Changemanagement in Kultureinrichtungen: sozioK_change – ein Förderprogramm der Stiftung Niedersachsen
Abstract
In der Kultur besteht ein immenser Bedarf an Lösungsstrategien, um Kultureinrichtungen zukunftsfähig aufzustellen. Aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen sind auch die Kulturinstitutionen gefordert, ihre Anschlussfähigkeit in Bezug auf Digitalisierung, demografischen Wandel und zunehmende Diversität unserer Gesellschaft unter Beweis zu stellen. Fragen sind: Welche neuen Formate sind sinnvoll? Welche Zielgruppen sollen erreicht werden? Wie wird zeitgemäßes Social Media Marketing gesteuert? Wie können neue Mitglieder gewonnen oder die zunehmende Problematik zwischen Haupt- und Ehrenamt gelöst werden? Der Artikel zeigt die Möglichkeit für Kultureinrichtungen auf, sich mit Hilfe eines Organisationsentwicklungsprozesses den komplexen Herausforderungen zu stellen und individuelle Lösungsstrategien zu entwickeln. Ausgehend von den Erfahrungswerten mit 15 sich in Change-Prozessen befindenden Kultureinrichtungen werden Herausforderungen skizziert, Strategien aufgezeigt und praktische Tipps für Changemanagement gegeben. Der Schwerpunkt liegt auf den verwendeten Instrumenten und Erfolgsfaktoren, die zum Gelingen der Prozesse beigetragen haben.
Aktuelle Herausforderungen
Der rasante Wandel der Gesellschaft stellt auch Kultureinrichtungen vor neue Herausforderungen und erfordert zeitgemäße Antworten auf die drängenden Fragen in Bezug auf das Selbstverständnis, das Aufgabenspektrum und die Programmatik. Vor diesen Herausforderungen, die mit der Digitalisierung und dem demografischen Wandel einhergehen, stehen ebenfalls Einrichtungen der Kulturellen Bildung wie Jugendkunst- und Musikschulen ebenso wie Theater und Kulturvereine, Museen und Bibliotheken. Die Wandlungsfähigkeit der kulturellen Einrichtungen ist überlebenswichtig. Zu den außerschulischen kulturellen Bildungseinrichtungen gehören auch die soziokulturellen Zentren mit ihren umfassenden Angeboten für Kinder und Jugendliche und der Vermietung von Räumen.
Das Changemanagement bietet die Chance, mit der Unterstützung von Berater*innen neue Visionen und Strukturen zu entwickeln und Mitarbeiter*innen, Besucher*innen und Förderer gleichermaßen davon zu überzeugen. Ziel ist mit Hilfe der Organisationsentwicklung Probleme zu benennen und Lösungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Der Artikel basiert auf den Erfahrungen der Stiftung Niedersachsen aus dem Förderprogramm sozioK_change mit insgesamt 15 Kultureinrichtungen, die sich in Veränderungsprozessen befinden.
Exemplarisch wird anhand des Kulturzentrums Sumpfblume aufgezeigt, welche Herausforderungen zu Beginn bestanden und welche Lösungsstrategien entwickelt wurden, um die Einrichtung zukunftsfähig aufzustellen. Im Fokus stehen die verwendeten Instrumente sowie die Faktoren, die zum Gelingen der Prozesse beigetragen haben. Das hier skizzierte strategische und vor allem individuelle Vorgehen in Change-Prozessen ist für jede Art von Kultureinrichtungen sinnvoll und kann daher auf andere übertragen werden.
Notwendigkeit der Transformation
Gegenwärtig steht vielerorts ein Generationenwechsel unmittelbar bevor oder wurde bereits vollzogen. Genauso wie die erste Generation der Gründer*innen das Image und die Inhalte einer Einrichtung bestimmt haben, muss heute geschaut werden, was zeitgemäß ist. Wo bedarf es einer Anpassung an die Digitalisierung oder die Hinwendung zu neuen Zielgruppen? Wieviel Social Media Marketing ist notwendig und wie gestaltet sich das Verhältnis von Haupt- und Ehrenamt heute? Das sind i.d.R. die Themen, mit denen Kulturinstitutionen in einen Change-Prozess starten. Allerdings tauchen im Prozess häufig neue Fragen auf, die im Verborgenen schlummern und bisher nicht thematisiert wurden. Dazu zählen die Überprüfung des eigenen Selbstverständnisses sowie der Struktur des Hauses, die Klärung der Zuständigkeiten und Fragen der Teamentwicklung. Bevor etwas inhaltlich Neues entwickelt werden kann, muss erfahrungsgemäß das Fundament einer Institution stabilisiert werden.
Förderprogramm sozioK_change der Stiftung Niedersachsen
Um den Kulturinstitutionen in freier Trägerschaft wie der Soziokultur, den Theaterpädagogischen Zentren oder teils ehrenamtlich getragenen Initiativen in ländlichen Räumen diese Neustrukturierung zu ermöglichen und den anstehenden Generationenwechsel zu begleiten, hat die Stiftung Niedersachsen das Förderprogramm sozioK_change aufgelegt. Seit 2016 werden stufenweise 15 Kulturinstitutionen darin begleitet, sich zukunftsfähig aufzustellen. Sie begeben sich in einen dreijährigen Change-Prozess, werden von unabhängigen, externen Berater*innen gecoacht, erhalten 25.000 € sowie Fortbildungen und Austauschmöglichkeiten.
Soziokulturelle Zentren oder ehrenamtlich getragene Kulturinitiativen in ländlichen Räumen sind mit ihren vielfältigen Angeboten Zentren der Kultur und der Kulturvermittlung. Sie fungieren als „Dritte Orte“ (vgl. Dritte Orte NRW), als Orte der Auseinandersetzung und der Selbstvergewisserung. Das Gros der Einrichtungen wurde in den 1970er und 1980er Jahren gegründet und hat sich etabliert. Die Einrichtungen haben sich zu einer tragenden Säule der lokalen Kulturlandschaft entwickelt, übernehmen teils kommunale Aufgaben und stellen ein niedrigschwelliges Angebot für eine breite Bevölkerung zur Verfügung. In ländlichen Räumen übernehmen sie die kulturelle Grundversorgung und zählen oft zu den wenigen Anbietern vor Ort. Ein Generationenwechsel steht in vielen Einrichtungen entweder unmittelbar bevor oder wurde bereits vollzogen. Dieses Phänomen betrifft genauso die hauptamtlich Beschäftigten urbaner Kulturzentren ebenso wie ehrenamtliche Vorstände und Mitglieder von Vereinen. Der Wechsel in der Leitung geht häufig einher mit einer Neuaufstellung der Institution. Tradiertes wird in Frage gestellt: von den Strukturen über die Inhalte bis hin zum Selbstverständnis. Ein Veränderungsprozess beginnt: Hier setzt das sozioK_change-Programm der Stiftung Niedersachsen mit Coaching und finanzieller Unterstützung an.
Was bedeutet Change?
Changemanagement ist eine Methode zum proaktiven Umgang mit dem Wandel. Notwendige Veränderungen sollen durch den Einsatz von Changemanagement besser planbar und damit erfolgreicher zu realisieren sein. Anfangs definiert die Institution ihre Probleme und die daraus resultierenden Ziele, entwickelt Visionen und Lösungsstrategien und setzt diese anhand eines definierten „Fahrplanes“ um. Change ist ein dauerhaftes und planmäßiges Vorgehen, bei dem die Ziele und Strategien regelmäßig überprüft werden, Umwege, Abzweigungen oder neue Wege dazu kommen können und flexibel auf Bedarfe reagiert wird. Die Ergebnisse werden in den Alltag implementiert. Ein Ziel ist, durch gemeinsames Arbeiten eine größtmögliche Akzeptanz bei den Mitarbeiter*innen zu erreichen.
Beispiel: Die Sumpfblume in Hameln stellt sich dem Erneuerungsprozess
Mit der Kampagne „...früher war alles besser“ nahm das Kulturzentrum Sumpfblume e.V. aus Hameln spielerisch den Kampf gegen verkrustete Strukturen und eine zunehmende Überalterung des Publikums auf. Das soziokulturelle Zentrum hat es in wenigen Jahren geschafft, sein Image zu verändern und auch wieder ein jüngeres Publikum anzusprechen. Doch bis dahin war es ein langer, steiniger Weg!
Mit Linda Meier übernahm 2015 eine junge Kulturwissenschaftlerin der Generation Y die Leitung der Sumpfblume. Sie startete mit Hilfe der Stiftung Niedersachsen den Change-Prozess. Auf einer zweitägigen Strategietagung wurde zunächst mit dem gesamten Team die Ausgangslage analysiert, die kommenden Herausforderungen skizziert und erste Handlungsstrategien entwickelt. Zu den benutzten Instrumenten gehörten neben einer SWOT-Analyse (Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analyse) auch die Entwicklung eines Leitbildes und eines Kommunikationskonzeptes. Fragen nach dem Selbstverständnis und der zukünftigen Ausrichtung der Sumpfblume standen im Vordergrund. Dazu gehörten grundsätzliche, inhaltliche Fragen nach einem zeitgemäßen Programm und einer modernen Außendarstellung, nach der Ansprache junger Zielgruppen bei gleichzeitiger Bindung des bisherigen Publikums und nach mehr Beteiligungsformaten mit den Bürger*innen. Aber auch interne Prozesse und die Frage nach guten Arbeitsstrukturen, in denen alle zufrieden arbeiten und sich einbringen können, wurden thematisiert. Als dritter Komplex stand die Überprüfung der Rechtsform und die strukturelle Unterfinanzierung des gesamten Zentrums auf der Tagesordnung. Hochmotiviert startete das Team nach dieser Strategietagung mit dem Ziel, der Sumpfblume ein neues, gut sichtbares Profil zu geben.
Methoden und Instrumente
Diese Form der Analyse und Klärung der anstehenden Fragestellungen in Form von Strategietagungen oder Zukunftswerkstätten hat sich in dem Programm sozioK_change in allen Fällen bewährt. Wichtig ist, alle Mitarbeiter*innen sowie alle Entscheidungsgremien wie z.B. den Vorstand bei Vereinen mit einzubeziehen und genügend Zeit einzuplanen. Ein Wechsel in der Leitung ist nicht nur mit neuen Aufgaben für die Geschäftsleitung verbunden, sondern ebenfalls mit diversen Ängsten bei den Mitarbeiter*innen. Grundlegende Fragen nach der Identität einer Organisation aber auch die allgemeine Aussicht auf Veränderungen erzeugen Angst und Verunsicherung. Diese Ängste ernst zu nehmen und zu kanalisieren, Fragen zu klären und möglichst mit allen eine gemeinsame Zukunft zu skizzieren, sind Grundvoraussetzungen für das Gelingen eines Change-Prozesses. Im Leitbild-Prozess können Tradition und Zukunft miteinander verbunden und die angestrebte Identität definiert werden: Das erleichtert die Orientierung und schafft Handlungssicherheit. Außerdem werden im Zuge der Leitbildentwicklung die unterschiedlichen Sichtweisen im Team deutlich. Diese Auseinandersetzungen sind notwendig, damit letztendlich alle eine gemeinsame Vorstellung von der Zukunft haben. Die Leitbildentwicklung bringt einerseits häufig die gewünschte Orientierung und Einigkeit, kann andererseits auch zu Verwerfungen und Kündigungen führen. Dies geschieht, wenn der Dissens zu groß ist und die neue Ausrichtung von einigen im Team nicht mitgetragen werden kann. Die entsprechenden Mitarbeiter*innen verabschieden sich und die freien Stellen müssen neu besetzt werden. Mit solchen Konsequenzen muss in Veränderungsprozessen zumindest gerechnet werden.
Bei der Sumpfblume beinhaltete das Leitbild u.a. mutiger, politischer und offener zu sein, nachhaltig zu agieren und neue Dinge auszuprobieren. So wurden neue Formate und Inhalte erprobt, politische Aktionen geplant, Nachhaltigkeit in der Gastronomie umgesetzt und die Netzwerke weiter geknüpft. Um die Sumpfblume wieder attraktiv für ein jüngeres Publikum zu machen, wurde u.a. bekannten DJs aus der Umgebung angeboten, ihre Partys als Eigenveranstaltung in der Sumpfblume zu feiern. Diese kommunizieren über ihre eigenen Social Media Kanäle und bringen ihr Publikum mit: Dem zugrunde lag, dass laut Studien Jugendliche fast ausschließlich über Multiplikator*innen und ihre direkten Netzwerke und nicht über Werbung erreichbar sind. Mit der Einbindung des DJs als Multiplikator wurde ein Weg gefunden, den Jugendlichen eine attraktive Plattform zu bieten und die Sumpfblume wieder als Ort der Jugendkultur zu etablieren. Wenn dieser Schritt der selbstverständlichen Nutzung durch Jugendliche erst einmal erreicht ist, schließen sich fast automatisch weitere Projekte und Anfragen an. Angebote an Ferienprogrammen, Bildungsprojekten und Wochenend-Workshops werden wieder nachgefragt und angenommen. Einiges hat funktioniert und existiert bis heute, anderes ist wieder verworfen worden. Allerdings hat das Team zunehmend Freude an den neuen Entwicklungen gefunden, sich immer mehr zugetraut und bei einem Scheitern nicht kapituliert, sondern das Nächste ausprobiert. Scheitern gehört seitdem zum Lernkonzept dazu.
In Zusammenarbeit mit der Universität Hildesheim setzte sich das Team der Sumpfblume mit dem Thema Audience Development (siehe Birgit Mandel „Kulturvermittlung, Kulturmanagement und Audience Development als Strategien für Kulturelle Bildung“) auseinander. Außerdem wurde eine Nichtbesucher*innen-Umfrage (siehe Thomas Renz „Nicht-BesucherInnen öffentlich geförderter Kulturveranstaltungen. Der Forschungsstand zur kulturellen Teilhabe in Deutschland“) durchgeführt. Diese Befragung in Hameln führte zu neuen Formaten und Themensetzungen: So waren Themen wie Gesundheitssport, gesunde Ernährung und modernes Kochen noch unterrepräsentiert. Immer wichtiger wird laut der Umfrage der Faktor des „Socialising“, also der Geselligkeit, des Kontakteknüpfens und die Verbindung von ansprechender Gastronomie mit kulturellen Angeboten.
Erkenntnisse und Erfahrungen: Vom Veranstalter zum Dienstleister
Die Nutzer*innen bzw. das Publikum zu fragen, was für sie relevant ist, ist für eine Organisation, die sich seit 30 Jahren ausschließlich als Veranstalter verstanden hat, eine massive Herausforderung: Dies ist ein grundlegender Perspektivwechsel vom Veranstalter zum Dienstleister. Allerdings ist dieser Schritt vielerorts notwendig und erfolgsversprechend. Das gilt gleichermaßen für Institutionen der Kulturellen Bildung, für Stadtteilzentren und kleine Kulturinstitutionen in ländlichen Räumen. Die Erkenntnisse aus den Besucher*innen-Befragungen bedeuten jedoch nicht, dass nur eventorientierte Angebote erfolgreich sind. Ein Fazit des Arts Council England nach der Befragung aller beteiligten Kulturinstitutionen und Künstler*innen war: „Eines der beeindruckenden Ergebnisse des New-Audience-Programms besteht darin, dass Institutionen, die ihrem Publikum vertrauen, es verstehen und wertschätzen, zugleich auch kraftvolle und qualitativ hochwertige Kulturprogramme erstellen und dadurch erfolgreich sind” (Hewitt 2003:4).
Gelingensbedingungen in Change-Prozessen
„Hätte mir anfangs jemand gesagt, wie beschwerlich und lang dieser Weg sein würde, wäre ich entweder gar nicht erst losgegangen oder ich hätte ihm nicht geglaubt!“, so das Fazit einiger Geschäftsführerinnen nach erfolgreich absolviertem Change-Prozess.
Einrichtungen, die sich im Rahmen des Programms sozioK-change auf den Weg gemacht haben, berichten von vielen unvorhergesehenen Dingen, welche den Change-Prozess begleiten: Höhen und Tiefen, Fort- und Rückschritte, Stagnation und Frustration aber auch Glück und Stolz über das Erreichte. Der Verlauf der Prozesse ist i.d.R. nicht linear. Selbst wenn die Handlungsstrategien professionell geplant werden, ergeben sich fortwährend neue Herausforderungen, die eine stetige Anpassung der Strategien erfordern. Diese aufkommenden prozessimmanenten Themen sollten nicht ignoriert, sondern vordergründig bearbeitet werden. Dazu gehören z.B. die Neubesetzung von Stellen oder massive interne oder externe Widerstände. Der Harvard-Professor und Buchautor John P. Kotter hat in den 1990er Jahren Veränderungsprojekte untersucht und festgestellt, dass 70 Prozent von ihnen scheitern: Die Ursachen liegen meist in der fehlenden Akzeptanz und mangelnder Einbindung der Mitarbeiter*innen. Die Erkenntnisse des Förderprogrammes sozioK_change zeigen allerdings: Es gibt im Changemanagement Faktoren, deren konsequente Berücksichtigung die Erfolgschancen wesentlich erhöhen. Dazu gehören die folgenden Gelingensbedingungen:
- Ein Change-Prozess muss von allen wichtigen Entscheidungsträger*innen gewollt und unterstützt werden. Nur wenn die Leitungsebene geschlossen hinter dem Veränderungsprozess steht, kann ausreichend Kraft für die Veränderungen entfaltet werden.
- Es sollte genügend zusätzliche Zeit und Raum eingeplant werden. Ein Change-Prozess benötigt zusätzliche zeitliche Kapazitäten und ist i.d.R. im normalen Arbeitsalltag nicht abbildbar. Ansonsten führt die zusätzliche Belastung schnell zu einer Überforderung und somit zu einer Ablehnung des Change-Prozesses. Aus systemischer Perspektive betrachtet, haben soziale Systeme die Tendenz, sich zunehmend zu destabilisieren, wenn die Anforderungen von außen steigen und es keine ausreichende Gelegenheit zur Integration des Neuen gibt.
- Sind alle Probleme benannt? Sind diese formuliert und für alle klar? Gibt es ein Ranking, in welcher zeitlichen Reihenfolge was bearbeitet werden soll? Auch hier gilt: Nicht zu viele Baustellen gleichzeitig aufmachen, sondern realistisch einschätzen, was in welchem Zeitraum leistbar ist.
- Gibt es klare Zuständigkeiten? Wer ist wofür verantwortlich? Wer kontrolliert die Ergebnisse und treibt den Prozess bzw. Teile davon voran? Was geschieht, wenn der Prozess stagniert oder Beschlüsse nicht umgesetzt werden? Eine der größten Schwierigkeiten ist, die erarbeiteten Beschlüsse in den Arbeitsalltag zu implementieren und nicht wieder in die alten Muster zurück zu fallen. Daher sollte dieser Schritt immer wieder überprüft werden.
- Sind die Ziele spezifisch, messbar, erreichbar und realistisch formuliert und terminiert? Es reicht z.B. nicht aus, das Image einer Institution verjüngen zu wollen, sondern es braucht klare messbare Kriterien, woran dieser Imagewechsel erkennbar wird wie neue Angebote für Kinder und Jugendliche, die Nutzung von Facebook und Instagram oder der Aufbau von Netzwerken.
- Gute Changemanager*innen sind sich sehr bewusst, dass vor allem die Menschen überzeugt werden müssen, diesen neuen Weg zu gehen. Neben all den strategischen Planungen und Implementierungen ist daher der wichtigste Faktor, alle Beteiligten mit auf die Reise zu nehmen, damit die Neuerungen auch wirklich gelebt werden. Wer diesen Punkt beherzigt und in guter Kommunikation mit seinem Team arbeitet, hat schon halb gewonnen.
- Gesorgt werden sollte für „quick wins“, also schnelle, im Arbeitsalltag sichtbare Ergebnisse. Nichts ist frustrierender, als wenn das Team das Gefühl bekommt, die Dinge, die im Change-Prozess bearbeitet worden sind, kommen nicht voran.
Changemanagement ist anspruchsvoll, da es alle Mitarbeiter*innen auf mehreren Ebenen fordert. Hierzu gehören sowohl die Sach-, Beziehungs- und Prozessebene als auch die Personen- und Organisationsebene. Es geht im Change-Prozess immer die Entwicklung der Menschen, um ihre Haltungen und Überzeugungen. Alle müssen die gewünschten Veränderungen (nach) vollziehen, Neues erlernen, manchmal Liebgewonnenes über Bord werfen und Risiken eingehen. Die Prozesse gelingen immer dann besonders gut, wenn die Mitarbeiter*innen ernst genommen und wertgeschätzt, wenn Verbesserungsvorschläge und neue Ideen sowie Kritik angenommen werden. Die Beteiligung des Teams am Prozess und die Entwicklung gemeinsamer Lösungen erhöht nicht nur die Akzeptanz für die Erneuerungen, sondern führt dauerhaft zum Erfolg (vgl. Laloux 2015).
Übertragbarkeit der Erfahrungen des Förderprogrammes sozioK_change auf andere Kultureinrichtungen
Vor den anfangs skizzierten Herausforderungen in Bezug auf den Generationenwechsel, die Digitalisierung und die Zukunftsfähigkeit stehen bundesweit viele Einrichtungen der Kulturellen Bildung wie Jugendkunst- und Musikschulen genauso wie Theater, Orchester, Museen, Bibliotheken, Kunstvereine und Kulturzentren. Das Förderprogramm sozioK_change ist durch die individuelle Gestaltung der Prozesse, die Unterstützung durch unabhängige Berater*innen sowie den gezielten Austausch aller Beteiligten auf andere Institutionen übertragbar. Wichtig ist jedoch, jeweils maßgeschneiderte Lösungen für die Einrichtung zu finden. Das Programm sozioK_change bietet und generiert keine Patentrezepte: Jede Organisation ist einzigartig und braucht ihre eigenen Lösungsstrategien, flexible zeitliche Abläufe und kreativen Input. Jede Organisation hat ihre eigene DNA und diese gilt es zu berücksichtigen.
Voneinander Lernen
Der Austausch der beteiligten Kultureinrichtungen, der innerhalb des sozioK_change-Programms organisiert wurde, hat sich bewährt: Das Themenspektrum reichte von interessanten neuen Formaten und Projekten über Tipps zur Mitgliedergewinnung oder Gründung einer gGmbH bis hin zu „gemeinsam getragenem Leid“ oder einem Update über neueste Softwareentwicklungen. Die Akteure wurden selbst zu Expert*innen im Change und profitierten wiederum von den Erfahrungen der anderen. Die externen Berater*innen, die einerseits unterstützen und moderieren und andererseits den Finger in die Wunde legen, den Spiegel vorhalten oder blinde Flecken thematisieren, sind ebenfalls eine unerlässliche Hilfe. Ohne diese Unterstützung und den „Blick von außen“ wären viele Prozesse nicht gelungen. Allerdings gilt es zu beachten: Change braucht agile Strukturen. Diese sind in der Soziokultur strukturell immanent verankert: Es gibt ein ausgeprägtes demokratisches Bewusstsein und flache Hierarchien.
Fazit
Für viele soziokulturelle Einrichtungen war der Aufbau einer stabilen und zukunftsfähigen Organisationstruktur der erste wichtige Schritt. Zeitgleich wurde das Corporate Design überarbeitet, neue Technik implementiert, Projekte entwickelt, Besucher*innen-Umfragen durchgeführt oder neue Netzwerke geknüpft. Gespräche mit der Kommune führten im besten Fall zu Mittelerhöhungen und einige über die Jahre gewachsene Institutionen änderten ihre Rechtsform vom Verein in eine gGmbH. In fast allen Einrichtungen führte der Change-Prozess zu einer Öffnung und teils auch Verjüngung der Institutionen. Entweder in Form von neuen Angeboten für Zielgruppen wie Jugendlichen, Familien, aber auch für Rentner*innen oder in Form der Gewinnung neuer Mitglieder. Der Anspruch auf mehr Teilhabe wird wieder stärker gelebt, partizipative Projekte initiiert und die Bürger*innen zunehmend beteiligt. Der frische Wind, der die Einrichtungen im Change-Prozess durchgepustet und manchmal auch durchgerüttelt hat, hat einiges erneuert, Altbewährtes erhalten und ein solides Fundament aufgebaut, sodass die Kultureinrichtungen gestärkt in die Zukunft gehen.