Das Bildungskonzept – ein Grundpfeiler musealer Arbeit
Konzepte für Museen, Ausstellungen, zur Sammlungs-, Kommunikations- und Marketingstrategie sind vertraute Instrumente (z.B. Deutscher Museumsbund (DMB) 2011a; DMB 2011b:21f.), in denen strategische, kurz-, mittel- und langfristige Ziele, Inhalte und Themen, zeitliche und organisatorische Abläufe abgesteckt und damit Entscheidungshilfen und Handlungsanweisungen für alle MitarbeiterInnen eines Museums beschrieben werden.
Konzepte der Bildungs- und Vermittlungsarbeit, die das Verständnis des Museums zu seinem Bildungsauftrag, die Bildungsziele des Museums erläutern und seine vorrangigen Zielgruppen benennen, sind dagegen immer noch selten anzutreffen. Vor allem englische MuseumsexpertInnen haben sich mit diesem Thema beschäftigt (Hooper-Greenhill 1991; Wilkinson 1999; Talboys 2000), während in Deutschland übergeordnete Bildungskonzepte und damit verbundene Qualitätsfragen vor allem im Feld der Kulturellen Bildung diskutiert und entwickelt wurden (fsjkultur 2016; BKJ 2016). In publizierten Museumsleitbildern finden sich hin und wieder kurze Statements, dass die Vermittlungsaufgabe des Museums ein wichtiges Leitziel sei (z.B. Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Leitbild; Museumslandschaft Hessen Kassel, Mission Statement), eigene Positionspapiere zum Verständnis des Bildungsauftrags mögen intern existieren, sind aber nur selten auch publiziert.
Was ist ein Bildungskonzept?
In einem Bildungskonzept liefert das Museum wichtige Eckdaten zum Selbstverständnis seiner Einrichtung im Hinblick auf seine Bildungsaufgaben, zur Stellung der Bildungsabteilung innerhalb des gesamten Hauses und zu deren Tätigkeitsfeldern, eine Festlegung der Bildungsziele und der sich daraus entwickelnden Maßnahmen. Ein schriftliches Bildungskonzept macht seinen Inhalt transparent, trägt ihn nach außen und macht ihn damit überprüfbar (und ggf. auch einforderbar). Das in Absprache mit der Museumsleitung erstellte Bildungskonzept ist ein hilfreiches Instrument für das museumspädagogische Personal, aber auch für MitarbeiterInnen aus anderen Museumsabteilungen zur besseren, weil zielgerichteteren Arbeit. BesucherInnen und externe Kooperationspartner erfahren aus dem pädagogischen Grundsatzpapier, welches Bildungsverständnis, welche Einstellung zum Besucher und zur pädagogischen Arbeitsweise die Kultureinrichtung hat. Gegenüber der Öffentlichkeit, dem Museumsträger und den politisch Verantwortlichen werden damit wichtige Argumente zu kulturpolitischer Relevanz und gesellschaftlichem Stellenwert des Museums geliefert.
Eine Vielfalt von Begriffen findet sich in veröffentlichten und internen Papieren: Mission Statement der Museumspädagogik, Zielvereinbarung, Education Policy, museumspädagogisches Leitbild oder pädagogische Rahmenkonzeption. Das Spektrum reicht von pädagogischen Leitlinien für kulturelle Einrichtungen einer ganzen Stadt (z.B. München, Kulturreferat 2009/2010), zu Rahmenvorstellungen für große Organisationen (z.B. Deutscher Alpenverein 2015; Klassik Stiftung Weimar 2015), bis hin zu museumspädagogischen Konzeptionen von Museen (z.B. Museumsstiftung Post und Telekommunikation 2005).
Warum ein Bildungskonzept?
Ansprüche und Erwartungen der BesucherInnen an Museen steigen ständig und damit die Anforderungen (auch von der Museumsleitung), noch mehr Programme und Formate zu entwickeln. Angebote für unterschiedlichste Zielgruppen und Veranstaltungen zu historischen Jubiläen und gesellschaftlichen Anlässen schießen aus der Erde. Der Druck von Außen, von Seiten des Trägers, der Museumsleitung und von der Gesellschaft wächst, lässt das Hamsterrad immer schneller drehen und führt schließlich zu einem steigenden Aktionismus.
Dem gegenüber stehen die begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen eines jeden Hauses. Nicht jedes Museum kann alle BesucherInnenschichten gleichermaßen qualitätvoll „bedienen“ und muss folglich überlegen, welche Ziele und welche Zielgruppen für das eigene Haus vorrangig Priorität haben und welche erst langfristig bei veränderten Rahmenbedingungen angemessen umzusetzen und anzusprechen sind: Was ist mit dem vorhandenen Personal realisierbar?
Einerseits zeigt ein Bildungskonzept den MitarbeiterInnen das pädagogische Fundament, auf dem sie agieren und das die Basis ihrer Arbeit darstellt. Es macht damit das Selbstverständnis des Museums deutlich und wie es seinen Bildungsauftrag versteht. Andererseits ist es ein hilfreiches Management-Instrument: Es steckt den Handlungsrahmen für alle(!) MuseumsmitarbeiterInnen ab. Damit kann es das Serviceangebot verbessern, weil es die museale und insbesondere die pädagogische Arbeit und die Prioritäten für die NutzerInnen transparent macht. Ein pädagogisches Rahmenkonzept stärkt somit Profil und Alleinstellungsmerkmal eines jeden Museums und liefert wichtige Argumente für seine gesellschaftspolitische Relevanz (Hooper-Greenhilll 1991:8).
Was beinhaltet ein Bildungskonzept?
Das Verständnis des Museums von Bildung als Zugang zur Teilhabe, seine Sicht von Kultur als Lebensweise, von Leitsätzen und Wirkungszielen sind wesentlicher Bestandteil des Bildungskonzepts. Es beinhaltet darüber hinaus eine Beschreibung, wie das Museum pädagogisch arbeitet, ob ganzheitlich, teilnehmer- und lebensweltorientiert, partizipativ, reflexiv, tolerant und/oder prozessorientiert. Es hält fest, welches Menschenbild der Bildungsarbeit des Museums zugrunde liegt, benennt kurz-, mittel- und langfristige Ziele und Prioritäten seiner pädagogischen Arbeit und unterstützt damit bei Entscheidungsprozessen.
Das Bildungskonzept beschreibt die Aufgaben der Bildungsabteilung bzw. des museumspädagogischen Referenten innerhalb des Museums, z.B. die Mitarbeit bei Ausstellungsplanungen im Hinblick auf Besucherorientierung und Verständlichkeit, die Konzeption neuer Bildungsangebote, die Koordinierung externer (freiberuflicher oder ehrenamtlicher) MitarbeiterInnen.
Das Bildungskonzept nennt jene BesucherInnengruppen, die das Museum vorrangig und langfristig erreichen will, vorhandene und anzustrebende Kooperationen und Netzwerke mit anderen Bildungseinrichtungen oder gesellschaftlichen Gruppen. Es beschreibt die vorhandenen und anzustrebenden personellen und finanziellen Ressourcen und wie diese Ziele erreicht und gehalten werden sollen und mit welchen Instrumenten eine Qualitätssicherung umgesetzt werden kann.
Natürlich entwickelt jedes Museum sein ganz eigenes, spezifisches Bildungskonzept, seine eigene Education Policy. Anregende Impulse geben die Qualitätskriterien der Bildungs- und Vermittlungsarbeit des Deutschen Museumsbundes (DMB) und des Bundesverbandes Museumspädagogik (BVMP) (DMB/BVMP 2010).
Wie erstellt man ein Bildungskonzept?
Jedes Museum wird sein eigenes Bildungskonzept erarbeiten. Je nach Museumsgattung, nach Sammlungsspezifik wird es sein eigenes Besucherprofil suchen und unterschiedliche Besuchertypen an das jeweilige Haus binden wollen. Es muss Prämissen für die Bildungsarbeit im Haus definieren, Werte und Grundlagen kultureller Bildungsarbeit festlegen und dabei acht Schritte beachten:
Analyse des Museums mit Sammlungsschwerpunkten, Organisationsstrukturen und den personellen und finanziellen Rahmenbedingungen,
Festlegung der übergeordneten Bildungsinhalte,
Bestimmung und Prioritätensetzung der Zielgruppen,
Analyse und Festsetzung des Methodeneinsatzes,
Festlegung der Programme, Reihen und Veranstaltungsformate,
Analyse des orts- und regionalspezifischen Umfelds hinsichtlich möglicher Kooperationspartner,
Profilsetzung im Vergleich zu benachbarten Museen und schließlich
Benennung der Instrumente einer langfristigen Qualitätssicherung der museumspädagogischen Angebote.
Fazit
Grundsätzliche Ziele aus dem Museumsleitbild werden stets auch Bestandteil des museumspädagogischen Bildungskonzepts sein. So sollte das Bildungskonzept in Absprache mit der Museumsleitung entwickelt und in Kraft gesetzt werden. Es ist kein starres Positionspapier, sondern reagiert auf gesellschaftliche und auf museumsinterne Veränderungen, daher ist es regelmäßig zu überprüfen und an neu auftretende Anforderungen anzupassen.
Damit lässt sich konstatieren, ein schriftlich fixiertes Bildungskonzept ist eine notwendige Grundlage für eine effektive und qualitätsvolle Bildungsarbeit im Museum. In der Praxis fehlt oftmals – wie oben genannt – ein ausgearbeitetes Bildungspapier, obwohl grundlegende Bildungs-, Ziel-, und Wertevorstellungen in den Köpfen der museumspädagogischen ExpertInnen in der Regel vorhanden sind und sie danach auch agieren. Als geschriebenes pädagogisches Leitbild stellt es jedoch eine ganz andere Verbindlichkeit für alle Akteure im Museum her. Auf jeden Fall trägt ein Bildungskonzept zur Professionalisierung und Verbesserung der Qualität dieses musealen Arbeitsfeldes bei. Es ist eine hilfreiche Grundlage für die Umsetzung der unterschiedlichen Teilaufgaben im Bildungsbereich, bei der Entwicklung einzelner Veranstaltungen, bei strategischen Entscheidungen und damit grundlegend bei der Erfüllung des Bildungsauftrags eines jeden Museums.