Denkmäler als Orte des Lernens und Mitgestaltens: Erfahrungsbasierte Lernprozesse von Kindern und Jugendlichen
Abstract
Kulturerbe-Projekte verbessern Lernprozesse, die Wertschätzung der lokalen Geschichte und Kultur sowie das zukünftige Verständnis von Denkmälern. In diesem Beitrag werden die Lernergebnisse von Schüler*innen präsentiert, welche an der Projektreihe LOST TRACES… (LT) im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres 2018 in Form von 25 Projekten vor allem an Schulen in Bayern teilgenommen haben. Hier wird deutlich, dass innerhalb der LT-Projekte entlang der vier Kompetenzgruppen: 1. Wahrnehmen, Entdecken, Empfinden; 2. Analysieren, Interpretieren, Einordnen; 3. Informieren, Präsentieren, Kommunizieren; 4. Interagieren, Entwickeln und Gestalten vielfältige individuelle Lernerfahrungen mit Denkmälern als Orte des Lernens und der Mitgestaltung gemacht werden. Geschätzt wird von den Schüler*innen die Fähigkeit, selbständig und bisweilen generationsübergreifende Teams zusammenzustellen, eigene Ideen einzubringen, direkt mit Expert*innen zu interagieren, sich mit interessanten Themen vor Ort auseinanderzusetzen und ein sichtbares Ergebnis zu präsentieren. Lernprozesse in den LT-Projekten sind potenziell handlungsorientiert und mit einem Produkt verbunden, welches die Zukunft des Ortes verhandelt. Die LT-Projekte ermöglichen somit Lernprozesse mit Ergebnisorientierung und Produktorientierung, wobei Zeitmanagement, neue Werkzeuge und Methoden herausfordernd sind und ein noch mehr an Beteiligung durch die Kinder und Jugendliche eingefordert wird.
Denkmäler als Facetten unserer materiellen Kultur vermitteln in der heutigen Zeit anfassbare und physisch erlebbare Realitäten für Kulturen, insbesondere das Verständnis für lokale Geschichte und Kultur sowie die Bedeutung des Denkmalschutzes (Hunter 1993). Dabei sind die Deutung, Wertzuweisung und auch Aneignung von Denkmälern ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess, in welchem Kinder und Jugendliche als Gestalter*innen und Entscheider*innen der Zukunft einbezogen werden müssen. Aktuelle Positionspapiere der Europäischen Union wie die Erklärung von Davos (FDHA/FOC 2018) sowie auch die Faro Convention (Council of Europe 2005) betonen, dass die Umwelt und das kulturelle Erbe ein zentrales Bildungsthema sind und auf allen Bildungsebenen behandelt werden sollten. Zugleich fordern Schulforscher wie Boitumelo B. Moreeng (2014) die Neukonzeption des Unterrichts über das kulturelle Erbe, um das tiefere Verständnis der Schüler*innen für das Erbe in einer von Interessenskonflikten und Deutungsdiskussionen geprägten Gesellschaft zu verbessern. Wie aber können junge Menschen ermutigt werden, sich aktiv mit kulturellem Erbe auseinanderzusetzen und zu aktiven Mitgestalter*innen dieses Erbes werden? Im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres 2018 wurde vor dem Hintergrund dieser Frage das Projekt LOST TRACES… (LT) entwickelt. Denkmäler als Orte des Lernens und der Mitgestaltung wurden hier in schulischen Projekten thematisiert und in Kooperation mit lokalen Partner*innen aus Denkmalpflege, Archäologie, Stadtentwicklung und Kreativwirtschaft umgesetzt (siehe: Stephanie Reiterer „Jugend macht Denkmal: Erfahrungen aus dem Europäischen Kulturerbejahr 2018"). LOST TRACES sind u. a. historische Relikte in der Landschaft, Stadtbrachen oder verlassene Gebäude, es sind zudem Orte, „deren Abriss, Umnutzung oder Entwicklung gerade öffentlich diskutiert wird“ (Landesarbeitsgemeinschaft Architektur und Schule Bayern e.V. 2017:6).
Kinder und Jugendliche im Fokus - Wissenschaftlicher Ansatz der Begleitforschung
Die Begleitforschung von LOST TRACES… hat das Ziel, die Stimmen der Kinder und Jugendlichen einzufangen und ihren Blick auf die erlebten Projekte sowie ihre Lernprozesse darzustellen. Unsere Forschung zielt darauf ab:
- die allgemeine Zufriedenheit der Schüler*innen mit ihren Projekten zu erheben – was hat ihnen gefallen, was hätte besser sein können?
- tiefergehend zu untersuchen, wie Kinder und Jugendliche in LOST TRACES-Projekten lernen, welche Lernwerkzeuge und -methoden sie verwendet haben und welche Kompetenzen sie entwickelt haben.
In den von uns beforschten Projekten setzten sich die Teilnehmenden bspw. mit ungenutzten Orten wie einer Kirche oder einem Güterschuppen auseinander oder folgten den Spuren historischer Stadttore und -türme. Von den 25 LT-Projekten (siehe: Stephanie Reiterer „Jugend macht Denkmal: Erfahrungen aus dem Europäischen Kulturerbejahr 2018" ), haben wir 8 LT-Projekte vertiefend beforscht und die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen zehn und 18 Jahren sowie deren projektbetreuenden Lehrer*innen befragt – zum einen im Rahmen einer breiten Fragebogenerhebung mit Schüler*innen der teilnehmenden Schulen (Rücklauf von 86%) sowie Gruppendiskussionen mittels Stichwortkartensortierung (siehe Abb. 1). Die Fragebogenerhebung erfolgte mittels Multiple-Choice-Fragen, deren Ziel es war zu identifizieren, was den Schüler*innen in den LT-Projekten gefiel, was ihnen nicht gefiel, welche Personen und Materialien sie sich in ihren LT-Projekten noch gewünscht hätten, was sie persönlich aus dem Projekt mitgenommen haben oder was sie unter einem Denkmal verstehen. Um die Ergebnisse aus der Fragenbogenerhebung zu vertiefen und die zweite Frage zu beantworten, welche Lernmittel und -methoden von den Schüler*innen eingesetzt wurden und welche Kompetenzen sie entwickelt haben, haben wir zusätzlich Gruppendiskussionen in Kombination mit einer Stichwortkartensortierung mit den Heranwachsenden (drei Gruppen mit fünf bis sechs Kindern und Jugendlichen) und Lehrer*innen (eine Gruppe mit sechs Lehrer*innen) durchgeführt.
Die Stichwortkartensortierung als visuelle Erhebungstechnik ist für die Forschenden einfach zu handhaben, für die Teilnehmenden leicht verständlich und erleichtert den Zugang zu Lernerfahrungen im Interviewprozess, die für Kinder und Jugendliche im Gespräch sonst schwer zu verbalisieren sein könnten (vgl. Fincher/Tenenberg, 2005). Erlernte Methoden und Kompetenzen werden als Stichwortkarten ausgewählt und im gemeinsamen Gespräch zwischen Teilnehmenden und Forschenden als Puzzle angeordnet (siehe Abb. 1).
Die Fragebögen wurden mittels eines quantitativen Ansatzes ausgewertet. Die Gruppendiskussionen mit Kartensortierung wurden dabei sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgewertet, um unterschiedliche Ebenen und Dimensionen von Lernerfahrungen innerhalb der LT-Projekte zu identifizieren (vgl. Kelle 2008:232). Für die quantitative Analyse der Puzzles haben wir in einem ersten Schritt, die von den Befragten ausgewählten Methoden, Kompetenzen und Verknüpfungen von Kompetenzen und Methoden ausgezählt. Für die Analyse der verschriftlichen Interviewtranskripte wurde die qualitative Inhaltsanalyse (vgl. Mayring 2000) angewandt. Das heißt, der Inhalt der verschriftlichten Interviewprotokolle wurde auf der Suche nach Kategorien, welche in den Interviews immer wieder auftauchten, mit Hilfe einer QDA-Software systematisch codiert. Auf diese Weise konnten wir zunächst die wichtigsten Kompetenzen und die an den häufigsten verwendeten Methoden identifizieren sowie im letzten Schritt den Zusammenhang zwischen beiden herstellen und damit die wesentlichen Verknüpfungen zwischen Kompetenzen und Methoden herausarbeiten. In diesem Beitrag werden wir daher aufzeigen, welche pädagogischen Instrumente und Werkzeuge den Heranwachsenden dabei geholfen haben, bestimmte Kompetenzen zu entwickeln. Darüber hinaus haben wir in diesem Auswertungsprozess Aussagen und Erzählungen von Schüler*innen und Lehrer*innen ausgewählt, um die quantitativen Daten mit qualitativen Aussagen besser illustrieren zu können.
Einschätzungen der Schüler*innen: Ergebnisse der Fragebogenerhebung
Wichtige Aspekte, die von den Schüler*innen innerhalb der Fragebogenerhebung ausgewählt wurden, werden in der Reihenfolge ihrer Gewichtung kommentiert, die sich aus der Fragebogenauswertung ergeben hat.
Positiv bewerteten die Schüler*innen folgende Aspekte der LT-Projekte:
- Die Zusammenarbeit und das Miteinander: Es gefiel ihnen mit Klassenkamerad*innen zusammenzuarbeiten, mit jüngeren und älteren Kindern gemeinsam zu lernen, ihr Team auszuwählen, einen Gemeinschaftssinn zu entwickeln, neue Menschen kennenzulernen, Meinungen der anderen zu erfahren und Freundschaften zu schließen.
- Den Raum für Eigeninitiative: Die Möglichkeit selbstständig zu arbeiten, eigene Ideen und Interessen einzubringen, wie auch kreativ zu sein und praktische Arbeitsfähigkeiten entwickeln zu können.
- Die Lernthemen: Die Möglichkeit, etwas Neues auszuprobieren – neue Orte zu besuchen, neue Kulturen kennenzulernen und neue Arbeitsmethoden kennenzulernen.
- Die spezifischen Eigenschaften eines Ortes: Den Ort zu entdecken, ihn zu erforschen, neue Arbeitsweisen kennenzulernen sowie neue Arbeitstechniken einzusetzen – wie Archivarbeit oder Fotografie.
- Das Gelernte künstlerisch und kreativ umzusetzen: Die Schüler*innen arbeiteten an Modellen, gestalteten und veränderten Räume; dabei schätzten sie, dass ihre Arbeit sichtbar und meist auch greifbar war.
- Der Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten: Die Schüler*innen lernten von verschiedenen Expert*innen – wie Architekt*innen, Planer*innen, Restaurator*innen und Historiker*innen – in einer positiven Lernatmosphäre.
Die befragten Schüler*innen äußerten auch ihre Meinung darüber, was im jeweiligen LT-Projekt nicht gut war und was in Zukunft verbessert werden könnte:
Sie berichteten über die Herausforderungen beim Zeitmanagement und der Organisation. Während die Befragten die Einführungsphase der Projekte teilweise als zu langwierig charakterisierten, wurde die Zeit für die eigentliche Umsetzung und Herstellung der Projektergebnisse wiederum als zu kurz kritisiert.
Die Teamarbeit wurde ambivalent wahrgenommen – die Arbeit in der Gruppe wurde zwar generell als positiv wahrgenommen, teilweise empfanden die Befragten es allerdings als Herausforderung für ihre Ideen zu argumentieren und einen Konsens zu erzielen.
Negativ wahrgenommen wurden von den Schüler*innen die Arbeitsbedingungen vor Ort, die Wahl von Themen, die sie manchmal nicht beeinflussen konnten, und ein Mangel an Arbeitsmaterialien.
Verknüpfungen von Kompetenzen und Methoden: Ergebnisse der Gruppendiskussion mit Schüler*innen und Lehrer*innen
Leitend für die Gruppendiskussion mit Stichwortkartensortierung und deren Analyse war der pädagogische Leitfaden von LT, in dem 4 Kompetenzgruppen mit unterschiedlichen Kompetenzbereichen benannt wurden, welche im Folgenden die Darstellung der Auswertungsergebnisse der Interviews strukturieren:
- Wahrnehmen, Entdecken, Empfinden;
- Analysieren, Interpretieren, Einordnen;
- Informieren, Präsentieren, Kommunizieren;
- Interagieren, Entwickeln und Gestalten (siehe Abb. 2).
Im Folgenden stellen wir die Auswertungsergebnisse der Kompetenzgruppen 1-4 mit den dazugehörigen Kompetenzbereichen vor, die von den Schüler*innen und Lehrer*innen zugeordnet wurden. In diesem Zusammenhang gehen wir auch auf die signifikantesten Verknüpfungen von Kompetenzen und Methoden ein, die sowohl in der quantitativen als auch in der qualitativen Analyse besonders ausgeprägt waren (siehe auch Abb. 3).
Kompetenzgruppe 1: Wahrnehmen, Entdecken, Empfinden – Besonderheiten des Ortes wahrnehmen
Schüler*innen – Im Zusammenhang mit der Entwicklung von Kompetenzen im Bereich „Einfühlen, Empfinden, Nachspüren, Erforschen“ stellen die Schüler*innen in der Gruppendiskussion vor allen Dingen Verknüpfungen zu Methoden her, die einen ersten persönlichen Zugang und eine Auseinandersetzung mit dem untersuchten Ort ermöglichen. So haben sie bspw. Ortsbesichtigungen mittels „Ortsbegehung und Dokumentation“ durchgeführt. Diese ersten Erkundungen vor Ort regen einerseits die Wahrnehmung an und ermöglichen den Befragten über den persönlichen und emotionalen Zugang die Bedeutung des Ortes für sich selbst zu erschließen: : „[…] dass man einfach mal für sich selbst merkt, wie wirkt das auf einen? Und dadurch so ein bisschen den Bezug hat, oder wie man andere Leute dafür begeistern könnte“.
Auch der Kompetenzbereich „Beschreiben und Dokumentieren" wird stark verknüpft mit den Methoden der „Ortsbegehung und Dokumentation". Die Befragten wenden für die Dokumentation der Nachforschungen und der Bestandsaufnahme vor Ort fachliche Methoden (Arbeitstechniken) an, wie etwa „Fotodokumentation“, „Zeichnen“, „Modellbau“. So kann das „Beschreiben und Dokumentieren“ dazu dienen die bisherigen Arbeitsschritte nachvollziehbar zu machen: „dass man weiß, wo man jetzt überhaupt ist […], damit man das Revue passieren lassen kann, was man wann gemacht hat und die ganzen Arbeitsschritte soweit im Kopf behalten kann“.
Im Kompetenzbereich „Nachfragen und Recherchieren“ thematisieren die Befragten, die Recherche zum Sammeln von Informationen über das Denkmal, um herausfinden, welche Möglichkeiten es gibt, den beforschten Raum für neue Nutzungen zu erschließen, die dem Ort gerecht werden. Für die Recherchearbeit nutzen die Schüler*innen vor allem „Recherche im Netz“ und „Recherche in Archiven in Sammlungen“
Besonders das „Nachfragen“ zu Recherchezwecken stellt für die Befragten eine wichtige Kompetenz dar, um etwas über den beforschten Ort erfahren zu können, die „Interviews mit Zeitzeug*innen, Expert*innen, Nutzer*innen“ nutzten die Befragten als wichtige methodische Arbeitstechnik vor Ort: „Ich glaube, Nachfragen hat mir am meisten geholfen“, um bspw. die Sicht der Anwohner*innen vor Ort kennenzulernen, konstatiert eine Befragte.
Lehrer*innen – Ähnlich wie die Schüler*innen beurteilen auch die befragten Lehrer*innen das Nachforschen vor Ort mit unterschiedlichen methodischen Techniken als wichtige Verknüpfung und zentrales Lernergebnis. So haben die Schüler*innen laut den Lehrer*innen „Ortsbegehungen und Dokumentationen“ durchgeführt, aber auch „Atmosphären erspürt und visualisiert“ und dabei verschiedene Methoden angewandt und erlernt , wie zum Beispiel „fotografische und filmische Dokumentation“ und „Zeichnungen“, um sich den Ort selbst zu erschließen und ein Verständnis für die räumliche Situation zu entwickeln: „eine ganz zentrale Kompetenz war einfach das Erforschen mit ganz unterschiedlichen Methoden. Nämlich das Zeichnen, das Beobachten, das Fotografieren, aber auch das Filmen“.
Im Kompetenzbereich „Nachfragen und Recherchieren“ thematisieren die Lehrer*innen analog zu den Schüler*innen als zentrale Verknüpfung das Sammeln von Informationen über das Denkmal mittels unterschiedlicher methodischer Herangehensweisen, wie „Interviews mit Zeitzeug*innen, Expert*innen, Nutzer*innen“ und „Recherche in Archiven“. Ein wichtiges Ziel des Lernprozesses ist dabei aus Sicht der Lehrer*innen, dass die Schüler*innen ein Verständnis für die historische Situation entwickeln. Die Neugier etwas Unbekanntes sichtbar zu machen wird von den Expert*innen als besonders motivierend und spannend für die Schüler*innen beurteilt: „das fanden die Kinder sehr spannend, wo sie gemerkt haben, es kennt keiner. Sie haben sich dann nach und nach mehr auf verschiedensten Schienen damit beschäftigt“.
Während die Lehrer*innen vielmehr das Aufdecken historischer Schichten und das Zusammentragen von Informationen über einen vergessenen Ort als starken Motivationsfaktor für das Lernen betonen: „Und da haben sie angefangen, zu recherchieren: Wo ist das Tor überhaupt hingekommen? Und haben wir dann Heimatpfleger gefragt und gibt es ganz, ganz wenig“, schätzen die Schüler*innen demgegenüber eher die persönliche Auseinandersetzung mit dem Denkmal als wichtige Lernerfahrung in dieser Kompetenzgruppe.
Kompetenzgruppe 2: Analysieren, Interpretieren, Einordnen – Potenzial des Ortes als (bau)kulturelles Erbe erkennen
Schüler*innen – In Bezug auf die „Analyse und Interpretation der Bedeutung eines Ortes“ benennen die Befragten das „Herstellen von Bezügen zu aktuellen Themen“ als besonders relevante Methode „weil das ist halt wichtig, um überhaupt zu analysieren, ob das Gebäude bedeutend ist, ob man das eben heute wieder benutzen kann“, begründet eine Jugendliche, die von ihr benannte Verknüpfung. Aber auch das „Zeichnen“ wird von den Befragten als praktische Methode genutzt, um einen Ort zu analysieren und zu interpretieren.
Der Kompetenzbereich „Ideen und Visionen entwickeln“ wurde von den Schüler*innen interessanterweise der Kompetenzgruppe 2 zugeordnet. So werden praktische Tätigkeiten wie das „rekonstruieren von Räumen, Gebäuden und Orten“, etwa durch Modellbau, von den Schüler*innen genutzt, um Ideen und Visionen für einen Ort zu entwickeln: „Also wir hatten eine Idee oder eine Vision im Kopf und die haben wir dann durch Modellbau entwickelt. Und dass auch unserem Partner beschrieben, wie das jetzt gemeint ist oder wie das jetzt funktionieren soll“.
Darüber hinaus erfordert die Auseinandersetzung mit einem Ort und einem Thema in der Gruppe für die Befragten eine Verbindung von „kritischem diskutieren und beurteilen“ durch die gemeinsame „Zusammenarbeit“, denn „wenn man eine Gruppenarbeit macht, muss man sich auch gegenseitig überzeugen. Das heißt, dass man sich mit dem Thema auseinandersetzen muss, das ganze kritisch diskutieren und auch analysieren.“
Lehrer*innen – Im Gegensatz zu den Schüler*innen gewichten die Lehrer*innen die Verknüpfungen zwischen relevanten Methoden und dem Erlernen bestimmter Kompetenzen der Gruppe 2 unterschiedlich. In Bezug auf das „Analysieren und Interpretieren der Bedeutungen eines Ortes“ benennen die Lehrer*innen das „Sammeln und Collagieren“ aber auch „Gespräche und Interviews mit Zeitzeug*innen, Expert*innen, Nutzer*innen“ als wesentliche methodische Fähigkeiten, die von den Schüler*innen angewandt und erlernt wurden, um sich die Bedeutungen eines Ortes zu erarbeiten und diese Analysen zu interpretieren. Über die Beschäftigung mit der Bedeutung eines Ortes kamen so bspw. auch verschiedene Generationen anhand persönlicher (Familien-)Geschichten ins Gespräch, so hält eine Lehrerin fest:
„Also bei uns war es so, dass über [die Kirche] die Generationen ins Gespräch kamen. Denn die Großeltern meiner Schüler kannten die Kirche oft noch als Kirche aus ihrer Jugend. Die haben dann zum Beispiel erzählt, da war früher eine mechanische Krippe aufgebaut an Weihnachten. Und an die konnten sich noch viele erinnern.“
Die erlernten methodischen Kompetenzen zur Analyse eines Ortes stellen für die befragten Lehrer*innen eine wesentliche Voraussetzung dar, damit die Schüler*innen die (historische) Relevanz eines Ortes einzuordnen lernen und darüber gleichzeitig Fähigkeiten der Wertschätzung für einen solchen Ort erlernen – dies war wiederum in den Aussagen der Schüler*innen ebenfalls erkennbar:
„[…] was mir auch noch wichtig ist bei diesem Analysieren […] zu erkennen: Welchen historischen Kontext hat denn das? Und welche Relevanz so ein Gebäude aufweisen kann, damit man das auch wertschätzen lernt. Also diese Wertschätzung, glaube ich, kommt einfach nur dadurch zustande, dass man ein gewisses Wissen über Zusammenhänge erwirbt.“
Zudem thematisieren die Lehrer*innen, dass die Schüler*innen über die analytische Auseinandersetzung mit einem Ort, gelernt haben, diesen einzuordnen und dabei „kritisch zu diskutieren und zu beurteilen“: Um was für eine Art von Ort es sich handelt, welche Funktion dieser historisch innehatte. In einem weiteren Schritt sollten die von den Schüler*innen herausgearbeiteten Bedeutungen und Interpretationen des Ortes zu einer „eigenen Fragestellung“ weiterentwickelt werden. Um eigene „Ideen und Visionen zu entwickeln“ wurden von den Schüler*innen verschiedene Methoden genutzt und erlernt wie die „Analyse von Planmaterial“, „Modellbau“, „Zeichnen“ oder „digitale Medien“: „Und der zweite Teil der Sache war, dass man […] zu einer Idee kommt. Und diese Idee wiederum visualisiert durch die unterschiedlichen Möglichkeiten, entweder durch Video, durch Modellbau oder Zeichnung.“
Kompetenzgruppe 3: Informieren, Präsentieren, Kommunizieren – Informationen über den Ort für die Öffentlichkeit erschließen und aufbereiten
Schüler*innen – Innerhalb der Kompetenzgruppe 3 benannten die Schüler*innen im Kompetenzbereich das „Potenzial der Analysen und ihr öffentliches Interesse bewerten“ die Verknüpfung „Ausstellungen“, als wesentliche methodische Umsetzung, aber auch „Führungen“ und „Digitale Medien“ wurden genannt. Diese waren hilfreich, um das öffentliche Interesse zu wecken, die Aufmerksamkeit auf einen vergessen Ort zu lenken, die Besucher*innen dazu anzuregen, sich mit diesem vergessenen Ort zu beschäftigen, aber auch um Feedback zu bekommen sowie die Meinung der Besucher*innen einzuholen. Eine Schülerin hält diesbezüglich fest: „Wir hatten eine Ausstellung und da geht man dann natürlich währenddessen rum und es werden einem Fragen gestellt und Leute geben Feedback und was sie noch vorschlagen würden. Und generell versucht man halt, die Ausstellung währenddessen immer noch besser zu machen.“
Um geeignete „Kommunikationsstrategien zu entwickeln“, „wenn man zum Beispiel einer breiten Masse, der Öffentlichkeit irgendwas vermitteln möchte“, war für die Befragten die gemeinsame „Zusammenarbeit“ und Diskussion eine relevante Arbeitstechnik, um bspw. „Führungen“ oder „Präsentationen“ zu entwickeln. Die Schüler*innen betonten ebenso die Bedeutung gemeinsamer Diskussionen bei der Entwicklung und Bewertung geeigneter Kommunikationsstrategien. Schließlich erlernten sie bspw. bei der Konzeption von „Führungen“ „wesentliche Aspekte herauszuarbeiten und auf den Punkt zu bringen“, so hält ein Befragter fest:
„Man kann zwar die ganze Geschichte Punkt für Punkt ab erzählen, aber man will ja die Zuschauer oder die Gäste nicht langweilen und da ist es wichtig, immer das Wichtige zuerst zu sagen, warum er zum Beispiel Anatomie oder Pulverturm heißt und jetzt nicht, dass er irgendwann mal ein bisschen abgebrannt ist.“
Lehrer*innen – Im Kompetenzbereich das „Potenzial der Analysen und ihr öffentliches Interesse bewerten“ benennen die Lehrer*innen die Verknüpfung „Ausstellungen“ und „Führungen“ ebenfalls als wesentliche methodische Umsetzung. „Die Vision, in die Öffentlichkeit zu gehen“ und das erarbeitete Wissen oder die neu gewonnenen Ergebnisse an einem Tag öffentlichkeitswirksam präsentieren zu können, stellten nach Ansicht der Lehrer*innen einen wesentlichen Motivationsfaktor für die methodische Umsetzung der Projektergebnisse dar. Die Schüler*innen wollen öffentliches Interesse wecken und bekamen am Tag der Präsentation der Projektergebnisse durchweg positives Feedback von den Besucher*innen. Dabei wählten sie unterschiedliche Formate wie bspw. raumbildende Interventionen, Lichtinstallationen, Führungen, Performances oder Ausstellungen, um den Ort zu transformieren siehe: Stephanie Reiterer „Jugend macht Denkmal: Erfahrungen aus dem Europäischen Kulturerbejahr 2018"; Kompetenzgruppe 4). Diese Wertschätzung nach außen stellt für die Lehrer*innen letztlich ein wichtiges Lernergebnis der Schüler*innen dar:
„Dieser offene Tag, diese Veranstaltung, wo die Bevölkerung kam, wo die Schüler Turmführungen gemacht haben. Und auch eine große Ausstellung gezeigt haben, auf der eben die ganzen Forscherergebnisse dokumentiert waren und eben die Bürgerbefragung. Auch, dass die Schüler gemerkt haben: ‚Das, was wir gemacht haben, das kommt nicht nur bei den Eltern und den Lehrerkollegen gut an‘.“
Der Präsentation der Projektergebnisse geht aber zunächst einmal „das Entwickeln von Kommunikationsstrategien“ voraus, dieses thematisieren die Lehrer*innen im Zusammenhang mit der methodischen Umsetzung von „Führungen“ und „Ausstellungen“. Bei der „Entwicklung von Kommunikationsstrategien“ erlernten die Schüler*innen einen Ort auch für das Publikum verständlich, nachvollziehbar und spürbar aufzubereiten, aber auch Inhaltliches zu vermitteln. Die Kompetenzbereiche „Kommunikationsstrategien entwickeln“, „wesentliche Aspekte herausarbeiten und auf den Punkt bringen“ und „einen interkulturellen Dialog führen“ werden von den Lehrer*innen ebenfalls mit „Führungen“ und „Ausstellungen“ als wesentliche Methoden verknüpft. So haben die Schüler*innen bspw. mittels „Führungen“ erlernt, die erarbeiteten Analysen und Informationen zu komprimieren und wesentliche Informationen über einen Ort verständlich aufzubereiten und in eine Führung zu packen. Dies deckt sich ebenfalls mit den Aussagen der Schüler*innen.
Kompetenzgruppe 4: Interagieren, Entwickeln, Gestalten – Den Ort aktiv aneignen, partizipativ gestalten und verändern
Schüler*innen – Innerhalb der Kompetenzgruppe „Interagieren, Entwickeln und Gestalten“ thematisieren die Schüler*innen, die Bedeutung des Einbringens von eigenen Ideen über die Auseinandersetzung und Beschäftigung mit einem Ort. So benennen sie im Kompetenzbereich „Ideen und Visionen entwickeln“, dass sie sich Gedanken dazu gemacht haben, welche Erwartungen sie an das eigene Projekt haben und dessen Anwendbarkeit auf andere Kontexte zu bewerten. Das Einbringen eigener Ideen, zum Beispiel um „in den Raum zu intervenieren, diesen zu verändern oder umzugestalten“ kann dabei eine ganz pragmatische Dimension haben: „[…] vielleicht hier eine Mauer raus, damit da ein größerer Raum ist“. Es ist für die Beteiligten aber auch eine Möglichkeit zu zeigen, dass ihnen der Ort wichtig ist und über die Veränderung und Umgestaltung eines Ortes, diese Wertschätzung für den Ort in die Öffentlichkeit zu tragen, beispielweise durch die Gestaltung einer Ausstellung vor Ort. Diese beschreibt eine Schülerin als Mittel der räumlichen Intervention: „[…], um zu zeigen, dass die Stadtkirche für uns sehr wichtig ist, dass auch andere Menschen dazukommen sollen“.
„Das Erstellen von Konzepten“ haben die Schüler*innen zum Beispiel in Verbindung mit „Modellbau“ genutzt, etwa um im Voraus zu planen, wie ein Modell aufgebaut sein und welche Elemente es enthalten soll. Im Bereich „am Ort intervenieren, bauen und inszenieren“ berichten die Schüler*innen von konkreter handwerklicher Arbeit am Modell, also das „Bauen und Inszenieren“. Eine Gruppe hat „einen Würfel gebaut und da war Modellbau als Präsentationsmodell ziemlich wichtig für uns“. Auch das „Räume und Gebäude ergänzen“ erfolgt durch handwerkliche Arbeit und mit den eigenen Händen: „[…] weil wir das selber auch hatten eben bei uns mit dieser Bar oder auch Bänken, die wir dann einfach aus dem übrig gebliebenen Holzlatten zusammengebaut haben“. Eine wichtige Methode, um diese raumergänzenden Objekte umzusetzen, stellten für die Schüler*innen die „Zusammenarbeit“ in der Gruppe oder mit externen Helfer*innen dar: „Und was auch wichtig ist, ist die Zusammenarbeit. Also einmal vom Bauen und auch wenn alle eine Idee haben, dass man das dann gut zusammen [bringen muss] und daraus was Gutes macht.“
Lehrer*innen – Im Bereich „Konzepte erstellen“ betonten die Lehrer*innen die Relevanz und die motivierende Wirkung des handwerklichen Tätigseins und der Arbeit mit den Händen. Dies wird sowohl im quantitativen als auch qualitativen Teil betont aber nicht als starke Verknüpfung explizit ausgewählt. Im Bereich des „Bauens und Inszenierens“ am Ort beurteilen die Lehrer*innen ebenfalls die konkrete bzw. handwerkliche Arbeit am Objekt selbst, erstens als besonders motivierend und zweitens auch als wichtigste Fachkompetenz, welche die Schüler*innen im Rahmen der Projekte erlernt haben:
„Vom Effekt her, von den Kompetenzen, die die Schüler sich erarbeitet haben, war einfach das Bauen und das Inszenieren, also das Handwerkliche zu kapieren: Was bedeutet Größe? Was bedeutet Gewicht? Was bedeutet Werkzeug? Und wie gut man damit einen Raum inszenieren kann und eine Party vorbereiten, die Ausstellung vorbereiten. Das ist das Wesentliche.“
Wir haben die Resultate unserer Gruppendiskussionen in dieser Grafik visualisiert (Abb. 3). Die Grafik zeigt die von den Schüler*innen erlernten Kompetenzen und Methoden innerhalb der unterschiedlichen Kompetenzgruppen an, die Stärke der Verbindungslinien visualisiert die Verknüpfungen zwischen den erlernten Kompetenzen und Methoden.
Erfahrungsbasiertes baukulturelles Lernen in LOST TRACES…
Betrachtet man nunmehr das Lernen in LT-Projekten aus einer pädagogischen Perspektive, ist erkennbar, dass das Lernen mit den erfahrungsbasierten Lernphasen (vgl. Kolb 1984) korrespondiert – das heißt, es ist vielen Projekten gelungen, jede Kompetenzgruppe durch eine Lernphase anzusprechen. Zugleich ist der Lernprozess ein iterativer (siehe Abb. 4). Es findet eine Verknüpfung von faktischem Wissen über Orte, Gebäude aber auch Geschichte mit individuellen Lernerfahrungen und persönlichen Eindrücken eines Ortes statt –dies kann z. B. auch bedeuten, dass die Kinder sich verstärkt mit individuellen Ansichten anderer Menschen auseinandersetzen. Dieser Lernprozess ist in den LT-Projekten potenziell handlungsorientiert und auf die Zukunft gerichtet. Das Ergebnis des Lernprozesses ist entweder ein physisch anfassbares Objekt/Modell/Performance oder Ausstellung, also ein Ergebnis, welches die Zukunft des Ortes verhandelt. Dies wird von den Schüler*innen sehr geschätzt: Die LT-Projekte ermöglichen einen Lernprozess mit Ergebnisorientierung und Produktorientierung.
Aus Qualitäten des Lernprozesses in LT-Projekten schöpfen
Hinsichtlich der Qualitäten in LT-Projekten können vor allem drei Aspekte hervorgehoben werden:
Persönlicher Perspektivwechsel
Eines der wichtigsten Ziele dieses Projekts war es, die Perspektive der Schüler*innen auf das, was ein Denkmal und ein kulturelles Erbe sind, zu verändern. Wie die Fragebogenergebnisse zeigen, sehen die Schüler*innen Denkmäler zumeist noch immer als Erinnerungsorte und Kunstwerke. Die qualitativen Interviews machen jedoch auch deutlich, dass es den Befragten gelungen ist, nicht nur die Geschichte eines Ortes zu erforschen, sondern auch einen persönlichen Zugang sowie neuen Blick auf die beforschten Orte zu erhalten und diese durch künstlerische Interventionen in Orte der Mitgestaltung zu verwandeln.
Nicht nur reden, sondern selber machen
Die Auswertung der Interviews verdeutlicht, dass die Schüler*innen es zu schätzen wussten, dass die Resultate aus den LT-Projekten physisch greifbar waren. Die Möglichkeit, Projektergebnisse eigenverantwortlich und auch in Teams zu initiieren, zu gestalten und zu produzieren, wurde sowohl von den Schüler*innen als auch von den Lehrer*innen positiv hervorgehoben. Praktische und handwerkliche Tätigkeiten wie bspw. Modellbau stellten in diesem Zusammenhang besonders starke Motivationsfaktoren dar, so konstatiert eine Lehrerin: „Wenn die irgendetwas wirklich machen und tun dürfen, wie die da engagiert hinterher sind. Und wie die das lieben, dass sie da auf einmal was machen dürfen, was anpacken dürfen, und nicht nur mit dem Stift auf dem Papier herumzeichnen müssen“.
An die Öffentlichkeit gehen
In den Gruppendiskussionen mit Lehrer*innen und Schüler*innen wurde darüber hinaus deutlich, wie wichtig es für Schüler*innen ist, ihre Ergebnisse und Projekte in die Öffentlichkeit zu tragen sowie öffentlich zu präsentieren. Dadurch erhalten sie ein öffentliches Feedback und letztlich Anerkennung für ihre Arbeit. Über positive öffentlichkeitswirksame Präsentationen wird den Kindern und Jugendlichen nicht nur Wertschätzung entgegengebracht, sondern sie erhöhen auch das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Dies ist ohne Zweifel bedeutsam für Selbstwirksamkeitserfahrungen.
Ausblick für ein Mehr an Beteiligung und Aushandlungsprozesse in Kulturerbe-Projekten
Kulturerbe-Projekte verbessern Lernprozesse, die Wertschätzung der lokalen Geschichte und Kultur sowie das heutige Verständnis von Denkmälern. In dieser Forschung wurden die Lernergebnisse von Schülern in LT-Projekten erhoben und ausgewertet, um Empfehlungen für die Weiterentwicklung von Lehrplänen und den projektorientierten Unterricht mit Denkmälern in Schulen zu entwickeln. Hier wird deutlich, dass LT-Projekte verschiedene Kompetenzen fördern. Die Ergebnisse geben Hinweise auf vielfältige individuelle Lernerfahrungen bei Kindern, Jugendlichen und Lehrer*innen. Sie zeigen auf, welche Lehrmethoden und -situationen besser als andere funktionierten und warum und wo die Schüler*innen vor Herausforderungen standen. Neben der als spannend wahrgenommenen inhaltlichen Fokussierung auf Denkmäler machten die Schüler*innen jedoch auch deutlich, dass sie im Allgemeinen alles, was „nicht klassischer Schulalltag ist“ als positive Abwechslung empfinden und damit verbunden in der Regel auch mehr Engagement zeigen. Die Schule als Lernort, die durch Machkonstellationen, sozialen Hierarchien und Interaktionsregeln geprägt wird (Böhme/Hermann 2011), wird durch die besonderen Charakteristika von LT-Projekten (u.a. Lehrmethoden, Werkzeuge und Materialien, Einbindung von Expert*innen) temporär aufgebrochen oder überlagert. Geschätzt werden von den Schüler*innen die Fähigkeiten, selbständig generationsübergreifende Teams zusammenzustellen, eigene Ideen einzubringen, direkt mit Expert*innen zu arbeiten, sich mit interessanten Themen vor Ort (an dem Ort des Untersuchungsgegenstandes) auseinanderzusetzen und sichtbare Ergebnisse zu produzieren. Hier zeigt sich, wie wertvoll multiprofessionelle Teams und die Nutzung außerschulischer Lernorte für die Unterrichtsgestaltung sein können. Auf diese Weise können auch Lehrmethoden und weniger standardisierte Lernwerkzeuge, die in der Architektur, Planung und anderen Disziplinen bekannt sind (z.B. Modellbau oder Archivarbeit), bestehende Lehr- und Lernroutinen und Lehrpläne in Schulen bereichern (aber möglicherweise auch überfordern) (vgl. Brković Dodig/Klepp/Million 2019). Auf letzteres weisen die von Schüler*innen und auch den Lehrer*innen erwähnten Herausforderungen hin. Zeitmanagement, neue Werkzeuge und Methoden können sowohl für Schüler*innen als auch Pädagog*innen herausfordernd sein. Diese Kritik muss nicht zwingend mit einem schlechten Zeitmanagement oder den angewandten Werkzeugen und Methoden in den LT-Projekten zusammenhängen, denn: Um sich mit diesen z.T. neuen Arbeitsweisen vertraut zu machen, brauchen die Lernenden ggf. einfach mehr Zeit. Bedeutsam ist auch das Mehr an Mitsprache und konkreter Beteiligung (in der Konzeption und Organisation der Projekte), welches durch Kinder und Jugendliche eingefordert wird. Dies könnte auch als starkes Interesse gewertet werden, selbst ihre Lernprozesse (mit-)gestalten zu können.
Die Studie verweist auch auf Bedeutungszuschreibungen der Schüler*innen in Bezug auf Denkmäler. Ziel der LT-Projekte war es, ihnen eine erweiterte Perspektive auf Denkmäler und das kulturelle Erbe zu vermitteln. Im engeren Sinne wurde dieses Ziel erreicht – insbesondere in Verbindung mit Fragen der Nachnutzung von Denkmälern, die Einbindung von Denkmälern in heutige Alltagspraxen sowie in der Auseinandersetzung mit Wissensträgern des kulturellen Erbes. Dennoch werden – wie eigens von den zitierten Schulforscher*innen auch eingefordert – heutige Interessenkonflikte und Deutungsstreitigkeiten, in denen Denkmalwerte eben nicht nur durch (Denkmalschutz-)Gesetze oder Traditionen existieren, sondern gesellschaftlich verhandelt werden, von den Schüler*innen weitaus weniger bis gar nicht angesprochen. Die befragten Teilnehmer*innen rekurrieren häufig auf einen eher engen und traditionellen Begriff von Denkmal und kulturellem Erbe in ihren Aussagen. Um diese Blickweise zu erweitern, sollten Folgeprojekte noch stärker Prozesse der Denkmalwertzuweisung und der Erbekonstruktion (Dolff-Bonekämper 2008) als gesellschaftliche und bisweilen auch konflikthafte Aushandlungsprozesse zwischen verschiedenen Akteur*innen in Regionen, Städten, Gemeinden und Nachbarschaften untersuchen und vermitteln. Dabei könnten Denkmäler und das kulturelle Erbe kleinerer Gruppen in den Fokus gerückt werden im Vergleich zu jenen mit regionaler, nationaler, globaler oder transkultureller Bedeutung und somit Schüler*innen mit ihren vielfältigen kulturellen Hintergründen noch stärker in ihren Alltagswelten abgeholt werden.