seit den 1970er Jahren in der alten Bundesrepublik, jedoch mit einer ganz anderen Ausrichtung. Der Blick nach Polen und Frankreich zeigt, dass es auch dort moderne Kulturhausmodelle gibt, die zum Teil an andere Ideale geknüpft sind. In Frankreich der 1960er Jahre wurden den Kulturhäusern – in Anknüpfung an die Arbeiter*innen- und Volksbildungsbewegung – die Rolle der Vermittler von Kultur und Bildung zugeschrieben. Sie sollten zur Dezentralisierung und Demokratisierung des Kulturgeschehens beitragen. Vom Kulturministerium initiierten Maison de la culture prägen bis heute die Kulturlandschaft Frankreichs. In Polen hat das heutige Kulturhaus seinen Ursprung im „Volkshaus“, „Gemeinschaftshaus“ des 19. Jahrhunderts und ist in der Tradition der Bildung, Unterhaltung und Ermächtigung der Bürger*innen verwurzelt. Nach 1989 wurden in Polen die Kulturhäuser neu konzipiert, wiederbelebt und spielen in der Gegenwart eine zentrale Rolle für das Kulturleben auch jenseits der großen Städte.
Gemeinsam ist der Idee von Kulturhäusern die Polyvalenz, also verschiedene Arten von Kulturveranstaltungen und künstlerischen Zugängen unter einem Dach, und der Anspruch, dass der Besuch zu einer wie auch immer gearteten Gemeinschaftsbildung beitragen soll. Ihre weitere Ausprägung ist im deutsch-französisch-polnischen – und deutsch-deutschen – Vergleich allerdings sehr unterschiedlich und ihre heutige gesellschaftliche Rolle je nach Land eine andere. Der Artikel analysiert die jeweiligen Besonderheiten der Kulturhaus-Bewegung und fragt danach, wie beteiligungsorientierte Kulturhäuser die Gesellschaft in ländlichen Räumen mitgestalten können.
Einleitung
Der Artikel geht der Vergangenheit und Gegenwart von Kulturhäusern in Deutschland, Polen und Frankreich nach und fragt nach ihrem Potenzial für die Zukunft ländlicher Räume. Welche Ursprünge haben sie, wie sind sie organisiert und vor welchen Herausforderungen stehen sie heute? Welche beteiligungsorientierten Konzepte und Strategien gibt es? Neben Einblicken in die Geschichte der Kulturhäuser in den drei Ländern, ergänzt durch eine soziokulturelle westdeutsche Perspektive, zeigen zwei konkrete Beispiele aus Polen und Frankreich, warum dort Kulturhäuser weiterhin von Bedeutung sind.
In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) waren Kulturhäuser Institutionen, gerade in kleinen Städten und Dörfern, in denen sich ein großer Teil des kulturellen Lebens abspielte. In der alten Bundesrepublik wurden mit den soziokulturellen Zentren bürgerschaftlich organisierte Orte für nahräumliche Stadtteil- und Alltagskultur einschließlich politischer Bewegungen geschaffen.
Durch die Analyse der strukturellen und kulturpolitischen Rahmenbedingungen sowie der Ziele und der Nutzung dieser Kulturhäuser und den Vergleich mit den soziokulturellen Zentren in der BRD werden Möglichkeiten für die Gestaltung aktueller teilhabeorientierter Kulturorte, vor allem in ländlichen Regionen, aufgezeigt.
In Frankreich prägen in der Tradition der französischen Kulturhäuser – vom Kulturministerium geförderte Kulturzentren und Bühnen – noch heute die Kulturlandschaft. Dabei geht es nach wie vor um Ansätze der Demokratisierung und Dezentralisierung von Kultur. Diese „Scènes Nationales“ haben neben dem zeitgenössischen Kunstschaffen auch einen Vermittlungsauftrag und begreifen sich als Orte der Begegnung.
In Polen wurden die Kulturhäuser nach 1989 neu konzipiert, wiederbelebt und spielen bis heute eine zentrale Rolle für das Kulturleben auch jenseits der großen Städte. Viele Häuser setzen vor allem auf Partizipation: Sie regen lokale Gemeinschaften zum Handeln an und inspirieren die Menschen dazu, ihr regionales Kulturerbe zu pflegen und neu zu leben.
Das voneinander Lernen über europäische Grenzen hinweg führt im besten Fall zur Weiterentwicklung und Stärkung von Kulturorten in ländlichen Räumen. Es können daraus Impulse erwachsen, eine lebendige Kulturlandschaft zu gestalten: zeitgemäß, beteiligungsorientiert, weltoffen und unter gleichzeitiger Wertschätzung der regionalen Tradition.
Deutschland: Kulturhäuser der DDR und soziokulturelle Zentren der BRD (Birgit Mandel)
Kultur für alle und mit allen als staatlicher Auftrag oder als zivilgesellschaftliche Alternativbewegung. Ein Vergleich der Arbeit in den Kulturhäusern der DDR und den soziokulturellen Zentren der BRD
Nachfolgend wird dargestellt, wie sich jenseits der klassischen Kultureinrichtungen in Deutschland nach 1945 sowohl in der DDR als auch der BRD neue, niedrigschwellige Einrichtungen entwickelten, die das Ziel hatten, Kunst, Kultur und Alltag eng zusammenzubringen. Welche Unterschiede gab es dabei zwischen den Systemen, wie entwickelten sich die Einrichtungen nach der Wende und welche Perspektiven haben sie heute?
„Erstürmt die Höhen der Kultur!“ – staatlich verordnete, chancengerechte kulturelle Teilhabe in der DDR
Kulturelle Angebote waren in der DDR flächendeckend und nahräumlich verankert – in allen Lebensbereichen, vom Kindergarten bis zum Altersheim: „Die Teilnahme am Kulturleben war Teil der verordneten politischen und sozialen Praxis.“ (Wolfgang Thierse in: Mandel/Wolf 2020:215)
Nach 1945 wurden nach sowjetischem Vorbild nicht nur ein breites Netz von hochkulturellen Angeboten einschließlich erster eigenständiger Kinder- und Jugendtheater sowie Kinderbibliotheken entwickelt, sondern auch Kulturpaläste und Kulturhäuser. Zum Ende der DDR gab es insgesamt 1.838 Kultur- und Klubhäuser mit einem breit gefächerten Angebot sowie 962 Jugendklubs (vgl. Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik 1989).
„Dieses Land mit seinen begrenzten ökonomischen Ressourcen gab, bezogen auf die Zahl der Einwohner, für Kultur- und Bildungseinrichtungen schon seit den fünfziger Jahren etwa doppelt so viel Geld aus wie die Bundesrepublik.“ (Dietrich 2018:7). Dass der Staat Kultur nicht nur zu fördern, sondern sich auch um die Vermittlung in die Breite der Bevölkerung zu kümmern habe, war seit 1968 in der Verfassung der DDR verankert. Denn die Rezeption von Kunst und Kultur ebenso wie das eigene kulturelle und künstlerische Schaffen galten als substanziell bei der Herausbildung einer umfassend gebildeten, sozialistischen Persönlichkeit:
„Es gab das Hochkulturmotiv und das Breitenkulturmotiv: Hochkulturmotiv bedeutete Hochkultur für jedermann. Das Breitenkulturmotiv ist sozusagen die andere Seite, die Arbeiter, Werktätigen, Bauern für die Kultur nicht nur zu interessieren, sondern auch zum selbsttätigen kulturellen Schaffen anzuregen. Immer unter der Vorstellung, dass ein breites Kulturverständnis, eine breite Kulturpropaganda, eine breite Kulturvermittlung natürlich erstens zur Bildung der Leute beitragen sollte und zweitens die Produktivität steigern sollte.“ (Gerd Dietrich in Mandel/Wolf 2020:221).
Dabei unterschied sich das Kulturleben in der DDR von dem in der alten Bundesrepublik vor allem durch die hohe Bedeutung der betrieblichen Kulturarbeit. In allen staatlichen Betrieben gab es kulturelle Aktivitäten innerhalb der Arbeitseinheiten, den Brigaden, die ein weites Spektrum von Kulturaktivitäten, von gemeinsamen Theater- oder Museumsbesuchen bis zur kulturellen Gestaltung von Betriebsfeiern durchführten. In den Betrieben gab es „Zirkel“ für eigene handwerkliche oder künstlerische Aktivitäten, wie Nähen, Chorsingen, Kabarett und Theater, Fotografieren oder Schreiben. Häufig fanden die Aktivitäten sogar innerhalb der Arbeitszeit statt, oft wurden sie von professionellen Künstler*innen angeleitet. Seit 1959 gab es jährliche Arbeiterfestspiele, um Anreize und Sichtbarkeit für das „Künstlerische Volksschaffen“ zu ermöglichen. Alle Kultureinrichtungen hatten langfristige Kooperationen und Patenschaften mit großen Betrieben ebenso wie mit Kindergärten und Schulen.
Kulturhäuser in der DDR als nahräumliche, flächendeckende, breitenkulturelle Versorgung
Kulturhäuser und Klubs wurden in den 1950er Jahren zunächst von den Betrieben und der Gewerkschaft FDGB für ihre Arbeiter*innen und Angestellten vorgehalten, später auch für die Bevölkerung vor Ort geöffnet. Darüber hinaus wurden vor allem in ländlichen Regionen Kulturhäuser als kulturelle Treffpunkte eingerichtet. Nachdem anfänglich politische Funktionär*innen die Klubs organisierten, gab es seit 1956 ein Fern-, später auch Präsenzstudium für Kultur- und Klubhausleiter*innen an der Fachschule Meißen-Siebeneichen mit bezirklichen Zweigstellen überall im Land (vgl. Groschopp 1993:97). Zudem wurden professionelle Künstler*innen in den Häusern engagiert, um Kunstzirkel für Amateur*innen anzuleiten. Es gab ein breites Spektrum an Zirkeln wie Handarbeiten, Sprach- und Kochkurse, Zeichnen, Fotografie, Artistik, Pantomime, Zauberkunst, Blasmusik, Film, Kabarett, Musiktheater, Karnevalsklubs, Preisskat. Das zeigt, dass den Kulturhäusern ein breiter Kulturbegriff zugrunde lag, der Alltagskultur, populäre Unterhaltungskultur ebenso wie klassische Hochkulturveranstaltungen umfasste. Nicht zuletzt mussten auch immer politische Propaganda-Veranstaltungen in Form von Vorträgen und Lesungen im Programm vorkommen. „Kulturhäuser und Klubs bildeten quasi kulturelle Stützpunkte im zu veredelnden Alltag des Volkes. (…) Sie waren nahräumliche Zentren für politische, wissenschaftliche und künstlerisch-ästhetische Bildung sowie niveauvolle Unterhaltung.“ (Groschopp 1993:86).
Dabei zeigte sich in den Berichten der Klubleiter*innen, dass Tanzveranstaltungen in allen Kulturhäusern am beliebtesten waren, während politische Vorträge eher abgelehnt wurden:
„Das Interesse der Jugend war Disko, Disko, Disko. (...) Wenn nur Vorträge oder andere theoretische Veranstaltungen organisiert wurden, dann hatten wir das Problem, Besucher zu finden. (...) Es gab Preisskat mit 100 Besuchern und Buchlesungen mit nur fünf Interessenten. (...) Die Werktätigen wollten gesellig zusammen sein. Da konnte man dann das andere mit einpacken, was sein musste. Aber direkt aufzwingen ließen wir uns als Klubleiter nichts. Es musste ja funktionieren, das heißt, die Leute mussten ja kommen.“ (Franz Kuchina/Kulturhaus Küstrin Kietz in: Ruben 1994:182).
Vor allem auf dem Land wurden traditionelle kulturelle Feste in die Kulturhausarbeit integriert wie Erntefeste, Märkte, Karneval, Kirmes, aber auch Feiern zum Frauentag, Jugendweihe, Weihnachten. Angestrebt wurde eine hohe ehrenamtliche Beteiligung der Dorfbevölkerung, die sich nur dann erreichen ließ, wenn man bei ihren Interessen ansetzte (vgl. Sächsisches Staatsarchiv, Abschlussarbeit Ausbildung Kulturarbeit Meißen-Siebeneichen 1979).
„Anfänglich werden die Klubs und Kulturhäuser als originär sozialistische Kultureinrichtungen gesehen und überfordert. Dann sind sie eingebettet in das Ideal einer neuen Volkskultur, die mittels kultureller Massenarbeit den ‚neuen Menschen‘ erzieht und Kunst und Leben vereint – gedacht als der große Unterschied zu Westdeutschland. Schließlich wurden die realen Bedürfnisse der Leute und deren Drang nach Geselligkeit entdeckt und manche Kulturhäuser sogar zu Gaststätten mit Kulturbetrieb.“ (Groschopp 1994:100).
Die Mission, komplexe (Hoch-)Kulturangebote für alle attraktiv zu machen ebenso wie die Idee des reflektierten, kreativen „Schreibenden Arbeiters“, erwies sich auch in der DDR als illusorisch. Doch aufgrund der vielen Angebote, die bequem und alltagsnah – vor allem durch das breite Netz an Kulturhäusern – vorgehalten wurden und immer auch mit sozialen Begegnungen verbunden waren, war die Distanz zwischen Kunst und Leben in der DDR gering. Alle kamen mit einem breiten Spektrum an Kunst und Kultur in Berührung, an alle wurde der Anspruch gestellt, sich kulturell zu betätigen, und vielfach konnten dadurch auch neue kulturelle Interessen entwickelt werden. „Es ist auch in der DDR nicht gelungen, Beethoven volkstümlich zu machen. Die DDR-Bürger waren nicht kultureller als die Westbürger, aber sie haben diesen Anspruch kennengelernt, dass man kulturvoll leben sollte. Und das war ein selbstverständlicher Anspruch. Kultur war keine Privatsache.“ (Christel Hoffmann in: Mandel/Wolf 2020:123)
Interviews mit Zeitzeug*innen und Expert*innen zeigen, dass es hingegen kaum gelang, staatliche politische Propaganda über die kulturelle Arbeit zu implementieren, denn diese wurde von der Bevölkerung sofort entlarvt und tendenziell ignoriert. Stattdessen wurde die Mehrdeutigkeit der Künste für eigene kritische Botschaften genutzt und die Fähigkeit, „zwischen den Zeilen zu lesen“ in der breiten Bevölkerung herausgebildet. „Man hat in der DDR Mechanismen entwickelt, um diese staatlichen, ideologischen Vorschreibungen zu umgehen. Künstlerische und kulturelle Arbeit lässt sich nur bedingt instrumentalisieren, da sie von Freiheit und Kreativität geprägt ist und meistens Wege findet, Dinge geschickt zu umgehen oder zu codieren und sich dadurch neue Freiheiten zu verschaffen.“ (Birgit Jank in Mandel/Wolf: 228). Die Infrastruktur der staatlichen Kulturhäuser wurde auch genutzt, um eigene kulturelle Freizeitinteressen umzusetzen.
Soziokulturelle Zentren in der BRD als zivilgesellschaftliche Alternativ-Kulturbewegungen
Die soziokulturellen Zentren in Westdeutschland hatten ebenso den Anspruch, Orte einer Kultur für und vor allem von allen zu sein, allerdings in deutlicher Abgrenzung von öffentlicher Kulturpolitik. Sie entwickelten sich in den 1970er Jahren als „alternative“ Gegenbewegung zivilgesellschaftlicher Initiativen zu einem als elitär empfundenen öffentlichen Hochkulturbetrieb und in kritischer Abgrenzung zum kapitalistischen Gesellschaftssystem. Ihre Entwicklung war eng verbunden mit der „Neuen Kulturpolitik“ (vgl. Glaser/Stahl 1974), in deren Kontext sich auch die Kulturpolitische Gesellschaft mit dem Ziel der Erweiterung einer engen, auf hochkulturelle Einrichtungen begrenzten Kulturförderpolitik gründete, wie sie in der BRD vorherrschend war. Mit dem Credo „Kultur für alle“ sollte eine chancengerechtere kulturelle Teilhabe ermöglicht werden, die nicht nur die bildungsbürgerlichen Milieus erreicht (Hoffmann 1979). Bis zur Wiedervereinigung 1990 gründeten sich ca. 400 soziokulturelle Zentren in der alten Bundesrepublik, mehrheitlich aus zivilgesellschaftlichen Initiativen, seit 1979 politisch unterstützt durch die damals gegründete Bundesvereinigung Soziokultur. Häufig wurden leerstehende ehemalige Industriegebäude gesucht, die als neue Kulturorte umgenutzt wurden und sich auch äußerlich deutlich von den hochkulturellen Häusern unterschieden. Mehrheitlich entstanden die ersten soziokulturellen Zentren in Großstädten.
Vor allem in der Anfangszeit zeichneten sich die Zentren dadurch aus, dass sie basisdemokratisch und selbstverwaltet „von Bürger*innen und für Bürger*innen“ organisiert waren und sich tendenziell als kritische Gegenöffentlichkeit zum herrschenden politischen System verstanden. Viele der kulturellen Aktivitäten und Angebote waren mit politischen Anliegen verbunden: Kunst, Kultur, Politik, Soziales, Ökologie/Umweltbewegung wurden in der Soziokultur zusammen gedacht, Kultur und Alltag niedrigschwellig verbunden (vgl. Dallmann 2014). In den Zentren gab und gibt es in der Regel ein breites Angebot an Rock-, Pop- und Weltmusikkonzerten, politischem Kabarett, freien Theatergruppen, Partys, Festen, Flohmärkten sowie vielfältigen praktischen Workshops. Auch in den soziokulturellen Zentren sollte die kreative, ästhetische Eigentätigkeit von Menschen angeregt werden. Viele Zentren boten Probenräume, Ateliers und vor allem Infrastruktur für diverse Bürgerinitiativen an.
Ab Mitte der 1980er Jahre lässt sich eine zunehmende Professionalisierung der soziokulturellen Zentren in der BRD durch Einstellen von hauptamtlichem Personal und zugleich eine Entpolitisierung beobachten (vgl. Sievers 2014; Molck 2023). Die Zentren entwickelten sich zu professionellen Kulturorten mit Gastronomie und einem breiten Spektrum an eher populären Veranstaltungen. Dies war auch deswegen notwendig, weil sie als Institutionen des gemeinnützigen Sektors im Unterschied zu den vielen öffentlichen Kultureinrichtungen knapp 50% ihrer Mittel selbst erwirtschaften mussten und noch immer müssen: Soziokulturelle Zentren erhalten 0,7% der Gesamtförderung für Kultur im Vergleich zu 35% für Theater und klassische Musik (vgl. Statistik 2022 Bundesverband Soziokultur). Denn trotz der Diskurse der Neuen Kulturpolitik hatte sich Kulturpolitik in der BRD in ihrer hochkulturellen Ausrichtung nur geringfügig verändert. Zwar wurden auch soziokulturelle Einrichtungen, Jugendkunstschulen und die „Freie Szene“ im Sinne einer „additiven Kulturpolitik“ zunehmend öffentlich gefördert, im Verhältnis zu den Theatern, Konzerthäusern, Museen jedoch nur minimal.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede: Kulturhäuser in der DDR und soziokulturelle Zentren in der BRD
Was die Einrichtungen in Ost und West verband, war der Ansatz, verschiedene Künste und Kulturformen unter einem Dach zu vereinen und sowohl Orte der Kulturrezeption als auch für künstlerisch-kulturelle Produktion von Amateur*innen zu sein, auf der Basis eines breiten Kulturverständnisses: niedrigschwellig, alltagsnah und nahräumlich verankert.
Zentrale Unterschiede gab es in der politischen Steuerung: Die Kulturhäuser in der DDR waren staatlich organisiert, staatlich finanziert und staatlich kontrolliert. Soziokulturelle Zentren in der BRD waren hingegen gemeinnützige, bürgerschaftliche, basisdemokratische Initiativen und alternative Kulturorte, erkämpft mit ehrenamtlichem Engagement und prekären Arbeitsverhältnissen.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied bestand darin, dass Kulturhäuser in der DDR von allen Bevölkerungsgruppen und allen sozialen Milieus genutzt wurden. Es gab klassische Kulturangebote ebenso wie breitenkulturelle Aktivitäten und Raum für traditionelle Feste, bei denen alle zusammenkamen. Soziokultur in der BRD war hingegen auf bestimmte, links-alternative Milieus fokussiert mit Öffnung und spezifischer Einladung hin zu als benachteiligt geltenden oder unterrepräsentierten sozialen Gruppen wie Arbeitslose, Alleinerziehende, bestimmte Migrant*innengruppen (vgl. Knoblich 2016).
Entwicklung der Kulturhäuser und der Soziokultur nach der Wende und Perspektiven
Nach der Wiedervereinigung 1990 wurden die klassischen (Hoch-)Kultureinrichtungen der DDR mit Absicherung durch einen eigenen Kulturparagraphen (Artikel 35) im Einigungsvertrag fast alle weitergeführt. Ein Großteil der über 1.800 Kulturhäuser wurde hingegen nach der Wende abgewickelt, denn zu diesen gab es kein unmittelbares Äquivalent in Westdeutschland. Breitenkultur und Populärkultur überließ man in den alten Bundesländern traditionell dem Ehrenamt bzw. dem freien Markt, entsprechend dem impliziten Paradigma von U-Kultur als minderwertiger Unterhaltungskultur und E-Kultur als komplexer Hochkultur, die staatlich erhalten werden muss, unabhängig von Publikumsbedürfnissen.
Einige Kulturhäuser der DDR konnten durch das Engagement professioneller Kulturschaffender vor Ort und durch Unterstützung der westdeutschen, soziokulturellen Lobbyverbände überleben und sich unter dem Begriff der Soziokultur neu formieren, auch wenn sie sich von der Soziokultur in Westdeutschland unterschieden: Passender für die ostdeutschen Zentren wäre der Begriff der Breitenkultur gewesen, aber dafür gab es keine unterstützenden Strukturen in der alten Bundesrepublik, so konstatierte Horst Groschopp (Groschopp 1994:96). Gründungsmotivation der soziokulturellen Zentren in den neuen Bundesländern war nicht Widerstand gegen herrschende Strukturen, sondern der pragmatische Wunsch, eine Infrastruktur erhalten zu können, die auf Eigenbetätigung, Kreativität und kulturelles Experiment setzt (vgl. Knoblich 2016:159). Oft geschah die Gründung im Zusammenspiel und mit finanzieller Unterstützung durch kommunale Kulturpolitik.
Eine neue Erfahrung für die Ost-Professionellen waren die prekären Arbeitsverhältnisse und das Erfordernis zusätzlichen ehrenamtlichen Engagements (vgl. Knoblich 2016:159f.). Obwohl sie gemeinnützige Ziele verfolgen, müssen die soziokulturellen Zentren knapp die Hälfte ihres Budgets selbst erwirtschaften (42%), nur 9% der Mitarbeitenden sind fest angestellt, 59% sind ehrenamtlich tätig (vgl. Statistik Bundesverband Soziokultur 2022). Dies erweist sich aktuell mit dem Generationenwechsel als große Herausforderung, weil jüngere Kulturschaffende nicht mehr bereit sind, unter solchen prekären Bedingungen zu arbeiten (vgl. Kegler/Walther 2023 sowie Molck 2023).
Tobias Knoblich zeigt in seiner vergleichenden Ost-West-Analyse der gegenwärtigen soziokulturellen Einrichtungen, dass in den Ost-Zentren Kinder und Jugendliche einen höheren Stellenwert haben und dass es dort auch mehr künstlerische Angebote verschiedener Genres gibt, weil man sich nicht abgrenzen muss gegen eine bildungsbürgerliche Programmatik: „Für die ostdeutsche Spielart der Soziokultur bleiben zwei wichtige Differenzen maßgeblich: die stärkere und weniger durch eine Abgrenzung zum bürgerlichen Kunstbetrieb belastete Hinwendung zur Kunst sowie die starke Befassung mit Kinder- und Jugendkulturarbeit und dem Thema Bildung.“ (Knoblich 2016:162).
Aktuell gibt es in Deutschland insgesamt 566 Mitgliedszentren in der Bundesvereinigung Soziokultur, davon immerhin 262 in den neuen Bundesländern (vgl. Bundesverband Soziokultur 2023).
Perspektiven für die soziokulturellen Häuser
Seit einigen Jahren wird ein Trend zur „Soziokulturalisierung des Kultursektors“ in Deutschland konstatiert: Auch die klassischen Kultureinrichtungen versuchen zunehmend, über partizipative Projekte und die Ausweitung ihrer Aktivitäten in soziale und kulturelle Bildungsbereiche ihren Kontakt mit der Stadtgesellschaft zu verbessern. Denn Besucher*innenrückgang, Alterung und weitere Homogenisierung ihres Publikums gefährden zunehmend die Legitimität dieser Einrichtungen. Viele „hochkulturelle“ Einrichtungen versuchen unter dem Leitbild des „Dritten Orts“ ihre Räume und Infrastruktur als niedrigschwelligen Treffpunkt für die Bevölkerung zu öffnen.
Zu Recht wird diese Tendenz von den Akteur*innen der Soziokultur kritisch betrachtet, denn nun wird mit hohen öffentlichen Fördermitteln das kopiert, was sie selbst seit vielen Jahren unter prekären Bedingungen leisten. Zugleich ist das zunehmende soziale Engagement von Kultureinrichtungen ein sehr gutes Zeichen für kulturelle Teilhabe in Deutschland: Nur dann, wenn sich Kulturpolitik und Kultureinrichtungen von einem elitären und normativen Kunstverständnis lösen, können die Einrichtungen Wirkungen in die Breite der Gesellschaft erzielen und am sozialen Zusammenhalt mitwirken. In einer auseinanderfallenden Gesellschaft müssen auch die klassischen, öffentlich geförderten Kultureinrichtungen soziale Verantwortung übernehmen. Menschen mit den Mitteln von Kunst und Kultur zusammenzubringen, die sich sonst nicht mehr begegnen, erweist sich als zentrale Herausforderung. Hinzu kommt die wesentliche Frage, wie sich Ökologie und Nachhaltigkeit sowie gerechtere soziale Verhältnisse umsetzen lassen und inwiefern kulturelle Einrichtungen diesen Kulturwandel unterstützen können.
Kulturhäuser und soziokulturelle Zentren haben langjährige Erfahrungen, auf welche Weise dies gelingen könnte: Ein nicht normativer Kulturbegriff, pro-aktive Einladung und Einbeziehung unterschiedlicher sozialer Gruppen, Selbermachen und Ehrenamt sowie die Zurverfügungstellung öffentlicher Räume sind wesentliche Dimensionen. „Das Geben von Freiräumen, das Aufmachen, Einladen, Zuhören, Ermutigen und Empowern ist eine ganz eigene Kompetenz der Soziokultur“, so formuliert es das neu entwickelte Manifest einer jungen Generation von Soziokultur-Schaffenden (Manifest der Soziokultur in NRW).
Kulturhäuser in Frankreich – Maisons de la Culture (Julia Effinger)
Kulturhäuser als Strategie einer Kulturpolitik der Demokratisierung und Dezentralisierung
Kulturhäuser (Maisons de la culture) in Frankreich sind eng mit dem Amtsantritt des ersten französischen Kulturministers André Malraux ab 1959 verbunden. Er knüpfte mit seiner Idee der Kulturhäuser an eine doppelte Tradition an: sowohl an die im Zuge der Arbeiter*innen- und Volksbildungsbewegung entstandenen Kulturhausinitiativen mit einem Kulturdemokratisierungsanspruch als auch an die französischen Dezentralisierungsbewegungen im Kulturbereich.
Wie überall in Europa wurde um die Wende zum 20. Jahrhundert auch in Frankreich das Ideal der Emanzipation durch Kultur formuliert – und nach dem Ersten Weltkrieg entstanden auf bürger- und gewerkschaftliche Initiativen hin Volkshäuser und Volksuniversitäten als polyvalente und pluridisziplinäre Kulturzentren. 1934 gründete die kommunistische Intellektuellen-Vereinigung der „revolutionären Künstler und Schriftsteller“ das erste Kulturhaus unter diesem Namen in Paris. Parallel dazu entwickelten sich zunehmend Initiativen zur Dezentralisierung von Kunst und Kultur, ein weitreichender Impuls im zentralistisch organisierten Frankreich. Beides wurde unter dem linksgerichteten Regierungsbündnis Volksfront (Front Populaire) in den Dreißigerjahren noch verstärkt. Daran knüpfte auch das Vichy-Regime von 1940 bis 1944 mit seinen Maßnahmen an, Kultur in den Regionen zu stärken und damit auch das Kulturschaffen von Künstler*innen und Amateur*innen vor Ort zu fördern: In jeder Region sollte ein Kulturhaus entstehen (vgl. Roger 2021).
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurden von renommierten Theaterleuten nationale Theaterzentren im ganzen Land gegründet, eine Bewegung, an die die noch junge Kulturpolitik anknüpfte. Das Gründungsdekret des Ministeriums für kulturelle Angelegenheiten 1959 formulierte den Auftrag, Kunst, Kultur und kulturelles Erbe „einer größtmöglichen Anzahl von Franzosen zugänglich zu machen“ und „Kunst- und Kulturschaffen zu fördern“ (Poirrier 2016:247). Hieraus wurde sowohl die Demokratisierung des Kulturangebots als auch dessen Dezentralisierung abgeleitet. Es führte auch das in der Präambel der französischen Verfassung vom 27. Oktober 1946 verbriefte Recht weiter, das in Artikel 13 den „Zugang aller zur Kultur“ garantiert (Poirrier 2016:201). Malraux setzte das Recht auf Kultur – und zeitgenössische Künste – für alle, unabhängig von Wohnort und sozialer Schicht, sogar mit dem Recht auf Bildung gleich: „Es geht darum, dass jedes Kind in Frankreich ein Recht auf Gemälde, Theater, Kino etc. hat, so wie es auch ein Recht auf das Alphabet hat.“ (Malraux 1966).
Der Anspruch der Demokratisierung des Kulturangebots war also Legitimationsbasis für Malraux‘ Kulturpolitik; als Strategie zur Umsetzung dieser Politik entwickelte er einen neuen Typ von Kulturhäusern. Diese sollten flächendeckend im ganzen Land gegründet werden, eines pro Département – staatliche Verwaltungseinheit und Gebietskörperschaft, oberhalb der Gemeinde, also insgesamt etwa 95 (Malraux 1959). Das Angebot sollte nicht auf eine Kunstsparte spezialisiert sein, was auch eine architektonische Herausforderung darstellte, denn Ausstellungen, Theater, Kino, Tanz und Musik etc. sollten einem sehr hohen künstlerischen und professionellen Qualitätsanspruch genügen. Neben den Kosten teilten sich das Kulturministerium und die Kommunen jeweils auch die Verantwortung für die Kulturhäuser. Zum Teil entstanden neue Bauten, aber meist orientierten sie sich an bestehenden Initiativen vor Ort. 1961 wurde das erste dieser neuen Art von Kulturhäusern in Le Havre eröffnet.
Kulturhäuser ohne Kulturvermittlung und als „moderne Kathedralen“
Malraux zog zwar eine Analogie zwischen Kultur und Bildung, doch bedeutete die Gründung des Ministeriums und seine ideologische Ausrichtung einen Bruch sowohl mit der Volks- und Jugendbildung als auch mit der Institution Schule. Jegliche Art von Kulturvermittlung wurde abgelehnt, die Kunst sollte unmittelbar wirken, ohne Erklärung oder Mittlerpersonen zu benötigen. Jede*r sollte einen Zugang erhalten, doch das war zunächst physisch gemeint, bezog sich also z.B. auf einen bezahlbaren Eintrittspreis und die Erreichbarkeit nahe am Wohnort. Die Pariser „Hochkultur“ sollte im ganzen Land gesehen werden können: Meisterwerke aus dem Louvre wurden beispielsweise bei der Eröffnung des Kulturhauses 1966 in Amiens gezeigt, die Regisseur*innen Ariane Mnouchkine und Jean-Luc Godard präsentierten dort wenig später ihre zeitgenössischen Werke. Entsprechend dieser Hierarchisierung wurde alles außen vorgelassen, was Amateurkunst, Vereinswesen oder lokale Tradition war. Malraux vertrat ein universelles Verständnis von Künsten und Kulturerbe: Jeder Mensch könne durch einen „ästhetischen Schock“, in der persönlichen Begegnung mit der Kunst, einen Zugang zu ihr erhalten und dabei eine Art Transformation und Offenbarung erleben. Und mehr noch: Die vor der Kunst versammelten Menschen erführen eine Verbindung miteinander, die gemeinsame Kulturrezeption sollte schichtübergreifend zur Gemeinschaftsbildung beitragen (vgl. Urfalino 2004:36). Dem liegt nahe, Kultur mit Religion und Kulturhäuser mit Kirchen zu vergleichen: „Kulturhäuser sind dabei, moderne Kathedralen zu werden, bloß ohne Religion. Orte, an denen die Menschen zusammenkommen, um dem Besten in ihnen zu begegnen.“ (Malraux 1966).
Diese als elitär empfundene Kultur aus der Zentrale Paris rief eine Gegenbewegung von Seiten der Kommunen hervor und mündete in einer Auseinandersetzung zwischen Hoch- und Volkskultur: zwischen der vom Ministerium garantierten künstlerischen Qualität und Freiheit einerseits und dem Anspruch der Kommunen, die Kultur vor Ort breiter zu unterstützen andererseits (Uralino 2004:144 ff). Der neu gegründete Verband der kommunalen Kulturzentren (FNCC) wollte eine Anerkennung und Förderung anstelle der Kulturhausinitiativen durch das Ministerium erreichen, was aber nicht gelang (Urfalino 2004:159).
„Scheitern“ des Modells der französischen Kulturhäuser?
Nach einer Blütezeit des Kulturhausmodells von Malraux in den 1960er Jahren trat in den 1970er Jahren eine Ernüchterung ein, sowohl von ideologischer als auch von finanzieller Seite. Spätestens seit der 1966 von Pierre Bourdieu und Alain Darbel veröffentlichten Studie zum Museumspublikum „Die Liebe zur Kunst: Europäische Kunstmuseen und ihre Besucher“ war die Illusion der Gewinnung eines neuen Publikums ohne jegliche Vermittlungsarbeit bzw. ohne Vorwissen und Bildung offenkundig. Der Zusammenhang zwischen sozialer Gesellschaftsschicht und der Kulturpraxis wurde auch breiter bekannt: „Weit davon entfernt, die Funktion zu erfüllen, die eine gewisse Verklärung der „Volkskultur“ ihm zuweist, bleibt das Kulturhaus das Haus der gebildeten Menschen.“ (Bourdieu 1966:344)
Zudem erklärten 1968 die Kulturhausleiter*innen und Theaterdirektor*innen gemeinsam öffentlichkeitwirksam den Demokratisierungsanspruch des Ministeriums für gescheitert, mit dieser bildungsbürgerlichen Hochkultur würden ganze Bevölkerungsgruppen nicht erreicht: das „Nicht-Publikum“ (Urfalino 2004:241). Das Erlahmen der Kulturhausbewegung in den 1970er Jahren hatte letztendlich auch ganz pragmatische Gründe: Sie waren zu teuer, weder das Ministerium noch die Kommunen konnten dem Anspruch entsprechend Bau und Unterhalt weiter finanzieren. Das Zwischenfazit: 1968 existierten sieben Kulturhäuser, sechs waren im Bau und neun in Planung.
Malraux verließ nach zehn Jahren und mit einem Regierungswechsel das Ministerium und es wurden nun kleinere und leichter zu handhabende Kulturhäuser unter anderem Namen gegründet: Kulturaktionszentren (Centres d’action culturelle, CAC), nunmehr mit 1/3 vom Staat und 2/3 von der Kommune und den Gebietskörperschaften gefördert, und später Kulturentwicklungszentren (Centres de developpement culturel, CDC), die sich auch dem lokalen Kulturschaffen annäherten und in ihren Programmen deutlich weniger hochkulturell ausgerichtet waren. Aber nach wie vor war die Partner*innenschaft zwischen Kulturministerium und Gebietskörperschaften Voraussetzung; Eine Ernennung bzw. ein Siegel, ein sogenanntes „Label“, von staatlicher Seite blieb notwendig. Anfang der 1980er Jahre gab es 14 Kulturhäuser, 38 Kulturaktionszentren und etwa 30 Kulturentwicklungszentren. Letztendlich kam man damit Malraux‘ Ziel, in jedem Departement ein Kulturhaus zu schaffen, also doch recht nahe (vgl. Association des Scènes Nationales 2021:6).
Verständnis und Entwicklung der Demokratisierung und Dezentralisierung des Kulturangebots, von Malraux erstmals so stark in der Politik verankert, erfuhren, den gesellschaftlichen Transformationen entsprechend, durch die Jahrzehnte hindurch einen Wandel, blieben aber durchgehend Ziele der französischen Kulturpolitik. Mit der Erweiterung des Kulturbegriffs in den 1980er Jahren galt es nicht mehr, eine „legitime Kultur so wie sie ist und ohne Vermittlung näher zu bringen, sondern Kultur in einem breiteren Spektrum zu betrachten und zur Entwicklung aller Arten von kulturellen Praktiken beizutragen, die in jeder sozialen Klasse, Altersgruppe oder Gemeinschaft entstehen können“ (Lombard 2020:106). Zur Politik des Angebots kam eine stärkere Orientierung an der Nachfrage; aktuell stehen Jugendliche (z.B. Kulturpass), soziale Brennpunkte in städtischen Gebieten und ländliche Räume im Fokus der Kulturpolitik.
Nationalbühnen (Scènes Nationales) – die heutigen Kulturhäuser?
1991 erfolgte eine Zusammenlegung der noch bestehenden Kulturhäuser mit den Nachfolgeeinrichtungen Kulturaktions- und Kulturentwicklungszentren zu den sogenannten Nationalbühnen (Scènes Nationales). 2023 gibt es 77 solcher Häuser, nur noch ganz wenige der ersten Generation tragen heute den Kulturhaustitel im Namen. Laut Auftrag des Kulturministeriums haben die Nationalbühnen das Ziel, das zeitgenössische künstlerische Schaffen multidisziplinär zu fördern, ein anspruchsvolles Programm zu bieten und zur Entwicklung eines kulturellen Angebots für die gesamte Bevölkerung des Umfelds beizutragen (MCC 2017). Voraussetzung zum Erhalt eines solchen Labels ist ferner „eine rechtliche Struktur, die die Unabhängigkeit der Direktorin oder des Direktors sowie ihre bzw. seine Verantwortung für die Haushaltsführung und die Verwaltung garantiert, ein Ort – Gebäude und Bühne(n) – mit der technischen Ausstattung für die darstellenden Künste und eine Kofinanzierung durch den Staat und die lokalen Gebietskörperschaften“ (Association des Scènes nationales 2021:26). Nach wie vor hat der/die Kulturminister*in Mitbestimmungsrechte, ernennt z.B. die Leitung, die von einer Jury auf Grundlage eines künstlerischen Konzepts für den jeweiligen Ort ausgewählt wird. Nach wie vor sind die Nachfolgeeinrichtungen der Kulturhäuser keine Einrichtungen, in denen die lokalen Vereine und Kultur sich ausdrücken sollen, aber der Bezug zur ansässigen Bevölkerung, dem Publikum und die Verankerung vor Ort sowie Kulturelle Bildung sind nun dezidiert ein Auftrag. Dennoch stehen die Künste und Künstler*innen im Zentrum; Pluridisziplinarität wird zwar genannt, aber meist liegt der Fokus, wie es der Name sagt, auf den darstellenden Künsten. Einige Nationalbühnen haben den Auftrag, explizit ländliche Regionen zu bespielen, wie zum Beispiel die im folgenden Kapitel beschriebene Scène Nationale 61 mit ihren drei Standorten, oder auch die Scène Nationale Scènes du Jura, die ebenfalls in mehreren Orten verankert ist.
Die Scène Nationale 61 – Ein Beispiel für ein französisches Kulturhaus im ländlichen Raum
Die folgenden Ausführungen basieren zum Großteil auf dem Vortrag von Régine Montoya, der Intendantin des Theater Scène Nationale 61 in Alençon, Frankreich, beim TRAFO-Ideenkongress am 28. September 2023 in Chemnitz >> Themenraum: Dom kultury – Maison de la culture – Kulturhaus. Die veröffentlichte Videoaufnahme des Vortrags ist in der Originalaufnahme auf Französisch nachzuhören.
Die heutige Scène Nationale 61 (Snat61) war zunächst ein staatlich gefördertes Kulturentwicklungszentrum – eine dieser kleineren und flexibleren Nachfolgeeinrichtungen der französischen Kulturhäuser. Sie erhielt mit der oben erwähnten Zusammenführung verschiedener Kulturhaustypen und mit drei Standorten vom Kulturministerium das Label „Nationalbühne“. Als kulturelle Impulsgeberin für das gesamte Departement Orne wurde die Scène Nationale 61 im Jahr 2021 zusätzlich zur „Fabrique de territoire“ ernannt, von der staatlichen „Agentur für Zusammenhalt in den Gebieten“ 2020 gegründet, um die Gebietskörperschaften von staatlicher Seite stärker zu unterstützen. Die Scène Nationale 61 wird somit zu einem Koordinationszentrum für sogenannte Dritte Orte in der Region. Der Landkreis Orne ist einer der ländlichsten und am stärksten von Abwanderung betroffenen Frankreichs und hat die Ordnungsnummer 61, daher der Name.
Die Scène Nationale 61 bietet ein interdisziplinäres, zeitgenössisches Programm rund um die darstellenden Künste (Theater, Tanz, Musik, Zirkus, Puppenspiel, Cabaret, Travestie etc.) sowie Vermittlungsprojekte und versteht sich als Begegnungsort für die ansässige Bevölkerung. Sie deckt mit ihren drei Standorten in Alençon (Hauptsitz, 26.000 Einwohner*innen), Flers (14.500 Einwohner*innen) und Mortagne (3.750 Einwohner*innen) etwa 25% des Départements Orne ab. Ohne die Aufteilung auf die drei Orte hätte das Theater finanziell nicht die Ressourcen, eine Nationalbühne zu sein, dazu sind die Gemeinden zu klein. Die Trägerschaft der Snat61 teilen sich die Kommunen, das Département und der Staat, d.h. das Kulturministerium. Die Intendantin sieht es als Vorteil, dass letzterer die Mehrheit in den Gremien bildet, dies sorge für eine Kontinuität, verhindere Druck von Seiten der lokalen Politik und sei somit Garant für Unabhängigkeit und künstlerische Freiheit.
„Das Unsichtbare sichtbar machen“ – zeitgenössische Künste, die Bevölkerung einbeziehen und auf Partner*innenschaften bauen
Um der Nationalbühne Sichtbarkeit zu verschaffen und sie in den Kommunen und dem ländlichen Umland zu verankern, setzt Régine Montoya sowohl auf eine spezifische inhaltliche Ausrichtung, eine bürgernahe Kommunikation und den Aufbau von Netzwerken und Partner*innenschaften.
Künstler*innenresidenzen bilden Schwerpunkte des Programms. In Frankreich gibt es in der Regel keine festen Ensembles in den Theatern, das System basiert auf dem Tourneebetrieb von freien Kompanien, die das Land bereisen. Möglichst gute Probe- und Aufführungsbedingungen für Künstler*innenkollektive aus ganz Frankreich anzubieten, ist Montoya wichtig. Sie versteht ihre Bühnen als Häuser für zeitgenössische Künste. Gleichzeitig sind die Gebäude auch öffentliche Orte, die der Gesellschaft gehören. Um die Beziehung zum Publikum bzw. zur ansässigen Bevölkerung zu stärken und zum Verbleiben einzuladen, wurden die Theaterfoyers zu einer Mischung aus Kaffeehaus und Wohnzimmer umgestaltet. Als Orte für Begegnung können sie zu den Kassenzeiten besucht werden, an den Wochenenden werden hier Brunches organisiert. Fest verankert im Spielplan sind außerdem sogenannte „Geteilte Werke“ (Créations partagées), in denen Künstler*innen und Einwohner*innen gemeinsam entwickelte Stücke zeigen.
Um einen weiteren Bezug zu ermöglichen, stützt sich die Kommunikation des Theaters auf die Persönlichkeiten des Mitarbeiter*innenteams und deren Sichtbarmachung. Diese sind sowohl auf der Webseite als auch in den Programmheften zu sehen, in Szene gesetzt und nach dem entsprechenden Jahresmotto gekleidet. Die Snat61 baut außerdem auf das bestehende Publikum als Verbindung und Vermittler*innen zum Erreichen neuer Besucher*innen. Die herkömmlichen Kommunikationswege reichen hierfür nicht: Es wurde z.B. die neue Abonnent*innenkategorie „Mit Freunden & Nachbarn“ geschaffen, mit Vergünstigungen für die Person, die andere mitbringt.
Zentral für die Vielfalt der Arbeit der Snat61 und das Erreichen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen ist es, Anträge bei verschiedensten staatlichen Ausschreibungen und Förderprogrammen zu stellen. So können sowohl Partner*innenschaften mit Schulen umgesetzt werden als auch über das Programm „Kultur und Gesundheit“ Projekte im sozialen und medizinischen Bereich, z.B. mit Senior*inneneinrichtungen. Mit „Kultur und Justiz“ werden wiederum Zielgruppen in Strafvollzugsanstalten und aus dem Bereich Jugendschutz und -gerichtshilfe erreicht. Über die regionale Kulturförderung des Ministeriums werden zusätzlich Projekte der außerschulischen Kulturellen Bildung finanziert. Außerdem stützt sich die Snat61 auf Stadtentwicklungsprogramme und Fördermöglichkeiten für Kultur in ländlichen Räumen. Die Herausforderung liegt in den größtenteils einjährigen Projektförderphasen. Montoya bemüht sich, die verschiedenen Fördertöpfe miteinander zu verbinden und Synergien zu schaffen, um Dauer und Nachhaltigkeit dieser Projekte zu erhöhen, sie bei der Bevölkerung im Landkreis zu verankern und somit zum Gemeinsinn beizutragen. Insofern versteht sie ihre Arbeit als „Schöpfung von Menschlichkeit“ (créateur d'humanité).
Dritte Orte und Kontextualisierung
Um noch stärker auch außerhalb der Theatermauern in die Gesellschaft hinein zu wirken, setzt sich die Scène Nationale 61 für die Gründung Dritter Orte ein. Sie ist eine von der staatlichen Agentur für Zusammenhalt in den Gebieten gelabelte „Gebiets-Manufaktur“ (Fabrique de territoire). Ziel dieses Programms ist es, Begegnungsorte und „Bottom-up“-Aktivitäten in benachteiligten Gebieten zu schaffen und zu koordinieren. So hat Montoya im Gespräch mit der Bevölkerung, den Bürgermeister*innen der Dörfer und Künstler*innen Konzepte entwickelt, die sie gemeinsam mit Künstler*innen und den Bewohner*innen umsetzt. In einer Bar waren z.B. Travestiekünstler*innen im Einsatz, eine Musikerin entwickelte mit der Bevölkerung, die sie über gemeinsame Mittagessen in der Dorfgaststätte kennengelernt hatte, vor Ort ein Programm, das auf Dorffesten und bei der Fête de la Musique gezeigt wird, in die Mediathek wird ein Autor für Workshops und Lesungen eingeladen, wobei das Thema von den Bewohner*innen entschieden worden war, und vieles mehr.
Die Beteiligten an diesen „außer Haus“-Projekten kommen nicht unbedingt in die Snat61, sie wissen aber, dass sie existiert. Und die Scène Nationale 61 gestaltet mit Künstler*innen, die aus ganz Frankreich kommen, und der Bevölkerung gemeinsam diese Begegnungsorte und damit die Gesellschaft vor Ort.
Was bleibt von den Anfängen der französischen Kulturhäuser und der Kulturpolitik von André Malraux heute? Mit der Einrichtung der Kulturhäuser wurde die Verantwortung des Staats in Bezug auf diese Art von Kulturinstitutionen im ganzen Land gefestigt, was bis heute gilt. Ohne diese Initiative würden solche Scènes Nationales in ländlichen Räumen wie Snat61 nicht existieren. Dafür war und ist die proaktive Suche nach Partner*innenschaften zwischen Staat und Gebietskörperschaften sehr wichtig. Auch hat die Förderung des zeitgenössischen künstlerischen Schaffens seitdem einen hohen Stellenwert in der Kulturpolitik verbunden mit einer Beziehung zwischen dieser Kunst und der Gesellschaft. Selbst wenn es in den Anfängen Kritik gegenüber der Implementierung der staatlichen Kulturhäuser in den Kommunen gegeben hat, wurden diese gleichzeitig zu einem wichtigen Impulsgeber und Initiator weiterer künstlerischer und kultureller Initiativen und haben auch die Relevanz einer kommunalen Kulturpolitik aufgezeigt (vgl. Tasca 2016). Multidisziplinäre Ansätze werden nach wie vor gefördert, das Beispiel der Snat61 in der Region Normandie zeigt, dass damit flexibel auf Bedarfe in der Bevölkerung eingegangen werden kann.
Kulturhäuser in Polen – Dom kultury (Magdalena Nizioł)
Geschichte und Anfänge der Kulturhäuser in Polen
Das Kulturhaus (Dom kultury) – in seinen Anfängen „Gemeinschaftshaus“ oder „Volkshaus“ genannt – ist tief im sozialen Gefüge und im gesellschaftlichen Diskurs Polens verwurzelt. Die Ursprünge der polnischen Volkshäuser sind mit der Idee des Empowerments verbunden: Die Gründung eines Volkshauses zielte darauf, den unteren Volksschichten Bürgerrechte zu verleihen, sie zu bilden, zu unterhalten und zu ermächtigen. Die Volkshäuser waren zunächst rein zivilgesellschaftliche Einrichtungen, die Bildungs- und Kulturaktivitäten wurden von gemeinnützigen Trägern und Privatpersonen initiiert. Die ersten Häuser dieser Art entstanden Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts (Budzyński 1918). Ihr Charakter entsprach dem damaligen Zeitgeist – soziale, gesellschaftliche und genossenschaftliche Aktivitäten entwickelten sich, wie in vielen europäischen Ländern, auch in Polen. Allerdings muss hinzugefügt werden, dass die Entwicklung der Gemeinschaftshäuser in den polnischen Gebieten erschwert war: Im 19. Jahrhundert existierte Polen nicht als Staat auf der europäischen Karte, es war zwischen Preußen, Österreich und Russland aufgeteilt und die Volkshäuser, Lesesäle und sozialkulturellen Vereinigungen waren auch gegründet worden, um die polnische Sprache und Kultur zu pflegen und zu erhalten. Besonders schwierig war die Situation im russischen Teilungsgebiet (Wiśniewski 2020:22-24).
Nach 1918 war es im wiedervereinten polnischen Staat aufgrund der Unterschiede zwischen den Teilungsgebieten zunächst schwierig, Kultur zu organisieren. Dennoch wuchs die Zahl dieser hauptsächlich von Stiftungen, Vereinen, freiwilligen Feuerwehren, religiösen Organisationen, Klöstern und privaten Geldgebern geförderten Einrichtungen rasant an und erreichte 1937 laut letzter statistischer Erhebung vor dem Zweiten Weltkrieg über 5.000 Häuser. Fast 90% der Gemeinschaftshäuser lagen in ländlichen Gebieten und nur 11% in den Städten (Wiśniewski 2020:28). Ihre Programme orientierten sich stark an lokalen Bedürfnissen und Gegebenheiten.
Zweiter Weltkrieg als Zäsur
Eine Zäsur in der Entwicklung der Gemeinschaftshäuser brachte der Zweite Weltkrieg. In der ersten Phase der Nachkriegszeit waren die Träger der verbliebenen Kultureinrichtungen noch frei in der Gestaltung ihrer Arbeit. Wegen der allgegenwärtigen Kriegszerstörungen stand die Kultur trotz ihrer bedeutenden Rolle für die kommunistische Ideologie weiter unten in der Bedürfnishierarchie. Nach der Berufung des Kultur- und Kunstministeriums 1948 begann die Umgestaltung des Kultursektors. Die Kultureinrichtungen der Vorkriegszeit, samt der gemeinnützigen Organisationen und zivilgesellschaftlichen Initiativen, wurden dem repressiven stalinistischen Apparat untergeordnet oder verboten. Rechtliche Grundlagen für Kultureinrichtungen, darunter für Kulturhäuser, wurden in den 1950er Jahren mit Einführung neuer gesetzlicher Vorschriften geschaffen. Das Ziel der kommunistischen Machthaber war es, die gesamte Gesellschaft zu erreichen. Es sollte eine Kultur entwickelt werden, „die den Bestrebungen der Volksmassen entspricht, die ihre Wünsche widerspiegelt und die Nation im Geiste des Humanismus, der Demokratie und des Sozialismus erzieht.“ (Das ideologische Manifest der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei Deklaracja ideowa Polskiej Zjednoczonej Partii Robotniczej 1959:624). Dafür wurde ein Netz von Kulturhäusern, Klubs und Gemeinschaftsräumen aufgebaut. Es waren nunmehr keine Initiativen von unten, wie vor dem Krieg, sondern staatliche Einrichtungen. Sie wurden in Woiwodschaften, Städten und Gemeinden von den sogenannten Nationalen Räten (rady narodowe), die nach sowjetischem Muster gebildet worden waren, sowie von Gewerkschaften und von Genossenschaften geführt (Leśniewski 2017:131-132). Der Oktober 1956 brachte politisches Tauwetter und eine Liberalisierung des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Die Kulturhäuser erlangten mehr Autonomie und konnten ihre Aktivitäten allmählich den Bedürfnissen ihrer Besucher*innen anpassen. Sie waren jedoch weiterhin verpflichtet, im Geiste des staatlichen Kulturauftrags zu agieren. Mitte der 1970er Jahre begann das sozialistische System zu bröckeln. Nach der Zerschlagung der Solidarność-Bewegung im Dezember 1981 brachten die 1980er Jahre eine permanente politische, wirtschaftliche und soziale Krise. Das 1984 eingeführte Gesetz zur Kulturvermittlung durch und in staatlichen Betrieben war der letzte Versuch der damaligen Entscheidungsträger, den Kultursektor im bereits auseinanderfallenden kommunistischen System zu stärken (Wiśniewski 2020:39). In der Dekade nach 1981 entstanden alternative Untergrundbewegungen, die halb legal oder im Verborgenen und in der Kirche wirkten.
Entwicklung der Kulturhäuser nach 1989
Das Jahr 1989 brachte große Veränderungen: die Abkehr von der Ideologisierung der Kultur und von der Kontrolle über das Kulturleben. 1991 wurde das bis heute geltende Gesetz über die Organisation und Durchführung von kulturellen Aktivitäten verabschiedet. Nach dem ersten Artikel gilt die Durchführung von kulturellen Aktivitäten der „Gestaltung, Vermittlung und (dem) Schutz von Kultur“ (Gesetz vom 25. Oktober 1991:1). Die lokalen Selbstverwaltungseinheiten sind verpflichtet, kulturell tätig zu sein, ihnen obliegt die Verantwortung für die Finanzierung, Organisation und Verwaltung der Kultureinrichtungen. Die Kulturhäuser werden im Gesetz von 1991 neben anderen Kulturinstitutionen als eine der Formen kultureller Betätigung aufgeführt. Während für Bibliotheken, Museen und andere Einrichtungen einzelne Gesetze verabschiedet wurden, ist dies für die Kulturhäuser nicht der Fall. Und obwohl sie neben Bibliotheken zu den landesweit am häufigsten vorhandenen Kulturinstitutionen gehören, gibt es im Gesetz von 1991 auch keine rechtliche Definition des Kulturhauses. Diese Rechtslage wird einerseits kritisiert, weil sie unterschiedliche Regelungen zulässt und somit zu erheblichen Unterschieden im Status der verschiedenen Arten von Kultureinrichtungen führt. Andererseits genießen Kulturhäuser laut des geltenden Gesetzes große Freiheit in der Gestaltung und Durchführung ihrer Programme. Zusätzliche Regelungen könnten, so argumentieren die Befürworter*innen der aktuellen Lage, die Eigenständigkeit der Kulturhäuser beeinträchtigen, deren Unabhängigkeit einschränken und die Freiheit der kulturellen Aktivitäten einengen (Kamiński 2016).
Kulturhäuser heute – Kultur ermöglichen, unterstützen, verbreiten
Die Kulturhäuser erlebten Anfang der 1990er Jahre im Zuge der radikalen Reformen und damit zusammenhängenden finanziellen Probleme einen Rückschritt. Um die Jahrtausendwende und nach dem EU-Beitritt Polens 2004 wendete sich der Trend zum Positiven. Nach und nach entwickelte das Kulturministerium neue Konzepte für die Kulturhäuser. Das von ihm finanzierte Nationale Zentrum für Kultur (Narodowe Centrum Kultury, NCK) unterstützt Kulturhäuser finanziell, inhaltlich, strukturell, organisatorisch und beratend mit zahlreichen Förderprogrammen, z.B. im groß angelegten Programm „Dom Kultury +“. Es geht darum, die vorhandene Infrastruktur zu beleben und neue Kultureinrichtungen aufzubauen. Das Aufgabenspektrum der Kulturhäuser ist sehr breit und ihr Programmangebot richtet sich an alle Altersgruppen. Von den drei im Gesetz von 1991 genannten Aufgaben der Kulturinstitutionen – „Gestaltung, Vermittlung und Schutz von Kultur“ – widmen sich die Kulturhäuser vor allem der Vermittlung (upowszechnianie). Der polnische Kulturforscher Dzierżymir Jankowski hebt hervor, dass der Prozess der Kulturvermittlung eine wichtige Rolle spielt. Ryszard Wroczyński nennt diesen Prozess „Kulturverbreitung“ oder „Kultur propagieren“ (rozkrzewianie) und bezeichnet diese Aufgabe als „(Er)wecken der Lust am gemeinsamen Erschaffen und Mitgestalten der Kultur“ (Jakobiszyn 2011:89). Dabei unterscheidet er zwei Funktionen der Kulturvermittlung: die intensive, bei der ein möglichst großer Kreis von Personen Anteil am Erschaffen und Mitgestalten hat, und die extensive, bei der man die hervorgebrachten Ergebnisse einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich macht. Im Gesetz von 1991 werden für Kulturinstitutionen, also auch für Kulturhäuser, folgende Formen der kulturellen Arbeit im Sinne der Kulturvermittlung und -verbreitung genannt: Kulturelle Bildung und Erziehung durch Kunst ermöglichen, Umfeld für die Entwicklung der künstlerischen Laienbewegung schaffen, Interesse an Wissen und Kunst wecken, Bedingungen für die Entwicklung der Folklore, des Handwerks und Kunstwerks schaffen, kulturelle Bedürfnisse und Interessen erkennen, wecken und befriedigen.
Das Statistische Hauptamt Polens (Główny Urząd Statystyczny, GUS) beschreibt Kulturhäuser als Orte, die unter einem Dach soziokulturelle Aktivitäten durchführen. Ende 2022 waren in Polen nach seinen Angaben 3.958 Kulturhäuser, Kulturzentren und Gemeinschaftszentren aktiv. Fast die Hälfte dieser Kultureinrichtungen befindet sich in ländlichen oder städtisch-ländlichen Gemeinden. 61% arbeiteten 2022 demnach in Dörfern und waren damit die wichtigsten Orte für die Gestaltung und Verbreitung der lokalen Kultur und die Möglichkeit, an ihr teilzuhaben (vgl. Główny Urząd Statystyczny 2022).
Vielfalt, Interaktion, Teilhabe
Eines der wichtigsten Merkmale der polnischen Kulturhäuser, vor allem in ländlichen Gebieten, ist die regionale und lokale Verankerung. Kulturhäuser pflegen regionales Kulturerbe, beziehen Menschen vor Ort sowohl als Publikum als auch als Akteur*innen ein und reagieren auf ihre Bedürfnisse. In die Arbeit dieser kleinen, lokalen Kulturhäuser werden zugleich landesweite Kulturprogramme integriert. Die Kulturhäuser können für ihre kulturellen Initiativen finanzielle Unterstützung beim Kulturministerium beantragen (vgl. Wiśniewski 2020:89). Lokale Kultur, Tradition und künstlerische Aktivitäten aller Altersgruppen aus der Umgebung mischen sich mit Angeboten von außen sowie mit Ereignissen, die gemeinsam mit Künstler*innen durchgeführt werden.
Das Kulturhaus Centrum Kultury i Promocji Gminy Strzyżewice z siedzibą w Piotrowicach
Im folgenden Beispiel wird das Centrum Kultury i Promocji Gminy Strzyżewice z siedzibą w Piotrowicach (CKiP) präsentiert. Die Arbeit des Kulturhauses wurde von Krzysztof Hanaj, den Direktor, beim TRAFO-Ideenkongress am 28. September 2023 in Chemnitz >> Themenraum: Dom kultury – Maison de la culture – Kulturhaus vorgestellt. Die veröffentlichte Videoaufnahme des Vortrags ist in der Originalaufnahme auf Polnisch nachzuhören.
Das kleine Kulturhaus Kulturzentrum der Gemeinde Strzyżewice mit Sitz in Piotrowice (Centrum Kultury i Promocji Gminy Strzyżewice z siedzibą w Piotrowicach, CKiP) im Osten von Polen – in einer Gemeinde mit 8.000 Einwohner*innen setzt ein vielfältiges Programm um, das beide Dimensionen verbindet: eine bewusste und lebendige Beschäftigung mit dem regionalen Kulturerbe und die Einbindung landesweiter Kulturprogramme aus dem Bereich der Hochkultur. Das CKiP realisiert seine Aufgaben auf dem Feld der Bildung und Verbreitung von Kultur, wobei der Schwerpunkt auf den Bedürfnissen des lokalen Umfelds liegt. Gemäß seiner Satzung soll das Kulturhaus die Öffentlichkeit für eine aktive Beteiligung gewinnen und auf Mitgestaltung des kulturellen Lebens unter dem Motto „Tue gewöhnliche Dinge auf eine außergewöhnliche Art und Weise“ sensibilisieren. Ziel des Kulturhauses ist es, ein partizipatives Modell zu verwirklichen, wobei sich das Angebot an alle Altersgruppen richtet und verschiedene kreative Aktivitäten einbezieht, wie Töpfern, bildende Künste, Musik, Theater, Poesiewerkstätten und Tanz. Im Kulturhaus proben und treffen sich regelmäßig verschiedene Amateurgruppen wie eine Jugendblaskapelle, eine Folkloregruppe und eine Theatergruppe mit Erwachsenen, die sowohl in der Gemeinde als auch in der ganzen Woiwodschaft auftritt. Es gibt aber auch Aktivitäten im naturwissenschaftlichen und sportlichen Bereich sowie ein Multimedialabor. Jährlich im Juni präsentieren alle aktiven Gruppen ihr künstlerisches Programm, das von den Teilnehmer*innen und Mitarbeiter*innen gemeinsam gestaltet wird. Das Kulturhaus nimmt an verschiedenen landesweiten Kulturprogrammen teil, wie „Dom Kultury +“, „Sehr junge Kultur“ („Bardzo Młoda Kultura“), „Sommer im Theater“ („Lato w teatrze“), „Etno Polska“, „Lade uns zu dir ein“ („Zaproś nas do siebie“) und bietet damit dem Publikum zusätzlich ein weites Spektrum an kulturellen Angeboten von außerhalb an, das professionelle Künstler*innen einbezieht. Bei der Organisation von Veranstaltungen ist das CKiP bestrebt, das Potenzial der lokalen Bevölkerung mit der Professionalität der nach Piotrowice eingeladenen Künstler*innen zu verbinden.
Das CKiP ist ein Beispiel unter mehreren. Solche und ähnliche Kulturmodelle verfolgen nach ihren Möglichkeiten und Kapazitäten viele lokale Kulturhäuser. Von der Größe der Einrichtungen, ihrer finanziellen und personellen Kapazitäten, aber auch vom Engagement der Direktor*innen und Mitarbeiter*innen einerseits sowie der Bevölkerung und Partner*innen andererseits hängt jeweils die Gestaltung der Programme und ihre Realisierung ab.
Kreativität, Offenheit, Kooperationen
Damit das gemeinschaftliche Gestalten möglich ist, brauchen Kulturhäuser in ländlichen Räumen Verbündete. Zu Akteur*innen, mit denen Kulturhäuser auf dem Lande zusammenarbeiten, gehören als Finanzier, aber auch als Auftraggeber*innen die territorialen Selbstverwaltungen und Woiwodschaften. Weitere Kooperationspartner*innen sind Schulen, Bildungsstätten, Kirchen, verschiedene Nichtregierungsorganisationen, Bibliotheken und informelle Gruppen (vgl. Wiśniewski 2020:132-137). Da Kulturhäuser auch mit knappen Finanzen, Personalmangel, unzureichender Entlohnung für ihre Mitarbeiter*innen und einem viel zu geringen Interesse für Mitarbeit seitens junger Menschen konfrontiert sind, ist die gegenseitige Unterstützung von Bedeutung: Vorhandene Räumlichkeiten, Technik und Arbeitswerkzeug können bei knappen finanziellen Ressourcen gemeinsam genutzt und geteilt werden, um das Kulturangebot zu erweitern. Eine Rolle spielt das Zusammenwirken mit ansässigen Unternehmen, auch wenn diese Praxis nicht sehr verbreitet ist. Untersuchungen zeigen, dass diese als Mäzene gerne in Kultur, Kunst und kulturelle Aktivitäten vor Ort investieren. Manchmal gehen sie „über das übliche Verhältnis zwischen Geldgeber und Empfänger hinaus. Mäzene werden in die unterstützten Initiativen einbezogen, können dauerhafte Beziehungen aufbauen“ (Starzyk-Durbacz 2016:26) und zeigen echtes Interesse an geförderten Ereignissen. Dabei ist es wichtig, eine Balance zwischen Autonomie einerseits und Kooperation andererseits aufrechtzuerhalten. Die Kulturhäuser sind nicht verpflichtet, mit anderen Akteur*innen zu kooperieren, aber wenn sie sich darauf einlassen, können Innovationsgeist und Ideenvielfalt gefördert, interessante Formen der Kulturarbeit verwirklicht und das Programm ausgeweitet werden. Kreativität beim Aufbau von Beziehungen, gemeinsames Handeln und Erfahrungsaustausch zwischen verschiedenen Akteur*innen sind gefragt (vgl. Wiśniewski 2020:146). Diese Aspekte beeinflussen die Entfaltung der Kulturhäuser und sind ausschlaggebend bei der Durchführung der Kulturarbeit.
Es gibt kein Standard-Kulturhaus, sondern unterschiedliche Modelle und zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Das Profil ist geprägt von den jeweiligen Gegebenheiten und der Mitwirkung der Menschen vor Ort. Die Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen der Kulturhäuser sehen ihr Kulturhaus am liebsten offen für Menschen mit unterschiedlichen Ansichten. Teilhabe gehört zu den Prioritäten und ein besonderes Augenmerk gilt – sowohl seitens der Kulturhäuser als auch des Publikums – verschiedenartigen „Bottom-up“-Initiativen, die durch ehrenamtliches Engagement unterstützt werden. Zivilgesellschaft zu aktivieren, Autonomie bei der Planung der eigenen Arbeit beizubehalten, lokale oder gastgebende Künstler*innen und Kulturschaffende sowie künstlerische Amateur*innenbewegungen zu fördern, regionale Kontexte in die kulturellen Aktivitäten zu integrieren sowie Netzwerke zu schaffen und sich mit anderen Kultureinrichtungen zu vereinigen, gehören zu den wichtigsten Merkmalen der polnischen Kulturhäuser.
Fazit
Was sind Gemeinsamkeiten, was sind wesentliche Unterschiede in der kulturpolitischen Steuerung, Organisation, Finanzierung sowie den kulturellen Programmen zwischen den drei Ländern? Welchen Stellenwert haben sie jeweils für ländliche Regionen?
Der vergleichende internationale Blick hilft dabei, das eigene System besser zu verstehen und einordnen zu können und ermöglicht Anregungen aus anderen Ländern. Zusammenfassend zeigen die Beispiele aus den drei Ländern, dass Kulturhäuser sowie breitenkulturelle und soziokulturelle Aktivitäten auf dem Land eine noch wichtigere Rolle spielen als in den Städten, wo es in der Regel eine spezialisierte, hochkulturelle Infrastruktur und ausreichend Publikum für verschiedene Kulturformen gibt. Kulturhäuser sind vor allem soziale Orte der Begegnung, die zugleich vielfältige kulturelle Aktivitäten und Möglichkeiten der aktiven Teilhabe und Mitgestaltung ermöglichen.
Die Art und Weise, wie Kulturhäuser organisiert, finanziert und geführt werden, unterscheiden sich voneinander. In Frankreich spielt die zentrale Kulturpolitik eine wesentliche Rolle. Nationale Programme und die bereichs- und ressortübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Ministerien ermöglichen die relativ gleichmäßige Ausstattung ländlicher Regionen mit Kulturhäusern. In Polen liegt die Verantwortung für Kulturhäuser bei den Selbstverwaltungen auf allen Ebenen – Gemeinde, Kreis, Stadt, Woiwodschaft. Viel hängt vom Engagement der haupt- und ehrenamtlich arbeitenden Menschen vor Ort ab, die die Bedürfnisse der Bewohner*innen berücksichtigen, partizipative Projekte anregen und Initiativen von unten einbeziehen. Der Nachteil ist dabei, dass an der Kultur gespart wird, wenn die Finanzierung anderer Bereiche Priorität hat. Finanzielle Unterstützung kann zusätzlich u.a. beim nationalen Kulturministerium beantragt werden. Die Kulturzentren in Deutschland sind, nach Abwicklung der ehemaligen staatlichen Kulturhäuser der DDR, mehrheitlich aus bürgerschaftlichen Initiativen entstanden. Sie müssen ihre Finanzierung über viele verschiedene öffentliche und private Förderquellen und ehrenamtliches Engagement organisieren. Anders als die klassischen Kultureinrichtungen genießen sie vielfach keine dauerhafte institutionelle Förderung, sondern müssen sich immer neu um Projektmittel bewerben.
Ausrichtung und Programm der Kulturhäuser sind je nach Geschichte und Länderspezifik ebenfalls unterschiedlich gelagert: In Frankreich sind Präsenz und Mitwirkung von Künstler*innen an den Programmen auch der Kulturhäuser in ländlichen Regionen von zentraler Bedeutung. Künstlerische Qualität ist ein wichtiges Kriterium, auch bei außer Haus stattfindenden „Dritte-Orte-Projekten“. Vielfach gibt es an den Häusern Künstler*innenresidenzen. In Polen legt man Wert auf regionales Kulturerbe, Traditionen und Folklore. Zugleich haben die Angebote der Hochkultur in den Programmen vieler Kulturhäuser ihren festen Platz und ergänzen die regionalen Aktivitäten. Und auch in Polen ist, neben der Förderung von (künstlerischen) Amateurgruppen, die Beteiligung von Künstler*innen aus der Umgebung und von außerhalb von hoher Bedeutung. In Deutschland sind soziokulturelle Kulturzentren in ländlichen Regionen vor allem Orte für Amateur*innen-Aktivitäten: Theatergruppen, Chöre, Tanz- und Musikgruppen; vielfach gibt es spezielle Angebote für Kinder und Jugendliche.
Für die meisten Kulturhäuser, vor allem in ländlichen Gebieten, ist Zusammenarbeit mit anderen Akteur*innen von großer Bedeutung: Kontakte aufbauen, Netzwerke bilden, Allianzen schmieden und Kooperationen eingehen, sind für die Kultur auf dem Lande essenziell, weil es deutlich weniger Ressourcen gibt als in den Städten und die wenigen Angebote gebündelt werden müssen. Das von der Stiftung Genshagen veröffentlichte deutsch-französisch-polnische Positionspapier „Kultur in ländlichen Räumen stärken!“ (Stiftung Genshagen: 2023) beschreibt diese gemeinsamen Herausforderungen von Kultur in ländlichen Räumen grenzüberschreitend. Zentral für Kulturhäuser in allen drei Ländern ist ein breites Kulturverständnis, mit dem man Menschen aus unterschiedlichen sozialen Milieus generationenübergreifend erreichen kann. Dabei muss die Herausforderung gelingen, an einem Ort verschiedene Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Interessen und Ansprüchen anzusprechen und zusammenzubringen. Damit können multidisziplinäre Kulturorte auf dem Land zu Vorreitern einer Gemeinschaft stiftenden, teilhabeorientierten Kulturarbeit werden.